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das Füsilier-Bataillon, Major Widmann, Vorposten gebend, in Richtung auf Darois zu,

das 1. Bataillon, Hauptmann Unger, eben desselben Regiments, ein Soutien bildend, weiter rückwärts bei Hauteville stand.

Diese beiden vorgeschobenen Bataillone der Brigade Degenfeld sahen sich nunmehr spät Abends (die Zeitangaben schwanken) bei Dunkelheit und strömendem Regen mit großer Heftigkeit angegriffen.

Die zwei vordersten Compagnieen des Füfilier-Bataillons wurden momentan zersprengt; der verwundete Commandeur desselben, Major Widmann, fiel in Feindeshand. Es gelang aber den zwei andern, alsbald tambour battant vorgehenden Compagnieen den Haupttheil der Versprengten wieder um sich zu sammeln. Jetzt traf auch das aus Hauteville nach der Chauffee im Laufschritt heranrückende 1. Bataillon, Hauptmann Unger, ein und stellte sich, vier Glieder hoch, quer über die Straße. Kaum in diese Position eingerückt, erfolgte auch bereits unter brausendem Getöse, Geläute von Glocken, Geschrei, Blasen aus verschiedenen Instrumenten und dem Absingen der Garibaldi-Hymne ein wilder Anlauf der Garibaldiner. Er prallte aber machtlos ab, an den aus nächster Nähe (50 Schritt) ab. gegebenen viergliedrigen Salven. Ein zweiter, ein dritter Angriff geschah mit gleicher Bravour, jedoch mit gleich geringem Erfolge. Die Todten lagen bis auf acht Schritt vor der Front. Jest wich der Feind in die finstre Nacht zurück. Tiefe Stille deckte den während einer Stunde so lärmend belebten Kampfplah; nur das Aechzen der sich zurückschleppenden Verwundeten tönte noch durch die Dunkelheit herauf.

Dieser kurzen diesseitigen Darstellung des Gefechts, die gerade in ihrer Kürze geeignet ist, zur Orientirung zu dienen, lassen wir nunmehr einen farbenreicheren Bericht folgen, den wir dem mehrcitirten Buche Bordone's entnehmen. Wir lassen ihn selbst sprechen.

». . . Als auch Darois in unsren Händen war, wandte sich Garibaldi mit den Worten an mich: "Eh bien, Colonel, allons nous souper à Dijon?« Jch entgegnete: »Versuchen wir es!« und ohne Aufenthalt drangen die Unfern auf der von Val de Suzon nach Dijon führenden Straße weiter vor. Nicht das geringste Hinderniß zeigte sich. Ordre wurde gegeben, den Gegner, wo er auch sei, nur mit dem Bajonet anzugreifen, um die Verluste zu vermeiden, die bei Nachtgefechten, durch Verwechselung von Freund und Feind, so leicht zu entstehen pflegen. Da wir erwarten durften, mit Salvenfeuer empfangen zu werden, so galt diesseits die Parole: »wo geschossen wird, steht der Feind«. Unfre Angriffscolonne hatte folgende Formation: erst die genuesischen Carabiniers unter Nazetto, dann die ita

lienischen und französischen Franctireurs der 3., zum Theil auch der 4. Brigade, endlich die Mobilen der See. Alpen, der Unter-Alpen und der UnterPyrenäen. Die Batterieen schlossen ab. So erreichten wir Talant, vier Kilometer vor Dijon. Unmittelbar vor dem Dorfe begegneten wir einem leichten Fuhrwerk, das von Dijon kam und auf dessen Bänken zwei Männer und eine Frau saßen. Wir hielten das Fuhrwerk an und stellten Fragen; alle drei Personen aber waren so von Angst gepeinigt, daß sie kaum sprechen, geschweige einen zusammenhängenden Satz hervorbringen konnten. Als wir sie einen Augenblick allein ließen, benußten sie die Gelegenheit feldeinwärts zu fliehen und überließen uns ihr Fuhrwerk. Dies war uns höchlichst will. kommen. Garibaldi, nach beinah 13 stündigem Ritt war ermüdet; wir dran. gen also in ihn, von dem Zwischenfalle Nugen zu ziehen und sich des Wagens zu bedienen, der uns so unerwartet in die Hände gefallen war. Er that es, richtete sich auf dem vordersten Siße nach Bequemlichkeit ein und ließ nun, am Eingange des Dorfs, die Colonnen an sich vorbeidefiliren. Er war in gehobenster Stimmung und rief nicht nur den herankommenden Bataillonen anfeuernde Worte zu: »Allons enfants, en avant«, »à la baïonette, pas un coup de fusil«, er intonirte auch, mit halblauter Stimme, die oftgenannte mit »Aux armes, aux armes« beginnende Gari. baldi Hymne, von der mir folgende, hier in Uebersetzung wiedergegebene Strophen im Gedächtniß geblieben sind:

An die Gewehre!

