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Maximilian I.

Zwar war der Nachfolger Friedrichs III., sein Sohn Maximilian L (1493-1519) eine von jenem grundverschiedene Persönlichkeit: er war lebendig, tätig und voll inneren Anteils für die deutsche Sache; gebildet, selbst ein Schriftsteller, zeigte er großes Verständnis für die Künste und den „Humanismus“; in allen törperlichen Übungen war er Meister; eine schöne Erscheinung, verbunden mit ungezierter Leutseligkeit und Schlichtheit im Verkehre mit dem Volke, machte ihn zum erklärten Liebling der Deutschen, die in ihm den leßten Ritter" verehrten.

Aber diesen menschlich schönen Seiten seines Wesens, die sein Ansehen weit über den wahren Wert dieses Fürsten hoben, stand ein völliger Mangel an staatsmännischen Eigenschaften gegenüber: vor allem fehlte dem Kaiser Klarheit des Denkens und Stetigkeit der Ausführung.

So kommt es, daß seine Regierung unfruchtbar geblieben ist für das deutsche Volk; er hat wohl Versuche gemacht, die politischen Zustände zu bessern, vor allem eine starke Reichsgewalt zu schaffen aber er ist in allem gescheitert.

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Nur eines ist ihm gelungen: er hat das Haus Habsburg zum länderreichsten Herrschergeschlechte der Zeit gemacht, indem er durch Erbschaften, seine eigene Heirat und die seines Sohnes Philipp eine Hausmacht bildete, die außer den althabsburgischen Landen Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol noch Burgund (die Erbschaft Karls des Kühnen durch seine Tochter Maria, die Gemahlin Maximilians), Böhmen, Ungarn und Spanien mit seinen Nebenländern umfaßte. Des Kaisers Sohn, Erzherzog Philipp hatte Johanna, die Erbtochter Ferdinands des Katholischen und Isabellas von Spanien geheiratet und damit deren ganzen Besitz gewonnen; das war neben Spanien das Königreich Neapel und alles spanische Gebiet im neuentdeckten Amerika (1492 durch Christoph Kolumbus, geboren in Genua, wahrscheinlich germanischer Abstammung).

Maximilians Enkel, der spätere Kaiser Karl V. konnte mit Recht sagen, daß in seinem Reiche die Sonne nicht untergehe.

So ist das Haus Habsburg zu einer Weltmacht geworden, nicht zum Segen für das deutsche Volk, dem es entstammte; denn es hat in seiner ganzen Geschichte nur Rücksicht genommen auf die Wahrung seiner eigenen Macht und Größe und darunter Deutschland leiden lassen.

Wir müssen deshalb von vornherein festhalten, daß Erfolge Habsburgs nicht dasselbe bedeuten, wie deutsche Erfolge, und daß das habsburgische Reich nicht das deutsche Reich war.

Die Reichs-Reform-Bestrebungen zur Zeit Maximilians hatten ihre

hervorragendsten Vertreter in Erzbischof Berthold von Mainz und Eitelfriß von Hohenzollern.

Es sollte dem Kaiser ein ständiger Reichsrat von sieben Fürsten beigegeben werden (sehr nötig zur Vertretung der deutschen Angelegenheiten gegenüber den habsburgischen); ein allgemeiner, ewiger Landfrieden sollte die innere Ruhe herbeiführen; eine feste allgemeine Reichssteuer sollte der Kaisergewalt die nötigen Machtmittel zur Verfügung stellen; die Einteilung des Reichs in zehn Kreise unter den hervorragendsten treiseingesessenen Fürsten als Kreisobersten sollte eine Grundlage für die Verwaltung und das Heerwesen abgeben; endlich sollte das „ReichsLammergericht" als höchster deutscher Gerichtshof eine einheitliche, über den Einzelstaaten stehende Rechtsprechung herbeiführen.

Nach langwierigen, unerquicklichen Verhandlungen kam es endlich zur Schaffung des Reichskammergerichts, das seinen Siß zuerst in Frankfurt, dann in Wezlar hatte; das war das einzige greifbare Ergebnis der mühseligen Versuche; denn die Kreiseinteilung, die später angenommen wurde, blieb für die Aufgaben, für die sie geschaffen war, wirkungslos. Das traurige Ergebnis dieser gescheiterten Bestrebungen war, daß Habsburg seinen eigenen Weg ging und daß die Einzelstaaten es ebenso machten, daß also eine wirkliche Reichsgewalt nicht ge= schaffen wurde.

