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„Adena", dem Landsiz des ehemaligen Gouverneurs Worthington begleiteten, wohin er eine Einladung erhalten hatte. Der Herzog beschreibt die romantisch gelegene Villa Worthington's eingehends und lobt sowohl den Geschmack desselben, als auch die eigenthümliche Sitte des Tischgebetes, welches der Gouverneur persönlich vor dem Morgenessen sprach. Er beschreibt die damalige Stadt, welche zur Zeit von 2-3000 Einwohner zählte, und sagt dann, daß er auch einen Herrn Hufnagel aus Würzburg besucht habe, „einen ziemlich betagten Mann, der viele schwere Schicksale erlebt hatte, und jezt etablirt sei als ein wohlhabender Fleischer und Viehhändler." Derselbe habe sich über den Besuch des Herzogs sehr gefreut und habe ihn in seinem gut eingerichteten mitten in einem Obstgarten gelegenen Wohnhause mit vieler Herzlichkeit aufgenommen.*)

So lange Chillicothe die Hauptstadt des Staates Ohio verblieb, wuchs und blühte die Stadt und Umgegend, so daß sie in 1818 ein ebenbürtiger Rivale von Cincinnati war. Da gewann aber Cincinnati einen neuen Hebel, die Dampfschifffahrt, welche seit 1811 bedeutend vervollkommnet worden, und Chillicothe verlor einen Hebel, indem der Regierungssig von hier verlegt wurde. Seitdem ist Chillicothe im Verhältniß nicht mehr gewachsen. Deshalb kamen auch von der deutschen zwanziger und dreißiger Einwanderung nur Wenige hier her; von der achtundvierziger Einwanderung gar nicht zu reden, welche Chillicothe als ein veraltetes, fossiles Hunkernest", wie sie es zu nennen beliebten, links liegen ließen.

Von der zwanziger Einwanderung ist wenig mehr zu sagen. Von den DreiBigern haben wir noch kennen gelernt: Martin Baader, Hotelwirth, welcher in 1834 nach Chillicothe fam. Derselbe ist aus dem badischen Schwarzwald, in der Nähe von Neustadt, gebürtig. Als er hierherfam, gab es nur wenige junge Deutsche im Städtchen, und unter diesen machte er sich als lebensfroher Jüngling bald bekannt. Um diese Zeit ließ sich auch die Familie Crone aus Hornbach, in der Nähe von Zweibrücken in der Pfalz, hier nieder, die eine schöne junge Tochter hatte. Marie Crone war bald als das liebenswürdigste deutsche Mädchen in ganz Chillicothe bekannt, und die sämmtlichen jungen Männer zählten zu ihren Anbetern. Da zog die Familie Crone nach Circleville, wohin ihr auch Baader folgte, und in nicht gar langer Zeit war Martin der erfolgreiche Bewerber um die Hand der schönen Miß Crone, die er bald darauf als seine Gattin heimführen durfte. Sie zogen wieder nach Chillicothe zurück, woselbst Baader nun bereits viele Jahre als der Pionier der Hotelwirthe bekannt ist. Die Schwiegereltern Baader's welche auch nach Chillicothe zurückkehrten, sind bereits vor mehreren Jahren gestorben.

Crone und Baader zählten mit zu den hervorragendsten Gründern der ersten deutschen katholischen Kirche in Chillicothe, welche im Jahre 1837 erbaut wurde. Diese stand an der Walnut Straße, und der nachmalige Bischof von Alton, J., Hochw. Henry D. Junter, war der erste Seelsorger der Gemeinde. Die Kirche war ein ganz kleines Kapellchen, aus Backsteinen erbaut, welches kaum sechzig bis siebenzig Personen zu fassen vermochte. Die dazugehörige Pfarrwohnung war eine kleine Bretterbude, welche zwei Zimmer enthielt, die der eifrige Seelsorger zu

*) „Reise Sr. Hoheit des Herzogs Bernhard zu Sachsen-Weimar-Eisenach durch Amerika in den Jahren 1825 und 1826" Weimar 1828, zweiter Theil, S. 189-192.

gleich als Wohnung, Sprechzimmer und Schule benußte. Dieses war die erste deutsche Schule in Chillicothe, und Pfarrer Junker, welcher zugleich als Lehrer fungirte, unterrichtete hier zum ersten Male in der Sprache Goethe's und Humboldt's. Dieses hatte zur Folge, daß auch viele deutsche Protestanten ihre Kinder in die katholische Schule sandten. Später wurde eine größere Schule erbaut. Im Jahre 1850 aber wurde die Kirche, das Pfarrhaus und die Schule verkauft und die schöne geräumige Kirche, nebst bequemem Schulgebäude und Pfarrwohnung an der Ecke von Water und Church Straßen errichtet, die jeßt eine der schönsten Zierden. Chillicothe's ist. Vater Lieb ist gegenwärtig Pastor der Gemeinde.

