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Allerhöchst privilegirte

Schleswig - Holsteinische Anzeigen

für

das Jahr 1841.

Neue Folge.

Fünfter Jahrgang.

Redigirt von den Obergerichtsräthen Nickels und v. Moltke.

Glückstadt,

gedruckt bei Johann Wilhelm Augustin.

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Schleswig Holsteinische Anzeigen.

Die

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Redigirt von den Obergerichtsräthen Schirach und Nickels.
Gedruckt bei Augustin in Glückstadt.

1. Stück. Den 4. Januar 1841.

Borwort.

Die neue Folge der Schleswig Holsteinischen Anzeigen haben wir im Jahre 1837 mit der Bes merkung eröffnet, daß der practische Nußen einer Bekanntmachung der wichtigsten Entscheidungen der Obergerichte fo einleuchtend sei, daß er feiner Aus: führung bedürfe. Seit der Zeit sind vier Jahr: gänge dieser Blätter erschienen und wir beginnen den fünften Jahrgang unter denselben Verhältnissen, welche wir in dem Vorworte zu dem zweiten, dritten und vierten Jahrgange der Anzeigen geschildert haben. In diesen Verhältnissen ist denn auch allein der Grund zu suchen, daß für die Herausgabe der von uns in dem Vorworte zum dritten Jahrgange der neuen Folge der Schleswig Holsteinischen Anzeigen verheißenen, Annalen der Holsteinischen Rechtspflege" bis jest sehr wenig hat geschehen kön: nen und wie die Aussichten sich gegenwärtig stellen, dürfte in diesem Jahre noch weniger auf die für ein solches Unternehmen erforderliche Musse zu rechnen fein. Ob überhaupt diese Blätter nach Ablauf des begonnenen Jahres durch uns werden fortgeseßt wer: den, hängt von nicht entfernten Ereignissen ab. Soll: ten eintretende Umstände unfern beiderseitigen Zurück tritt von der Redaction der Schleswig Holsteini schen Anzeigen veranlassen, so werden wir unsere Leser davon zeitig unterrichten. Inzwischen glauben wir es uns zum Verdienste anrechnen zu können, daß durch die bereits geschehenen Mittheilungen für manche Branche der Rechts: und Gerichtspraxis, namentlich aber für den Proceß, Manches geleistet worden ist, welches von bleibendem Nußen sein wird. Es ist aber auch in keiner Lehre wünschenswerther, daß die Entscheidungen der Gerichte recht bekannt gemacht und mit einem neueren Schriftsteller zu reden, Fenster und Thüren der Gerichtsfäle aufge: Sperrt werden, damit den Staatsbürgern die Rechts pflege nicht wie eine Art Magie vorkomme, wie eine Art Zauberspiel, wo der Zufall entscheider und wofür man sich nicht genug in Acht nehmen kann. Echon in dem Vorworte zum zweiten Jahrgange der Anzeigen haben wir auf die Mittheilung der Grund:

fäße über das durch die Praxis eingeführte Rechts: mittel der Provocation mit lebergehung der Mittel: instanzen*) aufmerksam gemacht. Seit der Zeit find noch mehrere Entscheidungen, welche dieses Rechts: mittel, worüber gar keine gefeßlichen Bestimmungen vorhanden sind, betreffen, von uns in diesen Blättern mitgetheilt worden. Aus den abgedruckten Entscheis dungen dürften die auf dieses Rechtsmittel angewen deten Grundsäße jest in jeder Hinsicht klar zu Tage liegen, während dieselben noch vor einem Paar Jah ren fast als Geheimniß zu betrachten waren. Auch hinsichtlich der Audienz der Umthäuser, des bedingten und unbedingten Mandatsprocesses, des Arrestprocesses, der Nichtigkeitsbeschwerde, der Supplication und der Appellation sind Beiträge geliefert, von welchen wir annehmen zu können glauben, daß durch sie die Praxis mehr aufgeklärt und befestigt worden ist. **) tragen denn diese Blätter dazu bei, daß Richter und Anwälde sich des Rechtszustandes im Lande bewußter werden und wir sind des Dafürhaltens, daß dieses Bewußtsein dem Rechte und dessen Fortbildung er: sprießlicher sei, wie die nur Mißtrauen erweckende Geheimhaltung.

So

Bei dem Stande der Rechtswissenschaft wird es als eine Selbstfolge betrachtet werden müssen, daß sich manche Verschiedenheiten in den Rechtsansichten der oberen Gerichtshöfe herausgestellt haben. Die Aufzählung dieser Verschiedenheiten dürfte gewiß nicht uninteressant sein, sondern vielmehr zur größern Aufs klärung des Rechtszustandes dienen. Wir wollen daher an diesem Orte einen Blick auf die entgegen: stehenden Aussprüche der beiden Obergerichte werfen und zuvorderst einige der wichtigsten, das Civilrecht und den Proceß betreffenden, Entscheidungen, insofern sie von einander abweichen und nicht in besondern Statuten und Verordnungen ihren Grund haben, zu: sammenstellen und sodann einen Blick auf die Cri minalpraxis beider Obercriminalgerichte werfen.

cfr. Schlesw. Holk. Anzeigen, Neue Folge, ister Jahrg., . 53.