Der Fremde überzieht das Land,
Auf, die Waffen in die Hand.
Jedes Ding hat seine Zeit,

Auch Frevel und Vermessenheit.
Vergeßt nicht Fürsten: hundertfach

Seid Jhr geflohn,

Frankreich ist wieder wach,

Und Euer Thron

Zerbricht mit Krach.

An die Gewehre!

An die Gewehre!

Und zur Stund

Ist zerbrochen der Fürsten- Bund.

In Ketten wollt Ihr uns schlagen?

Laßt sehn, wer fällt!

Wir haben den Sieg getragen

Durch eine Welt.

An die Gewehre,

Jns Feld, ins Feld!

Wir hielten neben dem Wagen und waren Augenzeuge dieses Schau. spiels, das uns enthusiasmirte, troßdem die Gestalten halbschattenhaft an

uns vorüberzogen. Der kleine Schimmel, der dem Wagen vorgespannt war, wurde mittlerweile unruhig, schlug und bäumte; um einen ähnlichen Unfall, wie den am Morgen auf der Höhe von Lantenay zu vermeiden, beschlossen wir, ein ruhigeres Pferd anzuschirren, und waren noch damit beschäftigt, als wir in Front zwei, drei vereinzelte Schüsse und gleich darauf eine volle Salve hörten. Dann wieder Alles still. Unfre genuesischen Cara. biniers, so durften wir annehmen, waren also auf die ersten Vorposten des Feindes gestoßen und hatten dieselben überrannt. Garibaldi gab sofort dem kleinen Hornisten von der Legion Tanara, der sich auch jezt noch an seiner Seite befand, Befehl, zum allgemeinen Angriff zu blasen. Das Signal klang weithin durch die Nacht.

Das Anschirren des neuen Pferdes war immer noch nicht beendigt; Garibaldi wurde unruhig, er wollte in die Front, und war deshalb einverstanden damit, daß einige seiner Guiden aus dem Sattel sprangen und, unter dem Jubel aller Umstehenden, rasch entschlossen die Deichsel faßten. Im Trabe ging es die Dorfstraße entlang. Im Geschwindschritt folgten die Mobilgarden - Bataillone, so daß der Wagen Garibaldi's gerade die Mitte hielt zwischen den die Avantgarde bildenden Freicorps und den in Reserve marschirenden Bataillonen.

Gleich hinter dem Dorfe lagen die ersten Todten, die, um den Weg nicht zu sperren, von der Mitte der Chaussee bis an die einfassenden Gräben geschoben worden waren. Alsbald hörten wir eine zweite Salve in Front, fünf Minuten später eine dritte, die sich jezt, nur mit Zwischenraum von Sekunden, drei, viermal wiederholte. Also Schnellfeuer. Es war kein Zweifel, unsre Tête stand in vollem Gefecht, drang aber vor, denn in den anschließenden Colonnen, die wir unmittelbar vor uns hatten, zeigte sich nicht die geringste Stockung. Niemand zweifelte mehr am Erfolg, weder die Truppen noch wir selbst, und scherzhafte Wendungen fielen über gute Nacht. quartiere, nach voraufgegangenem Souper im Hôtel de la Cloche.

Diese heitren Phantasiebilder sollten aber bald einer traurigen Wirklichkeit Platz machen. Unfre genuesischen Carabiniers, die nach wie vor die Colonne führten, waren schon bis in Dijon hinein, als plöglich ein heftiges, rasch sich wiederholendes Salvenfeuer in unsrem Rücken hörbar wurde. Es war keine Täuschung des Ohrs, wie wir einen Augenblick anzunehmen geneigt waren. Der Feind, von Anfang an mit einem Theil seiner Kräfte in unsrer linken Flanke stehend, hatte die vordere Hälfte unsrer Angriffs. colonne ruhig an sich vorbeipassiren lassen und richtete jeßt, sei es aus Zu fall oder aus Berechnung, sein Feuer gegen unsre, die Colonne schließenden Mobilgarden Bataillone. Die Verwirrung, in die diese geriethen, war grenzenlos und theilte sich sofort den in Front stehenden Truppentheilen mit.