Die erste deutsche protestantische Kirche war die im Jahre 1842 durch den Pfarrer Riemenschneider erbaute „Vereinigte Lutherische Evangelische Kirche“. Bis dahin hielten die deutschen Protestanten in der englischen reformirten Kirche von Zeit zu Zeit Gottesdienst ab, indem ein paar deutsch-pennsylvanische Prediger zeitweilig in pennsylvanischer Mundart das Wort des Herrn verkündigten.

Anfänglich gründete Pfarrer Riemenschneider auch eine deutsche Schule; als aber acht oder zehn Jahre später in den Freischulen Deutsch gelehrt wurde, ging die protestantische Schule wieder ein. Die katholische besteht, selbstverständlich wie überall, noch heute fort. Einer der ehemaligen Prediger an der deutschen protestantischen Gemeinde in Chillicothe war auch der in weiteren Kreisen im Westen bekannte Pfarrer Rosenfeld, Schwiegervater des ehemaligen Ohioer StaatsSenators. Johann Wilhelm Sohn in Hamilton.

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Um etwa die gleiche Zeit mit der deutschen lutherische Gemeinde wurde auch eine deutsche Methodisten- Gemeinde gegründet, an welcher sich der wohlhabende Ziegeleibesiger Johann Schmidt lebhaft als Gründer betheiligte. Dieser Schmidt ist seitdem Eigenthümer einer ausgedehnten Mühle und gehört noch jezt zu den angesehensten Deutschen Chillicothe's.

Eine Synagoge giebt es in Chillicothe nicht, da nur wenige Juden hier ansässig sind.

Das Deutsche Schulwesen in Chillicothe ist in hoher Blüthe, indem in den öffentlichen Schulen überall die deutsche Sprache als regulärer Unterrichts-Cursus eingeführt ist. Die Katholiken haben, wie bereits bemerkt, ihre eigenen deutschenglischen Schulen, an welchen tüchtige Lehrer thätig sind.

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Im deutschen Vereinsleben steht Chillicothe wohl etwas zurück. Die älteste deutsche Gesellschaft war der Verein bei der katholischen Kirche, welcher bereits zur Unterstützung des Kirchenbaues im Jahre 1837 gegründet wurde. Gegenwärtig giebt es eine deutsche Oddfellow Loge, eine deutsche Rothmän = ner Loge (jeit 1852) und den seit vielen Jahren bestehenden Gesangverein. Eintracht". Andere Vereine hat man in Chillicothe nicht. Einen Turnverein und einen Schüßenverein gab es ehemals, allein beide sind wieder eingegangen. Was der Erhaltung des Deutschthumes in Chillicothe sehr nüßlich sein würde, wäre ein deutscher Lefeverein. Sollten sich die zahlreichen Deutschen des SciotoThales nicht einen solchen gründen können? Wir sind überzeugt, sie könnten mit einigem Angelegenseinlassen in Cincinnati leicht eine der nun im Staub vermodernden Bibliotheken, die ja doch bei unserer öffentlichen Bibliothek überflüssig ge

worden sind, ankaufen. In Chillicothe würde sie von großem Nußen sein, in Cincinnati füllen sie nußlos die Schaukästen einiger Bibliothek - Gesellschaften.

Den Versuch eines deutschen Theaters hat man in Chillicothe noch nicht gemacht.

Seit etwa sieben Jahren erscheint in Chillicothe eine eigene deutsche wöchentliche Zeitung, „Unsere Zeit“, welche von Herrn Balthasar Fromm, chemals in Cincinnati wohlbekannt, herausgegeben und redigirt wird. „Unsere Zeit" vertritt lebhaft die Erhaltung des Deutschthums und es ist noch nicht lange her, seit sie einem auftauchenden temperenzlerischen Muckerprojekt mit Geschicklichfeit und Energie den Hals brach. Auch war es Unsere Zeit", die hauptsächlich die Wahl eines Deutschen zum County-Schaßmeister von Roß County in der lezten Herbstwahl durchseßte, obschon der Candidat, Herr Theodor Spätnagel, nicht der Mehrheitspartei des County angehörte.

