Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

seinen Verpflichtungen gegen den Bund, so lange der Krieg noch nicht begonnen habe. Preußen verlangte eine bestimmtere Erklärung und warnte abermals, Hannover möge doch ja „nicht auf die Niederlage Preußens spekuliren, indem Hannover in diesem Falle leicht zu Compensationen benutzt werden könnte.“ Der preußische Gesandte drängte, wurde aber hingehalten und unterdeß wurde das verleumderische Gerücht verbreitet, Preußen habe einen Vertrag mit Frankreich abgeschlossen, dem zufolge die Rheinlande an Frankreich, Hannover und Sachsen dagegen an Preußen fallen sollen. Eine Depesche des Grafen Bismarck vom 28. Mai erklärte dieses Gerücht sogleich für eine Lüge. Allein Hannover ließ sich auf keine Verständigung mit Preußen mehr ein. Der Stadesche Plan wurde als zu gewagt aufgegeben, aber der Entschluß, an Oesterreichs Seite den Krieg zu führen, festgehalten. Nachdem Hannover schon am 14. Juni zu dem verhängnißvollen Bundesbeschluß mitgestimmt hatte, der den Krieg unvermeidlich machte, schlug Preußen am folgenden Tage in einer unter diesen Umständen staunenswürdigen Langmuth dem König von Hannover noch einmal einen Vergleich vor und sicherte ihm seinen Besikstand und seine Souveränetätsrechte zu unter einziger Bedingung der Abrüstung und des Anschlusses an den preußischen Bundesreformantrag. Hannover antwortete am nächsten Tage, 16. ablehnend.

Mithin hat Preußen seinerseits die größte Aufrichtigkeit und großmüthigste Schonung gegen Hannover bewiesen und waren die späteren Anschuldigungen, es habe Hannover überrascht, eben so erlogen, wie die von der Vertauschung der Rheinlande, durch die man Preußen des Verraths an der deutschen Nation zu bezüchtigen die Stirne hatte, während grade in Wien die Vertauschung Venetiens gegen Schlesien eifervoll gewünscht und deshalb der Hof der Tuilerien beschmeichelt wurde.

Die Verblendung war so groß, daß man nur von Siegen träumte und sogar schon die Beute vertheilte. Was mehrere Zeitungen

bereits vorschlugen, wurde später durch Actenstücke bestätigt, die man in Hannover und Frankfurt gefunden hat. Eine Landkarte war im voraus verfertigt worden, wonach Preußen verlieren sollte: Schlesien an Desterreich, Thüringen an Sachsen, einen Theil Westphalens an Hannover, Henneberg an Meiningen, das Eichsfeld an Kurhessen, Rheinpreußen an Nassau, Darmstadt und Bayern, Hohenzollern an Württemberg.

In Kurhessen war die Mißregierung schon aus dem vorigen Jahrhundert geerbt, in welchem der Landgraf seine Unterthanen Stüc für Stück für hundert Thaler als Soldaten ans Ausland verkaufte. Als Wilhelm I., der alte Kurfürst, nach Napoleons Sturz restaurirt wurde, behielt er nicht nur den altmodischen Titel Kurfürsst bei, welcher, da es jezt nichts mehr zu küren gab, auch nicht mehr in die Zeit paßte, sondern er führte auch Puder und Zöpfe wieder ein und war ein entseßlicher Geizhals. Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm II. brachte monatelang an der Spielbank in Baden-Baden zu und seine ganze Regierung war eine Reihe von Scandalen (Drohbriefe, Maitreffenwirthschaft 2c.). Unter dessen Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm I. hat sich die Mißregierung womöglich noch gesteigert. Sein Minister Hassenpflug, der lutherische Frömmelei zur Schau trug, diente nur dem katholischen Desterreich gegen das protestantische Preußen. Die innere Tyrannei, Verfassungsbruch 2c. wäre nicht möglich ge wesen, wenn der Kurfürst nicht immer von Wien aus geschüßt worden wäre. Desterreich hatte dabei nur die Absicht, Hessen gegen Preußen zu heben, denn Hessen und Hannover dienten ihm als Pfahl im Fleische Preußens. Desterreich wollte um jeden Preis die Kleinstaaterei gegen die immer auf Preußen ihre Hoffnung seßenden Einheitsbestrebungen aufrecht erhalten.

