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fie gar nicht gehören und den der Bund nicht anerkannt habe? Diese seine Aeußerung wurde mit großer Indignation von den kriegführenden Mächten zurückgewiesen und der Bund gab ihr auch keine Folge.

Von einem definitiven Friedensabschluß war übrigens noch nicht die Rede. Die Auseinandersetzung der verwickelten Finanzfragen er: forderte noch viele Zeit. Dänemark wollte den Herzogthümern so viele Geldlasten als möglich zuschieben, um sich selbst zu erleichtern, und wartete auch noch immer auf den möglichen Ausbruch eines großen europäischen Conflictes, welcher den ganzen Friedensschluß in Frage stellen und den Dänen neue Vortheile hätte zuwenden können. Indessen blieben Desterreich und Preußen einig und gegen ihre vereinigte Macht würde fein Staat in Europa einen Angriff gewagt haben.

Am 20. August kam der König von Preußen nach Wien und wurde vom Kaiser in Schönbrunn auf das herzlichste empfangen. Beide Monarchen umarmten sich. Ein riesenhafter preußischer Adler schmückte die Ehrenpforte. Die Musik spielte die preußische Nationalhymne und der unermeßliche Volksjubel bezeugte, welch hohen Werth die Bevölkerung Wiens, wie jeder gute Deutsche, auf die Einigkeit der beiden deutschen Großmächte legte. Die Parole dieses Tages war: Kein Olmüş, kein Villafranca mehr! Desterreichischerseits wurde diese gute Gelegenheit benutzt, um den dort so lange und sehnlich ge= wünschten Anschluß an den deutschen Zollverein anzubahnen, und Preußen war auch nicht abgeneigt, wenigstens die Möglichkeit eines solchen Anschlusses zu erwägen, zu welchem Zwecke eine Zollconferenz in Prag anberaumt wurde. Abermals ein Anlauf, um das Unmögliche möglich zu machen. Preußen konnte sicher darauf rechnen, daß die Mittelstaaten als seine Zollvereinsgenossen niemals in den Anschluß Oesterreichs an den Zollverein willigen würden, weil das Finanzsystem Desterreichs und das Verhältniß seiner der Mehrheit nach

halbbarbarischen Bevölkerungen zu denen der Zollvereinstaaten es aus materiellen Gründen nicht zuließ.

Inzwischen schien ein fernes Ungewitter im Westen aufzusteigen und Desterreich zu bedrohen. Lord Clarendon kam von London nach Wien, um, wie es hieß, dringend vom Anschluß Oesterreichs an die nordischen Mächte und von der damals gefürchteten Coalition abzumahnen. Aber schon am 15. September schloß Napoleon III. mit Victor Emanuel einen neuen Vertrag ab, in welchem er sich verpflichtete, binnen zwei Jahren seine Truppen aus Rom zurückzuziehen. Das kam einer neuen engern Allianz zwischen Frankreich und Italien gleich, mithin einer Drohung, zunächst gegen Desterreich. Unmittelbar darauf aber sah man freundliche Begegnungen der preußischen und russischen Machthaber mit der französischen Kaiserin Eugenie, die in das nassauische Bad Schwalbach gekommen war. Der König von Preußen ging von Bad Gastein nach Wien, dann nach BadenBaden und besuchte von hier aus die französische Kaiserin in Schwalbach, am 11. September. Der Kaiser von Rußland mit Gemahlin begab sich nach Darmstadt zu seinen Verwandten und besuchte die Kaiserin Eugenie ebenfalls, am 21. September. Seine Gemahlin blieb in Darmstadt und es fiel auf, daß die Kaiserin Eugenie bei ihrer Rückkehr nach Frankreich diese Stadt vermied. Der russische Kaiser empfing am 14. October in Darmstadt noch einen Besuch des Königs von Preußen und reiste nachher mit Gemahlin über Lyon nach Nizza. Dorthin begab sich auch Napoleon III. und hatte am 27. October eine Conferenz mit dem russischen Kaiser, ohne günstigen Erfolg, wie man glaubte.

Im October reiste Herr v. Bismarck in das Seebad nach Biarriß und kam am Schlusse des Monats nach Paris. Kurz vorher war Benedetti, ein alter Feind Oesterreichs, zum französischen Gesandten in Berlin ernannt worden. Zugleich scheiterte die Prager Zollconferenz, denn die Mittelstaaten, die dem Handelsvertrag Preußens mit Frank

reich nicht eher hatten beitreten wollen, bis Desterreich in den deutschen Zollverein aufgenommen würde, sahen sich in die Alternative versezt, entweder aus dem bisherigen Zollverein auszutreten, was mit unberechenbaren Nachtheilen für sie verbunden war, oder Desterreich im Stich zu lassen. Sie wählten das lettere und somit errang die preußische Politik einen glänzenden Sieg über die österreichische, während sie beide als alliirt gegen Dänemark innig verbunden erschienen.

Alle diese Vorgänge finden ihre Erklärung in der Abneigung Desterreichs, auf die preußischen Forderungen in Schleswig-Holstein einzugehen. Napoleon III. benußte natürlicherweise diese Spannung zwischen den deutschen Großstaaten, um wo möglich ihre Allianz zu sprengen, und ermunterte Preußen, die Elbherzogthümer zu annectiren mit Ausnahme des dänisch redenden Nordschleswig, welches er nach dem Nationalitätenprincip Dänemark zurückgegeben wünschte. Es gelang ihm indeß nicht, Preußen zu gewinnen, wobei ihm ohne Zweifel sowohl die Sendung des Lord Clarendon, als die Haltung Alexanders II. in Nizza hinderlich war.

