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Und stolz find wir, daß auch das deutsche Gedenkt indeß des Deutschthums Mission,

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Wer von den alten deutschen Pionieren des Westens und vornehmlich von den alten Einwohnern Cincinnati's tennt nicht den Mann, dessen wohlgetroffenes Bild unsere heutige Nummer ziert? Wer hat nicht von John Myer",-wie er von seinen amerikanischen Nachbarn genannt wurde, von Candy Myers"— gehört, dem Pionier der Conditor-Bäcker des Westens, dessen Fabrikat gekannt und berühmt war im ganzen Flußgebiete der großen westlichen Ströme, von dem Alleghany-Gebirge bis zu den Seen und bis zum Golf von Mexico hinab? Herrn Meyer's Lebensgeschichte begreift ein Bild der älteren deutschen Einwanderungsgeschichte in sich, ein Bild des alten Pionierlebens des Westens und einen unzertrennbaren Theil der Geschichte der Stadt Cincinnati, deren Bürger er seit sechzig Jahren war. Hier lebt sein Name auf den Zungen der ehemaligen Kinderwelt, auf den süßen Lippen der Damen und im Gaumen der Feinschmecker und Gourmands, und manchem jest bereits ergrauten Bürger Porfopol's" läuft heute noch das Wasser im Munde zusammen, wenn er an die lüsternen Stunden seiner Kinderjahre zurückdenkt, wo ihm Meyer's Confitüren und Bonbons das Leckerste auf Erden däuchten. Uns selbst, als wir noch ein Knabe waren — und wir sind nun bereits seit Jahren in die Reihen der ehrwürdigen Pioniere aufgenommen auch uns dünkten ehedem eine Meyer'sche Pastete oder Meyer'sches Zuckergebäck das Vollkommenste seiner Art. Hatten wir doch in Deutschland Conditorsachen kaum dem Namen nach gekannt. Und was prägt sich wohl dem Gedächtniß der Kinder mehr ein, als in der Jugend gekostete Genüsse? Wir kennen Leute mit grauen Häuptern, denen in der Orien tirung der ehemaligen Lokalitäten unserer Stadt die Namen: Candy-Meyer“, Monkey-John" u. f. w., die bekanntesten Marksteine sind, gerade so wie bei den Erwachsenen die Wirthshäuser und Unterhaltungslokale, oder bei den Frommen die Kirchen und Bethäuser; und so wie es bei uns in Cincinnati ist, so wird es auch wohl überall sein. Unter solchen Umständen ist es also leicht begreiflich, daß an die Person des Herrn Meyer sich ein beträchtliches Stück der Pioniergeschichte unserer Stadt knüpft. Doch wir wollen nicht aus dem Gang seiner Lebensgeschichte herausgreifen, sondern diese in kurzen Umrissen mittheilen.

Johann Meyer, oder wie er in dem Orafel der Gemeinde, der er ange hörte, genannt wurde, Vater Meher“, wurde am 6. Oktober 1793 in dem Dörf

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chen Eltingen, im Königreiche Würtemberg, geboren, woselbst sein Vater, Jörg Meyer, gleichwie sein Großvater, Hansjörg Meyer, ein schlichter und frommer Bauersmann war. Da sich Jörg Meyer und seine Frau Barbara zu dem streng asce = tischen Glaubensbekenntnisse der "Separatisten" bekannten, oder vielmehr sich dem frommen pietistischen Protestantismus zuneigten, so wurden sie von den minder strengen lutherischen und reformirten Nachbarn, die sich im Schuße der StaatsReligion üppig fühlten, auf unduldsame Weise behandelt, ja nicht selten in ihren Gebetsübungen, die sie im eigenen Wohnhause abhielten, gestört und mißhandelt, wie man damals in ganz Europa Andersdenkende, denen nicht der Schuß der von der Regierung anerkannten Religion zu Theil wurde, auf intolerante Weise, wenn nicht verfolgte, doch neckte und belästigte. Der beständigen Plackereien überdrüssig, beschlossen die Meyer'schen Eheleute und noch mehrere gleichgesinnte Familien ihrer Ortschaft, im Jahre 1804, ihre Habe zu verkaufen und weit von der Heimath weg, jenseits des Meeres, sich eine neue Heimath zu gründen. Gesagt, gethan! Haus und Hof wurden in blanke Gulden umgewandelt, Hausgeräthe, Wagen, Pflüge u. w. aber unfluger Weise in riesige Kisten verpackt und so beladen ging's nach dem Rhein, diesen hinab nach Rotterdam und von dort auf einem englischen Schiffe zur See.

