Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

„die bösen Juristen", ein Kampf, welcher so eigenartiger Natur war und mit solcher Energie geführt wurde, daß eigene Bücher zur Beleuchtung desselben geschrieben sind, soll durch eine Frau entzündet sein und seine Ursache darin haben, daß diese den Rechtsgelehrten deren Urteil über die juristische Gültigkeit ihrer The nicht verzeihen konnte! Und Luther soll bei diesem Streit die klägliche Rolle gespielt haben, daß er, angefeuert durch seine Ehefrau, verlangte', man solle allen Juristen, mit Ausnahme eines einzigen, die Zunge ausreißen!

Nun, zunächst möchten wir Janssen ernstlich ersuchen, mit den „Tischreden“ Luthers etwas vorsichtiger umzugehen. Es sind dies ja Aufzeichnungen, welche Freunde Luthers über das von ihm Gehörte gemacht haben. Zum allerwenigsten sollte man doch bedenken, daß dabei eine buchstäblich getreue Wiedergabe absolut unmöglich war. Würde Janssen etwas mehr von diesen Tischreden kennen, so würde er wissen, was man schon im Voraus vermuten muß, daß nämlich nicht selten ein und derselbe Ausspruch Luthers von den verschiedenen Freunden sehr verschieden wiedergegeben ist. Es ist unverantwortlich, auf grund einer Mitteilung in den Tischreden zu behaupten, Luther habe die Juristen allzumal mit Ausnahme des einzigen sächsischen Kanzlers Brück für gottlos ausgegeben', da diese Zahlbestimmung hinfällig wird, falls Luther nur ein klein wenig anders sich ausgedrückt haben sollte. Und wirklich hat ihn z. B. sein Tischgenosse Lauterbach schon anders verstanden. Nach diesem hat er gesagt: „Jeder Gottselige sollte die Rechte kennen, nur um sich zu verteidigen, daß er die bösen Tücke der Welt verstehen und hindern möchte. Ein solcher Mann ist D. Brück. Andere gottlose Juristen, die nur das Ihre suchen, haben das Recht in den Waffen."125) Lauterbach hat also verstanden, daß Brück als ein Beispiel aus der Zahl der gottseligen Juristen genannt ist, daß keineswegs alle anderen für gottlos ausgegeben sind. Und nicht einmal in der Recension, welcher Janssen folgt, steht das, was dieser angiebt. Janssen seßt ein Wort hinzu, das Wort: der einzige Brück, und läßt ein Wort weg, das Wort: „Die andern gemeiniglich allzumal." Er hatte die Worte vor. sich: „Ein jeglicher frommer Christ sollte die Rechte wissen nur zur Defension und Schuß . . . wie Dr. G. Brück ist. Die

[ocr errors]

Ist dies

Und an

anderen gemeiniglich allzumal sind gottlos "126) nicht ganz etwas anderes, als was Janssen schreibt? anderen Stellen sind noch andere Juristen von Luther aus der Zahl der „gottlosen“ ausgenommen. So sagt er ein ander mal: „Etliche sind gar fromm, wie Dr. Sebald, etliche aber sind eitel Teufel."127)

Auch das ist ein betrübender Kunstgriff Janssens, daß er Luther'n sagen läßt, alle Juristen mit einer einzigen Ausnahme seien gottlos und man sollte solchen stolzen Tropfen die Zunge aus dem Halse reißen. Er stellt also die Sache so dar, als hätte Luther den Juristen allzumal, mit Ausnahme eines einzigen, solche Qual zufügen wollen. In Wirklichkeit aber sind es zwei verschiedene Aussagen Luthers, welche Janssen hier zu einem Sage verbindet. Der erste Ausspruch ist i. I. 1538 bei Tisch gethan, der andere sechs Jahre später auf der Kanzel. Und solche stolzen Tropfen“ hat er nicht die Juristen allzumal mit Ausnahme des einzigen Brück genannt, sondern eine bestimmte Klasse von Juristen, nämlich die schändlichen, bewußten Rechtsverdreher. 128)

"

.

