Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Mitwelt überwältigenden Eindruck gemacht haben muß, und die in der Heldensage seines Volkes fortlebte durch die Jahrhunderte.

Am 28. Januar 814 starb er in Aachen und wurde dort in dem von ihm erbauten Dome beigesezt; festgefügt ließ er sein ungeheueres Reich seinem Sohne Ludwig zurück. Es entstand die Frage: war es auf die Dauer zusammenzuhalten, wenn seine Nachfolger minder starke Naturen an Wollen und Können waren?

Diese Schicksalsfrage des karolingischen Weltreichs wurde bald verneint; schon der erste Nachfolger Karls, der from me Ludwig (814 bis 840) war der überschweren Aufgabe nicht gewachsen, vor allem gab er fich dem Einflusse der hohen Geistlichkeit einseitig hin, so daß die weltlichen Großen unzufrieden wurden. Zweimal empörten seine erstehelichen Söhne Lothar, Pippin und Ludwig sich gegen ihn, ja sie entsetzten ihn des Thrones, nachdem sie ihn (833) bei Kolmar im Elsaß besiegt hatten; die Jahre bis zu seinem Tode waren durch Zwistigkeit mit seinen Söhnen vergiftet, obwohl er nach kurzer Zeit wieder in seine kaiserlichen Rechte eingesetzt wurde.

Alles in allem: kein würdiger Nachfolger des großen Karl. Fränkischem Gewohnheitsrechte folgend teilten nach Ludwigs Tod seine ihn überlebenden Söhne das Reich.

Im Vertrage zu Verdun (Wirten 843) erhielt Lothar, der älteste von ihnen, alles Land zwischen Rhein, Maas, Schelde, Rhone und Saone und Italien mit dem Kaisertitel; der mittlere Ludwig, nachmals der Deutsche genannt, alles Land rechts des Rheines und links davon die Bistümer Speier, Worms und Mainz; der jüngste Sohn Karl, der Kahle geheißen, erhielt das ganze übrige heutige Frankreich, soweit es nicht an Lothar gefallen war.

Deutschland im Mittelalter.

Die lekten Karolinger.

Wir fümmern uns nicht um die Geschichte der Karolinger in Italien und Frankreich - nur die Entwicklung in Deutschland geht uns an: denn ein Deutschland war jezt geschaffen; seine Geburtsstunde fällt in die Errichtung des Vertrags von Verdun.

Daß dem in der Tat so war ergibt sich daraus, daß Ludwigs Gebiet rein von deutschen Stämmen bewohnt war; dasjenige Karls nur von Romanen (so werden die aus der Vermischung keltisch-römisch-germanischen Blutes entstandenen Völker genannt); in Lothars Reich sind Deutsche und Romanen gemischt, doch überwiegen leytere.

Diese Mischung bildet die Ursache des Verfalls in dem Reiche Lothars (nach ihm heißt noch heute Lothringen); die Scheidung beider Völker wird im Vertrage von Mersen (870) nach dem Tode der Söhne Lothars nahezu durchgeführt, indem der deutschsprechende Teil ihrer Lande, das Elsaß, Lothringen und Friesland an das „ostfränkische Reich“, an Deutschland fallen, während die romanisch sprechenden ans „westfränkische" kommen, d. h. an Frankreich.

Damit sind diese beiden Nachbar-Völker und Staaten endgültig zur Entstehung und Scheidung gekommen.

Der karolingischen Herrschaft in Deutschland erblühte kein Glück mehr; Ludwig der Deutsche (843-876); ein tüchtiger, wenn auch fein überragender Mann hält sein Reich zusammen; sein schwacher Sohn Karl der Dide (876—887) wird ein Spielball der Großen, verliert alles Ansehen und wird in einer Reichsversammlung zu Trebur am Rhein abgesezt; ihm folgt der tapfere Arnulf von Kärnten (887-899), der durch ehrenvolle Siege über die Normannen und Madjaren die Reichsgewalt wieder stärkt. Ehe er dazu kam, dauernde Verhältnisse zu schaffen, stirbt er plöglich und hinterläßt einen sechsjährigen Sohn: Ludwig das Kind (899-911). Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist so hieß es jezt: äußere und innere Feinde machen das unglückliche Reich

zum Tummelplatz ihrer Kämpfe; die Reichsgewalt zerfällt und es werfen fich die größten Grafen in Sachsen, Franken, Bayern, Schwaben und Lothringen zu selbständigen Herzögen auf.

