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sich ihren Herrscher selbst zu wählen. Das brachte den Augustenburger in eine falsche Stellung zu Preußen und Oesterreich, die insofern Herrn der Lage waren, als sie allein Schleswig erobert und im Besiz hatten. Rußland durfte nun annehmen, daß es Desterreich und Preußen keineswegs verleßen würde, wenn es vorsichtige Anstalten träfe, den Augustenburger noch einmal, wie 1852 zu beseitigen, und an seine Stelle einen andern Candidaten zu bringen, der mit den Volksversammlungen, mit dem Sechsunddreißiger-Ausschuß, mit dem Coburger und mit dem 2. Dezember weniger Verkehr gehabt hätte.

Kaiser Alexander II. von Rußland erschien am 9. Juni in Berlin und begab sich von da nach dem Bade Kissingen, wo er mit dem Kaiser von Oesterreich zusammentraf. Dahin nun begab sich auch der Großherzog Peter von Oldenburg und am 19. Juni trat der Kaiser von Rußland an den gedachten Großherzog alle Ansprüche der holstein-gottorpschen in Rußland regierenden Linie auf das Erbrecht in den Herzogthümern ab. Damit gewann das bisherige Gespenst der s. g. gottorpschen Ansprüche ein gewisses Leben, eine ziemlich deutliche Greifbarkeit. Am 23. Juni meldete der Großherzog seinen Erbanspruch` förmlich beim deutschen Bunde an. Der deutsche Bund forderte hierauf den Augustenburger auf, auch seine Ansprüche darzulegen. Zum Ueberfluß meldete sich nun auch Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen mit einem Erbanspruch, so daß wenigstens die öffentliche Meinung in Bezug auf das Erbrecht in den Herzogthümern in neue Ungewißheit verseßt und der energische Fortschritt der augustenburgischen Rechtsverwahrung durchkreuzt wurde.

Man glaubte, Rußland wolle nicht nur den Augustenburger verdrängen, sondern auch seinen Protokollprinzen aufgeben und dem Oldenburger außer den Herzogthümern auch noch die dänische Krone zuwenden, damit der dänische Gesammtstaat doch wieder vollständig zusammengeleimt werden könne. Allein es handelte sich für Rußland um etwas, was ihm viel näher lag. Es hatte im Krimkriege den

Kürzeren gezogen und nur mit großer Anstrengung eben erst wieder die Insurrection in Polen unterdrücken müssen. Frankreich hatte ihm im Krimkriege am wehesten gethan, hegte Sympathien für Polen und agitirte in Rumänien und Konstantinopel gegen die russische Politik. Jezt schien es sich auch in die dänische Frage einmischen zu wollen. Der Augustenburger hatte sich an Napoleon III. gewandt, Herr von Beust, der Vertreter der Mittelstaaten, hoffte auf seine Verwendung. Ja er war sogar auf der Londoner Conferenz zum Schiedsrichter vorgeschlagen worden. Um nun Frankreich zu demüthigen, blieb Rußland nichts übrig, als sich an Desterreich und Preußen anzuschließen und denselben in der dänischen Frage Concessionen zu machen. Obgleich es in London bis zum letzten Augenblicke den hartnäckigen Widerstand der Dänen unterstüßte, glaubte man doch, es habe schon vorher seinen Entschluß gefaßt, sich mit den deutschen Großmächten in gutes Einvernehmen zu sehen. Unter den Acten, welche dem dänischen Reichsrath vorgelegt wurden, befanden sich auch die Depeschen des dänischen Gesandten in St. Petersburg, wonach Fürst Gortschakof die Schleylinie als Grenze festhielt, und der russische Gesandte bei der Londoner Conferenz machte England ernste Vorstellungen, es solle eine Flotte in die Ostsee schicken, um mit Rußland gemeinsam Dänemark zu schüßen. Aber England traute dem russischen Eifer nicht.

Die dänische Presse tobte gegen England, daß es die Dänen so lange gehetzt habe und ihnen jezt nicht helfe. Das nahm England übel und drohte. Die Londoner Conferenz kam zu keinem Ergebniß, weil keine auswärtige Macht gegen das diesmal vereinigte Deutschland feindlich vorschreiten wollte. Sie löste sich auf und unmittelbar nachher, am 26. Juni, griff der energische Prinz Friedrich Karl, nach dem Abgang des alten Wrangel, Oberbefehlshaber der alliirten Armee, die Dänen wieder an, die immer noch nicht hatten nachgeben wollen.

Die Dänen hatten eine feste Stellung auf der Insel Alfen ge= nommen. Am 29. Juni aber wurden sie von den Preußen, die noch vor Sonnenaufgang auf Kähnen hinüberfuhren, blizschnell angegriffen, getödtet, gefangen, der Rest zur eilenden Flucht getrieben. Nun erst bequemte sich Dänemark, um einen Frieden zu bitten, der in Wien unterhandelt wurde. Die siegreichen Preußen und Oesterreicher nahmen ganz Schleswig und die dazu gehörigen Inseln ein.