[ocr errors]

Doch zur Hauptsache! Woher weiß Janssen, daß Luther darum so zornig auf die Juristen gewesen sei, weil sie die Kinder seiner Hausfrau nicht als ehelich und erbfähig anerkennen' wollten? Zwei Stellen citiert Janssen, wir haben sie soeben erwähnt. Aber in beiden ist nicht ein Wort von seiner Ehe, seiner Hausfrau, seinen Kindern zu finden. Auch läßt Luther keineswegs unbestimmt, warum er „so zornig“ auf viele Juristen sei, daß Janssen doch zu einer böswilligen Vermutung verleitet werden könnte. Er sagt klar: „Die anderen gemeiniglich allzumal sind gottlos, suchen nur ihren Genieß und Nußen, ziehen das Recht und drehen es nach ihrem Vorteil, machen aus Recht Unrecht und aus Unrecht Recht mit ihrer Deutelei und Sophisterei, allein um Geldes willen."129) Da nun kein Jurist Geld" gewann oder verlor, ob Luthers Ehe für rechtsgültig erklärt wurde oder nicht, so hat Luther bei diesen Worten keinesfalls an das von Janssen Behauptete gedacht.

[ocr errors]
[ocr errors]

Freilich hat Luther einmal erwähnt, daß die Juristen auch seine Ehre und Bettelstücke nicht gedächten seinen Kindern zuzu

sprechen."130) Aber nie hat er gesagt, dieses mache ihn so zornig. Janssen behauptet: Luther führt darüber die bittersten Klagen'.131) Luther aber behauptet eben an der einen, auch von Janssen citierten Stelle 132) das gerade Gegenteil. Luther sagt ausdrücklich, daß er sich um dieses, auch ihn und seine Familie treffende Urteil niemals gegrämt habe: „Diese Rede ließ ich also hinstreichen und sie machen, was sie machten, als die mir nicht befohlen wären.“ Das aber, fährt er fort, habe er nicht leiden können, daß sie nach dem alten päpstlichen Rechte die Gültigkeit der ohne Einwilligung der Eltern gegebenen Eheversprechen behaupteten. Denn dies war gegen das vierte Gebot. Dagegen mußte er als Seelsorger auftreten. Es liegt also die Sache gerade umgekehrt, als Janssen sie darstellt. Nach ihm soll Luther zu seinem Kampfe gegen die Juristen durch ein rein persönliches Motiv getrieben worden sein, durch den Verdruß über ihre Beurteilung seiner Ehe. In Wirklichkeit aber hat er diese persönliche Sache, als eine rein juristische Frage, gehen lassen, wie sie ging. Nur für eine ganz andere Frage hat er die Lanze eingelegt, für das, was ihm „befohlen war.“ Seine Berufspflicht allein hat ihn geleitet. Es ist doch bewundernswert groß, so zu handeln. Janssen findet es begreiflich', daß Luther aus rein persönlichen Motiven solchen Widerwillen' gegen die Juristen gefaßt habe. Ja, wäre Luther so niedrig gesinnt gewesen, so würde Janssen ihn begreifen können: der wirkliche Luther ist und bleibt dem römischen Historiker zu hoch.

Aber wie mag denn Janssen Luthers Hausfrau' als die treibende Kraft in diesem Kampfe gegen die Juristen hinstellen? Er hat wirklich irgendwo einen halben Sah gefunden, den er dazu mißbrauchen kann. In einer Anmerkung führt er133) aus einem Briefe Crucigers an Veit Dietrich folgende Worte an: „Jezt ist er [Luther] ganz entbrannt gegen unsere Juristen, und du weißt, er hat außer dem vielen, was ihn in Flammen seyt, eine Hausfackel." Wer müßte hiernach nicht annehmen, daß auch Cruciger sich über Katharina's Einmischung in Luther's Kämpfe und über seinen dadurch erregten Zorn geärgert habe? Denn Janssen läßt aus dem Citat einen Satz fort, ohne auch nur anzudeuten, daß er unvollständig anführt, die Worte nämlich,