Als sie von der Heimath fortzogen, bestand die Familie aus acht Personen: Vater, Mutter und sechs Kindern (drei Knaben und drei Mädchen), von denen Johann das älteste war. Wohlgemuth segelten sie in die unendliche blaue See hinaus, fort nach dem ersehnten Lande Amerika. Aber es sollte eine ebenso traurige als langweilige Fahrt werden. Fünfzehn lange Wochen schwammen sie auf dem Gewässer umher, bald von Stürmen hin und her geworfen, bald von Wochen lang andauernden Windstillen gefangen, bis sie das gelobte Land erreichen durften. Aber nicht alle sollten den Hafen der neuen Welt glücklich erreichen, und mancher sehnsuchtsvolle Wanderer mußte in der salzigen Fluth sein trauriges nasses Grab finden, bevor die Uebrigen das neue Kanaan betreten konnten. Schlimmeres als Stürme und Windstille, Schlimmeres als Hunger und Durst, den die armen Emigranten zufolge der äußerst langen Fahrt erdulden mußten, weil habsüchtige Rheder nicht genügend und dabei schlechte Lebensmittel an Bord hatten bringen lassen, sollte ihnen zu Theil werden. Ihre Herzen sollten geprüft werden, sollten den bittersten Kelch leeren, den ein grausames Geschick nur zu füllen vermochte. Auf hoher See brach die schwarze Pest auf dem Schiffe aus, und der Tod hielt eine schreckliche Erndte unter den unglücklichen Auswanderern. Sechsundfünfzig derselben starben aus etwa hundertundzwanzig Passagieren. Unter diesen war der Vater, ein Bruder und zwei Schwestern Johann's. Die Mutter und die übrigen drei Kinder mußten Zeuge sein des schrecklichen Todes ihres Gatten und Vaters und der drei Geschwister, Zeuge sein, wie man sie in ein Segeltuch einnähte und mit einem Steine an den Füßen sie auf dem hinausgeschobenen Brette hinabgleiten ließ in die dunkle falzige Fluth, ein ernstes, schauerliches Begräbniß! - O, wie mancher deutsche Emigrant, welcher Heimath, Freunde, Verwandte, Alles, was ihm lieb und theuer war, verließ, um über dem weiten Meer sich eine neue, freiere Heimath zu suchen, ruht bereits in gleichem nassen Grabe!-

Und Angesichts dieser Opferfreudigkeit, mit welcher die Deutschen mit Gefahr

ihres Lebens nach Amerika kamen, um hier stille, friedliche, bescheidene Bürger zu werden, um die Segnungen der Freiheit genießen zu können, welche die Väter diefer Republik ehemals allen Bedrängten anboten, angesichts dieser Thatsachen, ist es da nicht eine Schmach, wenn nativistische Heuchler uns Deutsche für minder gute, minder patriotische, minder opferwillige Bürger verschreien wollen und dahin streben, uns jener Rechte zu berauben, welche die Grundverfassung unseres Landes den eingewanderten Bürgern verleiht? Wenn irgend ein Knownothingistischer Thor uns wieder sein "Americans shall rule America!" auf hypocritische Weise zurufen will, dann sagen wir ihm, was wir gewagt haben, um des Segens der Freiheit in diesem Lande theilhaftig zu werden, und dann fragen wir ihn, ob er wohl ein Gleiches gewagt haben würde?

Da stand nun die Mutter mit ihren drei unmündigen Kindern allein, fremd, in einem Lande, in welchem eine fremde Sprache gesprochen wurde, die sie nicht verstand. Und als sie das Ufer der neuen Welt, nach welcher sie so hoffnungsvoll ausgesegelt waren, im Hafen von Baltimore betraten, da sollten sie auch noch ihrer ganzen Habe, ihrer Koffer mit den Kleidern und Hausgeräthen, und ihrer Kisten mit den Landwirthschafts- Utensilien beraubt werden. Als sie nämlich ihre Habe in ihrer Unwissenheit einem ihnen von einem jener Emigranten-Haifische empfohlenen Fuhrmann anvertrauten, um sie nach der Wohnung eines Landsmannes, eines Bäckers, Namens Rapp, zu bringen, da wurden sie schändlich um alle ihre Habe bestohlen. Noch waren sie einen Theil ihres Ueberfahrtszeldes schuldig, und das nöthige Geld war in einem der gestohlenen Koffer verschlossen. Der Schiffskapitain forderte das rückständige Geld, und als sie es nicht bezahlen konnten, du mußten die Unglücklichen auf den „Weißen Sklavenmarkt", um als Lostäuflinge verauftionirt zu werden. Zum guten Glück kam der Landsmann Rapp dazu und löste die so schwer heimgesuchte Familie aus. Dafür aber mußte der älteste Sohn Johann sich bis zu seiner Großjährigkeit bei ihm verbinden, mußte frohnden, um Mutter und Geschwister aus dem Sclavenjoch frei zu halten.

