Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

von der Schattenseite ansehen soll und gewiß in der österreichischen Armee noch viel von der bewundernswürdigen Hingebung, Tapferkeit und Kameradschaftlichkeit übrig blieb, die man mit Recht so sehr an ihr schäßte, so sprechen doch zu viel Thatsachen und Zeugnisse für die Schattenseite, als daß man sie leugnen øder ignoriren könnte. Die Beförderungen durch bloße Gunst ohne Verdienst wurden um so kränkender für die Zurückgeseßten, als die Offiziersgehalte sehr knapp zugeschnitten und durch einen Menge von Abzügen noch verringert waren. Auch der Ton der höhern Offiziere gegen die niedern soll eine schlimme Aenderung erfahren haben, während für sittliche Hebung der Gemeinen gar nichts geschah, vielmehr der Stock allein regierte und oft die Offiziere nicht einmal die Sprache ihrer Untergebenen fannten. *)

*) Jener Offizier glaubt sagen zu dürfen: „Ein Ton nie dagewesener Rohheit und Brutalität machte sich in der Armee breit und galt als Verdienst. Man merzte nach und nach alle alten Generale und Regimentscommandanten, die sich diesen Ton nicht aneignen konnten oder wollten, aus und ersetzte sie durch Männer, die es verstanden, nach russischen Manieren Truppen zu commandiren. Das Dienstreglement und die Kriegsartikel hatten nur mehr den Werth der Erinnerung, da geheime Präfidialien, womit alle selbständigen Commandanten versehen und mittelst welcher denselben beinahe unumschränkte Vollmachten eingeräumt wurden, dieselben illusorisch machten. Die Regimentsgerichte sanken zu willenlosen Werkzeugen der Regimentscommandanten herab. Es gab keine Instanz mehr, wo der Untergebne gegen seinen Commandanten Recht finden konnte, da der Saß, „der Vorgesetzte hat immer Recht" als oberstes Prinzip aufgestellt wurde. Um dieses Prinzip recht anschaulich zur Geltung zu bringen, wußte man alles, selbst augenfällige Vergehn, die von selbständigen Commandanten begangen wurden, zu bemänteln, indem man sie, unter gleichzeitiger Beförderung, vom Truppenförper entfernte. Selten folgte die Pensionirung als Strafe und nur in äußerst seltenen, besonders markirten Fällen ließ man den Schuldtragenden seine Charge freiwillig quittiren." S. 22.

Der cameradschaftliche Geist, der einst die Zierde der österreichischen

Auch in der Armeeverwaltung trat keine Besserung ein. Die schrecklichen Erfahrungen des Jahres 1859 dienten nicht zur Warnung *). Abgesehen von den bekannten Betrügereien dauerte der Pedantismus fort, der die strengste drei und vierfache Controle vorschrieb, aber damit nur ganz unnüß das Heer der Beamten vermehrte und eine Verzögerung und Verwirrung in den Geschäftsgang brachte, die den Zweck der Controle gänzlich verfehlten. Auch wurde viel von oben befohlen, was nach unten hin gar nicht zur Ausführung_kam**).

Armee war, existirt nur mehr scheinbar. Gegenseitiges Mißtraun, Intriguen der schmutzigsten Art traten an seine Stelle." S. 26.

*) „Man hätte, schreibt jener Offizier, erwarten sollen, daß die folgenden sieben Jahre dazu benützt würden, um ein vernünftigeres, leichter übersehbares Verpflegungssystem einzuführen, allein die Erfahrung des Jahrs 1866 hat uns gelehrt, daß an der Sache im Geringsten nichts geändert worden ist. Die Armee, welche 1866 in Böhmen operirte, war eben so und noch schlechter verpflegt als die im Jahr 1859 in Italien operirende." S. 31. Der Offizier knüpft hier die sehr richtige Bemerkung an, daß Veruntreuungen und Unterschleife in der Armeeverwaltung im Kriege auf der Stelle und unmittelbar mit dem Tode bestraft werden sollten. Die langwierige Procedur im Jahr 1860 hat bekanntlich zu nichts geführt, weil sie erst nach dem Kriege vorgenommen wurde und die Leichtigkeit, mit der die Sache bemäntelt wurde, konnte den Staatsbetrügern nur Muth machen, in ihrem System fortzufahren.

