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Achtes Buch.

Verhalten der auswärtigen Mächte.

Man war am begierigsten zu erfahren, welche Stellung Frantreich zu den kämpfenden Mächten in Deutschland einnehmen würde.

Napoleon III. hatte bisher mit großem Geschick und Erfolge Frankreich im Innern regiert und den französischen Einfluß nach außen in einer viel energischeren Weise geltend gemacht, als es vor ihm die Bourbonen und Orleaniden gethan hatten. Im Krimkriege war es ihm gelungen, den Ruhm der französischen Waffen wieder über den aller andern Nationen zu erheben und den russischen Koloß zu demüthigen. Ja er hatte die Genugthuung, daß sich das nämliche, sonst so stolze und übermüthige Rußland jezt um seine Freundschaft bewarb, um sich an Oesterreich für dessen Verhalten im Krimkriege zu rächen. Obgleich es nun nicht im Interesse Frankreichs liegen konnte, Rußland zu einer Schwächung Desterreichs behülflich zu seyn, so konnte doch Rußland grade damals, nachdem es seine

Kräfte im Krimkriege erschöpft hatte, zunächst an die Wiederaufnahme seiner orientalischen Eroberungspläne nicht denken und der Kaiser der Franzosen konnte deshalb die neue russische Freundschaft benußen, um in Italien den französischen Einfluß an die Stelle des österreichischen zu seßen. Er unterstüßte daher den kleinen König von Sardinien, half ihm mit Heeresmacht, siegte im Feldzug von 1859 über Dester= reich, nahm ihm die Lombardei ab und schenkte sie dem Sardinier, duldete sodann die Wühlereien der Mazzinisten und ihrer englischen Freunde, durch welche die Fürsten in Mittel- und Unteritalien ver trieben wurden, und flickte dann das neue Königreich Italien zusammen, welches von nun an nur noch ein Vasallenstaat Frankreichs seyn konnte und sich gefallen lassen mußte, daß Savoyen und Nizza Frankreich förmlich einverleibt wurden und eine starke französische Besatzung in Rom blieb, um den Papst zu schüßen.

Nachdem Napoleon III. erst Rußland und nachher Desterreich gedemüthigt hatte, schien es nahe zu liegen, daß er auch trachten würde, Preußen zu demüthigen und somit die Manen seines großen Dheims an den Coalitionsmächten von 1813 zu rächen. Allein er hat wohl kaum daran' gedacht, so wenig wie an eine Rache an England, denn er mußte wie England gegen Rußland, so Preußen gegen Oesterreich zu benußen suchen.

Napoleon III. war vorsichtig und keineswegs in der Lage, entscheidend durchgreifen zu können, wie sein Oheim. Er mußte in seiner äußern Politik, wie in seiner innern, große Parteien, die er einzeln nicht überwinden konnte, eine durch die andere neutralisiren. Er hatte sich in Frankreich selbst zwischen die Bourbons und die rothe Republik eingeschoben, und mußte daher fortwährend die Rückschritts durch die Fortschrittspartei und wieder diese durch jene im Zaume halten. Er bediente sich der klerikalen Partei gegen die demokratische und dieser gegen jene und wirkte auf die eine durch die Kaiserin Eugenie, auf die andere durch seinen Vetter Prinz Napoleon ein.

Ja er legte einen Werth darauf, daß die Parteien in diesen beiden ihm nahe stehenden Persönlichkeiten seinen guten und bösen Genius erkennen und immer zweifelhaft bleiben sollten, welchem von beiden er am Ende nachgeben werde. Indem er die Parteien in dieser Ungewißheit ließ und, wenn er sie auch ärgerte, doch einer jeden immer wieder Hoffnung machte, hielt er sie am sichersten von extremen Demonstrationen und Wagnissen ab. Ganz die nämliche Politik nun hielt er auch gegenüber den Mächten des Auslands inne und blieb immer in der Schwebe zwischen England und Rußland, wie zwischen Preußen und Desterreich, schmeichelnd bald dem einen, bald dem andern, so daß keiner recht wußte, woran er mit ihm war, es aber auch nicht mit ihm verderben wollte. Nie gab er einen Anlaß, ihn für einen unbedingten Feind zu halten, sondern ließ Jedem noch die Aussicht auf seine Freundschaft. Auch scheint er, bald direct, bald indirect, die rivalisirenden Mächte abwechselnd in Versuchung geführt zu haben, sey es, um sie dahin zu treiben, daß sie ihm ein Opfer bringen sollten, sey es auch nur, um ihre gegenseitige Eifersucht fort und fort zu nähren.

