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Amerika allen Ländern der Welt voransteht: die Fabrikation der Pianofortes. Indem wir den ältesten Pionier auf diesem Gebiete, und seine mit Mühen und Opfern reichlich belastete Vergangenheit schildern, soll den zahlreichen Fabrikanten von Pianofortes in diesem Lande, unter denen der deutsche Pionierverein ja mehrere Mitglieder zählt, keinerlei Konkurrenz geschehen, denn sie alle empfehlen sich durch die trefflichsten Fabrikate nicht weniger als das Object unserer Skizze. Der Ruf der Steinweg, Weber, Knabe, Decker, Sted und anderer Fabriken im Osten und der Herren Britting und Biere und Sohn in Cincinnati ist zu allgemein bekannt und gewürdigt, um unter unserer Biographie des Herrn Wilhelm Lindemann zu leiden. Wir werden später Gelegenheit nehmen und ihnen nach Gebühr in unseren Spalten die gleiche Anerkennung zu Theil werden lassen, die wir heute dem ältesten deutschen Pianofabrikanten Amerikas zollen.

Die Inhaber der bekannten und des besten Rufes sich erfreuenden Pianofabrik Lindemann und Söhne, stammen aus dem Königreich Sachsen, von dessen Haupt- und Residenzstadt, Dresden, der Vater vor mehr als vierzig Jahren nach New York übersiedelte. Er ist der dritte Sohn des Predigers Karl Gotthelf Lindemann zu Mauersberg, einem bei Annaberg im sächsischen Erzgebirge gelegenem Dörfchen. Die Familie soll einer in ihr herrschenden Tradition zufolge, früher aus Thüringen eingewandert und mit der Mutter Dr. Luthers, einer geborenen Lindemann, verwandt sein. Wilhelm's Vater, der aus einer schlichten Bürgerfamilie stammte, (sein Vater war Weber,) besuchte das städtische Gymnasium zu Zwickau, studirte in Wittenberg, welches damals noch seine seit Luthers Zeit berühmte Universität besaß, Theologie und erhielt dann die kümmerlich dotirte Stelle des Rektors an der städtischen Schule zu Jöhstadt an der böhmischen Grenze, in einer der rauhesten, und ödesten Gegenden des Erzgebirges. Hier wurde demselben von seiner Gemahlin, Amalia Langer, eine zahlreiche Kinderschaar geboren, (13, von denen 5 Kinder frühzeitig starben.) Von den überlebenden 7 Söhnen widmeten sich sechs dem Universitätsstudium und nur der Dritte, Wilhelm, geboren den 28. März 1794, wandte sich dem goldenen Boden des Handwerkerstandes zu.

Nachdem er in seinem Geburtsort, Jöhstadt, bei einem Onkel mütterlicherseits die Tischlerei erlernt hatte, trieb es ihn hinaus in die Welt, um sich in seinem Fache mehr zu vervollkommnen, als das in dem kleinen abgelegenen Gebirgsstädtchen möglich war. So zog er in 1812 nach Wien, woselbst er sich fünf Jahre lang aufhielt und eifrig die Gelegenheit benußte sich die nöthige Geschicklichkeit zur Betreibung der Kunsttischlerei anzueignen, die ihn später befähigte, sich der Fabrikation von Piano's zuzuwenden. In diesem leztern Fache arbeitete er darauf ein Jahr lang in München und später in dem berühmten Etablissement von Breitkopf und Härtel in Leipzig und endlich bei Rosenkranz in Dresden, wobei er sich dermaßen vervollkommnete, daß er es im Jahre 1821 wagen konnte, sich in Dresden selbstständig zu etabliren. Da er nicht fabrikmäßig und beim alten Schlendrian verharrend, arbeitete, sondern als denkender Kopf mannichfache Verbesserungen im Pianobau erfand und anwandte, so erfreuten sich die von ihm erbauten Instrumente bald eines solchen Rufes, daß sie sich überall in Europa Bahn brachen und einige sogar den Weg nach Amerika fanden. Leider mangelte es ihm jedoch an ausreichenden Betriebsmitteln um ein größeres Magazin zu halten und den Ver

kauf selbst in die Hand zu nehmen, was für ihn den großen Nachtheil hatte, daß andere Händler in Dresden und Leipzig, an welche er seine Arbeit lieferte, den Gewinn zogen, indeß er selbst arm blieb, ja nicht selten in die größten Verlegenheiten gerieth.

