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Das Kaisertum schien wiederum feft gegründet zu sein ein Stolz der Deutschen, die ihren König als den obersten Herrscher der Christenheit anerkannt sahen, als den Lehnsherrn aller anderen christlichen Fürsten und als den Beschüßer des Papstes und der Kirche.

Aber, wie Karls Werk vergänglich war, so war es auch das Ottos des Großen.

Otto II (973-983) war ein würdiger Erbe seines Vaters; ein fühner, kräftiger Geist lebte in dem mit achtzehn Jahren auf den höchften Thron berufenen Jüngling, der nicht nur zu den Staatsgeschäften trefflich veranlagt war, sondern über eine wirklich gelehrte Bildung verfügte.

Bedeutsam als ein Zeichen, wie schnell das Kaisertum über die Grenzen des Volkstums hinausgewachsen war— man würde heute sagen, Neigung hatte „International“ zu werden, und bedeutsam wegen der Folgen in der Veranlagung des Sohnes dieses jugendlichen Herrschers, war seine Ehe mit Theophano, einer griechischen Prinzessin.

Otto II. wahrt das Erbe des Vaters mit Erfolg: er hält die Herzöge im Baume, sichert die Grenzen des Reiches ja er dringt gegen den feindlichen Frankenkönig bis vor Paris vor und kämpft mit Glüd gegen die Sarazenen in Unter-Italien. Eine überraschende Niederlage zwingt ihn, nach Rom zurückzukehren; er bereitete dort einen neuen Feldzug gegen die Sarazenen vor, als er im Alter von 28 Jahren in der heiligen Stadt starb.

Der allzufrühe Tod des hochbegabten Herrschers war ein Unglüd für sein Haus, ein größeres noch für unser Volk.

Wiederum saß ein Kind auf dem Throne, Otto II. (983—1002), der beim Tode des Vaters erst drei Jahre alt war und unter der Vormundschaft seiner Mutter Theophano und seiner Großmutter Adelheid regierte. Die beiden Frauen, die eine als Griechin, die andere als Burgunderin, dem Volke fremd, vermochten nicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten; rasch wuchsen ihnen die Großen über den Kopf und es entstand Zwietracht und Parteiung im Reiche. Aber sie verstanden auch nicht, die Erziehung des kaiserlichen Knaben so zu lenken, daß er seinem Amte gewachsen war.

Ein Aufstand der Slawen, bei dem Hamburg und Brandenburg zerstört wurden, vernichtete die deutsche Kulturarbeit über der Elbe; die Normannen wagten räuberische Einfälle und Friesland fiel vom Reiche ab. Nichts geschah, diese Feinde zu bändigen auch Otto III. unternahm nichts gegen sie, nachdem er 995 selbst die Herrschaft angetreten hatte. Seine Entwicklung war einen unerfreulichen Weg gegangen: er, der Sachsensproß, war seinem Volke völlig entfremdet, er schämte sich, als Deutscher geboren zu sein und fühlte sich ganz als Römer; die Muttersprache ver

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schmähte er ebenso wie das ehrlich-rauhe Leben der Heimat. Er umgab sich mit dem feierlichen und unerträglichen Hofgebrauche (Zeremoniell) des byzantinischen Ostens, und lebte am liebsten in Rom. Erfüllt von inbrünstiger Gläubigkeit, sah er im Papsttum den gottbestimmten Bundesgenossen des Kaisertums. Sein Geist lebte in einer anderen Welt; er war das, was ein Herrscher am allerwenigsten sein darf: ein unflarer Schwärmer! Sein Ende sollte für alle Zeiten eine Mahnung sein für die deutschen Fürstenhäuser, ihres Volkstums nicht zu vergessen. Ein Deutscher, der keiner sein wollte ein Römer, der keiner war: so blieb der traurige Fürst das Ergebnis der „internationalen" Anwandlung des Sachsenhauses. Überall Unzufriedenheit am Ende seiner Regierung: die Deutschen im Begriff, den ihnen fremd gewordenen abzuseßen, die Römer in voller Empörung gegen ihn, so daß er aus dem über alles geliebten Rom fliehen mußte. Am 23. Januar 1002 starb er in Kastell Paterno, nördlich der ewigen Stadt, gebrochenen Herzens, niedergeschmettert von den Enttäuschungen, die solchen „Romantikern" so kann man ihn mit einem neuzeitlichen Ausdruck ruhig bezeichnen, ja ihn vielleicht den ersten nennen- niemals ausbleiben. Von den Maßnahmen seiner Herrschaft war besonders verhängnisvoll die Stiftung des Erzbistums Gnesen, das den Polen einen kirchlichen Mittelpunkt gab und sie frühzeitig dem deutschen Einfluß entzog; die politische Rückwirfung konnte nicht ausbleiben der heutige Kampf in