**) „Es ist die reinste Wahrheit, die sich nicht bestreiten läßt, da sie täglich durch Thatsachen zur Genüge bewiesen wird, daß unser ungeheurer Controlapparat noch niemals einen Unterschleif verhindert hat und daß niemand, der einmal in den Gang unserer Administration eingeweiht ist, aus Rücksicht auf die Controle sich behindern ließ, einen solchen zu begehn. Auch ist unser Gebührenreglement und unsere Verrechnungsmethode ein derartiges Chaos, daß jeder, ohne Gefahr entdeckt zu werden, betrügen kann, wie er will." S. 37.

„Nach dem Feldzug von 1859 erschien ein allerhöchstes Handbillet, worin anbefohlen wurde, daß von nun an der Mannschaft Kaffee als Friedens

Das liberale Experiment, welches der Regierung das verlorene Vertrauen zurückbringen sollte, wurde am 26. Februar 1861 durch die neue Reichsverfassung besiegelt, erfüllte aber seinen Zweck keineswegs. Der Reichsrath zu Wien, der die Vertreter aller Kronländer in sich vereinigen sollte, war von Anfang an nur ein Rumpfparlament und blieb es. Denn die Ungarn erschienen nicht, verlangten für sich eine Sonderstellung und die Verfassung von 1848 zurück. Auch die Kroaten erschienen nicht. Die unfruchtbaren Verhandlungen schleppten sich vier Jahre lang fort, ohne daß die Ungarn durch Drohungen oder durch Güte, kaiserliche Besuche 2c. irgend bewogen werden konnten, ihren passiven Widerstand aufzugeben. Somit konnte Desterreich mit sich selbst nicht fertig werden, während es zugleich wegen Schleswig-Holstein mit Preußen in schwerem Conflicte lag, die Mittelstaaten, trotz dem Fürstentage in Frankfurt, Desterreich) keine feste Stütze darboten und endlich auch von Italien her ein neues Gewitter drohte. Napoleon III. schloß am 15. September 1864 einen Vertrag mit Victor Emanuel, worin er dem leztern versprach, binnen zwei Jahren Rom zu räumen, wogegen ihm der König von Italien versprechen mußte, dem Papste Bürgschaften zu gewähren, die dessen künftige Unabhängigkeit sicherten. Der Rückzug der Franzosen aus Rom deutete an, man billige in Paris die Einheit Italiens und wünsche auch einen Rückzug der Desterreicher aus Venetien. Eine Störung des europäischen Friedens stand zwar noch nicht in' Aussicht, allein Desterreich mußte doch auf Eventualitäten der äußern

und Kriegsration zu verabfolgen sey. Die Mannschaft bekam aber keinen Kaffee, sondern die Armeeverwaltung verordnete bei allen Truppenkörpern nur probeweises Kaffeekochen und zwar auf Kosten der Mannschaft. Später erhielt die Mannschaft zwar auf Staatskosten einen Kaffee, der aber nur ein abscheuliches, braungefärbtes Wasser war, und da nun die Mannschaft keinen mehr trinken wollte, bekam sie auch keinen mehr.“ S. 23.

Politik gefaßt seyn und daher im Innern die Opposition zu beschwichtigen suchen.

Das bisherige System hatte sich nicht bewährt, Schmerlings Liberalismus hatte die Ungarn nicht versöhnt, die Tiroler tief verlegt. Wie nun bereits am 27. October 1864 Graf Rechberg für die äußere Politik dem Grafen Mensdorf Pouilly hatte weichen müssen, so mußte nun auch Schmerling für das Innere am 27. Juni 1865 dem Grafen Belcredi weichen und einen Monat später am 27. Juli wurde der Reichstag geschlossen.