"cfr. France, der Deutsche gemeine und Schlesw. Holi. Proceß §. 18.

Was zuerst die Introductionsfrist des Rechtsmittels der Supplication betrifft, so ist der Regel nach, wo feine kürzeren Fristen vorgeschrie: ben sind, in Holstein eine vierwöchige, in Schless wig aber eine sechswöchige Introductionsfrist an: genommen.

Die Interposition des Rechtsmittels der Supplication wird in Holstein in allen Sachen, auch in Injurien: Spoliensachen 2c., für erforderlich erachtet; im Herzogthum Schleswig dagegen ist die Interposition in Spolien: und Injuriensachen nicht erforderlich.

cfr. 1fter Jahrg. S. 61, 163, 281, 293.
2ter Fabrg. S. 71.

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4ter Jahrg. S: 168, 181, 352.

Im Herzogthum Schleswig sind die Einreden gegen die Zulässigkeit der Zeugen erst nach Eröffnung der Rotuln auszuführen,

cfr. 1fter Jahrg. S. 240,

während in Holstein Beweiseinreden gegen die Habis lität der Zeugen nach dem Ermessen des Nichters im Productionsverfahren eine besondere Verhandlung ver: anlassen können.

cfr. 1fter Jahrg. S. 321.

Handelsbücher und Handelsbriefe sind in Holstein von jeher als documenta communia an gesehen worden; im Herzogthum Schleswig werden aber Handelsbücher in der Regel nicht so betrachtet. cfr. 2ter Jahrg. S. 159.

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4ter Jahrg. S. 154, 352.

Das Königl. Schleswigsche Obergericht commit tirt Untergerichte zur Instruirung und Ent: scheidung summarischer Streitigkeiten, welche in erster Instanz vor dem Obergerichte verhandelt wer den müssen, während das Holsteinische Obergericht in solchen Fällen lediglich die Untergerichte zur Inftrui rung des Processes committirt und sich die Entschei: dung auf die eingesandten Acten selbst vorbehält. cfr. 2ter Jahrg. S. 399.

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France, der Deutsche gemeine und Schlesw. Holst. Civilproceß §. 76. Das Schleswigsche Obergericht erkennt in Sachen, welche die Erbschaftssteuern betreffen, wäh: rend das Holsteinische Obergericht sich in Steuer: fachen überall nicht competent erachtet und solche an die Königl. Rentekammer verweiset.

cfr. 4ter Jahrg. S. 280.

Das Holsteinische Obergericht nimmt an, daß simple Wechsel nur von wechselfähigen Personen gültig durch Indoffament übertragen werden kön nen, andere Personen aber in Folge der Stempel papier Verordnung vom 31sten October 1804 cediren müssen, während das Schleswigsche Obergericht dies fen Unterschied nicht macht und das Indossament bei simplen Wechseln überall zuläßt.

cfr. 2ter Jahrg. S. 176. ,, 4ter Jahrg. S. 115.

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4ter Jahrg. S. 236.

Es werden im Laufe der Zeit noch mehrere Ver: schiedenheiten zwischen den Rechtsansichten der Ober: gerichte hervortreten, wie dies denn auch in der Na: tur der Sache liegt. Gleichheit aller Rechtsbestim: mungen in beiden ihrer Rechtsverfassung nach so sehr verschiedenen Herzogthümern zu erlangen, ist eine Uns möglichkeit und der Vortheil einer solchen Gleichheit auch nicht einzusehen. Ebenso fommt es' wenig dar auf an, ob Sitten und Sprache diefelben sind. Bei Römischen und Canonischen Geseßen, beim Rechte des Sachsenspiegels und des Jürschen Lowbuchs, bei ver: schiedenen Sitten und verschiedenen Sprachen werden wir uns wohler befinden, als bei Geseßen, welche uns alle diese in steter Ausbildung und stetem Forts schreiten begriffenen Dinge nehmen wollen und Sur rogate schaffen, mit denen dem Volke nicht gedient ist. Eines Civilgesezbuches bedarf es nicht zum Glücke des Volks; die Erfahrung haben Preußen und Desterreich gemacht und wir können uns in dieser Hinsicht auf einen der größten Rechtsgelehrten unse rer Zeit berufen. *)

Anders verhält es sich dagegen mit den Straf; geseßen, welche der Lauf der Zeiten und die Fort: schritte der Humanität längst als veraltet anerkannt haben. Die peinliche Gerichtsordnung Carls V. ist gegenwärtig noch das geltende Gefehbuch für die Herzogthümer; allein wir wissen Alle, daß nicht das Criminalrecht dieses Gesetzbuches, sondern daß das jenige Criminalrecht gilt, welches die Wissenschaft Deutscher Gelehrten in den lehtverfloffenen dreißig Jahren aus der Philosophie und dem positiven Rechte geschaffen hat. Dem peinlichen Rechte fehlt die Grundlage, welche das Civilrecht im Römischen Rechte besißt, dessen reiche Fundgruben immer mehr ausgebeutet werden und dessen Anwendung daher im mer leichter und richtiger werden wird. Im Civil recht nähern wir uns mehr und mehr den Quellen und das Recht erscheint uns immer klarer,

*) Savigny, System des heutigen Römissen Rechtë, Erster Band, S. XXIX. u. 197.

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