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Doch nicht länger singen ihm, der die freie Natur so über Alles liebte, die Vögel mehr, nicht länger rauscht ihm der Wald sein geheimnißvolles Flüstern zu, nicht länger blühen ihm die Blumen in ihrer lieblichen Farbenpracht. Sein Auge, welches sich ergößte an den herrlichen Schönheiten der Schöpfung, das im Farbenglanz der Blumen, im Silberschimmer der über Felsen dahinrauschenden Gebirgsbäche, im unendlichen Blau des Himmels und des Oceans wie ein echtes Kind der Natur sich immer neue Anregung, immer frische Kraft für seine poetischen Schöpfungen suchte und fand, ist für ewig geschlossen; „der Mund," wie die New Yorker Staatszeitung in ihrem Necrolog des Verstorbenen sagte, „der so gemüthlich schwäbisch zu „schwäße“ verstand, er ist verstummt für immer." Noch bis zum legten Tage, ehe er auf's Krankenlager sant, strömte seine poetische Ader, und erst kurz zuvor fandte er der Redaktion des „Pionier" drei seiner lyrischen Ergüsse, wovon daß größere Gedicht Moos, Flechte und die Steine" in Nummer 5 dieses Jahrganges erschienen ist. Höchst naiv bemerkte er in dem die Gedichte begleitenden Briefe: "Finden Sie die kleineren zu unbedeutend, so werfen Sie solche in den Papierkorb." Wie anspruchslos, wie bescheiden!

Er starb nach kurzem Krantenlager in der Nacht vom Sonnabend auf Sonn. tag, 14.-15. August 1875, im Alter von 66 Jahren. Seine lezte poetische Schöpfung, ein kleines Gelegenheits-Gedicht: „Festgruß an den Volksfestverein der Thüringer und Sachsen“, schrieb er auf dem Dampfboot, welches ihn anscheinend in noch ungebrochener Gesundheit acht Tage vor seinem Tode nach dem Harlem Fluß führte. Seine Lebensgeschichte, welche wir der N. Y. Staatszeitung, ent= nehmen, ist in Kürze wie folgt:

„Niclas Müller wurde im Jahre 1809 in Langenau bei Ulm geboren. Seine Eltern der Vater war ein Teppichweber waren arm und mußten sich mühselig durch das Leben schlagen. Seinen ersten Schulunterricht genoß Müller im Hause seiner Eltern. Der Vater, der nebenbei Alchymie betrieb, besaß eine Menge Bücher, welche der junge Müller, sobald er lesen und schreiben konnte, eifrig studirte.

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Aus einem kleinen Lehrbuche der hebräischen Sprache eignete er sich eine gute Kenntniß des Hebräischen an; Ehrenreich's Seelens chaz in sechs Sprachen, den er unter den Büchern seines Vaters fand, lernte er, wie er in seiner Selbstbiographie (Lieder von Niclas Müller, J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen, 1837) sagt, beinah auswendig; er sprach aber natürlich das Französische und Italienische gerade so aus, wie das Deutsche, da ibn Niemand über die Aussprache belehrte. Im zehnten Jahre fielen ihm Uhland's Gedichte in die Hand, welche er mit Eifer las und viele der Romanzen und Balladen auswendig lernte. Die Familie war in der Zwischenzeit nach Stuttgart übergesiedelt. Eine Dorfschule in der Rähe von Stuttgart war auch die erste Bildungsanstalt, welche der Verstorbene besuchte. Nachdem Müller confirmirt' worden war, wurde er Lehrling in einem kleinen Druckereigeschäfte und seßte als solcher unverdrossen seine Selbststudien fort. Mineralien, Versteinerungen, Schmetterlinge u. s. w. zu sammeln und im Walde umherzustreifen, gehörten in dieser Zeit zu seinen liebsten Beschäftigungen, mit welchen er seine Mußezeit ausfüllte. Nach beendigter Lehrzeit, im Jahre 1828, ging er auf die Wanderschaft, welche ihn nach Ulm, Wien, Pesth, Raab, Komorn, Ofen und später durch ganz Nieder- und Ober-Desterreich und Bayern nach der Heimath zurückführte.

Dort entdeckte Müller, daß er auch eine poetische Ader besaß und dichtete verschiedene fleine Sachen, ohne jedoch eine Ahnung von den Regeln der Metrik, noch vom Reime zu haben.