Man hatte es mit der absoluten Monarchie und dem Concordate versucht, dann mit dem Liberalismus und dem Protestantenpatent. Alles umsonst. Jest versuchte man es auf einmal wieder mit dem Föderalismus und dem Nationalitätenprincipe. Die neue Wendung der Dinge ging von den Magnaten, von der großen Aristokratie in Ungarn aus, die den Kaiser vor der Demokratie schüßten, aber zugleich die nationalen Rechte Ungarns in einem neuen Föderalismus am besten zu wahren hofften. Sie waren unterstüßt von der Aristokratie in Böhmen, so daß hier sogar echt deutsche Fürsten und Grafen mit den Czechen und für deren Uebergewicht über die Deutschen stimmten. Die Deutschen im Kaiserstaate, welche der Reichsverfassung, dem Liberalismus und Centralismus anhingen, wurden jeßt nicht mehr gefragt. Man brauchte nicht sie, auf deren Gewohnheitstreue 'man sich verlassen konnte, sondern die Ungarn und Böhmen, die man gewinnen mußte.

Bald nach der Gasteiner Uebereinkunft erfolgte endlich auch die Feststellung des bisher noch immer schwankenden Verhältnisses Desterreichs zu Ungarn oder die, wenigstens einstweilige Entscheidung der innern Verfassungsfrage des Kaiserreichs. Die Regierung konnte in dieser Angelegenheit nicht eher vorgehen, bis sie ihr gefährdetes Bündniß mit Preußen auf's neue befestigt und sich durch den Gasteiner Vertrag den Rücken gedeckt hatte.

Am 20. September 1865 erließ Kaiser Franz Joseph_ein Manifest an seine Völker, worin er erklärte, er sehe sich durch die bisherige Nichttheilnahme der Ungarn am Wiener Reichstage genöthigt, die am 26. Februar 1861 proclamirte Reichsverfassung zu sistiren, bis die Einzellandtage der verschiedenen Kronlande sich über eine künftige allgemeine Reichsverfassung vereinbart haben würden. Zunächst sollte Ungarn mit den andern Kronländern jenseits der Leitha gefragt werden und der Kaiser behielt sich vor, die Verhandlungsresultate der Vertretungen jener östlichen Königreiche, falls sie eine mit dem einheitlichen Bestande und der Machtstellung des Reichs vereinbare Modification der erwähnten Geseze (in Betreff der Reichsvertretung) in sich schließen würden, vor Seiner Entschließung den legalen Vertretern der anderen Königreiche und Länder (diesseits der Leitha) vorzulegen, um ihren gleich gewichtigen Ausspruch zu vernehmen und zu würdigen." Der Kaiser schloß: so lange die Reichsvertretung nicht versammelt ist, wird es die Aufgabe meiner Regierung seyn, alle unaufschieblichen Maßregeln und unter diesen insbesondere jene zu treffen, welche durch das finanzielle und volkswirthschaftliche Interesse des Reichs geboten sind."

Das war der ausgesprochene Föderalismus und Sieg der bisherigen Opposition in Ungarn, weßhalb auch dort alles voll Jubel war. Diesseits der Leitha nahm man das Manifest nur mit Sorge auf. Die Deutschösterreicher sahen den Schwerpunkt der Monarchie von Wien nach Pesth verlegt und fürchteten, das seit Jahrhunderten vorherrschende deutsche Element werde unterliegen. Die Liberalen hatten schon mit Argwohn das Ministerium Schmerling fallen sehen und besorgten eine Reaktion unter dem Einfluß der ungarischen Magnaten. Daß die Landtage so vieler Kronländer, die alten Haß gegeneinander nährten und miteinander rivalisirten, sich in kurzer Frist über eine neue allgemeine Reichsverfassung untereinander und mit der Krone einigen würden, glaubte wohl niemand. Unterdeß regierte

« ZurückWeiter »