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bellen, also schon in der Nähe, es hilft nichts, die Wächter wollen schlafen und bitten ihn, sie zu wecken, wenn die Gefahr an der nächsten Insel ist. Mit dieser Schlafsucht wird die vorausgehende Prahlerei der Wächter verhöhnt und die Anordnung des Stückes festgehalten, denn während sie schlafen, geht Christus in die Vorhölle und erlöst die Altväter.

Da man die Seele Christi ohne Leib nicht darstellen konnte, so mußte im Schauspiele Christus zuerst auferstehen und sich darauf in die Vorhölle begeben, wie es auch in andern Stücken vorkommt (altt. Schausp. 109), was nur dramatische Anordnung ist. Dadurch aber, daß Christus mit der Antiphone Resurrexi aufersteht, feiert er gleichsam, selbst_das Hochamt am Ostersonntag, eine sinnvolle Beziehung des Schauspiels zum Gottesdienste, welche in dem Stücke Nr. 7, V. 605 (Bd. I, 97) deutlich ausgesprochen ist.

Die Erlösung aus der Vorhölle ist tief und innig gedacht. Der erste, dem die Annäherung Christi durch einen Schimmer fund wird, ist Abel; also der erste Mensch, der ermordet wurde, bekommt auch den ersten Trost der Erlösung (der geistigen Auferstehung) durch Christus, der ja auch unschuldig ermordet ward. Hierin liegt der Sag: wer zuerst den Tod gekostet hat, der soll auch zuerst erfahren, daß der Tod durch die Auferstehung Christi besiegt ist. Darauf wird in der Klage Adams die Sehnsucht und Hoffnung der ganzen Menschheit nach der Erlösung ausgesprochen, nach Christus dem Lichte der Welt. Isaias bestätigt diese Hoffnung durch seine Prophezeiung von dem großen Lichte, das den Völkern erscheinen werde. Diese drei Personen stellen das alte Testament vor, sie sehnen sich nach dem Lichte der Welt, das entspricht sowohl der Bibel als auch der dramatischen Anordnung, denn die Auferstehung und die Vorhölle sind Nachtscenen *).

*) In einem Gebete des dreizehnten Jahrhunderts in einer Hs. des H. v. Radowiß heißt es Bl. 24, wir loben unt danken dir, daz du den patriarchen unt den propheten uzer so langer vinstere hulfe.

Nun kommen zwei Personen, die auf dem Uebergange des alten zum neuen Testamente stehen: Simeon, der Christum als Kind gesehen und aus dessen Prophezeiung dem vorausgehenden Terte gemäß die Worte entnommen sind: lumen ad revelationem gentium, und Johannes der Täufer, welcher den Anfang der Erlösung auf Erden erlebt hat. Da jedoch keiner der Altväter den Tod Chrifti auf Erden mit angesehen, so führt der Dichter den Seth auf, der den Zweig aus dem Paradies erhielt, welcher zum Kreuzesbaum heranwuchs. Und Isaias erinnert an seine Prophezeiung vom Sohne der Jungfrau. Bis hieher geht die Vorbereitung, es ist darin das Nöthigste und Bedeutsamste vereinigt.

Die Gegenseite gehört aber auch zur Vollständigkeit, deßhalb werden die Teufel aufgeführt (V. 371 flg.) Der Fürst der Hölle wird um so unruhiger, je größer die Hoffnung der Altväter auf ihre nahe Befreiung ist. Lucifer fühlt, daß ihm die Gefahr bevorsteht, die Seelen der Altväter zu verkieren und dadurch gestehen zu müssen, daß der Tod, den er durch die Sünde in die Welt gebracht hat, dennoch die Schöpfung Gottes nicht zerstören könne. Er beruft also die ganze Schaar der Teufel in die Vorhölle, um sie gegen den bevorstehenden Angriff zu vertheidigen. Dabei erfährt Lucifer vom Satan die Kreuzigung Christi und Satan benimmt sich wie ein dummer Teufel, der sich rühmt, den Heiland zum Tode gebracht zu haben, weil er sich für den Sohn Gottes erklärt hat. Das erregt schon Zweifel in Lucifer, weil er von den Wundern Christi gehört, und als Satan sich weiter rühmt, er habe zum vorläufigen Beweise die Seele des Judas erworben und Christus sey bereits todt, so fragt ihn Lucifer, wo er denn die Seele Chrifti habe? Darauf weiß Satan nur ausweichend zu antworten, und als er gar eingestehen muß, daß Christus derselbe sey, der den Lazarus erweckt hat, so wird dem Lucifer die Göttlichkeit Christi klar, denn Lazarus sey zur Hölle bestimmt gewesen und Christus habe

ihr denselben entrissen, wer aber eine Seele der Hölle nehmen könne, der sey auch im Stande die Altväter hinweg zu führen. Die Nachrichten der andern Teufel über die steigende Freude der Altväter bestätigen die Ahnung Lucifers.

Nun nähert sich Christus der Vorhölle, ihn ersieht zuerst David, sein mütterlicher Stammvater, dann Adam und Eva, die Stammältern der Menschheit, eine zweckmäßige Gegenstellung. Die Teufel wehren ihm den Eingang, aber der stolze Lucifer muß den David fragen, wer denn der König der Ehren sey und wird über die Antwort troftlos. Auch Satan fragt, wer der Mann in dem rothen Kleide sey, und erfährt es von Christus selbst. Darauf zerbricht Christus das Höllenthor, ergreift und bindet den Lucifer und führt die Seelen heraus. Es ist rührend, daß dabei Eva, die erste Sünderin der Welt, noch einmal ihre Schuld bekennt, durch die ja das ganze Leiden Chrifti herbeigeführt wurde; consequent, daß der dumme Satan Johannes den Täufer in der Hölle zurückhalten will, weil er nicht glaubt, daß ein Mann in so rauhem Kleide ein Heiliger sey. Mit teuflischem Hohne wirft nun Puck dem Lucifer seine Ohnmacht vor und dieser muß eingestehen, daß ihm die Erlösung ein Geheimniß gewesen und er die Geburt des Heilandes von einer Jungfrau nicht beachtet und daher mit Recht die Seele der Altväter verloren habe *). Darauf übergibt Christus die Altväter dem Erzengel Michael, um sie in das Paradies zu führen, was dem Offertorium der Seelenmesse entspricht, wo es heißt: signifer sanctus Michael repraesentet animas in lucem sanctam.

