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buchstäblich seyn, um ihren Charakter wieder zu geben. Ich bin davon nur in folgenden Fällen abgegangen. Die Handschrift hat aü, eü für au. Die Schreibung ü für u wurde gebräuchlich, als die Schrift von der Fraktur in die Current übergieng, denn in dieser waren die Buchstaben u und n gleich, man mußte also das u durch Striche vom n unterscheiden. Zwei Striche auf dem u bezeichnen aber bei uns den Umlaut, also mußte ich sie im Abdruck weglassen, um die Lautverhältnisse nicht zu verwirren. Diese Vorsicht gilt namentlich für das sechzehnte Jahrhundert.

Die Reime beweisen, daß die Abfassung nicht älter ist, als die Jahrzahl am Ende des Stückes 1494. Denn finden: erbinden 16. füffen: schliessen 175. sünder: kinder 330. güte: hietten 390. gebieten: behieten 398. Christ: brist 27., diese Gleichstellung des i und ü gehört jener Zeit an. Ferner find verdorbene Reime der Mundart, gebott: solt (für sott) 77. erlaubet: aubet 114. thon: schon 135. schwestern: ergen 315. komen: samen (l. somen) 72. während 65. 368 richtig kumen: sumen steht. Ungenaue Schreibungen wie mer: we 30. gleich: mich 25. herre: er 51. haut: stat 205. leib: wyb 208. zwar: vor 395. u. f. w. kommen nicht in Betracht.

Mit andern Gedichten des vierzehnten Jahrhunderts hat das Stück folgende Freiheiten gemein. Reime der Kehl- und Lippenlaute, vérsagen: vergraben 44. gestorben: verborgen 98. tragen: begraben 150. gehaben: tragen 248. tag: ab 400. Sterben: Mergen 479. sage: grabe 364. Kehl- und Zahnlaute, leng: hend 131. fehlendes t im Auslaut, tüst: grus 74. magt: sag 300. fehlendes n, wunden: stunde 230. Reime des e (ursprünglich æ) auf e, herr: mer 108. 111. 80. Der erste oder zweite Vokal eines Doppellauts reimt auf einfachen Laut, schin: stein 93. miltikait: het 326. sin: rain 490. gutten: teten 384. Lange und kurze Vokale reimen, man: verstan 70. stat: rat 264. Reime der Ableitsylben, sicherlich: inniclich 304. begerung: erlesung 324.

Ob der Verfasser einen älteren Tert vor sich hatte, kann aus Obigem nicht geschlossen werden, auch kommen keine andern beweisenden Spuren vor. Dagegen verräth er sich durch seine Mundart als einen Schwaben, besonders durch den Zweilaut ui, in rui, huit, tuifel, was neben den gewöhnlichen Formen vorkommt. Nicht das einzige Beispiel, daß dramatische Stücke aus Schwaben in die Schweiz kamen, ein zweites von 1539 zu St. Gallen ist unten angeführt, und noch jezt besteht in Appenzell ein volksmäßiges Schauspiel über die Erschaffung der Welt, dessen Text Tobler aus Schwaben herleitet (Appenz. Sprachschay S. 15. u. d. W. Adam und Eva).

Dieses Schauspiel ist nur 30 Jahre jünger als das obige von Wismar (Nr. 12), aber wie gesunken an Kunst und Bedeutsamkeit. Daraus sieht man, welch' ein gutes Vorbild das Drama von Wismar hatte, und wie betrübt dagegen das Stück Gundelfingers erscheint, der keine andere Hülfe hatte, als die zerfallene Dichtkunst am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts.

E. Ludus de resurrectione Christi editus per Mathiam

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4 der gen. plur. welten ist ganz ungewöhnlich, entweder eine schlechte Form oder ein Mißverständniß des alten gen. sing. welte.

das laussent euch gon zu hergen

und helfent mir tragen seinen schmerzen.

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Deinde Joseph ab Armathia cum duobus servis accedat Mariam,

inclinando se dicat.

Maria, gottes bererin,

dins kindes toud und grosse pin
und auch din grosses hergelait
ist minem hergen ain bitterkait.
ich bit dich werde from min,

das [du] din wainen laussest sin,

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11 man kann nicht sagen, ob dies eine Anrede an die Zuschauer sey,

weil der Anfang des Spieles fehlt. 36 du fehlt.

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Deinde vadat Joseph cum duobus servis ad Pilatum et deposito

pileo dicat.

Eya Pilate, vil lieber herre,

ich bit dich durch aller frowen er,
was ich dir ye dienstz hab geton,
das wölft mich ygund geniessen lon
und wolst mir geben Jesum Crist,
der an das creüß gehencket ist.
ich beger das mit fleiß von dir,
er ist toud, das föllend glauben mir.

Tunc Pilatus dicat.

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Joseph, lauß dir nit sein ze nout,

ich wil lausen fragen, ob Jesus sy todt,

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so erst und bald ich das verston,

wirstu von mir ein antwurt han.

38 für, die welt, des Verses wegen.

[Tunc dicat ad servum suum Gervasium *].

Gervasi min trüwer knecht,

merc uff und verstand mich recht,

gang hin und thủ dich nit sumen

und hayß centurionem zu mir fummen.

Tunc dicat servus ad Pilatum.

Pilate lieber herre min,

was du gebietest, das soll sin.

Deinde vadens ad centurionem [dicat].

Centurio du getrüwer man,

min red die soltu wol verstan,

du solt zu minem herren komen

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und dich daran nit lenger samen.

Centurio respondet.

Gervasi, gang hin, vermerk was du tüst,

sag dinem herren min dienst und fraintlich grüß,

als bald und ich so erste mag,

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