Der Titel „erwählter römischer Kaiser", den Maximilian im Jahre 1508 annahm, bedeutete eigentlich nur eine den mächtigen Herrn des habsburgischen Reiches ehrende Bezeichnung einen wahren Inhalt hatte er nicht.

Diesen Mißerfolgen auf dem Gebiete der inneren Politik stellten sich solche in der äußeren zur Seite: Mailand ging durch die Schlacht bei Marignano (1515) an König Franz I. von Frankreich verloren, die Hansa wurde von den Schweden im Vertrage von Malmö (1512) zur Preisgabe des schwedischen Handels gezwungen, der deutsche Orden verlor nach tapferer Gegenwehr Livland an die Russen.

Das war ein trauriges Ergebnis der Herrschertätigkeit des „leßten Ritters", von dem das deutsche Volk so viel erwartet hatte.

Als Maximilian im Jahre 1519 starb, bewarb sich

und das König Franz L.

ist bezeichnend für die Lage, die er hinterlassen von Frankreich um die Kaiserwürde; troßdem er große Summen zur Bestechung der Kurfürsten aufwandte, wurde nicht er, sondern Maximilians Entel, Karl, der Sohn Philipps von Österreich und der Spanierin Johanna, mit Stimmenmehrheit gewählt.

Entwicklung bis zur Reformation.

Wir stehen an der Schwelle der „Neuen Zeit“. Ehe wir eintreten, müssen wir noch einige Erscheinungen kurz betrachten, die von Bedeutung für die weitere Geschichte geworden sind.

Da ist zuerst das Eindringen des römischen Rechts zu erwähnen, das darauf zurückzuführen ist, daß einmal die katholische Kirche stets nach römischem Rechte auch auf deutschem Boden gelebt hat, und daß die jungen deutschen Rechtsbeslissenen, die in Bologna und Paris auf der Hochschule waren, mit Bewunderung für den geschlossenen Bau dieses Rechtssystems heimkehrten; sie betrieben in der Heimat die Aufnahme dieses Rechtes und fanden die Zustimmung der Fürsten. Kein Wunder: denn es lehrte, daß alles Recht vom Fürsten komme!

Nun war troß des Sachsen- und Schwabenspiegels die Zerflüftung des deutschen Rechtslebens wirklich unerträglich geworden. Was lag also näher, als das bewunderte römische Recht als einheitliches „gemeines“ Recht einzuführen. Da es zudem einer Zeit fortgeschrittener Geldwirtschaft entstammte, kam es den Bedürfnissen des jezt mächtig angewachsenen deutschen Geld- und Handelsverkehrs entgegen; endlich hatte es die Begriffe des Eigentums und Besizes so scharf gefaßt, mit so entschiedenen Rechtsfolgen ausgestattet, daß alle Besitzenden von der Einführung Vorteil haben konnten.

So kommt es, daß unserem Volke dieses fremde Recht aufgezwungen wurde. Bedeutete immerhin seine Einführung als einheitliches Recht einen Fortschritt - so ist sie doch ein Unsegen gewesen, denn sie hat durch die unsoziale Härte und Rücksichtslosigkeit des römischen Rechts die Gegensäße zwischen den geldwirtschaftlichen (Fürsten, Städten, Handel) und den noch naturalwirtschaftlichen Ständen (Bauern und Landadel) in gefährlicher Weise vertieft und das Rechtsbewußtsein des Volkes, das fich nie mit dem fremden Rechte aussöhnte, nie Vertrauen zu ihm faßte, schwer erschüttert: so sehen wir, wie in den Bauernfriegen vor allem immer wieder die Abschaffung des römischen Rechts verlangt wird. Nicht ohne Grund: denn das Wesen des deutschen Rechtes war sozial", d. h. es ließ keine rücksichtslose Ausübung der Befugnisse der Einzelperson zu zwang vielmehr zur Rücksicht auf die Kreise der Gesamtheit, denen die Beteiligten angehörten: auf Familie, Genossenschaft, Gemeinde und Staat. Es galt ganz allgemein der Sas: gemeiner Nus geht vor sonderlichem Nup". Dies galt vor allem für das Eigentum, das der unbeschränkten Verfügung des Einzelnen entzogen war und einer starken Bindung im Hinblick auf den „Nuß“ der Ehe, der Familie und

der weiteren Kreise unterlag. Wie anders das römische Recht! Es gab dem Eigentümer die Befugnis zur rücksichtslojen Ausübung seines Rechtes — das Wohl der engeren und weiteren Kreise trat zurück gegenüber dem Vorteil des Einzelnen.

Die großen Erfindungen jenes Zeitraumes haben weittragendste Bedeutung gewonnen.