Wohl mag mancher Mensch staunen über die Opferwilligkeit, über die Ausdauer und Beharrlichkeit, womit die ehemaligen deutschen Einwanderer in diesem Lande zu kämpfen hatten. Verachtet zwar als eine Art Zeloten-Volf, gab man aber ihrer Treue volle Gerechtigkeit; und der Kampf, den sie zu bestehen hatten, härtete sie ab und machte ihre Muskeln zu Stahl, indessen ihr Herz warm und weich blieb. In den herben Prüfungen lag das Geheimniß ihres späteren Erfolges.

Nachdem Vater Meyer neun Jahre in Rapp's Diensten gestanden und besonders sich in der Conditorbäckerei vervollkommnet hatte, brach der Krieg von 1812 aus und nun mußte er für seinen Prinzipal als Soldat eintreten. Nach Beendi gung des Krieges wanderte Meyer nach Pittsburg, wo er als Gesell bei einem deutschen Bäcker Namens Lauer etliche Jahre arbeitete und in 1817 deffen Tochter Marie heirathete. Im gleichen Jahre zog er mit seiner jungen Frau nach Cin= cinnati, woselbst er sich selbstständig als Conditorbäcker etablirte, der erste Conditor der Stadt. In diesem Geschäfte, welches er an der Main Straße, zwischen der Zweiten und Pearl Straßen betrieb, war Meyer über vierzig Jahre thätig und äußerst erfolgreich. Ein Ereigniß war es jedoch besonders, welches den Namen Jo

hann Meyer als Conditorbäcker weit und breit bekannt machte. Es war dies der Besuch Lafayette's in Cincinnati.

Auf Einladung des Congresses war Lafayette im Jahre 1824 nach dem Schauplaze seines Ruhmes zurückgekehrt, um als Ehrengast der Nation eine weite und langwierige Rundreise durch die Vereinigten Staaten zu machen. Ueberall wurde er mit dem größten Enthusiasmus aufgenommen, und auch der Stadtrath von Cincinnati hatte zu einem glänzenden Empfange eine Summe Geldes votirt. Die Leitung der Festlichkeit war einem Committee übertragen worden, an dessen Spize der nachmalige Unionspräsident, Herr Wm. Henry Harrison stand. Man hatte zu seinem Empfang eine eigene Husaren-Compagnie und eine ArtillerieCompagnie organisirt. Die erstere bestand zumeist aus Deutschen, und unser Landsmann Herr Dr. Ritter war zweiter im Commando. Auch die deutsche Ar= tillerie-Compagnie von dem benachbarten Schweizer Städtchen Vevay in Indiana, war nach Cincinnati gefommen, um mit ihren Böllerschüssen die Feier verherrlichen zu helfen.

Lafayette war in Begleitung seines Sohnes, seines Sekretärs Levasseur und seines alten deutschen Kammerdieners Bastian aus Gonsenheim am 19. März 1825 von Lexington in Covington eingetroffen. Hier empfing ihn das Committee und geleitete ihn nach einer prächtig verzierten Barfe, welche von dem Seccadeten Rowan beschtigt wurde. Als das Fahrzeug das Ufer der Stadt berührte, erscholl tausendstimmiger Jubelruf der versammelten Menge, welche den großen weiten. Landungsp ́at dicht besetzt hatte, dem General entgegen und die Salutschüsse der deutschen Artilleristen mischten ihr donnerndes Willkommen hinein. Governör Morrow empfing den gefeierten Gast im Namen des Staates, und General Harrison im Namen der Stadt Cincinnati.

Bei dem eigentlichen Feste, welches am nächsten Tage stattfand, ereignete sich eine höchst interessante Episode, welche, wenn auch eigentlich nicht zu dieser Skizze gehörend, hier jedoch erzählt werden mag, so wie sie Klauprecht in seiner „Deutschen Chronik" schildert.