Man wird nicht läugnen können, daß bis hieher das Schauspiel einen wohlgeordneten Zusammenhang hat. Dieser

*) Daß sich der Teufel an den Geheimnissen Gottes betrogen, steht auch in den Predigten bei Leyfer, S. 133, denn daß Gott Mensch werden konnte, wußte der Teufel nicht und steht auch in andern Predigten.

liegt freilich schon in der Dogmatik, aber dem Dichter bleibt doch das Verdienst, diejenigen Punkte ausgewählt zu haben, welche für seinen dramatischen Zweck die bedeutsamste Darstellung erlaubten. Die Bedeutsamkeit war es ja, welche diesen Schauspielen den Namen Mysterien gab, daher muß auch der folgende Auftritt im Paradiese in den Zusammenhang des Ganzen passen. Diese Scene würde in einem heutigen. Schauspiele wegbleiben, die Altväter würden einfach von der Bühne abtreten. Nicht so hier, denn ohne den Auftritt im Paradiese wäre der ganze zweite Theil des Stückes, das Teufelspiel, ohne Grund und Zusammenhang. Wen treffen die Altväter im Paradiese an? Den Enoch und Elias und den guten Schächer. Simeon aus dem neuen Testamente fragt, wer jene seyen, und David aus dem alten, wer dieser sey; wieder eine Parallele, wie sie so häufig vorkommen. Also Enoch und Elias, die den leiblichen Tod noch nicht erfahren, leben im Paradiese, sie werden erst sterben am Ende der Welt im Kampfe mit dem Antichrist, als die legten lebendigen Zeugen Gottes. So wissen denn die Altväter, daß mit der Erlösung das Reich des Teufels auf Erden noch nicht beendigt ist, sondern erst dann sein Ende naht, wenn Enoch und Elias sterben. Denn auch ihnen kann der Tod nicht erlassen werden, weil sie Menschen sind.

Mit diesem Auftritt ist die Nacht der Auferstehung vorbei, der Morgen des Ostertages bricht an und die Scene wird wieder örtlich. Der Thurmwächter bläst also den Tag an und singt ein Taglied (755). Das versegt uns in die Ritterdichtung und zeigt, daß im Sinne des Mittelalters die Grabwächter Ritter waren, wie sie auch regelmäßig genannt werden. Hier beginnt die Satire auf den Nitterstand, denn die Anwendung eines verliebten Tagliedes auf schlafende Wächter ist ein feiner Spott. Kläglich wird aber ihre frühere Prahlerei zu Schanden, als sie erwachen und das Grab leer finden, ja das Erdbeben und die Erscheinung der Engel nur im

Traume bemerkten *). In den Vorwürfen der Hohenpriester liegt Ingrimm und Verachtung, das beleidigt aber nicht nur den Stolz der Ritter, die dem Kaiphas Feigheit und dem Annas Dummheit vorwerfen, sondern treibt sie auch dazu, den Glauben an Christum zu bekennen, wodurch sie der Dichter dem Hauptmann bei dem Kreuze, wie jenem zu Capernaum an die Seite stellt. Diese Wendung scheint den Juden aber sehr gefährlich, denn treten die Wächter selbst als Zeugen der Auferstehung auf, so ist das ganze Judenthum geschändet. Schnell dreht sich nun ihr Benehmen, sie bieten abermal den Wächtern Geld, damit sie schweigen sollen, machen ihnen keinen Vorwurf mehr und versprechen ihnen sogar bei Pilatus ihre Fürbitte. Dieser läßt nämlich die Wächter vom Grabe rufen (denn es ist der dritte Tag nach dem Tode Christi) und fragt sie, wie es gegangen. Die Verlegenheit der Wächter ist auch dadurch gut ausgedrückt, daß sie nun den Pilatus König nennen (906, 910), was sie früher nicht gethan. Um so ärgerlicher wird dieser und hält dem einen Wächter die Widersprüche seines Traumgesichtes beißend vor. Wie er es bei der Verurtheilung Christi gemacht, so handelt er auch hier, in beiden Vorfällen schiebt er die Schuld auf Andere, durch die Auferstehung sind die Juden und die Wächter beschämt, er jagt also die Wächter aus seinem Dienste, um an ihrer Schande keinen Theil zu haben, d. h. er wascht auf andere Art wieder die Hände. Aus Furcht aber, daß die Geschichte bekannt werde, nehmen die Juden die Schuld der Wächter auf sich (ein Seitenstück zu ihrem Rufe: sein Blut komme über uns), und bestimmen den Pilatus, daß er die Ritter wieder zu Gnaden annimmt und ihnen ihre Lehen zurückgibt. Das thut er einestheils darum, weil er selbst an

*) In dem französischen Spiele bei Jubinal 2, 370 schlagen sich die Wächter einander herum, weil jeder dem andern die Schuld gibt, daß Christus entkommen sey. Das Stück geht also in die rohe Bauernkomödie über, während es hier viel edler gehalten ist.

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