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damals lateinisch; die anderen „diutist", volkstümlich, d. h. ihre Muttersprache.

Wird auch die Bezeichnung „diutisk“, d. i. „deutsch" als gemeinsamer Name der verschiedenen germanischen" Völkerschaften erst knapp vor dem Jahre 800 n. Chr. zur Zeit Karls des Großen gebräuchlich, so haben wir doch das Recht, sie schon jezt auf die zahlreichen Stämme anzuwenden, die nach und nach in die Geschichte eintreten.

Bevor wir in der Erzählung der äußeren Geschehnisse weitergehen, sei turz festgestellt, daß die Wissenschaft unterscheidet:

1. Nordgermanen, die sich frühzeitig im nördlichen Europa ausgebreitet hatten und dort seßhaft geworden waren, und zwar im heutigen Norwegen, Schweden, Dänemark, Ostpreußen, Ostseeprovinzen. Hierher gehören vor allem die heutigen skandinavischen Völker (Norweger, Schweden und Dänen). Die Nordgermanen haben nach Sprachen und politischen Geschicken eine getrennte Entwicklung genommen und scheiden deshalb aus unserer Betrachtung aus; sie sind Germanen, aber nicht "Deutsche".

2. Oftgermanen: sie saßen zu der Zeit, wo sie in die Geschichte eintreten, im äußersten Osten Europas, in der Hauptsache wohl auf heute russischem Boden; zu ihnen gehören die Ost- und Westgoten, Vandalen und wohl auch Burgunder.

Diese Stämme gingen in den Kämpfen der Völkerwanderungszeit zugrunde.

3. Westgermanen, westlich an die oben genannten anstoßend und langsam westlich vordringend. Zu ihnen gehören vor allem Franken, Alemannen, Sueben, Sachsen, Thüringer und Friesen; sie sind in Mitteleuropa seßhaft geworden und gaben die Grundlage zum heutigen deutschen Volke ab, ihre Geschicke bilden die deutsche Geschichte; die gleichfalls westgermanischen, den Sachsen zuzurechnenden Angeln zogen 449 über See nach England (Angel-Land) und gründeten dort ein Reich; ihre politische und sprachliche Entwicklung geht eigene Wege.

Nur weniges sei noch über das allen Germanen Gemeinsame gefagt:

Als höchstes Gut galt ihnen die Freiheit; eine Unterordnung unter Vorgesetzte (Könige, Herzöge) kannten sie kaum im Kriege. Ihr sehr gering entwickeltes öffentliches Leben beruhte auf der Familie (der Sippe), deren Oberhaupt der Vater war. Schon sehr früh muß die Einzelehe durchgedrungen sein, wie denn schon in frühester Zeit die Stellung der Frauen unter ihnen eine ganz andere ist, als bei den Völkern des Altertums: die Frauen wurden geachtet und geehrt, ja sie galten als heilig,

ihr Rat wurde in wichtigen Dingen eingeholt, sie bildeten den Mittelpunkt des Familienlebens.

Eine strenge, rauhe Sittlichkeit herrschte unter ihnen; noch Tacitus rühmt ihnen, als sie längst mit der römischen Kultur in Berührung gekommen waren, Keuschheit und Reinheit der Sitten nach.

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Der Mann lag der Jagd oder dem Kriege ob die Frau herrschte im Hause; den geringen Ackerbau besorgten triegsgefangene Sklaven. Das öffentliche Leben beschränkte sich auf die Ausübung der Rechtspflege und des Krieges; die Versammlung der Freien sprach Recht und entschied über Krieg und Frieden. Ein Erwählter aus besonders altem angesehenem Geschlechte (Kunni) leitete Gerichtstag (Ding) und Krieg immer an die Zustimmung der Freien gebunden.

Mehrere Sippen bildeten den Gau, mehrere Gaue eine Völkerschaft. Davon, daß mehrere Völkerschaften ein Volk gebildet hätten, kann nicht gesprochen werden; das Gefühl der Stammes- und Blutgemeinschaft war nicht vorhanden es kam diesen reichbegabten, heldenkühnen Männern nicht in den Sinn, daß etwa der Franke und der Sachse, der Alemanne und der Thüring, Söhne eines großen gemeinsamen Volkes seien — ein Mangel in der Anlage der Germanen, der von den schwersten Folgen in ihrer Geschichte begleitet war Folgen, die zum Teil heute noch nachwirken.

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Wenn wir heute von Partikularismus" sprechen, müssen wir an jene Anlage der Germanen denken.