„Mozin's französische Grammatik, welcher eine kleine Verslehre beigefügt war, belehrte ihn über männliche und weibliche Reime und über die Regeln des Sonetts. Von nun an ergab er sich mit ganzer Seele der Poesie, ohne mit seinen Produkten bei seinen Altersgenossen, welche dieselben, da sie nur von einem Druder kamen, verachteten, besondere Anerkennung zu finden. Professor Gustav Schwab war der erste urtheilsfähige Mann, welcher einige seiner Gedichte las, dieselben belobte und ihn zu weiterem Schaffen aufmunterte. - Außer Schwab nahmen sich auch Dr. Hauff und Baron von Cotta seiner freundlich an. Während dieser Zeit, in welcher viele seiner Gedichte entstanden, arbeitete Müller immer fleißig als Druder und erhielt nach dem im Jahre 1835 erfolgten Tode seines Vaters 'von seinem Verdienste auch seine alternde Mutter. Später übernahm er eine Buchdruckerei in Wertheim in Baden, wo er auch den Tauber- und Main-Boten, ein Wochenblatt, in welchem er viele seiner Gedichte und Auffäße abdruckte, herausgab. Das Sturmjahr 1848 zog ihn mit in die Wogen der deutschen Revolution hinein.

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Er mußte flüchten und lebte längere Zeit im Eril in der Schweiz. In 1853 wanderte er nach New-York aus, wo er zuerst als Sezer in verschiedenen Buchdruckereien arbeitete, sich aber bald ein eigenes Geschäft und einen eigenen Heerd gründete. Seine Gedichte, von denen in den lezten Jahren eine ziemliche Anzahl im Sonntagsblatt der N. Y. Staatszeitung erschienen, verschafften ihm viele Freunde und Bewunderer. (Auch die Leser des Pioniers wurden öfter durch die Michterische Muse Müller's erfreut. So im Jahrgang 6 durch das naive „Hoboken Spaßenlied," Seite 153 und „Die Singvögel am Sonntage," Seite 218.) Er war noch ein Buchdrucker aus der alten, guten Schule, dem die Ehre seines Be= rufes heilig und theuer war. Im Umgang mit Freunden und Gesinnungsgenossen war er liebevoll, gemüthlich und heiter, wie in seinem ganzen Verkehr. Ausflüge in den Wald und ans Ufer des Meeres liebte er in seinen leßten Lebensjahren gerade noch so sehr, wie in seiner Jugend. In der Dienstag Nacht, (10. August 1875) nachdem er noch am Abend einer Sißung des Cannstadter Volksfest Vereins von New York beigewohnt hatte, wurde er frank. Außer zu dem Cannstatter Volksfestverein, an dem er mit großer Liebe hing, gehörte Herr Müller auch zu dem Centralverein für Wahrung der deutschen Sprache, dessen Streben ihn lebhaft interessirte. Das Leichenbegängniß Niclas Müllers, welcher eine um seinen Verlust trauernde Wittwe und einen Sohn hinterläßt, fand am Dienstag den 17. August vom Trauerhause, No. 48 Beekman Straße, nach dem Greenwood Cemetery statt, und nahmen zahlreiche Freunde und Bekannte an demselben Antheil."

Dort schlummert er nun unter dem grünen Rasen im Schatten der Trauerweiden, welche ihm ein stilles Schlummerlied zurauschen. In den Zweigen aber singen die Vögel und erzählen einander, daß hier unten im dunkeln Sarge nunmehr ihr Freund, ihr Liebling ruht, der während seiner Lebenszeit so oft und vielfach als ihr Dollmetscher diente und ihre Sprache redete und sie dem kalten nach

Geld und Gut jagenden Menschengeschlechte überfeßte, damit sie sich freuen möchten an der schönen herrlichen Natur. Und der deutsche Spaß, der Landsmann, ruft ihm noch sein „Zwillich, Zwillich! nach:

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Das sei ja ehemals der Gruß gewesen womit ihn der Dichter aufgenommen habe und nun habe der Dichter selber bereits seinen „Play“ auf Greenwood gefunden. Möge er in Frieden schlummern! — Schließlich sollen hier noch die zwei ungedrudten Gedichte, welche uns Müller kurz vor seinem Tode zufandte, Abdruck finden. Wie alle seine poetischen Schöpfungen sind sie voll jugendlicher Frische und Lebendigkeit und sie werden sicher die Würdigung finden, welche sie, die ächten Kinder der Natur, verdienen.

Der treue Baum.

Einst stand nah meinem Hause
Ein alter treuer Baum,
Ich träumt' in seiner Klause
Wohl manchen süßen Traum.

Wollt' er sich freundlich zeigen,
Ein Kamerad mir sein,
Langt' er mit seinen Zweigen
In's Fenster mir herein.

Wenn frisch das junge Bächlein wallt,

Durch's zarte Graz dahin;

Er war in Wind und Wetter,
Mir treuer Schirm und Schuß,
Dem Sonnschein seine Blätter,

R.

Dem Sturm der Stamm bot Trus.