Unter den älteren Deutschen Chillicothe's müssen wir auch noch nennen: Philipp Klein, gebürtig aus Lamsheim, bei Dürkheim, Rheinpfalz, welcher in 1842 nach Amerika tam. Derselbe war ein Jahr in Waverly anfässig und wohnt seit 1843 in Chillicothe, woselbst er einen ausgedehnten Lederhandel be= treibt, Johann Schneider und Georg Bärmann, zwei der wohlhabendsten Bürger des County; Fridolin Bärmann, Johann Braun, welcher eine Schmiedewerkstätte an der Water Straße besigt, Johann Kaiser und besonders unsern energischen Freund und Mitglied des Deutschen PionierVereins, den achtbaren Martin Schilder, Mitglied der Staatsbehörde der öffentlichen Werke und langjähriger Präsident des Stadtrathes der Stadt Chilli= cothe. Herr Schilder ist zugleich Besißer einer Mühle und des ausgedehntesten Getreidehandels im ganzen Sciotothale. Unter den öffentlichen Beamten des County und der Stadt Chillicothe sind auch noch folgende Deutsche: August Müller, Township Schatzmeister; Johann Jakob Eichenlaub, Trustee, und die Herren Michael Kirsch und Johannes Braun, Stadträthe.

Von den Geschäften sind die Bäckereien, Conditoreien, die Getreidehandlungen, Brauereien und Wirthschaften, sowie die Hälfte der Spezerei-Geschäfte, Ellenwaarenhandlungen, Apotheken und hauptsächlich alle Handwerksfächer: Schuhmacher, Schneider, Tischler, Sattler u. f. w. in Händen der Deutschen. Dahin gegen sind sie durch keinen Bankier und keinen Advokaten repräsentirt.

(Fortseßung folgt.)

Die Amerikaner verlassen Deutschland, besonders die Hauptstädte Berlin, Dresden, Stuttgart u. s. w.

Die Amerikaner hatten seit Jahren sich Deutschland als Aufenthalt auserforen, so daß sie in den Hauptstädten, namentlich Dresden und andern Orten, förm liche amerikanische Colonien bildeten. Es ist aber jezt eine Vogelscheuche unter sie gekommen, so daß sie wie die Schwalben plöglich heimwärts ziehen. Was ist der Grund dieser plöglichen Rückwanderung? Ein Amerikaner in Berlin giebt dafür

folgende Gründe an: Zunächst sind es die städtischen und Staats- Steuern, welchen die daselbst wohnenden Amerikaner unterworfen sind, sowie besonders die ty rannische Steuer- Execution; dann aber fühlen die Amerikaner sich in lezter Zeit unter dem deutschen Volke nicht nur mißachtet, sondern sogar verachtet; dies liegt vorzugsweise darin begründet, daß in Folge der vielen Eisenbahn- und StaatsBanterotte in Amerita eine große Zahl deutscher Familien betrogen und unglücklich gemacht worden ist, daß ferner aus der amerikanischen Presse in die deutsche alle Anschuldigungen gegen städtische, staatliche Gemeinwesen und gegen die gesammte Regierung übergegangen sind, so daß man die Republik als eine SchwindelAnstalt und das amerikanische Volf als Schwindler betrachtet. Sensitive Amerikaner können dort kaum irgend eine Zeitung lesen, ohne mit Unwillen Angriffe und Schmähungen gegen die Republik und gegen das amerikanische Volk darin zu finden.

Man behauptet sogar, daß die deutsche Frauenwelt den Haß gegen die Amerikaner eifrigst schürt, weil die amerikanischen schönen gewandten Damen überall die deutschen Spröden ausstechen und sogar oft den Siegespreis der Ehe erringen. - Dazu kommt auch noch der etwas schwache Grund, daß das deutsche Nationalgefühl durch die Sympathie der Amerikaner mit den Franzosen und mit der französischen Republik während des deutsch-französischen Krieges sich verlegt fühlt. In neuester Zeit kommt nun noch die durch den amerikanischen Auswurf Thompson bewirkte Dynamit-Explosion bei Bremerhaven dazu, in Folge welcher ein großer Theil der deutschen Presse unsinniger Weise das ganze Amerikanerthum dafür verantwortlich macht und herunterreißt, so daß sogar in Berlin vorige Woche eine zahlreiche Versammlung von Amerikanern Beschlüsse der größten Entrüstung und des tiefsten Unwillens gegen die allgemeinen Angriffe in der deutschen Presse gefaßt hat. Die Hauptstädte Deutschlands namentlich werden die rückwandernden Amerifaner bald schmerzlich vermissen. (Wash. Trib.)

Irrfahrten zweier deutscher Dichterfürften nach

Amerika.

I. Nicolaus Lenau als Pionier Ohio's.

Von Emil Klauprecht.

(Fortseßung.)