Der reiche und schöne Götterglaube aller Stämme entwuchs der Natur ihrer Heimat und war aufs innigste mit ihr verknüpft; wie der Germane das Zusammenleben der Massen in Städten verabscheute und für sich auf seinem Hofe hauste, so spielte sich auch die Verehrung seiner Götter in der freien Natur ab: es gab weder Götterbilder noch Tempel, in heiligen Hainen oder auf Bergeshöhen wurde ihnen geopfert. Von den Göttern feien nur genannt: Wodan (Odin), der Gott des Himmels und des Sturms; Donar (Thor) der Gott des Donners, des Ackerbaus und der Kultur; Ziu (Tiu, Thyr, Sax) der Gott des Krieges. Das Christentum vermochte nicht, die Erinnerung an sie aus dem Sinne des Volkes völlig zu bannen; sie lebt noch heute in zahlreichen Sagen und in abergläubischen Bräuchen unter dem Landvolk (z. B. der wilde Jäger = Wodan); vor allem aber haben wir ein stets auf sie hinweisendes Andenken in den Namen einiger unserer Wochentage: so ist Dienstag nach Tiu (Ziu), Donnerstag nach Donar, Freitag nach Freya (der Göttin der Liebe) genannt; die englische Bezeichnung des Mittwochs „Wednesday" ist nichts anderes wie Wodanstag.

Man glaubte an ein Fortleben nach dem Tode: es bezeichnet nichts

den kriegerischen Sinn des Germanen besser, als daß er sich die im Kampfe Gefallenen fortlebend dachte in Himmelshöhen, in Walhall, wo sie um Walvater versammelt sein durften, während alle anderen, die den „Strohtod“ gestorben waren, in der Unterwelt hausen mußten, bei Hel (daher Hölle).

So waren die Menschen beschaffen, die wir jezt durch die Weltgeschichte schreiten sehen wollen: gesund an Leib und Seele, freigesinnt und auf sich selbst gestellt, den Wert des Lebens verachtend wie Gut und Geld, von schöner Gläubigkeit erfüllt und echter Menschlichkeit aber eigenwillig und troßig auf dem Rechte der Person und des engeren Verbandes bestehend.

Was sie veranlaßt hat, aus der Ruhe ihrer Urwälder herauszutreten, die östliche Heimat zu verlassen und die Fährlichkeiten der Wanderungen auf sich zu nehmen, das war wohl in allen Fällen die Landnot, der Hunger nach Neuland — einerlei, ob diese Wanderungen durch die Geschichte überliefert sind oder nicht.

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Wir müssen uns die Entwicklung so vorstellen: ganz frühe war wohl von Seßhaftigkeit nicht die Rede, so lange die Volkszahl noch sehr klein sie wird auch wegen der Gefahren und Kämpfe des Wanderlebens nur langsam gewachsen sein aber sie wuchs; dieses Anwachsen, das auch bei den Nachbarstämmen stattgefunden haben wird, zwang nach und nach zur Seßhaftigkeit. Die Seßhaftigkeit vergrößerte, troß der fortwährenden Kämpfe, gewiß unverhältnismäßig schnell die Volkszahl - wir würden heute sagen den Geburten-Überschuß".

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Da der Germane selbst weder in Ackerbau noch sonst in einer Tätigkeit außer Krieg oder Jagd zu leben würdig fand, alle erwerbende Tätigkeit den kriegsgefangenen Unfreien überließ, so läßt sich denken, daß eine Urbarmachung der Urwälder und Sümpfe nicht in dem Maße möglich war, wie dies zur Ernährung der wachsenden Vollszahl nötig wurde. Als zuerst das Bedürfnis zum Aufsuchen neuen Landes eintrat, mag wohl nur ein Teil der Stammesgenossen nach dem Los mit Weib und Kind gewandert sein später, als die Volkszahl aller benachbarten Stämme angeschwollen war und Stammeskämpfe um „die Futterkrippen" folgten, das Recht des Stärkeren also siegte, werden dann ganze Stämme sich auf den Weg gemacht haben.

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Warum führte nun dieser Weg nicht nach Osten?

Das ist die erste Schicksalsfrage, die den deutschen Stämmen und

wir dürfen stolz sein, daß es so ist — der Welt gestellt wurde? Nach Often, also nach Asien hinein ?

Dort saßen wohl als nächste Nachbarn der Germanen slawische Stämme (die Vorfahren der heutigen Russen, Polen und Tschechen), hinter benen dann asiatische, mongolische Stämme folgten

soweit das Land

überhaupt wirtlich war. Es ist anzunehmen, daß dort dasselbe Anwachsen der Bevölkerung stattfand, daß auch sie gezwungen waren, ihren Landbesit auszudehnen, daß fie vielleicht sogar auf die ihnen zunächst wohnenden Germanen drückten.

Man wird der geschichtlichen Wahrheit am nächsten kommen, wenn man annimmt: die seit etwa dem 2. Jahrhundert v. Chr. anhebenden Büge der Germanen, die in der Völkerwanderung ihren Höhepunkt erreichten, sind veranlaßt durch das Bedürfnis nach neuem Land, zusammen mit dem Zwange, den Nachbarn germanischer und nichtgermanischer Abstammung ausübten, bei denen das gleiche Landbedürfnis vorhanden war. Der Weg nach Westen war frei, weil dort das Land entweder nicht, oder schwächer oder von schwächeren Menschen bewohnt war.