Da, wie ein Schrei voll Wehe,

Ertönt ein Donnerschlag!
Und als ich nach ihm sehe

Liegt er am Boden, ach !

Lebensglück.

Und wenn des Berges muntrer Bach

Von Fels zu Felsen sprüht,

Wenn's murmelt und plätschert und endlich lallt, Wo Welle hüpft der Welle nach

Im fröhlichen Weiterziehn,

So rufen wir: O Bächlein hell,

Wie lieblich ist dein klarer Duell!

Und hastig weiter zieht.

So sagen wir: o Jugendmuth,

Du bist des Lebens bestes Gut.

Doch sehen wir wie fpät und früh

Der Bach die Mühle treibt

So denken wir des Lebens Müh”,
Und wo das Leben bleibt
Und sagen: Alles ist eitel Qual,
In unserm trüben Erdenthal !

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Vermischtes.

Der jest bald 81jährige Herr Seybold, Präsident des Vereins der alten Ansiedler in Madison County, Ill., macht über seine Abstammung folgende Mittheilung In der zweiten Häfte des siebzehnten Jahrhunderts sei sein Urgroßvater am Rhein geboren. Derselbe habe im Jahre 1717 geheirathet und im Jahre 1718 sei sein Sohn Kasper, Hrn. Seybold's Großvater geboren. Im Jahre 1732 habe sich sein Urgroßvater entschlossen, nach Amerika auszuwandern. In Amsterdam so berichtet Seybold weiter schiffte sich die zahlreiche Familie mit vieken Reisegenoffen ein, die Reife dauerte sehr lange, Krankheiten brachen aus und wur

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Kasper Seybold, eben der Großvater, blieb verschout. Bei seiner Ankunft in der Chesapeakebay wurde er von dem Capitän des Schiffes, wie es damals Sitte war, um die Kosten der Ueberfahrt zu decken, auf sieben Jahre an einen Plantagenbe= fizer verdungen. Dasselbe Schicksal hatte ein junges Mädchen und nach dem Ablauf dieser Zeit heiratheten sich die beiden. Im Jahre 1760 wurde der Vater Seybold's als der Jüngste von 12 Söhnen aus dieser Ehe geboren. Fünfundzwanzig Jahre alt ließ er sich, Abenteuern verschiedener Art, in Madison County nieder, nachdem er eine Wittwe Bull, ebenfalls von deutschen Eltern stammend, gehei= rathet hatte, als ihr Mann, ein Deutscher Namens Graß, durch die Indianer getödtet worden war. Herr Seybold selbst ist am 4. Oktober 1795 in Pigotts Fork, in der Nähe Kaskaskia, J., geboren. Er sagt von seiner Familie, daß kein Mitglied derselben je unloyal, keines ein Verbrecher und keines reich gewesen sei.

Der Kieler Dichter Johann Meyer widmete bei Gelegenheit der Anwesenheit des Admiral Worden und seines Geschwaders in Kiel den Amerifanern folgenden dichterischen Gruß:

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Die Westliche Post" in ihrer Nummer vom 21. August schreibt:

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„Das deutsche Aschenbrödel ist hier noch immer verdammt, im Küchenwinkel sich aufzuhalten, es findet sich lange kein Königssohn, der seine glänzenden Eigenschaften hinter dem unscheinbaren Aeußeren entdeckte. Der Kampf gegen die deutsche Sprache und deutsche Sitte wird wieder vielfach aufgenommen, so daß unsere Landsleute gezwungen sind, ebenfalls zusammenzustehen und in dem Lande der Freiheit und des gleichen Rechts ihre Freiheit und ihre Rechte zu vertheidigen gegen die Angriffe einer Minderheit, die aber stark ist durch das Vorurtheil und die Gleichgültigkeit der Mehrheit.

In Detroit ist soeben eine Organisation gegründet worden, um gegen den Sonntagszwang zu protestiren, der diese große Stadt je am ersten Tage der Woche in eine Stätte geistlosester Langeweile und trübseligster Heuchelei verwandelt, statt daß sich die geplagte Menschheit an demselben durch eine vom Frohsinn gewürzte Erholung auf die Arbeit der Woche menschlich vorbereiten sollte.

Auch in Bridgeport, Connecticut, sind zu demselben Zwecke Schritte gethan. Dort versucht man, da die alten strengen Sonntagsgeseze noch immer nicht widerrufen sind, aber nur noch zum Theil, das heißt zur Plage der freisinnigen Leute, in wirklicher Uebung erhalten werden, die Ausführung dieser in ihrer ganzen Ausdehnung durchzuseßen, damit auch die Herren Mucker von ihnen getroffen werden, und ihre ganze Unverträglichkeit mit der Jeztzeit hervortritt.

