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gewagt, um entweder diese Stadt wegzunehmen, oder doch dem
Feind eine Diversion zu machen, war gleichfalls verunglückt,
und so verlor das bedrängte Antwerpen zu gleicher Zeit alle
Hoffnung einer Zufuhr von der See und zu Lande. 1

Durch einige Flüchtlinge, welche sich durch die spanischen
Vorposten hindurch in die Stadt geworfen, wurden diese un-
glücklichen Zeitungen darin ausgebreitet, und ein Kundschafter,
den der Bürgermeister ausgeschickt hatte, um die feindlichen.
Werke zu recognosciren, vergrößerte durch seine Aussagen noch
die allgemeine Bestürzung. Er war ertappt und vor den Herzog
von Parma gebracht worden, welcher Befehl gab, ihn überall
herumzuführen, und besonders die Einrichtung der Brücke aufs
genaueste besichtigen zu lassen. Nachdem dies geschehen war, und
er wieder vor den Feldherrn gebracht wurde, schickte ihn dieser
mit den Worten zurück: „Gehe," rief er, und hinterbringe denen
„die dich herschickten, was du gesehen haft. Melde ihnen aber
„dabei, daß es mein fester Entschluß seh, mich entweder unter
„den Trümmern dieser Brücke zu begraben, oder durch diese
Brücke in eure Stadt einzuziehen." 2

Aber die Gewißheit der Gefahr belebte nun auch auf ein-
mal den Eifer der Verbundenen, und es lag nicht an ihren An-
stalten, wenn die erste Hälfte jenes Gelübdes nicht in Erfüllung
ging. Längst schon hatte der Herzog mit Unruhe den Bewegun-
gen zugesehen, welche zum Entsaße der Stadt in Seeland ge-
macht wurden. Es war ihm nicht verborgen, daß er den ge=
fährlichsten Schlag von dorther zu fürchten habe, und daß gegen
die vereinigte Macht der seeländischen und antwerpischen Flotten,
wenn sie zu gleicher Zeit und im rechten Moment auf ihn los-
dringen sollten, mit allen seinen Werken nicht viel würde aus-
zurichten seyn. Eine Zeit lang hatten ihm die Zögerungen des
seeländischen Admirals, die er auf alle Art zu unterhalten be-
müht war, Sicherheit verschafft; jezt aber beschleunigte die drin-
gende Noth auf einmal die Rüstung, und ohne länger auf den
Admiral zu warten, schickten die Staaten zu Middelburg den
Grafen Justin von Nassau mit so viel Schiffen, als fte auf-`
bringen konnten, den Belagerten zu Hülfe. Diese Flotte legte

1 Strada 567-571. Meteren 492. 494. Thuan. III. 44. 45.

2 Strada 568.

sich vor das Fort Liefkenshoek, welches der Feind in Bestt hatte, und beschoß dasselbe, von einigen Schiffen aus dem gegenüberliegenden Fort Lillo unterstügt, mit so glücklichem Erfolge, daß die Wälle in kurzem zu Grunde gerichtet und mit stürmender Hand erstiegen wurden. Die darin zur Besagung liegenden Wallonen zeigten die Festigkeit nicht, welche man von Soldaten des Herzogs von Parma erwartete; ste überließen dem Feinde schimpflich die Festung, der sich in kurzem der ganzen Insel Doel mit allen darauf liegenden Schanzen bemeisterte. Der Verlust dieser Pläße, die jedoch bald wieder gewonnen waren, ging dem Herzoge von Parma so nahe, daß er die Befehlshaber vor das Kriegsgericht zog, und den schuldigsten darunter enthaupten ließ. Indeffen eröffnete diese wichtige Eroberung den Seeländern einen freien Paß bis zur Brücke, und nunmehr war der Zeitpunkt vorhanden, nach genommener Abrede mit den Antwerpern gegen jenes Werk einen entscheidenden Streich auszuführen. Man kam überein, daß, während man von Antwerpen aus, durch schon bereitgehaltene Maschinen, die Schiffbrücke sprengte, die seeländische Flotte mit einem hinlänglichen Vorrathe von Proviant in der Nähe seyn sollte, um sogleich durch die gemachte Oeffnung hindurch nach der Stadt zu segeln. 1

