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Anwesenheit des Registers unnöthig. Sind in einer solchen Handschrift auch die Noten enthalten, so wird der Souffleur die Intonation gegeben haben, wenn es an die Gesänge kam. Eine andere Form der Handschriften sind Rollen (rotuli), doch mehr für die Anordnung der Stücke als für deren Terte, wie man sie noch von Frankfurt und Kloster Neuburg hat (Hoffmann 2, 244). Auch diese Form ist der Bequemlichkeit wegen den alten Zinsrollen nachgeahmt. Man hieß diese Handschriften Denkropel, Memorialbuch u. dgl.

B. Die Prozession der Schauspieler. Merkwürdig ist bei diesem Stücke die Angabe der spielenden Personen und ihre Anordnung. Zuerst wird das Verzeichniß der Schauspieler angegeben, dann ihre Aufstellung auf dem Spielplage. Diese Aufstellung geschah gruppenweise, wie ich schon früher bemerkt (altt. Schausp. 16. 21. 22.), hier ist es aber deutlicher gemacht. Die Schauspieler zogen nämlich in einer Prozession auf die Bühne, und bildeten als Leichenbegleitung eine zweite Prozession bei der Grablegung Christi *). Dieser zweiten Prozession wurde ein Kreuz vorgetragen, der ersten gingen nur die Zugführer voran, bei jener gingen die Personen reihenweise, wie es Sitte ist, und zwar die Knaben (welche die Engel spielten, altt. Schausp. 23) voran mit brennenden Wachskerzen, sodann die Leichenträger Joseph und Nikodemus, darauf ihre Diener und Knaben mit Kerzen. Nun folgen die leidtragenden Frauen und hinter ihnen Pilatus mit seinen Soldaten, den Schluß machen die Rabbiner der Synagoge und einige Judenknaben **).

*) In dem Alsfelder Stücke wird auch eine processio ludi angeführt. Haupt a. a. D. 3, 478.

**) Ich erwähne, daß damals noch keine Frauen auf die Bühne kamen, weder in Teutschland noch in Frankreich, sondern ihre Rollen wurden von Männern oder jungen Leuten gespielt. Man sehe nur das Verzeichniß der Schauspieler v. 1496 bei Jubinal 2, IX. flg., wo es z. B.

Die Begleitung der Römer und Juden ist darum nöthig, weil am Grabe Christi berathen und beschlossen wird, das Grab zu bewachen. Im Stücke selbst (nach Vers 262) sind die Römer und Juden nicht bei dem Leichenzug genannt, aber (V. 475) angezeigt, daß die Berathung der Wache am Grabe geschah. Die Begleitung der Juden und ihrer Kinder ist ein sehr ernster Zug, sie begraben ihren größten Propheten, dessen Blut über sie und ihre Kinder kommen soll; sie sagten (Matth. 23, 30. 31.): hätten wir in den Tagen unserer Väter gelebt, wir hätten nicht mit ihnen die Propheten umgebracht, und nun gehen sie mit der Leiche des Gottmenschen Christus, den sie grausamer ermordet als ihre Väter die Propheten *). Diese Andeutungen werden genügen, um die folgende Anordnung des Stückes zu verstehen.

Personae ad Iudum depositionem Jesu
acturae.

Salvator. Maria mater. Nicodemus. Joseph ab Arimathia. Magdalena. Jacobi. Salome. Johannes. Petrus. Thomas. Centurio. Pilatus. Cayphas. Rabbi Judaeorum. Judaeus Vivelman. Judaeus Mosse. Primus, 2, 3, 48 miles. Lucifer. Secundus, 3, 4, diabolus. Pater Adam. Eva. Pater Abraham. Jacob. Ysaac. David. Primus, 2o, 3o angelus.

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heißt: Proserpine, messire Ponsot. la mère de s. Martin, Estienne Bossuet. la bourgeoise, messire Jousse u. f. f. Es wurde nämlich die Vorschrift des Apostels Paulus befolgt: mulieres in ecclesia taceant. 1. Corinth. 14, 34.

*) Der Zusammenhang der Grablegung mit den Marienklagen ist unten bei Nr. 15 angegeben.

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C. Die Stände der Bühne.