„In Louisville ist ein Aufruf zu einer großen Maffenversammlung von den besten deutsch-amerikanischen Bürgern erlassen worden, um einen Beschluß des Schulraths, der den Unterricht im Deutschen stark beschneidet, rückgängig gemacht zu erhalten. Leider sind es dort Deutsche, die sich mit den Feinden der deutschen Sprache verbunden haben. Deutsche Doktoren und deutsche Schulräthe im Bunde mit den Kentucky Knownothings, das ist ein recht erfreulicher Anblick."

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Unser eifriger und tüchtiger Mitarbeiter, Herr General John A. Wagener, in Charleston, hat uns abermals eine höchst interessante biographische Skizze zugesandt, „Dr. Philipp Tydeman," welche in nächster Nummer erscheinen wird. Die Skizzen Wagners sind stets voll poetischem Gefühl und warmem lebhaftem Colorit und tragen nicht wenig zur charakteristischen Darstellung der Deutschen in Amerika bei. Sie werden von unsern Lesern allseitig mit großem Beifall aufgenommen. - Gratias!

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Von Herrn Theodor Kirchhoff, erhielten wir das neueste literarische Produkt, aus der gewandten Feder dieses genialen Dichters: Reisebilder und Skizzen aus Amerika." Wir werden in nächster Nummer das trefflich geschriebene Buch eingehends besprechen.

Büchertisch. „Cincinnati Führer, ein vollständiger Wegweiser für Cin: cinnati und Umgebung." Unter diesem Titel ist im Verlag der unternehmenden Firma M. u. R. Burgheim dahier, ein elegant ausgestattetes Buch erschienen, welches eine merklich gefühlte Lücke in unserer Stadt auszufüllen bestimmt ist. Außer dem eigentlichen Wegweiser, welcher durch viele Illustrationen unterstüßt wird, und die öffentlichen Gebäude und Anstalten unserer Stadt und ihrer Umgebung beschreibt, enthält das Buch mehrere interessant geschriebene Skizzen:

„Cincinnati, die Königin des Westens," ein geographisch, statistischer Aufsay im Lexiconstyl gearbeitet, wahrscheinlich aus der Feder unseres bekannten tüchtigen hiesigen deutschen Literaten, Herrn Dr. Med. Gustav Brühl. Nur will es uns bedünken, als ob der Auffah etliche Jahre zurück geschrieben und nunmehr durch ungewohnter Hand für unsere Zeit zurechtgeschnitten worden sei.

„Cincinnati, eine historische Skizze." Eine höchst interessante Geschichte der Stadt. An dieser scheint hier und da eine ungeschickte Censurscheere angelegt worden zu sein, denn außer dem abrupten Aneinanderfügen einzelner Säße, im grellen Gegensatz zu dem sonst allgemein sichts baren Fluß des Ganzen, fehlt die Geschichte der Presse Cincinnati's, dieses wichtigsten Kulturträgers jeglichen Gemeinwesens, darin. Wir sind überzeugt, daß der Verfasser dieses nicht übersehen haben kann, denn er hat, das sieht man, mit besonderem Fleiß die einzelnen Datas studirt und mit geschickter Feder an einandergereiht. Um möglicher Weise ein paar Seiten Raum zu ersparen hätte man nicht eine augenscheinlich fleißige Arbeit zerstückeln sollen. — Wie es ist jedoch, ist es dennoch die beste Geschichte unserer Stadt, die bisher erschienen ist.

„Cincinnati's Umgebung." In höchst elegantem Styl geschrieben, führt hier der Verfasser (Dr. Fr. Wm. Heß) den Leser in die wahrhaft romantische Umgebung unserer Stadt als getreuer Cicerone spazieren. Fairmount, Mt. Auburn, College Hill, Walnut Hills und Clifton, — das Tusculum unserer Aristokraten mit seiner paradiesischen Schönheit, an dessen Zier Natur und Kunst vereint gearbeitet haben sind alle in höchst poetischer Schilderung dargestellt. Nur scheint die Zeit für seine Rundfahrt nicht ausgereicht zu haben, denn er versäumte es auch nach den westlichen Hügeln und Villas und Ortschaften hinüberzukutschiren. Wir rathen deshalb dem Herrn Doktor, den Pegasus oder irgend einen anderen Rappen aus unseren zahlreichen Leihstallungen nochmals zu zäumen und die Harrison Pike hinauszufahren, sich bei Werk, Müller, Fein oder Fischer oder irgend einem der zahlreichen Weinzüchter jener Gegend, mit einem tüchtigen Schluck Delaware oder Schaum-Catawba zu stärken und dann Cheviot, Dent, Harrison, Cleves, Northbend und die

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