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loyal lautete, worin aber nur eine scheinbare Nachgiebigkeit durchschimmerte. Es hieß nämlich darin: „Wir anerkennen, daß es Verhältnisse giebt, welche Ungarn und die übrigen unter der Herrschaft Eurer Majestät stehenden Länder gemeinschaftlich interessiren, und unser Streben wird dahin gerichtet seyn, daß in Bezug auf die Feststellung und Behandlungsweise dieser Verhältnisse solche Bestimmungen zu Stande kommen, welche ohne Gefährdung unserer constitutionellen Selbständigkeit und unserer gesetzlichen Unabhängigkeit dem Zweck entsprechen." Mit dieser Phrase behielt sich Ungarn die Verfassung von 1848 vor und drang schließlich auf die Ernennung eines verantwortlichen ungarischen Ministeriums, unabhängig von dem in Wien.

Person geworden ist. Im Frühling 1866, als Deak erkrankt war, ließ der Lippaer Gesangverein in Radna eine Meffe für seine Gesundheit lesen und pflanzte zum Andenken ein wildes Kastanienreis vor der Kirche. Als nun das Reis den Sommer über frisch grünte und wuchs, entstand die Sage, Deal sey einst in der Nacht hier erschienen und habe den Zweig gepflanzt als eine Art Wahrzeichen und Palladium für Ungarn; so lange er gedeihe, werde Glück und Segen über Ungarn kommen. Seitdem wallfahrtet das Volk zu dem wunderbaren Kastanienzweige und betet vor demselben.

Drittes Buch.

Die Bedeutung Preußens für Deutschland.

Um die Bedeutung Preußens richtig zu würdigen, muß man sich vor allem die geschichtliche Thatsache zum Verständniß bringen, daß bereits seit acht Jahrhunderten Norddeutschland von der jeweiligen deutschen Reichsgewalt im Vergleich mit Süddeutschland vernachläßigt worden ist. Es mußte sich in der Regel, da es von Süden her nicht unterstüßt war, selber helfen, um sich der äußeren Feinde zu erwehren und das deutsche Reich nach Nordosten hin zu erweitern, nach Nordwesten hin wenigstens zu vertheidigen. Die Versuche der Norddeutschen, im Interesse aller Deutschen und ihres großen Reiches seine inneren Spaltungen zu überwinden und aus der Kleinstaaterei herauszukommen, eine compacte Kriegsmacht und Marine zu gründen, wozu ihre langgestreckte Küste naturgemäß aufforderte, wurden nicht blos durch die Eifersucht innerhalb ihrer eigenen Kleinstaaten, sondern auch häufig durch die Gleichgültigkeit, Mißgunst und offenbare Feindschaft

der Süddeutschen und der Kaisergewalt selbst vereitelt oder auf lange Zeit gehemmt.

Nachdem die sächsischen Kaiser glorwürdigen Andenkens, unter denen das deutsche Reich wunderbar gedieh und sich mehrte, die Augen geschloffen hatten, begann mit den salischen Kaisern, indem sie ihr Augenmerk nach dem Süden richteten, die lange Vernachläßigung des deutschen Nordens.

Auch die schwäbischen Kaiser machten Front nach Süden, um den Norden haben sie sich wenig bekümmert. Da nun aber Deutschland sein Nationalinteresse gleich sehr nach allen Seiten zu wahren hat, so mußten andere im Norden thun, was die Kaiser nicht thaten. Insofern spielte Heinrich der Löwe die Hauptrolle in Norddeutschland, während Kaiser Friedrich Barbarossa vorzugsweise im Süden beschäftigt war. Heinrich suchte für Deutschland zu ergänzen, was der Kaiser zu leisten nicht geneigt und fähig war, nämlich die Ausbreitung des Christenthums und Germanismus in den Slavenländern und die Gründung einer deutschen Marine in der Ostsee. Er nahm also ziemlich genau dieselbe Stellung ein, welche Preußen gegenwärtig einnimmt, indem es das stärkste Bollwerk der deutschen Nationalität gegen den slavischen Osten ist und der deutschen Marine endlich aufhelfen will. Aber wie man jezt den guten Willen Preußens verleumdet, es um seiner Erfolge willen beneidet und ihm jedes moralische und physische Hinderniß in den Weg wirft, damit es nicht zum Ziele ge= lange, so war auch damals der Süden und Westen Deutschlands in gleichem nationalen Unverstande eifrig bemüht, Heinrichs des Löwen für Deutschland so heilsame Pläne zu vereiteln und den Gewinn lieber den Dänen und Slaven zu gönnen, als dem deutschen Herzog.

