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Kampf endete mit dem vollständigen Zurückwerfen der österreichischen Cavalleriemassen, die auf ihrer eiligen Flucht an dem Plaze vorbei jagten, auf dem sich Prinz Karl befand, so daß er beinahe von ihnen mit fortgerissen worden wäre."

In der Neuen freien Presse hieß es: „Beide Schlachtlinien bildeten fast eine Eiform. Die Preußen wichen anfangs auf ihrem linken Flügel und im Centrum: Gablenz rechts, ging weit vor, viel: leicht mit zu großer Bravour. Benedek soll wiederholt gerufen haben: ,Er geht zu weit vor, er geht zu weit vor! Man hielt die Schlacht für gewonnen. Da verstärkten die Preußen im Schuße der Bäume ihren rechten Flügel, durchbrachen unseren linken, brachten den Train in Unordnung, griffen Flanke und Rücken an. Durch das weite Vorgehen des rechten Flügels hatte sich dieser vom Centrum getrennt, eine Schlucht lag dazwischen; Benedek stand mit seinem Stabe in Chlum auf einer Anhöhe. Plötzlich wurde er und seine Umgebung von einem wahren Kugelregen überschüttet, vom Feinde, der sich durch die Lücke den Hohlweg herangeschlichen hatte, im Rücken angegriffen. glänzende Generalstab war mehr als decimirt. Erzherzog Wilhelm war verwundet, Graf Grünne und Oberstlieutenant Müller, Benedeks Liebling, fielen; Prinz Esterhazy wurde verleßt, den Andern wurden Pferde unter dem Leibe erschossen. Benedek selbst wurde wie durc ein Wunder gerettet. Der Feind, der den linken Flügel zerschmettert, vereinigte sich mit den rücklings Herangeschlichenen. Die Nordarmee war geschlagen."

Der

Abends kam Gablenz als Parlamentär zum König, bei dem er wahrscheinlich Waffenruhe nachsuchte. Der König aber verfügte feine Unterbrechung der raschen Verfolgung. Diese übernahm zunächst Reiterei und berittene Artillerie. Das müde Fußvolk bezog um acht Uhr Abends auf dem blutigen Schlachtfelde seine Bivouaks, sang aber nach alter Sitte, wie einst auf dem Schlachtfelde von

Leipzig, bevor es sich zur Ruhe und zu einem färglichen Imbiß niederließ, das fromme Lied: „Nun danket alle Gott!"*)

Die Desterreicher verloren in dieser Schlacht 19,000 Gefangene, 174 Kanonen und elf Fahnen. Der König von Preußen entließ alle österreichischen Offiziere, welche verwundet in Gefangenschaft gerathen waren, auf ihr Ehrenwort.

*) Das Halle'sche Volksblatt für Stadt und Land Nr. 68 enthielt rührende Mittheilungen über das Schlachtfeld von Königgrät: „Unter einem alten stattlichen Birnbaum, wo Oberst von Wietersheim, der Commandeur des 49. Regiments, tödtlich verwundet war, ließ Lieutenant von B. die lehten 88 Preußen beerdigen. Sie lagen da in Reih und Glied; bei ihnen auch etwa 30-40 Desterreicher. Mit einem Blick sah man Tod und Verstümmelung in hundertfacher Gestalt. Von hier führte uns Herr von B. die Anhöhe nach Lipa hinauf, wo noch etwa 20 österreichische Kanonen standen, dahinter die gefallenen Pferde, zwei, vier, sechs bei einem Geschütz. Auf dem Wege dorthin hatte das 49. preußische gegen das 49. österreichische Regiment Heß gestanden. Die Desterreicher lagen noch da in langen Reihen, wie hingemäht. Zwischen den Leichen, Waffen, Tornistern, Helmen, Käppis, Kochgeschirren und andern Trümmern lagen hin und her böhmische Gebetbücher, Kirchenbücher für die preußischen evangelischen und Gebet- und Gefangbücher für die katholischen Mannschaften. Dazwischen Spielkarten, Abrechnungsbücher, deutsche und italienische Briefe, geschriebene Lieder auf einzelnen Blättern und in Heften, alles wirr durch einander. Ich habe mir vieles aufgehoben und als eine stete Mahnung an die ernste Zeit mit heimgebracht. Hier nur ein Brief aus Rust, den eine Braut an ihren öfterreichischen Verlobten richtet. Sie hofft auf glückliches Wiedersehen und klagt, daß sie ihr Bild, welches er sehnlichst erwartete, noch nicht habe machen laffen können; dann schließt der Brief:

Lieber Franz geschrieben hab ich bei der Nacht,

Die Liebe hat mich dazu gebracht,

Nun will ich mein schreiben Schließen

Weill aus meinen Augen Wasser fließet.