Zerstört war Karls des Großen Werk auf deutschem Boden, als der Lönigliche Knabe starb und mit ihm das stolze Geschlecht der Karolinger ruhmlos zu Grabe ging; zerrissen in Zwietracht innen, verheert durch äußere Feinde, so hinterließ er das Reich.

Königswahl.

Wer sollte sein Nachfolger werden?

Wir wissen, daß früher die Versammlung der Freien die Führer gewählt, daß es also erbliche Würden nicht gegeben hatte; während der Kämpfe der Völkerwanderung war bei manchen Stämmen die Erbfolge in Königs- und Herzogswürde durch die Gewohnheit anerkannt worden; die Merowinger hatten durch die unangefochtene Stellung Chlodwigs sofort das Erbrecht ihrem Hause gesichert; ebenso war es bei den Karolingern. Nun war der letzte Karolinger verschieden wenn ein einheitliches Reich aufrecht erhalten werden sollte, mußte ein König an der Spize stehen; wie aber ihn schaffen?

Was lag diesem Volke, in dem die alten Überlieferungen noch fortlebten, näher, als auf die Wahl zurückzugreifen.

So geschah es: in Forchheim trat eine Reichsversammlung zusammen, bei der alle Herzogtümer außer Lothringen vertreten waren; die Absicht ging dahin, den mächtigsten Herzog, Otto den Erlauchten von Sachsen, zum König zu bestimmen; der lehnte aber eine Wahl ab und es wurde der Frankenherzog Konrad gekürt (911—918).

[ocr errors]

Eine schwere, schier unlösbare Aufgabe harrte seiner: er konnte nur dann eine wirkliche Königsgewalt ausüben, wenn er die während der Kindesherrschaft des letzten Karolingers übermächtig gewordenen Herzogtümer bändigte er, der doch selbst als Herzog groß geworden war. Er hat sich redlich bemüht, diese Aufgabe zu lösen aber er scheiterte nach ununterbrochenen Kämpfen; das größte Verdienst, das der tapfere Mann um Deutschland errungen, besteht darin, daß er erkannte, daß nur der mächtigste Herzog vielleicht Ordnung stiften könne und daß er, weil sein Haus nicht das mächtigste war, sondern das der Sachsen, vor seinem Lode dahin wirkte, daß Ottos des Erlauchten Sohn Heinrich zum König gewählt werde, obwohl er sein Feind war.

Ein edles Beispiel vaterländischer Pflichterfüllung: der sterbende König srdnet die Größe seines Hauses dem Gedeihen des deutschen Volkes unter! Das Opfer, das er gebracht, wurde reich belohnt.

Die Ottonen.

Heinrich der Erste, der Finkler (919-936), der zu Frizlar wirklich gewählt wurde, hat erreicht, was Konrad nicht vermochte.

Er war ein nüchtern denkender, kaltblütig die Lage beurteilender Mann, der Schritt für Schritt vorging — allem Schwärmertum unerreichbar; sicher und ruhig stellte er seine Rechnung nach den tatsächlichen Verhältnissen ein. Die Kaiserkrone sich aus Italien zu holen verschmähte er, der fest auf dem Boden seines Stammes und Volles stand; er war zum deutschen König gewählt; der wollte er auch wirklich werden; und er begnügte sich, es zu sein, als er in zäher Arbeit sich durchgesezt hatte.

Zuerst wurden die Herzöge von Schwaben und Bayern zur Unterwerfung gezwungen, dann auch der von Lothringen; damit war Heinrich Herr in Deutschland. Nachdem er zunächst die Madjaren durch einen Waffenstillstand von zehn Jahren vom Reiche ferngehalten und während dieser Zeit alles zu ihrer Abwehr vorbereitet hatte (Gründung befestigter Städte und Burgen, Ausbildung der Reiterei), besiegte er fie glänzend in der Schlacht an der Unstrut (933).

er

Aber er beschränkte sich nicht auf die Verteidigung des Reichs ging auch angriffsweise gegen die Slawen vor, um Boden im Osten zu gewinnen: so eroberte er Brennabor, die Hauptstadt der Heveller (das heutige Brandenburg), besiegte die Wenden, Tschechen und Daleminzier. Zur Bändigung der leztgenannten gründete er die Feste Meißen an der Elbe; er eroberte Prag und zwang den Herzog der Tschechen zur Huldigung. In den lezten Jahren seiner Regierung errichtete er nach Besiegung der Dänen die Mark Schleswig nördlich der Eider.

tann

Großes hat dieser treffliche, echt deutsche König geleistet; sein Andenken -er lebt im Gedächtnis des Volkes als „Städtegründer" fort nicht hoch genug in Ehren gehalten werden: er hat in siebzehn schweren Jahren das deutsche Reich wieder hergestellt.