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Dieß veranlaßte ihn, dem Vaterlande den Rüden zu kehren und mit Zurüc lassung seiner Familie, nach Amerika auszuwandern. Er landete am 19. December 1834 im Hafen von New York, ein Fremdling in einem Lande, mit dessen Sprache und Geschäften er durchaus unvertraut war. In einem jener deutschen Boardinghäuser," an denen New York schon damals keinen Mangel litt, erfuhr er, daß die Pianofabrikation in Amerika sich auf etwa zwei Firmen beschränkte: Dubois und Stodart*) in New York und Chickering in Boston. Unter diesen nahm die New Yorker Firma, deren Senior Theilhaber ein Franzose war, den ersten Rang ein. Lindemann suchte sich also einen Dolmetscher um sich verständlich zu machen, und ging nach der Fabrik der New-Yorker Firma, woselbst er einen Deutschen Namens Unger traf, welcher im Verkaufsladen die Instrumente spielte. Er wandte sich an die Herren Dubois und Stodart um Arbeit, und diese versprachen ihm solche, bemerkten aber dabei, daß sie zuerst ihre Arbeiter befragen müßten, da die Pianomacher im Lande einen Schußverein hätten, und die Arbeiter erst ihre Zustimmung zur Aufnahme neuer Arbeiter geben müßten. Es wurde also am nächsten Tage eine sogenannte "Shop-Meeting" (Werkstatt-Versammlung) der Arbeiter anberaumt, in welcher die Aufnahme Lindemanns als Arbeiter in die Fabrik berathen und schließlich verworfen wurde. Da er die Antwort erst am darauffolgenden Tage einholen fonnte und er nun bereits mehrere Tage darüber versäumt hatte, so wurde er über diese Aufnahme in der neuen Welt höchlichst entmuthigt.

Damals war New York noch nicht die gewaltige Weltstadt, wie heute, troßdem sie bereits in Amerika einen Metropolitan-Standpunkt einnahm. Das Pianofortegeschäft respektive die musikalische Instrumentenmacherei, sowie der Musikalienbetrieb stand noch auf sehr primitiver Höhe. Das bedeutendste Geschäft in Musikalien und musikalischen Instrumenten zu jener Zeit, war die Firma Geib und Waller No. 23 Maiden Lane. Hier trug sich Herr Lindemann nun als Stimmer und Reparateur an. Herr Walker wies Lindemann ein dastehendes Instrument zu stimmen an. Nachdem er dasselbe fertig hatte, probirte Herr Walfer, der ein guter Spieler war, das Instrument durch alle Tonarten, rief dann seinen Geschäftstheilhaber herbei und theilte diesem mit, daß die Temperatur gut vertheilt und daß kein Wolf**) darin sei.

*) Die Firma veränderte sich später in Stodart und Dunham, indem Herr Dubois austrat und nach Cincinnati zog, woselbst er an der Sycamore Straße eine Pianoforte und BilliardFabrik etablirte, die sich aber nicht rentirte. Er betrieb dieses Geschäft zu Anfang der 50er Jahre noch in Cincinnati, aber kümmerlich, fort.

**) Wolf ist ein Kunstausdruck und bedeutet: daß die Quinten nicht richtig vertheilt sind. Natürliche oder ganz reine Quinten lassen sich auf einem Instrument worauf die Töne positiv feststehend sind, z. B. das Pianoforte, die Guitarre, u. s. w. nicht anwenden, weil dadurch die höhere und tiefere Tonlage des Instrumentes außer Stimmung gerathen würde. Man theilt also die Differenz der Quinte ein und nennt ein so gestimmtes Instrument temperirt. Auf den Blasinstrumenten, auf welchen die Quinten ebenfalls temperirt sind, kann der Bläser durch stärkeres øder leichteres Anblasen reine Quinten hervorbringen.

Herr Lindemann wurde nun von der Firma engagirt mit einem Wochenlohn von acht Dollars, worauf er ganz glücklich von dannen ging.

Er verließ nun sein „Boardinghaus“ und miethete sich, in Gemeinschaft mit einem Schiffsgenossen Namens Pruno, ein Zimmer. Sie kauften sich ein Paar ordinäre Stühle einen Tisch und einen Ofen und kochten sich ihre Mahlzeiten selbst. Bei solch ökonomischer Lebensweise hatte er sich in etlichen Monaten bereite $80 erspart, die er an seine Familie nach Deutschland sandte. Es dauerte auch nicht mehr lange, so wurde sein Wochenlohn auf zwölf Dollars erhöht, und als er noch nebenbei durch Reparaturen und gelegentliche Arbeiten außerhalb dem Geschäfte verdiente, so stand seine Wocheneinnahme bald auf achtzehn bis zwanzig Dollars - für jene Zeit ein ganz bedeutender Verdienst. Nun ließ er auch im nächsten Jahre seine Familie nach Amerika nachkommen, welche in Begleitung seines Schwagers, Herrn Dr. Anton Gescheidt, am 27. October 1835 glücklich im Hafen von New York anlangte.