Im sechzehnten Jahrhundert nannte man die Aufstellung der Personen, die für sie zubereiteten Pläge und die Häuser auf der Bühne Stände. Es waren nämlich hölzerne, leichte Buden, wie Marktstände, die auf dem Schauplag aufgeschlagen und nach Beendigung des Spiels wieder entfernt wurden, wie es bei dem Stücke Nr. 15 näher angegeben ist. Je größer das Personal der Spieler wurde, desto nothwendiger die Anordnung, sonst wäre die Verwirrung unvermeidlich gewesen. Daher die eigenthümliche Erscheinung, daß man eine besondere Handschrift für die Anordnung machte (die auch ordo hieß), und eine andere für den Text. Die Frankfurter Rolle enthält nur die theatralische Anordnung, und am Schlusse dieses Bandes sind noch mehrere Beispiele aus Lucerner Handschriften gegeben. In andern Handschriften ging die Anordnung entweder dem Terte voraus, wovon ich eben ein Beispiel mitgetheilt und ein weiteres anfügen werde, oder sie wurde, wie jezt, in den Tert eingeschaltet, wovon das Stück Nr. 15 den ausführlichsten Beweis liefert.

Das folgende Stück hat gegen 40 Personen, eine geringe Anzahl, wenn man sie mit dem damaligen Schauspiel in größeren Städten vergleicht. Denn zu Frankfurt führten im Jahr 1498 nicht weniger als 265 Personen ein Schauspiel auf, (Fichard 133) und 1496 in der Stadt Seurre an der Saône wurde das Leben des heil. Martin von 163 Personen gespielt (Jubinal, 2, VIII. flg.). Hundert Jahre später findet man auch in Lucern die Personen des Schauspiels sehr vermehrt, und ich gebe deshalb die Anordnung eines Osterspieles von 1597 aus der dortigen Handschrift Nr. 179. Weitere Zeugnisse stehen am Ende dieses Bandes.

Das religiöse Schauspiel wurde von den Mitgliedern der besten Familien aufgeführt, namentlich in Frankreich, es war eine Ehre, dabei mitzuwirken, denn es war eine religiöse

Handlung. In teutschen Städten führten meistens die Zünfte das Schauspiel auf, weil sie durch ihre Gehülfen das größte Personal hatten. So spielte zu Freiburg im Breisgau im sechzehnten Jahrhundert die Meggerzunft alle sieben Jahre die Passion (siehe Grieshaber Vaterländisches S. 59). Aber je größer der Zudrang der Leute wurde, die mitspielen wollten, desto ausgedehnter wurden die Stücke, ihr strenger Zusammenhang mußte darunter leiden und darum auch ihre Wirkung sich verringern. Die Weitläufigkeit der ernsten Spiele machte ihre Aufführung schwierig, man konnte sie daher nicht alle Jahre wiederholen, sondern brauchte mehrere Jahre, um sich zu einer neuen Aufführung vorzubereiten. Dadurch gewann das kürzere Lustspiel einen Vorsprung und ein Uebergewicht, welches dem ernst- und ehrenhaften Liebhabertheater des Mittelalters ein Ende machte.

Aus der folgenden Anordnung ist das Verderbniß des Schauspiels deutlich zu sehen. Diese Ueberfüllung mit unnöthigen Personen, dieses Einmischen fremdartiger Stoffe, dieses klassische Flickwerk sticht widerlich ab von der tiefen und konsequenten Behandlung in obigem Stücke Nr. 12. Wer Texte des sechzehnten Jahrhunderts vergleichen will, kann den Verfall des Schauspiels noch durchgängiger wahrnehmen. Die Ursache lag darin, daß die Meistersinger den Text und die Zünfte die Aufführung des Schauspiels übernahmen, was nicht zu vermeiden war, sobald das Drama die Kirche verließ. Zu dem Schauspiele gehören zusammen wirkende Personen, eine Gesellschaft; dieß war in der Kirche die Geistlichkeit, außer derselben die Sängerzünfte oder Meistersinger für den Text und die Handwerkszünfte für die Aufführung. Beweise dafür sind die dramatische Zunft prozession zu Zerbst von 1507 (in Haupt's Zeitschrift 2, 277 flg.), und die Komödie der Freiburger Meistersinger von 1593 nebst ihrem dramatischen Tert für die Fronleichnamsprozession (Schreiber in meinem badischen Archiv 2, 204. 208). Aehnliche Prozessionen waren

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