der preußischen Ostmark legt Zeugnis davon ab.

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Sein nächster Verwandter war sein Vetter, der ihm als Heinrich II. folgte (1002-1024) und mit dem Beiwort der Heilige fortlebt; so wurde er genannt, weil er gütigen, milden Sinnes und aufrichtig fromm war, obwohl er die Rechte des Reichs gegen die Kirche nachdruckvoll verteidigte.

Seine Aufgabe war ähnlich der Heinrichs L.; seine Natur und Begabung auch der des ersten Sachsenkönigs verwandt: zähe, besonnen, aufs Nächste bedacht, von dem Gefühle der Königspflicht erfüllt; ebenso wie jener wurde er ein Wiederhersteller des Reichs.

Dreimal zog er nach Italien, jedesmal siegreich; er sicherte seine Ansprüche auf das Königreich Burgund, dagegen konnte er troh jahrelanger Kämpfe gegen den feindlichen Polenherzog Boleslav teine entscheidenden Erfolge erringen.

Im Innern des Reiches lehrt Ruhe und Ordnung ein und das rastLose Bestreben dieses guten Herrschers, dem deutschen Volke zu dienen, wird von Erfolg gekrönt; mit Geschick bedient er sich in der inneren Verwaltung, wie Karl und Otto die Großen, der Bischöfe. Aber trotz seiner kirchlichen Gesinnung, troß des Wertes, den er auf die politische Mitarbeit der hohen Geistlichkeit legte: immer bleibt er der Herr und König

und Wahrer des Reichswohls auch der Kirche gegenüber und es ist bezeichnend, daß er zuerst in strenger Weise die Kirchengüter zu den Steuern heranzog.

Die Frankenkaiser Konrad II. und Heinrich III.

Mit Heinrich II. starb das sächsische Haus der Ottonen aus und es wurde ein Urenkel Ottos des Großen von der in der Nähe von Oppenheim a. Rh. abgehaltenen Reichsversammlung zum König gewählt: der Frankenherzog Konrad II. (1024—1039), mit dem das salische (fränkische) Fürstengeschlecht für gerade hundert Jahre auf den Thron gelangt. Mit gewaltigem Willen und starker Hand ergriff er sofort die Herrschaft, jeder Boll ein König, ganz erfüllt von der Bedeutung seines Amtes und bestrebt, ihm genug zu tun. Schon 1027 wird er in Rom zum Kaiser gekrönt im Beisein von Knud dem Großen, König von England und Dänemark, und König Rudolf III. von Burgund. Er gewinnt die unter Heinrich II. abgetretene Lausiß zurück, zwingt Polen und Böhmen zur Anerkennung seiner Lehnshoheit und vereinigt das Königreich Burgund mit dem Reiche (etwa die heutige Westschweiz, das südliche Elsaß und die Südostecke Frant reichs, 1033); dagegen überläßt er die Mark Schleswig dem ihm befreundeten Knud. Konrad hatte die Nachteile des Wahlreichs flar erkannt und erstrebte die Erblichkeit der Königswürde, entsprechend derjenigen der großen Lehen; um lettere nach Möglichkeit ungefährlich zu machen, hielt er die während seiner Herrschaft frei werdenden Herzogtümer in seiner Hand oder verlieh sie an seine nächsten Verwandten, so Bayern und Schwaben an seinen Sohn Heinrich. Daneben hob er die Stellung des niederen Adels und förderte die Erblichkeit der kleinen Lehen; seine staatsmännische Absicht war, dieser sog. „Ministerialen" fich zu bedienen, um militärisch von den Herzögen und in der Verwaltung von den Bischöfen unabhängig zu werden. Der Tod überraschte ihn sein Nachfolger ging andre Wege. Wir nahen der Zeit der höchsten Machtentfaltung des deutschen Kaisertums, verkörpert in der großartigen Persönlichkeit Heinrichs IIL (1039-1056), der seines Vaters Konrad unbestrittener Nachfolger wurde.