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Im darauffolgenden Jahre (1836) etablirte sich Lindemann nun in ein eigenes Geschäft an der Ecke der Bank und 4. Straße. Dasselbe war klein und er batte nur einen einzigen Gesellen, und als in 1837 die Banken im ganzen Lande suspendirten und alle Geschäfte darnieder lagen, da war auch Herr Lindemann nahe daran, unterliegen zu müssen. In seiner Noth knüpfte er eine Bekanntschaft mit den Herren Simon und Gerding an, welche ihm einen Aufenthalt in Jamaica auf Long Island anboten, den er nothgedrungen annehmen mußte und woselbst er das Leben dürftig zubrachte. In 1842 zog er wieder nach New York zurück und etablirte sein Geschäft in der James Straße, wo ihm nun sein ältester Sohn, Hermann, mitarbeiten half. In 1844 hatte er sein Geschäft bereits so sehr erweitert, daß er wöchentlich zwei Instrumente verfertigte, weshalb er seine Werk= statt nach der Centre Straße verlegte und bedeutend vergrößerte.

Fünf Jahre später (1849) nahm er zuerst seinen ältesten Sohn, Hermann, als Theilhaber mit ins Geschäft. Zugleich wurde in diesem Jahre die Werkstatt nach 56 Franklin Straße verlegt, woselbst nun bereits vier Instrumente per Woche aus der Lindemannschen Fabrik hervorgingen. Hier blieben sie bis 1858 worauf sie dann die Fabrik nach 171 u. 173 Mercer Straße verlegten. Dort erfand Hermann Lindemann das sogenannte „Cycloid“ Piano, (1860), welches durch Patent gesichert, der Firma ein bedeutendes Renomme erwarb.

Der im nächsten Jahre herein gebrochene Bürgerkrieg verfehlte nicht auf das Geschäft seine Wirkung zu üben, und so mußte die Firma denn auch zuerst die Hälfte ihrer Arbeiter entlassen. In 186364 erholte sie sich jedoch wieder und als nun das „Cycloid“ Piano tüchtig herausgebracht wurde, da stand bald das Geschäft in bedeutendem Flor. Sie mußten ihre Fabrik erweitern und mietheten noch das Gebäude 92 Bleeker Straße dazu, woselbst sie nunmehr circa acht Pianos per Woche fabriziren. In 1864 traten noch die Söhne Heinrich und Ferdinand Lindemann als Theilhaber mit in's Geschäft ein, welches jeßt eines der blühendsten des Landes ist.

Ihre Pianos sind über die ganze Welt verbreitet; in Deutschland, Frankreich, Mexico, Westindien, Südamerika, Californien, Oregon und selbst auf den Sandwich Jnseln verkünden die Lindemannschen Pianos mit musikalischer Stimme

das Lob der deutschen Industrie in Amerika. Da sich das Geschäft besonders im amerikanischen Westen bedeutend erweitert hat, so fand die Firma sich genöthigt im Jahre 1874 in Cincinnati ein Zweighaus in Nummer 173 West 4. Straße zu errichten, welchem der älteste Sohn, Herr Hermann Lindemann vorsteht. Am verflossenen 28. März feierte Herr Wilhelm Lindemann, der älteste Pianofabrikant in Amerika, seinen 82. Geburtstag.

R.

Die deutsche Auswanderung und ihre Bedeutung in der Kulturgeschichte.

Von Franz Löher.

(Schluß.)

Die Anerkennung für ihre Philosophie verschaffen sie sich zugleich durch ihre Wissenschaftlichkeit. Schon in den ältesten Zeiten waren die Geistlichen, welche auf den berühmtesten Universitäten Europa's, den deutscher, eine gründliche und umfassende Bildung genossen hatten, wie z. B. Mühlenberg, Bolzius, Schlatter Müller, Otterbein, anerkannt die bedeutendsten Gelehrten in Amerika und nicht wenig auf den Schulen dieses Landes gesucht und geehrt. Ihre Wirksamkeit für Einbürgerung der Wissenschaften war eine höchst segensreiche. Und in der neuern Zeit, wieviel giebt es denn, was von nichtdeutschen Amerikanern von Bedeutung für die Wissenschaft hervorgebracht ist? Ist das, was wissenschaftlich hier geleistet wird, nicht ganz vorzüglich deutschen Talenten zu verdanken? Gab es z. B. vor den Deutschen hier viele, welche wirklich Aerzte zu nennen waren? Und wie mit den Verdiensten deutscher Wissenschaft in Amerika, so verhält es sich auch mit den Verdiensten der deutschen Kunst. Amerikanische Musik ist lediglich ein Zögling, wenn auch ein sehr ungelehriger, der Deutschen. Die seltsam lieblichen Compositionen der Ephratenser sind zwar verilungen und verloren, aber bereits Meister genug da, um der deutschen Musik auch in Amerika eine Zukunft zu versprechen.