Sie wird ihren Franz auf Erden nicht wieder sehen."

Die Schlacht bei Königgrät gehört zu denen, die einen Wendepunkt in der Weltgeschichte bilden und auf Jahrhunderte hinaus die Zukunft der Völker bestimmen. Wir Deutsche dürfen uns Glück wünschen, daß uns diese Schlacht die Thore einer Zukunft geöffnet hat, die ehrenvoller und befriedigender für uns seyn wird, als die Vergangenheit gewesen ist. Auf den Höhen von Lipa und Chlum löste die preußische Garde die lästige und schimpfliche Fessel, an die einst Fürst Metternich das edle deutsche Volk zu legen so gottlos und leider auch so mächtig war. Der lähmende, alle Keime des Guten hemmende Bann ist gewichen, das Eis ist gebrochen und wenn auch in der ersten Zeit noch düstere Wolken über den Himmel ziehen und Koth genug die deutsche Erde bedeckt, der schöne Frühling wird kommen.

Elftes Buch.

Die große Flucht in Böhmen.

Die Schlacht war für Desterreich verloren und Benedeks Niederlage so entsetzlich, daß sie den ganzen Feldzug entschied.

Ein großer Theil der geschlagenen Armee floh instinctartig nach der nahen Festung Königgräß. Sie war aber verschlossen, man feuerte sogar von den Wällen auf die Flüchtigen, namentlich auf die Sachsen, die man in der Dämmerung für Preußen gehalten zu haben scheint. Hunderte stürzten sich in die Wallgräben und ertranken, bis man endlich das Thor öffnete.

Jedes Commando hatte aufgehört. Soldaten aller Waffengattungen, bunt gemengt, suchten nur dem rasch verfolgenden Feinde zu entrinnen. Die preußischen Husaren machten im Nachjagen eine Unzahl von Gefangenen. An der Elbe stockte die Flucht und hier erreichte die Verwirrung den höchsten Grad. Es gab nicht genug Brücken, und sie waren so von Pferden und Kanonen vollgestopft,

daß das Fußvolk keinen Platz mehr fand. Tausende stürzten sich in die Elbe, selbst Verwundete, und wer nicht schwimmen konnte, ertrank.

Weil auch die preußischen Truppen sehr ermüdet waren, hielten fie in der Nacht mit der Verfolgung inne und ließen am 4. Juli Benedek Zeit, jenseits der Elbe seine aufgelösten Corps wieder einigermaßen zu ordnen. Er eilte jedoch zu entkommen und suchte, indem er mit dem Gros seiner Armee den Weg nach Olmüß einschlug, die Preußen dahin nachzuziehen, damit Wien mehr Zeit gewänne, sich zur Vertheidigung zu rüsten. Nur sein am meisten zerrüttetes 10. Armeecorps und eine Reiterdivision entsandte er nach Wien. In großer Uebereilung verfügte man in Wien seine Abseßung, um ihn durch den noch in Italien weilenden Erzherzog Albrecht zu ersetzen. Diese Maßregel konnte die Verwirrung und Entmuthigung nur vermehren und die Stellung in Olmütz wurde unter solchen Umständen unhaltbar. Doch hatte Benedek das Verdienst, durch seine außerordentlich eilige Flucht die Nordarmee ohne neues Blutvergießen nach Olmütz zu bringen, denn sie wäre ohne Zweifel ganz aufgelöst worden, wenn die Preußen ihre Fühlung behalten hätten. Die Eile brachte der Armee große Strapazen und Entbehrungen, doch keinen neuen schweren Verlust.

Es kamen klägliche Dinge auf dieser Flucht vor. Die meisten Flüchtigen wandten sich nach Pardubit. Als die Preußen diesen Ort einnahmen, fanden sie dort zweihundert schwer verwundete Desterreicher, ohne einen Arzt, ohne die geringste Pflege. Die Preußen mußten nicht nur für ihre eigenen Verwundeten, sondern auch für die des Feindes sorgen, thaten es aber gern und machten dafür die großartigsten Anstrengungen. Lange Wagenzüge brachten preußische und österreichische Verwundete massenhaft nach Schlesien, wo sie von der Bevölkerung liebreich gepflegt wurden, denn von Seiten der böhmischen Bevölkerung geschah nichts.

Die Sachsen sollten in der Nähe von Pardubiß aus einem

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