Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde: seinem Denkmal, Band 2

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F. Dümmler, 1835
 

Ausgewählte Seiten

Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 193 - Keinen Freund hab ich, ich muß mit mir allein leben; ich weiß aber wohl daß Gott mir näher ist wie den andern in meiner Kunst, ich gehe ohne Furcht mit ihm um, ich hab...
Seite 199 - Da sah ich denn diesen ungeheuren Geist sein Regiment führen. O Goethe! kein Kaiser und kein König hat so das Bewußtsein seiner Macht, und daß alle Kraft von ihm ausgehe, wie dieser Beethoven...
Seite 272 - Himmel, was hatte der Mann für Augen! sehr melancholisch, etwas gesenkte Augenwimpern; ich verließ ihn nicht, folgte ihm in alle Kirchen, überall kniete er auf der letzten Bank unter den Bettlern und legte sein Haupt eine Weile in die Hände; wenn er wieder empor sah, war mirs allemal wie ein Donnerschlag in der Brust.
Seite 195 - Da muß ich denn von dem Brennpunkt der Begeisterung die Melodie nach allen Seiten hin ausladen, ich verfolge sie, hole sie mit Leidenschaft wieder ein, ich sehe sie dahin fliehen, in der Masse verschiedener Aufregungen verschwinden, bald erfasse ich sie...
Seite 191 - Es ist Beethoven, von dem ich Dir jetzt sprechen will, und bei dem ich der Welt und Deiner vergessen habe; ich bin zwar unmündig, aber ich irre darum nicht, wenn ich ausspreche (was jetzt vielleicht keiner versteht und glaubt), er schreite weit der Bildung der ganzen Menschheit voran, und ob wir ihn je einholen?
Seite 196 - Melodie ist das sinnliche Leben der Poesie. - Wird nicht der geistige Inhalt eines Gedichts zum sinnlichen Gefühl durch die Melodie? - Empfindet man nicht in dem Lied der Mignon ihre ganze sinnliche Stimmung durch die Melodie ? - Und erregt diese Empfindung nicht wieder zu neuen Erzeugungen?
Seite 251 - Lieblings nicht recht nach seinem Sinn ging, da sah ich, wie die Zornader an der Stirn schwoll und wie er die Tränen verbiß.
Seite 194 - Er begleitete mich nach Hause und unterwegs sprach er eben das viele Schöne über die Kunst, dabei sprach er so laut und blieb auf der Straße stehen, daß Mut dazu gehörte, zuzuhören, er sprach mit großer Leidenschaft und viel zu überraschend, als daß ich nicht auch der Straße vergessen hätte. Man war sehr verwundert, ihn mit mir in eine große Gesellschaft, die bei uns zum Diner war, eintreten zu sehen. Nach...
Seite 257 - Einmal stand jemand am Fenster bei Deiner Mutter, da Du eben über die straße herkamst mit mehreren andern Knaben; sie bemerkten, daß Du sehr gravitätisch einherschrittest und hielten Dir vor, daß Du Dich mit Deinem Gradehalten sehr sonderbar von den andern Knaben auszeichnetest. — Mit diesem mache ich den Anfang, sagtest Du, und später werd' ich mich mit noch allerlei auszeichnen; und das ist auch wahr geworden, sagte die Mutter.
Seite 197 - Aber wenige gelangen dazu, denn so wie Tausende sich um der Liebe willen vermählen und die Liebe in diesen Tausenden sich nicht einmal offenbart, obschon sie alle das Handwerk der Liebe treiben, so treiben Tausende einen Verkehr mit der Musik und haben doch ihre Offenbarung nicht; auch ihr liegen die hohen Zeichen des Moralsinns zum Grund wie jeder Kunst, alle echte Erfindung ist ein moralischer Fortschritt.

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