So kommt es zum Heil der Welt - daß die Germanen nach Westen wandern; so tam es weiter, nachdem sie einmal die Weichsel überschritten und den Osten und Norden des heutigen Deutschen Reiches besiedelt hatten, daß sie weiter nach Westen und Süden geführt wurden.

So war es mit den Kimbern und Teutonen gewesen, so geschah es mit den Sueben, deren Anführer Ariovist bereits um 60 v. Chr. mit seinen Scharen den Rhein überschritten hatte und sich etwa im heutigen Elsaß ansässig machen wollte. Er stieß mit dem römischen Feldherrn Gajus Julius Täsar zusammen, einem der größten Männer der Weltgeschichte, wurde in einer großen Schlacht in der Gegend von Mülhausen geschlagen und über den Rhein zurückgeworfen.

Derselbe Cäsar hatte auch Kämpfe mit anderen fleineren Germanenstämmen zu bestehen, so den Usipetern und Tenkterern, die gleichfalls schon den Rhein überschritten hatten und etwa in der Gegend von Trier saßen.

Seit dieser Zeit bildeten die Germanen eine offene Gefahr für das römische Reich, das den Rhein als Grenze gewonnen hatte und in einer Reihe starter Befestigungen vom Ober- bis zum Niederrhein (Basel, Straß burg, Mainz, Koblenz, Köln, Xanten) sich zu sichern suchte.

Aber immer heftiger wurde der Ansturm; deshalb glaubte man in Rom, nur dann dauernd Erfolg zu haben, wenn der Rhein nicht mehr die Grenze sei, sondern vor ihm ein unterworfenes Gebiet liege.

Das war der Grund, weshalb Kaiser Augustus seine Stiefföhne Tiberius und Drusus in den Jahren von 15-7 v. Chr. in mehreren Feldzügen über den Rhein schickte; es gelang ihnen, einen Teil der rechts rheinischen Germanen zu unterwerfen ja sie drangen bis zur Elbe vor und erreichten für kurze Zeit, daß das Land zwischen Rhein und Elbe römischen Statthaltern gehorchte.

Sollte es den Germanen gehen wie den Galliern (den Bewohnern/ bes heutigen Frankreichs)? Sollten sie dauernd von den Römern unterworfen und ihrem Volkstum entfremdet werden?

Uneinigkeit der verschiedenen Stämme, Eifersucht zwischen ihren/ Führern hatten im Bunde mit besserer Kriegskunst und Bewaffnung die Römer bis an die Elbe geführt; wer rettete die Germanen vor dem Schicksal der Gallier?

Armin der Befreier.

Das tat Armin, der Sohn des cheruskischen Gaufürsten Segimer. Den Namen des Helden haben uns die Römer in ihrer Sprache und Schreibart überliefert, und aus Arminius ist mit der Zeit beim deutschen Volke fälschlich Hermann geworden.

Er war in frühester Jugend in römische Dienste getreten und hatte Rom und die Römer gründlich kennen gelernt, als er im Jahre 7 n. Chr. seinem Vater im Fürstentum nachfolgte.

In ihm erstand dem deutschen Volke der erste Staatsmann seiner Geschichte ein Leiter seiner Geschicke, der erkannte, daß nicht lebenaufopfernde stürmische Tapferkeit einzelner Männer oder Stämme oder Stammesteile genüge, um die kaltblütigen, auf die Uneinigkeit der Deutschen rechnenden Römer zu vertreiben, deren Herrschaft er als Schmach empfand, gegen die seine Freiheitsliebe sich auflehnte. Er erkannte, daß nur der vereinten Kraft der deutschen Stämme die Befreiung vom Joche Roms gelingen könne und daß der Kampf politisch wohl vorbereitet sein müsse, ehe man das Schwert ziehen dürfe. Dieser politischen Arbeit unterzog fich der kaum 20 jährige Fürst und er vollführte sie mit glänzendem Erfolge; dabei war er gezwungen, die Römer mit ihren eigenen Waffen der List und Verstellung zu bekämpfen.

Es gelang Armin, den römischen Statthalter Publius Quinktilius Barus völlig zu täuschen, indem er sich als Freund der Römer aufspielte es gelang ihm auch das Schwerere, die benachbarten Stämme und ihre Oberhäupter unter seiner Führung zu einigen und eine mit allen Mitteln der Verschlagenheit wirkende romfeindliche Verschwörung zustande zu bringen -es gelang ihm endlich, Varus mit vier Legionen (etwa 20000 Mann) zu einem Vorstoß nach Osten zu verleiten, wo er ihn im September des Jahres 9 n. Chr. im Teutoburger Walde (wahrscheinlich in der Nähe von Detmold) mit Übermacht überfiel und vernichtete.

Die Wirkung war ungeheuer: Deutschland von Rom frei bis zum Rhein.

Das ist die weltgeschichtliche Bedeutung der Tat Armins. Sie

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