Ihm folgt sein Sohn Otto der Große (936-973), der die Bahnen des großen Karl betritt.

Sein Vater hatte das Königtum in Deutschland so befestigt, daß die Kraft des in Denken und Handeln großartig angelegten Sohnes über die Grenzen weiter ausgreifen konnte.

Zweimal zieht er nach Frankreich, dreimal nach Italien; Paris sieht ihn vor seinen Mauern, die italienische Königskrone sezt er auf sein Haupt, die Stadt Nom nimmt er ein and erobert in Süditalien die Herzogtümer Capua und Benevent.

In Anerkennung seiner weltbeherrschenden Stellung erneuert er die Kaiserwürde, indem er sich am 2. Februar 962 in Rom zum „römischen Kaiser deutscher Nation" krönen läßt. Liegt in dem Titel ein Widerspruch der von Deutschen gewählte König des deutschen Volkes sollte Fortseter des fremden, römischen Kaisertums sein — so ist doch kein Zweifel, daß er seinen Zauber troß der karolingischen Erfahrungen wiederum ausübte und auch den Geist Ottos gefangen nahm, der nach seinen Taten den Namen des Großen" doch verdient.

Wir wissen von Karl dem Großen her, welche Gefahren das römische Kaisertum für unser Volt mit sich brachte, und können nur aussprechen, daß diese Gefahren von neuem auflebten, als Otto den undeutschen Kaisertitel wieder aus dem Grabe der Vergangenheit hervorholte.

So sehr die Geschichte den heutigen Beurteiler zwingt, diesen Schritt des Herrschers als verhängnisvoll und unglückschwanger zu bedauern — mit freudigem Stolz müssen wir sein sonstiges Lebenswert preisen.

Er besiegt nicht nur die Madjaren in der vernichtenden Schlacht auf dem Lechfelde bei Augsburg (955) und wirft mit eiserner Hand verschiedene Aufstände von unbotmäßigen Herzögen nieder: vor allem hat er in großartiger Weise Kolonialpolitik nach Osten getrieben und alten deutschen Volksboden zurückerobert. Bis zur Oder werden die slawischen Wenden unterworfen und der Polenherzog zur Huldigung gezwungen, ebenso wie vorher die bayrische Ostmark (das heutige Österreich) wiederhergestellt wurde.

Dies ist ein dauerndes Verdienst seiner Regierung, wobei auch des großen Markgrafen Gero gedacht werden muß, der als getreuer Helfer seines Herrn mit rücksichtsloser Härte das gewaltige Gebiet der Nordmark eroberte, verwaltete und eindeutschte.

Es schien unserem Volte, als sei Karl der Große wiedererstanden, wenn es die Taten des Sachsen Otto bewunderte, er fühlte sich als Karls Nachfolger und wandelte ganz sichtlich auf seinen Bahnen, nicht nur mit seinem Hinübergreifen nach Italien, das mit darin begründet war, daß er die verwitwete Königin Adelheid von Burgund in zweiter Ehe zur Gemahlin nahm, sondern auch darin, daß er sich in der inneren Verwaltung des Reiches vorzüglich auf die Erzbischöfe und Bischöfe stüßte; um ihre Stellung den Stammesherzögen gegenüber zu stärken, machte er sie zu Herren ihrer Gebiete, indem er ihnen die Rechte der Grafen übertrug; wir werden später sehen, wie nachteilig die Entwicklung der kaiserlichen Gewalt dadurch beeinflußt wurde.

So wohl befestigt war seine Herrschaft, daß er fast alle Herzogtümer mit Verwandten beseßen konnte und daß sein Sohn Otto zu des Vaters Lebzeiten nicht nur zum Könige gewählt, sondern auch gekrönt wurde.

« ZurückWeiter »