Leichtverwundete sahen sich durch zehn bis zwölf Mann aus dem Gefecht geführt, ja Simulanten kamen vor, die kerngesund sich auf die Bahre legten und einen zerschmetterten Fuß heuchelnd, von barmherzigen Samaritern, an denen im Gefecht nie Mangel zu sein pflegt, nach rückwärts getragen wurden. Nur die vordersten Compagnieen, die, bereits in Dijon eingedrungen, ohne alle Kenntniß von dem blieben, was sich an der Queue und bald auch im Centrum der Colonne vollzog, nahmen an der rasch sich steigernden Panique nicht Theil, waren aber, da weder die Dijonaisen selbst, noch die Truppen General Cremer's eingriffen, numerisch viel zu schwach, um für sich allein einen dauerhaften Erfolg erringen zu können. So blieb nichts übrig, als den Rückzug anzuordnen. Da der Feind nicht nachdrängte, vielmehr sich damit begnügte, unfren Angriff zum Stehen gebracht zu haben, so gelang es nicht allzuschwer, eine leidliche Ordnung innerhalb unsrer Colonne wiederherzustellen, die sich nun, in umgekehrter Ordnung, wie sie ihren Vormarsch angetreten hatte, auf Lantenay zurückbewegte. Garibaldi, sammt seinem Stabe, verblieb im Centrum. Als das Dorf Talant fast wieder erreicht war, nahm man, an eine Pappel gelehnt, einen schwer verwundeten Offizier wahr, der auf italienisch grüßte. Es war Lieutenant Lanzilotti, von der Legion Tanara. Garibaldi gab Befehl, daß der Verwundete neben ihn auf den Wagen gelegt werde; aus Kissen und Decken improvifirte man ein leidliches Lager. Aber alle Mühe erwies sich als umsonst; noch ehe Darois erreicht werden konnte, war Lieutenant Lanzilotti seiner Wunde erlegen. Man ließ den Todten in einem der vordersten Häuser des Dorfes zurück, von wo aus er, am andern Morgen, auf Befehl des Ortsgeistlichen, in der Verbrecherecke des Kirchhofs begraben wurde. Wir haben später, als Dijon in unfren Händen war, für diesen uns angethanen Schimpf Rechenschaft gefordert.

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Um 1 Uhr Nachts trafen wir wieder in Lantenay ein, das wir um 6 Uhr früh verlassen hatten. Daselbst war mittlerweile vom Obersten Lobbia aus Autun uns nachgesandt das 42. Mobilgarden-Regiment, ge meinhin die Mobilen von Aveyron genannt, in Stärke von 2400 Mann, unter ihrem Commandanten Obristlieutenant Devert eingetroffen. Es gab die Vorposten.«<

So weit Bordone. Die Reserve Brigade Delpech hatte, während des ganzen Verlaufs des Tages, die Dörfer Ancey und Pâques besetzt gehalten. Hier hatte sie am folgenden Tage (27.), die Arrièregarde der abziehenden Garibaldiner bildend, ein Gefecht, zu dessen Schilderung wir im nächsten Capitel übergehen.

Fontane 1870/71. II.

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Das Gefecht der Brigade Delpech bei Pâques

am 27 November.

Die Vorgänge am 26., wie in unfrem vorigen Capitel in Kürze bereits

angedeutet, modificirten die auf den 27. festgesette Angriffsbewegung des XIV. (v. Werderschen) Corps, aber nicht in Bezug auf den Plan selbst, sondern nur in Bezug auf die Mittel, womit derselbe durchgesezt werden. sollte. General v. Werder nahm die Brigade Degenfeld, die seit dem 24. dreimal engagirt gewesen war, und zwar:

bei Plombières und Corcelles les Monts (Vorpostengefecht in der Nacht vom 24. auf den 25.),

bei Prénois (Mittagsgefecht am 26.),

bei Daig und Talant (Abendgefecht am 26.)

in die zweite Linie zurück und schob statt ihrer, da General Cremer jede Offensive von Süden her aufgegeben zu haben schien, die Süd- Brigade v. d. Golz nach Westen zu vor, zugleich ihr zwei Bataillone und eine Batterie der Reserve Brigade Prinz Wilhelm als linkes Flügel - Detache ment beigebend. Dieses linke Flügel - Detachement stand unter dem Befehl von Oberst Renz.

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Diese Truppenveränderungen in unsrer westlichen Front stellten nunmehr die Tagesaufgabe wie folgt:

Brigade v. d. Golz, Regimenter 30 und 34, greift den Feind in seiner Arrièregarden - Stellung zwischen Pâques und Prénois an, und wirft_ihn; Oberst Renz unterstüßt diesen Angriff mit zwei Bataillonen des 2. Grenadier-Regiments, die, sammt einer Batterie, der Brigade Golz als linkes Flügel Detachement folgen;

=

Brigade Keller ist bereit die geplante Umgehung anzutreten, bezichungsweise fortzusehen, um dem Feinde, etwa zwischen Sombernon und Arnay le Duc den Rückzug abzuschneiden;

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