Die Spannung zwischen Desterreich und Preußen hatte in dem Augenblicke wieder begonnen, in welchem ihre vereinigten Waffen in Dänemark gesiegt hatten. Bei der Eroberung der Elbherzogthümer einig, kamen sie in neuen Conflict, als es sich darum handelte, was mit den Herzogthümern anzufangen sey. Die Mittelstaaten drängten Desterreich, sich für den Augustenburger zu entscheiden, und Desterreich, dem die Elbherzogthümer zu ferne lagen, als daß es dort für sich einen Bestßstand hätte gründen wollen, war geneigt, dem Wunsche der Mittelstaaten zu entsprechen. Ein Kleinstaat mehr im Norden mußte auch ein weiterer Bundesgenosse Desterreichs gegen Preußen werden. Der Augustenburger hatte bereits ein so gehässiges Betragen gegen Preußen eingehalten, daß alle Feinde Preußens darauf rechnen konnten, er werde auf ihrer Seite stehen. Bekam er die Herzog= thümer, so konnte er auf die Unterstützung der Seemächte zählen, die

das Aufkommen einer deutschen Marine zu verhindern wünschten. Die Flensburger Fischer hatten bereits erklärt, wenn sie nicht mehr unter dänischer Flagge fahren könnten, würden sie lieber unter der preußischen fahren, als unter der augustenburgischen, denn jene würde mehr Achtung genießen und ihnen mehr Sicherheit gewähren. Damit wurde die Sachlage richtig bezeichnet. Unter Preußen mußten die Elbherzogthümer ein Bollwerk Deutschlands, unter dem Augustenburger konnten sie nur wieder eine schwache Seite Deutschlands werden. Als integrirender Theil des preußischen Großstaats konnten sie für die deutsche Marine bedeutend werden, nicht aber als ein Kleinstaat, dessen Fürst aus Haß gegen Preußen immer dänische, englische und russische Hülfe ansprechen würde.

Wenn gerade dieser Umstand Desterreich abhielt, Preußen Conceffionen machen zu wollen, weil ihm das deutsche Nationalinteresse gleichgültig war und es in Preußen nur seinen Rivalen sah, so hätten doch die Mittelstaaten und die Fortschrittspartei, die immer für die deutsche Sache begeistert zu seyn affectirten, nicht verkennen sollen, Preußen allein könne die Elbherzogthümer fortan im deutschen Interesse mit starker Hand gegen das Ausland beschüßen und diese schönen Provinzen für die deutsche Marine nußbar machen. Das wurde aber vom Partikularismus und von der Fortschrittspartei blind verkannt. Die lettere ging in ihrer unverständigen Wuth so weit, in die Bevölkerung von Holstein und Schleswig die Parole auszuwerfen: lieber dänisch, als preußisch!

Preußen machte, wie billig, Anspruch auf den Dank des Bundes und des deutschen Volks, der ihm nicht passender und würdiger gewährt werden konnte, als wenn man ihm die Elbherzogthümer überließ, um dadurch mit seiner eigenen Macht die von ganz Deutschland zu stärken. Es brauchte dort nicht die Souveränetät zu erwerben, nur den militärischen und maritimen Oberbefehl. Aber weder Defterreich, noch die Regierungen der Mittelstaaten, noch die Fortschritts

partei wollten ihm so viel gönnen. Da indeß Frankreich, England und Rußland sich zu keiner gemeinschaftlichen Politik in Bezug auf Deutschland vereinigen konnten und Oesterreich den Mittelstaaten nicht traute, zog es doch vor, sich mit Preußen auszugleichen.

So wurde nun am 30. October von Seite Desterreichs und Preußens der Wiener Frieden mit Dänemark abgeschlossen. Darin trat Christian IX. Schleswig, Holstein und Lauenburg an Desterreich und Preußen ab, welche frei darüber sollten verfügen können. Die Nordgrenze Schleswigs wurde berichtigt, die Kriegskosten sowie 29 Millionen Thaler der dänischen Staatsschuld (die im Ganzen zu 96 Millionen berechnet war) wurde den Herzogthümern aufgelegt. Gegenseitige Amnestie und in Bezug auf Handel und Schifffahrt gegenseitige Begünstigung gleich den bisher am meisten begünstigten Staaten wurde zugesichert. Da in dem Frieden das Erbrecht Christians IX. anerkannt war, weil er sonst kein Recht gehabt hätte, die Herzog= thümer abzutreten, beeilten sich der Augustenburger und der Oldenburger beim Bundestage zu reclamiren und Ritterschaft und Landschaft von Lauenburg baten, dem Königreich Preußen einverleibt zu werden. Man ließ aber diese Fragen noch unentschieden, wie denn die Rechtsfrage überhaupt der Machtfrage untergeordnet blieb. Unmittelbar vor dem Wiener Frieden trat Graf Rechberg zurück und überließ seinen wichtigen Posten in Wien dem Grafen von MensdorffPouilly, der anfangs noch das gute Einvernehmen mit Preußen fortseßen zu wollen schien.

In Holstein standen noch die Bundestruppen, Sachsen und Hannoveraner. Desterreich und Preußen trugen am 1. Dezember beim Bundestage darauf an, sie zu entfernen, weil das Object der Bundesexecution nicht mehr bestehe. Es geschah unter den heftigsten, jedoch ohnmächtigen Wuthausbrüchen der preußenfeindlichen Presse, denn daß Preußen seine Eroberung festhalten würde, daran konnten Freund und Feind nicht zweifeln. Weil aber damals Desterreich noch

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