Die Ausbreitung des Christenthums und des Germanismus im noch heidnischen Slavenlande machte sich Heinrich der Löwe zu seiner Hauptaufgabe. Was wäre wohl aus Deutschland geworden, wenn sein ritterliches Volk unter tapfern Führern nicht über Saale, Elbe

und Oder hinaus zugleich mit dem Christenthum die deutsche Machtsphäre ausgedehnt hätte? Heinrich der Löwe kämpfte für Christenthum und Deutschthum gegen die damals noch äußerst barbarischen Slaven und handelte somit in vollem Einklang mit dem damaligen religiösen Zeitgeist und mit dem großen deutschen Nationalinteresse.

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Dem deutschen Kaiser ziemte es, während er das deutsche Reich im Süden mehrte, den tapfern Herzog auf alle Weise zu unterstützen, damit er es auch im Norden mehre. Aber die unglückselige dynastische Eifersucht trieb den Ghibellinen an, den Welfen zu verderben. Heinrich der Löwe unterlag dem Schwert des Barbarossa, sein großes Herzogthum wurde zertrümmert, alle seine Pläne wurden vereitelt, denn der Kaiser war nicht mächtig genug und hatte auch keinen Trieb dazu, sich des deutschen Nordens mit derselben Energie anzunehmen, wie des Südens. Er vertrug sich mit dem Dänen, gab den Slaven Reichslehen und schuf, indem er die oberste Herzogsgewalt in Norddeutschland vernichtete, jenes unglückliche System geistlicher und weltlicher Kleinstaaterei, welches Norddeutschland bis auf den heutigen Tag noch nicht überwunden hat.

Ohne des Kaisers Nachhülfe und unter heftiger Anfeindung der Fürsten und Bischöfe nahm in den folgenden Jahrhunderten nur die Hansa einen großartigen Aufschwung und führte Heinrichs des Löwen Plan aus durch die Schöpfung einer deutschen Marine. Das von ihm gegründete Lübeck blieb das Haupt der Hansa. Die Hanseaten drangen zuerst als Kaufleute an den langgedehnten Ostseeküsten bis nach Livland vor und brachen der großartigen Colonisation des deutschen Ritterordens Bahn. Es wäre aller Deutschen dringendes Interesse gewesen, die Hansa zu unterstüßen, wie früher Heinrich den Löwen. Aber bei ihrer ewigen Uneinigkeit ließen sie die Hansa im Stich, wie sie den Löwen im Stich gelassen hatten. Ganz Deutschland hätte hinter der Hansa stehen müssen. Die Industrie und der Handel, die Häfen und die große Marine, namentlich aber das aus

gedehnte Colonisationssystem der Hanseaten öffnete der Uebervölkerung im gesammten deutschen Reiche Wege des Abflusses, des Wohlstandes und Ruhms und hielt seine Colonien im Zusammenhange mit dem Mutterlande. Wenn uns Holland später engherzig seine Colonien verschloß, so that sie dagegen die alte Hansa dem ganzen deutschen Volke weit auf. Aber die reiche Hansa wurde von den deutschen Fürsten beneidet. Die Kleinstaaterei, die der große Barbarossa in Norddeutschland organisirt und sanktionirt hatte, war verstockt und weit entfernt, einem allgemeinen Nationalinteresse dienen zu wollen. Sie unterband die Adern des innern Verkehrs, sperrte die Flüsse und duldete kein großartiges Verkehrssystem, ja die Straße von Süden nach Hamburg ist bis heute vernachläßigt geblieben. Damals weilten die Kaiser fortwährend im Süden und schienen nicht zu wissen, daß Deutschland Küsten im Norden habe. Die kleinen norddeutschen Fürsten aber ruhten mit ihrem Neide gegen die Hansa nicht, bis sie, im Bunde mit Dänemark und Schweden, den Feinden unseres Reichs, die Hansa bis zur Ohnmacht geschwächt hatten. Seitdem wurde die Ost- und Nordsee nicht mehr von der deutschen, sondern von der dänischen, schwedischen und englischen Flagge beherrscht und auch die großen Colonien der Hansa und des ihr stets innig verbündeten und durch die Schifffahrt von ihr abhängigen deutschen Ordens waren nun isolirt und mußten nach und nach eine Beute der Schweden und Polen, zuleht der Russen werden. Wie ganz anders hätten die deutschent Ostseeprovinzen sich der Russen erwehren können, wenn sie noch durch eine mächtige hanseatische Flotte hätten geschützt werden können, und wenn die Auswanderung nicht seit dem Verfall der Hansa ins Stocken gerathen wäre, sondern noch drei Jahrhunderte fortgedauert hätte!

Mit dem Verfall der norddeutschen Hansa hing das Aufkommen derjenigen Dynastie zusammen, die, obgleich deutschen Ursprungs, doch auf die Throne von Dänemark, Schweden und Rußland gelangend,

Menjel, der deutsche Krieg 1866. I.

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