Von der Buchdruckerkunst wissen wir dies schon, und haben noch vom Kompaß (um 1320) und Schießpulver (1350 durch Berthold Schwarz in Freiburg i. Br.) zu reden: der eine machte die Schiffahrt Los von den Küsten und ermöglichte einen überseeischen Verkehr im größeren Maßstabe, ist also der Vorbote der großen Entdeckungsfahrten geworden; das andere bewirkte eine Umgestaltung des ganzen Kriegswesens, indem an Stelle der Ritterheere Söldnerscharen traten, die mit der Feuerbüchse ausgestattet waren, und indem eine „Artillerie“ für den Festungskrieg sich bilden konnte..

Die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus und die Auffindung des Seewegs nach Ostindien durch Vasko da Gama (1498) hatten wirtschaftliche, geistige und politische Folgen: wirtschaftlich brachte die Ausbeute der neuen Länder eine gewaltige Hebung des Handels und der Gewerbe, indem die Erzeugnisse jener Länder nach Europa eingeführt, verarbeitet und auf den Markt gebracht wurden; die reichen Gold- und Silberschäze Perus und Mexikos beschleunigten die geldwirtschaftliche Entwicklung und ermöglichten die Ansammlung ungeheurer Vermögen (so der beiden Augsburger Häuser der Fugger und Welser).

Auf geistigem Gebiete lag die Bereicherung des Denkens, der Wissenschaften (Erd- und Naturkunde) und der Einbildungskraft, die alle die Geheimnisse der „neuen Welt" zu verarbeiten hatten.

Politisch ergab sich die Bildung von großen Kolonialmächten, die naturgemäß zugleich Seemächte sein mußten; Spanien und Portugal übernahmen fürs erste diese Rolle, um am Beginn des 17. Jahrhunderts von den Niederlanden und England abgelöst zu werden.

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So war eine unendliche Entwicklung eröffnet es war die Frage, welche Völker sich daran beteiligen wollten, welches Volk die Führung in die Hand nehmen werde.

Nach seinen geistigen Fähigkeiten, seiner kriegerischen Tüchtigkeit, seinem wirtschaftlichen Aufschwung schien Deutschland dazu berufen aber wir wissen auch, wie die politische Zerrissenheit die beste Kraft des Voltes lähmte.

Sehen wir nun, wie es in die „neue Zeit" sich findet.

Reformation und Glaubenskriege.

Karl V.

Die Wahl des jungen Karl wurde in Deutschland mit Jubel begrüßt, war es doch gelungen, die Bewerbung des französischen Königs Franz L zurückzuweisen; man sah darin einen Erfolg der guten deutschen Gesinnung der Kurfürsten und erblickte in dem Enkel Maximilians einen Deutschen. Von dem „jungen edeln kaiserlichen Blut", wie Ulrich von Hutten Karl in seinen flammenden Flugschriften nannte, erwartete man alles, was seinem Großvater nicht gelungen war, die Neuordnung des Reichs - und noch mehr, da inzwischen der Wittenberger Augustiner mönch Dr. Martin Luther den weltgeschichtlichen Kampfplatz betreten hatte, auch die Besserung der Kirche im deutschen Sinne.

Niemals sind die Hoffnungen eines Volkes schlimmer und vollständiger betrogen worden.

Karl war kein Deutscher, troß seines habsburgischen Vaters — er hat sich niemals als Deutscher gefühlt, niemals Verständnis für deutsches Wesen gehabt, niemals auch die deutsche Sprache vollständig beherrscht.

Er war nach dem frühen Tode seines Vaters in Brüssel von burgundischen Höflingen erzogen worden, die ganz französisch dachten; mit sechzehn Jahren war er nach Madrid gegangen, um die Regierung über sein spanisches Königreich, das Erbe seiner Mutter, selbst zu übernehmen. Dort war er bald ganz unter den Einfluß des ausgesprochensten, aber auch rückständigsten Kirchentums und des spanischen Adels gekommen. Drei Jahre später wurde er zum deutschen Kaiser gewählt. Karl hat sich gezeigt als ein hochbegabter Mann, groß als Feldherr wie als Staatsmann, als wohlunterrichtet und unermüdlich tätig — aber er war kein Deutscher, konnte also noch weniger ein deutscher Kaiser sein. Wenn er sich überhaupt zu einem Volkstum hingezogen fühlte, so war es das spanische - aber er war auch kein Spanier; er war schlechthin Habsburger, d. H. er fannte nur eine höchste Aufgabe: die Macht seines Hauses zu erhalten und auszudehnen.

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