Die russische Intrigue, die so plößlich den Oldenburger dem Augustenburger vorschob, wurde in Deutschland als Demonstration gegen den Nationalverein und als ein Versuch aufgefaßt, die russische Vormundschaft über Deutschland zu erneuern. In England und Frankreich aber wurde das plößliche Erscheinen des russischen Kaisers, den Fürst Gortschakof und eine zahlreiche diplomatische Kanzlei nach Kissingen begleiteten, noch anders aufgefaßt. England hatte kurz vorher den Jubelempfang Garibaldis zu London in Scene geseht. Nichts mußte ihm willkommner seyn, als die Völker des mittlern und westlichen Europas durch das Gespenst einer neuen heiligen Allianz er= schrecken zu können. Es durfte namentlich hoffen, Frankreich wieder an sich zu fesseln und die westmächtliche Allianz herzustellen, wenn es Frankreich mit einer neuen Coalition der drei nordischen Mächte bedrohen könnte. Nun erschienen vom 2. Juli an in der Morning Post, dem Organ Palmerstons, eine Reihe von russischen, preußischen und österreichischen Depeschen, welche die Thatsache einer neuen engen Allianz der drei nordischen Mächte constatiren sollten, aber sämmtlich gefälscht waren. Die drei Mächte constatirten auch sogleich die Fälschung und erklärten auf das bestimmteste, niemals Verabredungen der be zeichneten Art gepflogen zu haben. Dennoch war man in Frankreich sehr argwöhnisch und die inspirirte Pariser Presse äußerte sich dahin, daß, wenn auch die Dokumente nicht echt seyen, ihnen nichtsdestoweniger eine gewisse Wahrscheinlichkeit inwohne. Im August wurden französische Depeschen an Dänemark durch eine Indiscretion des däni

schen Reichsraths, der fie vom Ministerium zur Einsicht erhalten hatte, veröffentlicht, worin sich die Besorgniß Frankreichs vor einer neuen Coalition sehr deutlich aussprach, und womit zugleich entschuldigt wurde, daß Frankreich den Dänen keine bessere Hülfe leisten könnte.

In dem Augenblick, in welchem sich Napoleon III. bedroht sah, traf er Maßregeln der Abwehr. Die wenn auch abgeleugnete, doch mögliche Allianz der großen Mächte im Osten machte alle die fleinen Staaten, die zwischen ihnen und Frankreich lagen, zu seinen natürlichen Verbündeten und Schüßlingen. Schweden schien von Rußland, Italien von Desterreich, das kleine Staatenconglomerat im deutschen Bunde von preußischer Hegemonie oder großmächtlicher Dictatur bedroht. Polen hatte sich eben erst gegen Rußland erhoben, Ungarn war noch unversöhnt mit Desterreich, in Preußen stand dem Ministerium eine compacte liberale Opposition entgegen. Mit all diesen Elementen glaubte nun der französische Kaiser sich nöthigenfalls verstärken zu sollen, wenn aus der Coalition eine Wahrheit würde. Daher seine Freundlichkeit gegen Herrn von Beust als den eifrigsten Vorkämpfer der deutschen Mittelstaaten gegen die deutschen Großstaaten. Daher seine moralische Unterstüßung der Coburger und Kieler Politik.

Dänemark wurde übrigens durch England und Rußland einigermaßen getröstet. Nicht nur der Prinz und die Prinzessin von Wales, sondern auch der Großfürst Nikolaus kamen nach Kopenhagen und der lettere verlobte sich mit der dänischen Prinzessin Dagmar.

Im Sommer fanden persönliche Zusammenkünfte unter den europäischen Monarchen statt. Am 22. Juni kam der König von Preußen mit dem Kaiser von Oesterreich in Karlsbad zusammen und man bemerkte, daß ihre Minister, Herr von Bismarck und Graf Rechberg, eine längere Strecke auf der Eisenbahn in demselben Waggon fuhren und sich auf das freundschaftlichste mit einander unterhielten. Das nächste Ergebniß der neu befestigten Einigkeit zwischen Desterreich und Preußen war am 8. Juli die gemeinschaftliche Erklärung dieser beiden

Mächte, daß sie allein, ohne Zuziehung des deutschen Bundes, mit Dänemark Frieden schließen würden, weil auch nur sie allein den Krieg geführt hätten, und daß sie gemeinschaftlich die Herzogthümer beseßt halten würden, bis die Erbfolgefrage entschieden seyn würde. In dieser Erklärung war das Erbfolgerecht des Augustenburgers nicht mehr betont, wie bei der mißlungenen Conferenz in London. Der Bundestag ließ ebenfalls seine früheren Sympathien für den Augustenburger fallen und forderte den Oldenburger auf, seine Ansprüche geltend zu machen. Nur die bayrische Stimme erklärte, sie halte am Augustenburger fest. Um dieselbe Zeit, Ende Juli, kam der alte König Leopold von Belgien mit Napoleon III. im Bade Vichy zusammen, wovon viel geredet wurde, ohne daß man ein Ergebniß erfuhr.

Das neue dänische Ministerium beeilte sich, um Frieden zu bitten, wozu Desterreich und Preußen auch gern bereit waren. Vom 18-31. Juli sollte Waffenruhe seyn, und am 26. Juli wurde die Friedensconferenz in Wien eröffnet. Auch Herr von Bismarck begab sich dahin. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, da sich die Dänen in ihren Concessionen wieder sehr zähe zeigten. Sie hofften nämlich, es könne bei dem Mißtrauen Frankreichs und durch die russischen Recognoscirungen zu einem großen europäischen Conflicte kommen, den Dänemark abwarten müsse, um günstigere Chancen zu erlangen. So mußte denn der Waffenstillstand verlängert werden und da der Conflict ausblieb, bequemten sich die Dänen endlich am 1. August zum Abschluß der Friedenspräliminarien, in welchen beschlossen wurde: 1) Dänemark tritt die Herzogthümer an Desterreich und Preußen ab, 2) die Grenze wird genauer regulirt, 3) die Staatsschulden werden nach dem Maße der Bevölkerung vertheilt, 4) die Kriegskosten tragen die Herzogthümer.

Der sächsische Minister, Herr v. Beust, kündigte am 12. August beim Bundestage die Anfrage an: Mit welchem Rechte sich Desterreich und Preußen Länder abtreten lassen von einem Könige, dem

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