Denn ehe noch der Herzog von Parma mit seiner Brücke zu Stande war, arbeitete schon in den Mauern Antwerpens ein Ingenieur an ihrer Zerstörung. Friedrich Gianibelli hieß dieser Mann, den das Schicksal bestimmt hatte, der Archime d dieser Stadt zu werden, und eine gleiche Geschicklichkeit mit gleich verlornem Erfolge zu deren Vertheidigung zu verschwenden. Er war aus Mantua gebürtig, und hatte sich ehedem in Madrid gezeigt, um, wie Einige wollen, dem König Philipp seine Dienste in dem niederländischen Krieg anzubieten. Aber vom langen Warten ermüdet, verließ der beleidigte Künstler den Hof, des Vorsages, den Monarchen Spaniens auf eine empfindliche Art mit einem Verdienste bekannt zu machen, das er so wenig zu schäßen gewußt hatte. Er suchte die Dienste der Königin Elisabeth von England, der erklärten Feindin von Spanien, welche ihn, nachdem sie einige Proben von seiner Kunst gesehen, nach Antwerpen schickte. In dieser Stadt ließ er sich wohnhaft

1 Strada 373. 574. Meteren 495.

nieder, und widmete derselben in der gegenwärtigen Extremität seine ganze Wissenschaft und den feurigsten Eifer. 1

Sobald dieser Künstler in Erfahrung gebracht hatte, daß es mit der Brücke ernstlich gemeint sey, und das Werk der Vollendung sich nahe, so bat er sich von dem Magistrate drei große Schiffe von hundert und fünfzig bis fünfhundert Tonnen aus, in welchen er Minen anzulegen gedachte. Außer diesen verlangte er noch sechzig Playten, welche, mit Kabeln und Ketten aneinander gebunden und mit hervorragenden Haken versehen, mit eintretender Ebbe in Bewegung gefeßt werden, und, um die Wirkung der Minenschiffe zu vollenden, in keilförmiger Richtung. gegen die Brücke Sturm laufen sollten. Aber er hatte sich mit feinem Gesuch an Leute gewendet, die gänzlich unfähig waren, einen außerordentlichen Gedanken zu fassen, und selbst da, wo es die Rettung des Vaterlandes galt, ihren Krämerfinn nicht zu verläugnen wußten. Man fand seinen Vorschlag allzu kostbar, und nur mit Mühe erhielt er endlich, daß ihm zwei kleinere Schiffe von siebenzig bis achtzig Tonnen, nebst einer Anzahl Playten bewilligt wurden.

Mit diesen zwei Schiffen, davon er das eine das Glück, das andere die Hoffnung nannte, verfuhr er auf folgende Art. Er ließ auf dem Boden derselben einen hohlen Kasten von Quadersteinen mauern, der fünf Schuh breit, vierthalb hoch, und vierzig lang war. Diesen Kasten füllte er mit sechzig Centnern des feinsten Schießpulvers von seiner eigenen Erfindung, und bedeckte denselben mit großen Grab- und Mühlsteinen, so schwer das Fahrzeug fie tragen konnte. Darüber führte er noch ein Dach von ähnlichen Steinen auf, welches spig zulief, und sechs Schuh hoch über den Schiffsrand emporragte. Das Dach selbst wurde mit eisernen Ketten und Haken, mit metallenen und marmornen Kugeln, mit Nägeln, Messern und andern verderblichen. Werkzeugen vollgestopft; auch der übrige Raum des Schiffs, den der Kasten nicht einnahm, wurde mit Steinen ausgefüllt, und das Ganze mit Brettern überzogen. In dem Kasten selbst waren mehrere kleine Oeffnungen für die Lunten gelassen, welche die Mine anzünden sollten. Zum Ueberfluß war noch ein Uhrwerk darin angebracht, welches nach Ablauf der bestimmten Zeit Funken

1 Meteren 495. Strada 574.

schlagen, und, wenn auch die Lunten verunglückten, das Schiff in Brand stecken konnte. Um dem Feinde die Meinung beizu

bringen, als ob es mit diesen Maschinen bloß darauf abgesehen sey, die Brücke anzuzünden, wurde auf dem Gipfel derselben ein Feuerwerk von Schwefel und Pech unterhalten, welches eine ganze Stunde lang fortbrennen konnte. Ja, um die Aufmerksamkeit desselben noch mehr von dem eigentlichen Size der Gefahr abzulenken, rüstete er noch zweiunddreißig Schuyten (kleine platte Fahrzeuge) aus, auf denen bloß Feuerwerke brannten, und welche keine andere Bestimmung hatten, als dem Feinde ein Gaukelwerk vorzumachen. Diese Brander sollten in vier verschiedenen Transporten, von einer halben Stunde zur andern, nach der Brücke hinunterlaufen, und die Feinde zwei ganzer Stunden lang unaufhörlich in Athem erhalten, so daß sie endlich vom Schießen erschöpft und durch vergebliches Warten ermüdet, in ihrer Aufmerksamkeit nachließen, wenn die rechten Vulcane kämen. Voran ließ er zum Ueberfluß noch einige Schiffe laufen, in welchen Pulver verborgen war, um das fließende Werk vor der Brücke zu sprengen, und den Hauptschiffen Bahn zu machen. Zugleich hoffte er durch dieses Vorpostengefecht den Feinden zu thun zu geben, sie heranzulocken und der ganzen tödtenden Wirkung des Vulcans auszusetzen. 1