Daß unser Held vierundzwanzig Stunden nach diesem Briefe seinen Grundbesig erworben haben würde, ahnte ihm damals nicht. Von Pittsburg ritt er die schönen Ufer des Ohio hinab. Als er die Grenze Pennsylvaniens bei Beaver er= reichte, las er in einem Localblatte dieser Stadt, daß in New-Lisbon, einem neu angelegten benachbarten Orte des Staates Ohio, eine Landauction oder sogenannter "Sheriff sale" abgehalten würde, und er begab sich dahin.

Das Land, welches hier versteigert wurde, hatte einem Manne, Namens John

Stuttering gehört, der einen notorischen Mord begangen, aber durch die Umtriebe eines Advokaten es dahin gebracht, daß er gegen tausend Dollars Bürgschaft aus der Personalhaft entlassen wurde. Kaum freigegeben, hatte er sofort die Flucht ergriffen. Sein Grundstück roher Waldboden auf Speculation gekauft blieb herrenlos hinter ihm zurück. Auf einem äußersten Waldeckchen davon hatte sich ein Deutscher, Namens Anhorst, ein gewesener Offizier, angesiedelt, der es zu ersteigern. gedachte. Die Untersuchung hatte ihren Fortgang genommen und die Beweise gegen den Mörder vollständig hergestellt. Da er fort war, zogen die Gerichte nun die Caution ein und versteigerten das Land. Bei solchen Gelegenheiten beeilte sich gewöhnlich Niemand zu bieten, denn unverkauft gebliebenes Land war bedeutend niedriger zu erstehen. Darauf wartete man. Aber dies war dann auch der Fall, wo ein Vorsiedler, wenn ein solcher da war, das Vorkaufsrecht hatte. Blieb also Stuttering's Lot“ bei der Versteigerung unverkauft, so war Anhorst der Berechtigte, es zu dem herabgefeßten Preise vor allen Mitbewerbern an sich zu bringen. Nun fanden sich damals bei solchen Versteigerungen sogenannte "hush moneyWölfe“ ein, welche sich, obgleich sie keinen halben Dollar in der Tasche hatten, für Steigerer ausgaben, um dem armen Vorsiedler ein Stück Geld abzupressen. Zu seinen Gunsten wollten sie vom Handel abstehen, gegen ein hush money von fünf bis zehn Dollars. Der arme Teufel Anhorst hatte bereits deren fünf abgefertigt, als ein fechster, ein gewiffer Wogan in's Feld trat. Nun war Anhorst's Caffe erschöpft. Wogan trat jest bei der Auction selbst als Steigerer auf, erlag aber dem höheren Gebote Lenau's und zog Rache drohend gegen den "Dutchman" vom Schauplahe ab. Dieser Kerl, ein grauer, bestialischer Satan mit bösem Auge und verthiertem Gesichte, der eher einer Kreuzung von Schwein und Tieger, als einem Menschen glich, einer jener unzähligen Winkeladvokaten, die wie Pest und Finnen im Staatsförper der Republik stecken, sollte bald den unheilvollsten Einfluß auf Lenau's Ansiedlerleben ausüben.

Unser Dichter hatte Anhorst's kleine Farm an diesen abgetreten und zog bis auf's weitere in deffen Blockhaus. Schon am nächsten Morgen widerrief in ihm alles die Thatsache, daß er zum ersten Male in einer neuen Heimath geruht. In seinem Gemüthe war plößlich der Grundton verstummt, auf welchem sein Ich und der Urwald sonst im Accorde gestimmt. Er sah seinen Wunsch vor sich, nicht wie einen vertrauten, langgenährten Umgang, sondern wie einen zweideutigen Gesellschafter, mit dem man im Taumel Brüderschaft gemacht, und der bei ernüchterten Sinnen in Verlegenheit seßt. Als er in früher Morgenstunde vor die Hütte trat, fehlte wenig, daß er nach seinem gesattelten Pferde gerufen. Er fühlte sich wie ein städtischer Spaziergänger, der eine Nacht auf dem Lande zugebracht und im jungen Tagesstrahl fröhlich davon fliegt. Eine dumpfe Ahnung überfam ihn, was es heiße den europäischen Culturmenschen an diesen rauhen Boden zu befestigen. Er er schraf, wie wenig seine Reise ihn vorbereitet. Sonst war er frei und heute gebunden — das allein entschied.

Anhorst's Blockhaus war ein sogenanntes "Log shanty" und bestand aus einer einzigen Kammer. Die Hütte lehnte sich an den Wald, doch waren die Bäume auf einige Entfernung von ihr weggebrannt. Vor der Hütte lag das Feld, überfäet mit verkohlten Baumstümpfen, in einem Meere von Einsamkeit. Kein Vogel

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