„Dem Feste beizuwohnen war die ganze Bevölkerung der Umgegeud zu Pferde und zu Wagen eingetroffen. Um 11 Uhr Morgens bildete sich eine großartige Prozession unter Leitung des Marschall Carr und geleitete Lafayette durch die Hauptstraßen der Stadt nach dem Feftorte, einem freien Waldstück zwischen Elm Straße und der heutigen Central Avenue, demselben Orte, wo jest Schaller's Brauerei steht. Hier war für den General und sein Gefolge wie für die Festredner ein Pavillion errichtet, geschmückt mit Rosen und Immergrün und erhaben genug, um einen Blick über die ungeheure Volksmenge zu gewähren. Der General ließ sich mit den Herren seiner Umgebung nieder, und Herr Joseph S. Benham, Advokat, begann die Festrede. Es war eine poetische Vision von der mächtigen Zukunft des Westens, die sich seitdem in wunderbarer Weise verwirklicht hat. Ihr Schluß lautete: Wenn einst im Echo der Thäler des Felsengebirges die Namen von Washington und Lafayette hallen, dann und erst dann können wir den Helden und Weisen zurufen, welche den Freiheitsbaum pflanzten: Fruitur fama!"

Lafayette erhob sich nun um zu antworten. Ein enthusiastischer Gruß von der unabsehbaren Menge empfing ihn, aber als er gleich darauf zu reden sich anschickte,

herrschte Grabesstille. Kaum waren jedoch die ersten Worte über seine Lippen, als ihn ein lebhafter Wortwechsel unterbrach. Unser galanter Landsmann, Dr. Ritter, welcher als wachchaltender Husar den Eingang zur Treppe bewachte, die zum Pavillion führte, strengte sich vergebens an, eine deutsche Bäuerin zurückzuweisen, die sich es durchaus nicht nehmen lassen wollte, in diesem unschicklichen Augenblicke den General zu begrüßen. Ein Gemurmel durchlief die ungeduldige Menge. "Order! Order!" gebot des Präsidenten Donnerstimme. Aber im Nu riß sich das Weib, das die Störung veranlaßte, los, flog die Treppe hinauf und auf Lafayette zu, ihm ihre braune, schwielige Hand entgegenstreckend. Erstaunt trat der General einen Schritt zurück.

„Kennen Sie mich nicht mehr ?" schrie das Weib in hoher Aufregung.

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Gute alte Frau, ich erinnere mich nie, Sie gesehen zu haben."

„Wie General, Sie kennen die Milchfrau nicht mehr, die Ihnen die Briefe des Herrn Bollmann im Gefängnisse von Ollmüß zusteckte ?“

„Die freudigste Ueberraschung strahlte aus Lafayette's Miene und mit ungestümer Herzlichkeit ergriff er die Hand seiner alten Retterin, die ein merkwürdiger Zufall hierher nach dem fernen Westen geführt hatte. Die Frau war die Gärtnerin Mundhenk, welche im sogenannten „Hopfengarten," da wo jezt das städtische Hospital steht, mit ihrem Manne Heinrich eine Küchengärtnerei betrieb und Anfangs der dreißiger Jahre noch auf den hiesigen Märkten wohlbekannt war. Diese merkwürdige Episode störte Lafayette's oratorisches Concept und unterbrach die Feier. Das Volk mußte auseinandergehen, ohne eine Rede des Gastes vernommen zu haben."

Am Abend des Tages fand zu Ehren Lafayette's im Cincinnati Hotel ein brillanter Festball statt. Bei dem Bankett, welches mit dem Balle verbunden war, lieferte Herr Meyer das Dessert, worunter sich ein prachtvolles Product seiner Kunst befand eine sechs Fuß hohe Pyramide aus Zucker, reich verziert mit Marzipan-Statuetten, Arabesten, sinnigen Sprüchen und Daten der rühmlichsten Ereignisse aus Lafayette's Leben. Dieses Kunststück der Conditorbäckerei erregte die allgemeine Bewunderung aller Festtheilnehmer und verbreitete Johann's Ruhm als Fancy-Confectioner" nach allen Städten des Westens.

Doch nicht bloß in Geschäften war Herr Meyer thätig und erfolgreich. Gleich wie seine Eltern war er streng religiös in seiner Lebensweise. Da er jedoch urdeutsch in seiner Gesinnung war, so schloß er sich in Cincinnati der deutschen Gemeinde an, welcher zur Zeit der Herrnhuter Geistliche, Pastor Joseph 3äslein vorstand. Allein Zäslein starb noch im selben Jahre und die Gemeinde war wieder verwaist. Jest animirte Meyer den vor etlichen Jahren ver storbenen Jakob Gülich das Predigtamt zu übernehmen, was dieser auch that. Zu den eifrigsten Gemeindegliedern dieser Zeit zählten noch die Herren Franz Link, Jacob Hummel, J. W. Frühlingsdorf, Martin Benninger, Adolph Birler, Johann Bubritt, David Auperle, Jonathan Stäbler, Georg Gattier, Friederich Herzog, Friederich Schmidtlapp, J. G. Höfer, Jakob und Karl Hanselmann u. A.*)

*) Klauprecht „Deutsche Chronik," Seite 155.

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