„Welche Klasse von

in denen Cruciger von den Juristen sagt: Menschen, wie sie denn hochfahrend sind und kaum einen Menschen außer sich selber gelten lassen, nicht leicht nachgiebt." Cruciger freut sich also des Kampfes Luthers gegen die Juristen. Auch will er Katharina nicht tadeln, weil auch sie ihren Mann anfeuert'. Denn er weiß, daß sie den triftigsten Grund hat, in diesem Falle Partei zu ergreifen. Es ist eine schwere Unwahrheit, wenn Janssen als das Motiv ihrer Erregtheit angiebt, sie habe begreiflich ihre Kinder als ehelich und erbfähig anerkannt wissen wollen?. Es war vielmehr wieder ein heimliches Verlöbnis, um das es sich handelte, und zwar eines ihrer Verwandten, des Caspar Beyer.134) Sollte sie denn darum, weil Luther ihr Ehemann war, nicht thun dürfen, was jeder andere thun konnte, wenn in seiner Familie solche sündhafte Fälle vorkamen, sollte ihr allein verwehrt sein, Luthers Schuß für das göttliche Recht anzurufen? Oder sollte darum von einer Beeinflussung Luthers durch sie geredet werden können, weil er in diesem seine Frau persönlich angehenden Falle genau dasselbe that, was er immer bei den hinter dem Rücken der Eltern geschlossenen Eheversprechen gethan? Oder sollte er diesmal seine Pflicht versäumt und erst durch Katharina dazu angefeuert' sein? So würden wir ihr Dank wissen müssen. Aber Cruciger sagt ja ausdrücklich, daß noch „vieles andere“ ihn gegen die Juristen erregt habe. So war es denn nicht Weibereinfluß, unter dem Luther stand, sondern seine Berufspflicht, was ihn trieb, gegen eine Verlegung des vierten Gebotes zu kämpfen.

Und es war Janssen so leicht gemacht, den Reformator hierfür zu loben. Denn die durch jenen römischen Saß von der Rechtsgültigkeit und Verbindlichkeit eines ohne elterliche Einwilligung gegebenen Eheversprechens angerichtete Verwirrung ist so groß geworden, daß selbst das römische Concil zu Trient i. J. 1545 sich veranlaßt gesehen hat, zu erklären, die heilige Kirche habe jene Verlöbnisse aus den gerechtesten Ursachen verabscheut und verhindert.135) Selbst dann also, wenn ein Kampf Luthers von der römischen Kirche als nicht unberechtigt anerkannt ist, hat Janssen nicht ein Wort der Anerkennung für ihn, sondern nur die Kunst falscher Anklagen.

Noch in einer anderen Beziehung bestreitet Janssen die Selbständigkeit Luthers. In hochwichtigen Fragen soll er nach der Pfeife seines Kurfürsten getanzt haben.136)

Im Jahre 1534 hoffte Bußer eine Annäherung zwischen den reformiert und den lutherisch Gesinnten herbeiführen zu können. Nachdem Luther eine schriftliche Erklärung in Händen hatte, wonach die bisher zwinglisch gerichteten Städte „in der Lehre vom Sakrament und anderen Artikeln der [augsburgischen] Konfession und Apologie gemäß lehren wollten“,137) bot er bereitwillig, ja mit hoher Freude die Hand zu einem Versuch, in einer persönlichen Zusammenkunft, „aufrichtige und wahre Einigkeit“ zu beschließen. 138) Zum Abschluß derselben', schreibt Janssen richtig, kamen Bußer und mehrere oberländische Prädikanten im Mai 1536 nach Wittenberg'. 139) Aber', so fährt Janssen fort, sie fanden einen anderen Luther, als sie erwartet hatten. Denn kurz vor ihrer Ankunft hatte der Kurfürst von Sachsen an Luther den Befehl gerichtet, auf der Augsburger Konfession und deren Apologie beständig zu bleiben, darob festzuhalten und den fremden Prädikanten in keinem Wege, mit nichten auch in dem wenigsten Punkt und Artikel zu weichen. Luther handelte nach diesem Befehl, warf aber gleichzeitig den oberländischen Predigern vor: sie ständen hinsichtlich der kirchlichen Dinge in sklavischer Abhängigkeit von ihren Magistraten'. Gewiß ein lächerlicher Sklave, der anderen Sklaven ihre Sklaverei vorwirft!

Luther also soll beabsichtigt haben, von der Augsburger Konfession abzugehen, auf Befehl des Kurfürsten aber entgegengesezt gehandelt haben? Aber wo steht denn etwas von Befehl'? Wohl bei Janssen, aber nicht in dem Schreiben des Kurfürsten. In diesem steht vielmehr: „Wir wollen gnädiglich begehrt haben."140) Und hätte Janssen nur noch ein paar Worte mehr aus diesem Briefe mitgeteilt, so würde jeder Leser sofort erkannt haben, daß der Kurfürst nicht daran gedacht hat, Luther könne, falls ihm nicht ein Befehl' erteilt würde, „auch nur in dem geringsten Punkte weichen." Denn es heißt weiter: „Wie wir auch ohne unsere Erinnerung der Beständigkeit wissen, daß an euch kein Mangel sein wird. Aber um der anderen willen." Damit also Luther nötigenfalls für ein hartnäckiges Bestehen auf der

« ZurückWeiter »