Die kurhessische Mißregierung wurde hauptsächlich von der demokratischen Partei ausgebeutet. Eine solche Fürstenwirthschaft war in der That geeignet, auch den ruhigsten Bürger abzuschrecken, oder

zu erzürnen, so daß ihm schweizerische und nordamerikanische Zustände annehmlicher erscheinen mußten, als die Kostspieligkeit und Nichtswürdigkeit deutscher Winkelmonarchien. Desterreich und der kleinstaatliche Particularismus hatten aber nur Furcht vor Preußen, nicht vor der Demokratie und ließen diese letztere gern gewähren. Nur im Jahr 1862, als Desterreich mit dem Liberalismus kokettirte, hinderte es Preußen nicht, endlich dem Wahnsinn, der in Kassel mit einem abermaligen Verfassungsbruche drohte, durch den bekannten "Feldjäger" ein Ziel zu sehen. Im Ganzen aber gewannen die Stände kein Terrain und Kurhessen konnte aus seiner langen Drangsalirung erst durch die großen Erfolge Preußens im Kriege erlöst werden. Der Kurfürst gab nur scheinbar dem Drängen Preußens nach und ließ die Stände in stets vergeblicher Erwartung zappeln. Niemals ist ein edler deutscher Volksstamm für seine lange Treue und Geduld von seinen Fürsten mit schnöderem Undank_belohnt worden und wenn es noch eines Zeugnisses bedürfte, wie gewissenlos das alte Metternichsche System und der davon unzertrennliche Bundestag gewesen ist, so würde es die lange Duldung beweisen, welche jenes volksverachtende System dem Hofunfug in Kassel hat angedeihen lassen.

Nicht ganz so grell trat die Mißregierung im Herzogthum Nassau an den Tag. Daß der Herzog sich um die Stände nicht fümmerte, wäre weniger aufgefallen, denn andere Fürsten thaten es auch nicht. Aber das Volk in Nassau litt ökonomisch außerordentlich durch die Verschwendungen eines Hofes, der sich das halbe Land als Domäne angeeignet hatte und damit den eigenen Unterthanen Concurrenz machte. Eine Staatswirthschaft ohne Gleichen, gegen die schon der berühmte preußische Minister, Freiherr von Stein, als nassauischer Ritter vergebens protestirte. *)

*) In Oppermanns Flugschrift Freiherr Karl v. Stein und das Kleinstaatenthum" lesen wir, daß in dem kleinen Herzogthum die jährliche

Die freie Stadt Frankfurt am Main hatte während der langen Dauer der deutschen Bundesverfassung als Siß des Bundes