Mit welcher überlegenen Schlauigkeit der Kaiser der Franzosen jeden zufälligen Anlaß rasch zu benußen verstand, um Desterreich und Preußen, wenn sie sich vereinbaren wollten, wieder zu trennen, erhellt am besten aus der Intrigue von Villafranca. Kaiser Franz Joseph war bei Solferino geschlagen worden, aber sein Festungsviereck war unversehrt und schreckte die Franzosen zurück. Die Preußen marschirten bereits an den Rhein, um Desterreich Bundeshülfe zu leisten, und Napoleon III. hätte in Eile mit dem größten Theil seiner Armee nach Frankreich zurückkehren müssen, da Marschall Pelissier im Lager von Chalons weitaus nicht stark genug gewesen wäre, die Preußen aufzuhalten. Desterreich war mit Preußen damals so weit einig, daß ersteres selbst am Bundestage in Frankfurt beantragte, den PrinzRegenten von Preußen zum Oberbefehlshaber der gesammten Bundes

macht zu ernennen. Der Regent mußte aus einem rein formellen Grunde diese Ehre ablehnen, weil der Bundesfeldherr verantwortlich ist, ein regierendes Haupt aber nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Den Umstand dieser Ablehnung benußte nun Napoleon III. mit Blizesschnelle, um dem Kaiser von Desterreich ein tiefes Mißtrauen gegen die Absichten des Prinz-Regenten beizubringen und dadurch die nahe Gefahr, von welcher Frankreich durch die preußische Armee bedroht war, zu beseitigen. Die Zeitungen meldeten, und es ist nie widerlegt worden, Napoleon III. habe zu Villafranca dem Kaiser Franz Joseph einen Vermittlungsvorschlag vorgelegt, welcher angeblich von Preußen an England und Rußland gebracht worden seyn sollte, des Inhalts, daß, wenn Desterreich sich diese Vermittlung hätte müssen gefallen lassen, es mehr in Nachtheil gekommen wäre, als wenn es den Frieden annahm, den ihm Frankreich anbot. Durch diese grobe Täuschung ließ sich Franz Joseph ver führen, den voreiligen Frieden von Villafranca abzuschließen. Seine Proclamation sagte ganz deutlich, er halte sich für verrathen von Preußen, denn es hieß darin: „Ohne Bundesgenossen weiche ich nur den ungünstigen Verhältnissen der Politik. Ich habe mich entschlossen, der Wiederherstellung des Friedens ein Opfer zu bringen, nachdem ich die Ueberzeugung gewonnen, daß durch directe, jede Einmischung Dritter beseitigende Verständigung mit dem Kaiser der Franzosen, jedenfalls minder ungünstige Bedingungen zu erlangen waren, als bei dem Eintreten der drei am Kampfe nicht betheiligt gewesenen Großmächte in die Verhandlung, mit den unter ihnen vereinbarten und von dem moralischen Drucke ihres Einverständnisses unterstüßten Vermittlungsvorschlägen zu erwarten gewesen wären."

Die angebliche Vermittlungsnote Preußens, mit welcher Franz Joseph seinen Entschluß entschuldigte und motivirte, existirte gar nicht. Er hatte sie sich aufbinden lassen, ohne ihre Echtheit zu untersuchen. Die echte preußische Note vom 24. Juni, worin England und

Frankreich wiederholt ersucht worden waren, sich einer Vermittlung anzuschließen, enthielt durchaus nichts, was Desterreich hätte berechtigen können, ihr die gehässige Deutung zu geben, die ihr zu Villafranca untergeschoben wurde. Am 7. Juli fand Preußen dieselben Friedensbedingungen, die am folgenden Tage Franz Joseph von Napoleon annahm, als sie ihm von Napoleon III. mit der Bitte, zu vermitteln, notificirt wurden, zu hart für Desterreich und lehnte die Vermittlung ab. Ehrlicher konnte Preußen nicht handeln und in demselben Augenblicke ließ sich Kaiser Franz Joseph durch ein ge= fälschtes Aktenstück täuschen und hinreißen, einen so nachtheiligen Frieden zu schließen, den ihm Preußen nie zugemuthet haben würde, und zum Ueberfluß noch dasselbe Preußen in der oben citirten Proclamation aufs ungerechteste zu verdächtigen und tödtlich zu beleidigen. Herr von Schleinitz, Minister der auswärtigen Angelegenheiten in Berlin, ließ durch den preußischen Gesandten in Wien mit größter Bestimmtheit erklären: 1) Daß Seitens Preußen keinerlei Bedingungen einer Mediation formulirt oder dergleichen, die von einer andern Macht formulirt gewesen wären, acceptirt worden sind; 2) daß das dem österreichischen Circulär beigefügte, seitdem durch die Zei= tungen veröffentlichte Project uns gänzlich unbekannt gewesen ist." Nur England wollte aus Vorliebe für die italienische Agitation, daß Desterreich nicht nur die Lombardei, sondern auch Venedig verlöre, und man überredete den Kaiser Franz Joseph, Preußen sey mit dieser Ansicht Englands einverstanden. Die österreichische Verblendung war staunenswürdig. Wenn Preußen wirklich der englischen Ansicht ge= wesen wäre, so hätte es entweder seine Armee gar nicht mobil gemacht, oder wenigstens nicht an den Rhein, sondern nach Böhmen geschickt.

Napoleon III. hatte die deutschen Großmächte glücklich wieder auseinander gebracht und spann nun, immer mit überlegener Klugheit, den Faden fort. Preußens Rüstungen hatten ihn genirt, aber es jezt

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