Erst 22 Jahre zählte er, als er den Thron bestieg; aber er war ein fertiger Mann: sittlich und ernst, echt fromm, gewissenhaft und unermüdlich, stets Herr seiner selbst und von großer Gesinnung. Ganz ein Herrscher, der berufen schien, endlich dem deutschen Volke eine dauernde, nicht mehr zu erschütternde Verfassung zu geben. Aber eine unselige Schickung wollte es auch mit ihm anders, indem er noch nicht 40 Jahre alt vor der Zeit am 5. Dkt. 1056 auf seiner Pfalz Bodfeld im Harz von einem plöglichen Tode überrascht wurde, nachdem er eine gefährliche Verschwörung mehrerer Großen niedergeschlagen hatte.

Er unterwarf den Herzog von Böhmen (1041); den König Peter

von Ungarn machte er zum Vasallen des Reichs (1044), das er bis zur Leitha ausdehnte. Zweimal zog er nach Italien und entschied als oberster Richter im Streite um die Besetzung des päpstlichen Stuhles; tatsächlich übte er das Recht der Ernennung des Oberhauptes der Kirche aus, indem er vier deutsche Päpste ernannte.

Den inneren Frieden wahrte er durch mehrere Gottesfrieden" und sorgte für die sittliche Hebung der Geistlichkeit.

Groß und herrlich stand das Reich da, als er starb, beerbt von seinem sechsjährigen Sohne Heinrich IV. (1056-1106), der bereits mit vier Jahren in Aachen zum König gekrönt worden war.

Wiederum folgte, wie wir das schon mehr als einmal erlebt haben, der höchsten Erhebung tiefster Fall, als sei dafür gesorgt, daß die Bäume des deutschen Volkes nicht in den Himmel wachsen.

Allgemeine Entwicklung.

Ehe wir an die Schicksale Heinrichs IV. herantreten, müssen wir, um die weiteren Geschehnisse verstehen zu können, sehen, wie bis dahin die Verhältnisse im Innern unseres Vaterlandes und in der Kirche sich entwickelt haben.

Dem deutschen Leben sind die Städte fremd gewesen; der Freie verschmähte es, hinter festen Mauern sich zu verbergen. Bei einem Wirtschaftsleben, das sich in der Hauptsache auf der Landwirtschaft mit ihren Nebenbetrieben aufbaute, ist es verständlich, daß ein Umsatz der Güter taum stattfand, daß man sich begnügte, das zu erzeugen, was zum Verbrauch und Gebrauch nötig war.

Der Handel war so gut wie unbekannt; jeder saß auf seinem Hofe und suchte selbst das zu bauen und herzustellen, was er brauchte; hatte er einen Gegenstand nötig, den er nicht selbst herstellen konnte, so vere schaffte er ihn sich im Wege des Austauschs von einem Nachbarn.