Die Nacht zwischen dem 4ten und 5ten April war zur Ausführung dieses großen Unternehmens bestimmt. Ein dunkles Gerücht davon hatte sich auch schon in dem spanischen Lager verbreitet, besonders da man von Antwerpen aus mehrere Taucher entdeckt hatte, welche die Ankertaue an den Schiffen hatten zerhauen wollen. Man war sich daher auf einen ernstlichen Angriff gefaßt; nur irrte man sich in der eigentlichen Beschaffenheit desselben, und rechnete mehr darauf, mit Menschen als mit Elementen zu kämpfen. Der Herzog ließ zu diesem Ende die Wachen. Längs dem ganzen fer verdoppeln, und zog den besten Theil seiner Truppen in die Nähe der Brücke, wo er selbst gegenwärtig war; um so näher der Gefahr, je sorgfältiger er derselben zu entfliehen suchte. Kaum war es dunkel geworden, so sah man von der Stadt her drei brennende Fahrzeuge daherschwimmen, dann noch drei andere, und gleich darauf eben so viele. Man

1 Thuan. III. 46. Strad. 574. 575. Meteren 596.

ruft durch das spanische Lager ins Gewehr, und die ganze Länge der Brücke füllt sich mit Bewaffneten an. Indessen vermehrten sich die Feuerschiffe und zogen, theils paarweise, theils zu dreien, in einer gewissen Ordnung den Strom herab, weil sie am Anfang noch durch Schiffer gelenkt wurden. Der Admiral der antwerpischen Flotte, Jacob Jacobson, hatte es, man wußte nicht, ob aus Nachlässigkeit oder Vorsaz, darin versehen, daß er die vier Schiffhaufen allzugeschwind hintereinander ablaufen und ihnen auch die zwei großen Minenschiffe viel zu schnell folgen ließ, wodurch die ganze Ordnung gestört wurde.

Unterdessen rückte der Zug immer näher, und die Dunkelheit der Nacht erhöhte noch den außerordentlichen Anblick. So weit das Auge dem Strome folgen konnte, war Alles Feuer, und die Brander warfen so starke Flammen aus, als ob fte selbst in Feuer aufgingen. Weit hin leuchtete die Wasserfläche; die Dämme und Basteien längs dem Ufer, die Fahnen, Waffen und Rüstungen der Soldaten, welche sowohl hier als auf der Brücke in Parade standen, glänzten im Widerscheine. Mit einem gemischten Gefühle von Grauen und Vergnügen betrachtete der Soldat das seltsame Schauspiel, das eher einer Fête als einem feindlichen Apparate glich, aber gerade wegen dieses fonderbaren Contrastes der äußern Erscheinung mit der innern Bestimmung die Gemüther mit einem wunderbaren Schauer erfüllte. Als diese brennende Flotte der Brücke bis auf zweitausend Schritte nahe gekommen, zündeten ihre Führer die Lunten an, trieben. die zwei Minenschiffe in die eigentliche Mitte des Stroms und überließen die übrigen dem Spiele der Wellen, indem sie selbst sich auf schon bereit gehaltenen Kähnen hurtig davon machten. '

Jeht verwirrte sich der Zug, und die führerlosen Schiffe langten einzeln und zerstreut bei den schwimmenden Werken an, wo ste entweder hängen blieben, oder seitwärts an das Ufer prallten. Die vordern Pulverschiffe, welche bestimmt gewesen waren, das schwimmende Werk zu entzünden, warf die Gewalt eines Sturmwindes, der sich in diesem Augenblicke erhob, an das flandrische Ufer; selbst der eine von den beiden Brandern, welcher das Glück hieß, gerieth unterwegs auf den Grund, ehe er noch die Brücke erreichte, und tödtete, indem er zersprang,

1 Strada 576.

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