Fragen wir endlich nach dem Wichtigsten: haben die Deutschen in Amerika auch für die bürgerliche Freiheit etwas gethan? Die Englisch-Irischen rühmen sich, sie hätten allein die Freiheit hervorgebracht. An sich ist ein solcher Uebermuth schon lächerlich, denn es gab keine Macht der Eede, welche verhindern konnte, daß Amerika nicht das Land der Republiken würde. Die aus ihrem Vaterlande Vertriebenen tamen in ein unermeßliches neues Land, dessen Besiß sie selbst der Natur und den Wilden abzwangen. Sie brachten die alten Staatsverfassungen und Beschränkungen nicht mit sich herüber, in der Freiheit der Wälder wuchsen sie auf, und vom Mutterlande trennte sie der weite Ocean. Deßhalb mußten die nordamerikanischen Ansiedlungen in demselben Maße, als sie für sich selbst erstarkten, ebenso von England frei werden, als noch alle Colonien, die mächtig genug wurden, ihre Abhängigkeit vom Mutterlande von sich schüttelten. Wenn man aber einmal die Frage aufwerfen will, welcher Volksstamm hat in Amerika am meisten zur Er

kämpfung der Unabhängigkeit gewirkt? so würde die Antwort den deutschen Volksstamm Echerlich nicht in den Schatten stellen. Es war ja natürlich, daß die Deutschen, welche um Freiheit nnd Wohlstand in der Wildniß zu gewinnen, herüberge= schifft waren, sich zehnmal weniger um den König von England, einen ihnen ganz fremden Mann, scherten, als die Ansiedler aus Großbrittanien. Dem Engländer stedt die Loyalität im Blute, denn bei ihm war das Lehnswefen am höchsten ausgebildet; dem Deutschen steckt ebenso sehr der Republifanismus im Blute, weil er der fühnste Denker und der eigensinnigste Mensch ist.

Welche den Englischen seltsame Ideen die Deutschen schon in früher Zeit verkündigten, davon mögen hier nur zwei Zeugnisse stehen. Im Jahre 1727 fam bei dem Statthalter von Pennsylvanien folgende Vorstellung ein: „eine große Anzahl Deutscher, eigenthümlich in Tracht, Religion und Begriffen von Staatsregierung, hätten sich am Pequea angesiedelt und seien entschlossen, dem gefeglichen Ansehen der Regierung nicht zu gehorchen. Sie seien zusammengefommen und hätten sich darauf verpflichtet, keine andere Sprache zu sprechen als die deutsche, und keinen Herrn anzuerkennen, als den allgemeinen Schöpfer des Weltalls." Ein ächtes Vorbild der Natives, und wie man glaubt, Samuel Wharton,*) spricht sich 1755 in einer

*) Möglicherweise war es Peter Collinson, an welchem Benjamin Franklin unter Datum des 9. Mai 1753 schrieb:

Those

"I am perfectly of your mind, that measures of great temper are necessary touching the Germans, and am not without apprehensions, that, through their indiscretion, or ours, or both, great disorder may one day arise among us. who come hither are generally the most stupid of their own nation, and as ignorance is often attended with great credulity, when knavery would mislead it, and with suspicion when honesty would set it right; and, as few of the English understand the German language, and so cannot address them either from the press or pulpit, it is almost impossible to remove any prejudices they may entertain. Their clergy have very little influence on the people, who seem to take pleasure in abusing and discharging the minister on every trivial occasion. Not being used to liberty, they know not how to make modest use of it. *** They are under no restraint from ecclesiastical goverment; they behave, however, submissively enough at present to the civil goverment, which I wish they may continue to do, for I remember when they modestly declined intermeddling with our elections; but now they come in droves and carry all before them, except in one or two counties. Few of their children in the country know English. They import many books from Germany, and, of the six printing-houses in the province, two are entirely German, two half German, half English, and but two are entirely English. (Gewiß ein Beispiel daß es die "most stupid of their own Nation” waren!) They have one German newspaper and one half German. Advertisements intended to be general, are now printed in Dutch and English, The signs in our streets, (Philadelphia) have inscriptions in both languages, and some places only in German. They begin, of late, to make all their bonds and other legal instruments in their own language, which (though I think it ought not to be), are allowed good in our courts, where the German business so increases, that there is continued need of interpreters, and I suppose in a few years, they will also be necessary in the Assembly, to tell one half of our legislators what the other half says. In short, unless the stream of importation could be turned from this to other colonies, as you very judiciously propose, they will so outnumber us, that

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