Man lebte in der Zeit des Tausches, in der Geld unnötig war. Wir wissen, daß auch eine Entlohnung für Dienste, die der Graf dem König, der Vasall dem Herrn leistete, nicht in Geld stattfand, daß kein Gehalt oder Lohn bezahlt wurde, sondern daß das Entgelt in der „Belehnung“ mit Land erfolgte, aus dem der Unterhalt gewonnen werden mochte. Dies Land war nur geliehen, d. h. es blieb Eigentum des Königs oder des Herren, der es wieder entziehen konnte, wenn der Belehnte die Treue oder die Pflicht verlegte. Städte gab es eigentlich nur da, wo ältere römische Ansiedlungen sich befunden hatten, vor allem den Rhein entlang (Basel, Straßburg, Mainz, Koblenz, Köln, Aachen, Trier); sie lebten ihrer Überlieferung entsprechend in vorgeschrittener Kultur und

Wirtschaft, konnten aber in jenem Zeitraum teinen größeren Einfluß gewinnen.

Sie dienten nicht einmal als Siz fester königlicher Behörden das Königtum selbst hatte keinen festen Siz, keine Hauptstadt; dagegen erkannte die Kirche früh die Bedeutung der Städte und bildete sie zu Mittelpunkten des kirchlichen Lebens aus, indem sie Bistümer dorthin verlegte.

Ganz langsam wuchs die Bevölkerung der Städte wuchs auch die Beachtung, die man ihnen als Volks-Sammelpunkten schenkte. Die Not der Madjarenkriege mit ihrer furchtbaren Verwüstung des flachen Landes, das eine Verteidigung nicht erlaubte, lehrte erkennen, wie wertvoll eine Stadt als Zufluchtsort, als Siß der Verteidigung werden kann.

Hauptsächlich zu solchen Zwecken hat Heinrich L. Städte gegründet, und bei seinen Nachfolgern wird die Erwägung mitgewirkt haben, daß solche Sammelpunkte in gleicher Weise für das wirtschaftliche Leben, wie für die Verwaltung des Landes wünschenswert seien.

Man wird von einer beabsichtigten Städtegründung“ überhaupt wohl in den seltensten Fällen reden können, sondern an eine ganz langsame, sich von selbst ergebende Entwicklung denken müssen. Ein Hof, ein Dorf lag günstig an einem Flusse, an einer Stelle, wo Straßen sich freuzten, wo bei allen möglichen friedlichen oder kriegerischen Anlässen sich größere Menschenmassen zu sammeln pflegten. Um dem Bedürfnisse nachzukommen, mehrten sich wohl die festen Ansiedlungen; es entstand ein Markt, d. h. ein Ort, an dem man Dinge, die man nötig hatte, fertig und gesammelt vorfand und gegen andere tauschen konnte.

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Der Verkehr mit der auf dem Boden des heutigen Frankreichs vorhandenen städtischen Bevölkerung zur Zeit der Merowinger und Karolinger, die fortgesetten Römerzüge“ nach Italien, die das dortige vorgeschrittene Kulturleben kennen lehrten das alles wirkte mit der wachsenden Befriedung des Landes und dem zunehmenden Wohlstande dahin, daß die „Arbeitsteilung“, wie man heute sagen würde, sich herausbildete. Man stellte nicht mehr alles selbst her, was man brauchte: es bildete sich ein Beruf des Waffenhandwerks, der Schmiede, der Bauhandwerker nach und nach aus, bis endlich eine reich entwickelte Handwerkerschaft entstanden war, die naturgemäß sich dort ansiedelte, wo viele Menschen hinkamen, d. h. in der Stadt.

Gleichen Schritt damit hielt die Entwicklung des Handels, der den Umsatz von Waren gegen Geld betreibt.

Das allmähliche Eindringen des Geldes bereitet einen völligen Umsturz des wirtschaftlichen Lebens vor: hatte man bisher in der Hauptsache fich beschränkt, von den Erzeugnissen des Bodens zu leben und mit ihnen zu tauschen, wenn es nottat (sogenannte Naturalwirtschaft), so ging man

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