Ausgabe für auswärtige Angelegenheiten allein im Jahr 1864 212,000 fl. 15 kr. betragen habe. Welche Lächerlichkeit, daß so ein Zwergstaat Gesandtschaften im Ausland unterhält, und welche Rücksichtslosigkeit gegen die armen Unterthanen! Da die staats- und volkswirthschaftliche Monftrofität im Herzog= thum Nassau einzig in ihrer Art ist, verdient fie genauer bekannt zu werden. Oppermann bemerkt:,,In Nassau beschäftigte sich das Volk bisher vorzugsweise mit der Erzeugung von Holz, Getreide, Wein und der Gewinnung von Bergwerksprodukten; außerdem wurde dasselbe durch das Vorkommen so vieler Thermen und Mineralquellen man zählt deren in Nassau nicht weniger als 135 angewiesen, in der Ausbeutung der letzteren eine vorzügliche Nahrungsquelle zu suchen. Die Domaine begnügte fich nicht damit, an diesen verschiedenen volkswirthschaftlichen Thätigkeiten ‚Antheil zu nehmen: fie nahm einen Zweig derselben (Mineralwasserdebit) monopolistisch vollständig in Beschlag und trat bezüglich der anderen, in Folge ihres großen,Besitzes', ihrer bedeutenden,Hülfsmittel und der ihr mehr oder weniger zur Verfügung stehenden,Staatsanstalten“ und ,Staatsdiener, vorab der Forst- und Finanzbeamten, derartig wuchtig concurrirend auf, daß sie auf den ‚Markt und die Preise nicht blos Einfluß gewann, sondern dieselben nicht selten geradezu beherrschte'. Wenn also einestheils die Domaine durch ihren Besitz die ergiebigsten Ländereien der wirthschaftlichen Thätigkeit des Volks vorenthielt, anderntheils dem letztern mit kolossalen Kräften und unterstützt von der ganzen Staatsmaschine, in ihrer Eigenschaft als Bergwerksbesizer, als Badewirth, als Wein-, Frucht-, Holz- und Mineralwasserhändler in den wichtigsten Branchen des Verkehrs die großartigste und verderblichste Concurrenz machte war es da ein Wunder, daß die Population so langsam anwuchs; daß die Auswanderung so starke Dimensionen annahm; daß die Vermehrung des Nationalwohlstandes weder mit den natürlichen Quellen des Reichthums noch mit der Entwicklung anderer Staaten irgendwie im Verhältniß stand! Waren Brod und Holz billig so mußte dies der ,Domaine sehr fatal seyn fie wollte ja aus ihren Frucht- unb Holzvorräthen,hohe Einnahmen,machen'; waren Brod und Holz theuer - so

-

[ocr errors]

[ocr errors]

tages große Vortheile genossen und wenn der Senat deshalb in unverbrüchlicher Treue und Ergebenheit den Winken aus der Wiener Burg gehorchte und dem Metternichschen System, durch welches der Bundestag allein geschaffen war und allein erhalten werden konnte, eifervoll anhing, so war das nur pflichtschuldige Dankbarkeit. Daß sich auch die Wiener Judenwirthschaft und Judenpresse in der Frankfurter abspiegelte, war ganz natürlich. Wer hätte es ferner den reichen Frankfurtern verdenken sollen, wenn sie mit den vielen Diplomaten in der Bundesstadt, namentlich mit den einflußreichen, gern Geschäfte machten, gern ihre Protection suchten, gern eine gewisse Vertraulichkeit von ihrer Seite mit glänzenden Diners und eleganten Aufwartungen erkauften, wenn der Geldsack dem Ordensstern nachlief und der Ordensstern auch wieder dem Geldsack. Frankfurt ist eine rührige Stadt und hat rechtschaffene Bürger von Alters her, aber das damals herrschende Geldproßenthum mit seinen diplomatischen

waren die Zeiten für sie sehr angenehm' ihre Beutel füllten sich ja stattlich mit den vom Volk in Kummer und Noth aufgebrachten Gulden. Welch ein unheilvoller, welch ein unnatürlicher Zustand! Litt das Volk, das außerdem stets den Stachel des ihm in der Domaineneigenthumsfrage zugefügten Unrechts lebhaft und bitter empfand, so gingen die,Geschäfte des Regentenhauses flott. Und dieses durch die Geschäfte der eigenen Herrscherfamilie in seinem Erwerb so ungemein gehemmte Volk mußte von Jahr zu Jahr mehr Steuern aufbringen. Zu den alten, an und für sich ,fehlerhaften und außerdem in der Praxis so ungleich vertheilten Steuern trat die Besteuerung des Biers und des Branntweins. Namentlich wurde die Gewerbesteuer, die dem Handwerkerstand fortwährend zu den heftigsten Beschwerden Anlaß gab, zu einer Schraube ohne Ende. Die Stempelerhöhungen waren schon 1816 von Stein als eine für die Armuth drückende, unerträgliche Last' bezeichnet worden; die nassauische Regierung suchte jedoch die Stempelgelder immer mehr in die Höhe zu treiben während sie 1856 erst 232,276 fl. betrugen, erreichten fie 1864 schon die Summe von 418,160 fl. Die Steuern in Nassau waren höher als die in Preußen."

« ZurückWeiter »