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Die alten

aber der Drang nach Sammlung, nach Vereinheitlichung. Stammesrechte vermochte niemand mehr zu übersehen, es zeigte sich das Bedürfnis nach gemeinsamem Rechte. Wer aber hätte das schaffen sollen?

Gegen Ende der Hohenstaufenzeit kümmerten sich die Kaiser nicht um Deutschland, nach ihrem Sturze aber war teine Reichsgewalt vorhanden. Da behalf fich das allgemeine Bedürfnis in einfacher Weise: ein angesehener Schöffe Eite von Repgow hatte um etwa 1230 eine Sammlung sächsischer Rechtsgebräuche und Rechtsfäße verfertigt, eine Privatarbeit, und zwar eine ausgezeichnete. Sie fand schnell Eingang bei den Gerichten, bewährte sich und gewann als „Sachsenspiegel" die Bedeutung eines einheitlichen Gesetzes, nach dem ganz Norddeutschland bald lebte.

Dem guten Beispiele folgte etwa 50 Jahre später Süddeutschland, wo ein Schwabenspiegel entstand, der auch weithin als Gesetzbuch anerkannt wurde; er war im wesentlichen, was für die Einheit der deutschen Rechtsanschauung bedeutungsvoll ist, eine Bearbeitung des älteren sächsischen Rechtsbuches.

Wir stehen am Ende dieses Zeitabschnittes und fassen rückschauend das Ergebnis dahin zusammen: die Reichsgewalt zertrümmert, das Kaisertum ausgeschaltet, selbständige Landesherrschaften, Bistümer und freie Städte entstanden; Fehde und innerer Krieg überall.

Und troßdem ein großartiges Ausdehnen der Grenzen nach Osten! Eine innere Fortentwicklung unseres Volkes, die es schnell auf die Höhen geistiger Betätigung führte, eine äußere, die sich im wachsenden Reichtum zeigte.

Alles in allem: das Reich war frank, totkrank - das deutsche Voll aber gesund und stroßend an körperlicher und geistiger Kraft!

Die ersten Habsburger.

Der Anstoß, der königlosen Zeit ein Ende zu bereiten, und durch die Wahl eines Königs wieder eine Reichsgewalt zu schaffen, kam von außen von einer Stelle, die früher alles getan hatte, das Kaisertum zu schwächen, vom Papste.

Um die Hohenstaufen aus ihrem sizilianischen Besize zu werfen, hatte der Papst den Grafen Karl von Anjou nach Italien gerufen und ihn zum König von Neapel gemacht; nun wurde dieses Königreich dem nahen Papsttum viel gefährlicher und unbequemer, als es je die mächtigsten deutschen Kaiser gewesen waren.

Papst Gregor X. regte, um sich einen Schuß, ein Gegengewicht gegen Neapel zu verschaffen, nach Richard von Kornwallis' Tode (1273) die Wahl eines Königs an; die deutschen Fürsten gingen darauf ein und

furten auf dem Fürstentage zu Frankfurt auf den Vorschlag des Burg. grafen Friedrich III. von Nürnberg, eines Hohenzollern, den Grafen Rudolf von Habsburg (1273–1291), einen in der nördlichen Schweiz und im südlichen Elsaß reichbegüterten Herrn.

Reine große, überragende Persönlichkeit ein besonnener, zäher, tüchtiger Mann, Schritt für Schritt vorgehend, geschaffen für die Tätigkeit, die der trostlose Zustand des Reiches jest verlangte.

Die nächste Aufgabe war, Ruhe und Ordnung zu stiften, die Sicherheit wieder herzustellen, das Raubrittertum niederzuwerfen; auch mußte, was von Reichsgut noch zu retten war, gerettet werden.

Gerade das verlangte auch Rudolfs eigenes Wohl; denn, war er auch ein reicher Graf, so war er doch ein armer König und darauf angewiesen, sich eine Hausmacht zu gründen, wenn er den mächtig gewordenen Fürsten den Oberherrn zeigen wollte.

Auf dem Reichstage zu Nürnberg wurde der Beschluß gefaßt, alles seit 1245 verschleuderte Reichsgut wieder einzufordern. Dazu gehörte in erster Reihe das Herzogtum Österreich, das König Ottokar von Böhmen sich nach dem Aussterben des Geschlechtes der Babenberger (1246) angeeignet hatte; desgleichen die Steiermark, die der Böhmenfönig den Ungarn entrissen und sich erobert, und das Herzogtum Kärnten, das er nach dem Tode des leßten Herzogs aus dem Hause Sponheim des Reiches ungefragt besetzt hatte.

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Diese Reichsländer wurden nicht freiwillig herausgegeben, so daß es zum Kriege tommt: Rudolf besiegt den Böhmenkönig 1278 in der wichtigen Schlacht auf dem Marchfelde, gewinnt Österreich und erobert Steiermart und Kärnten zurück; die Grafschaft Krain war etwa zur selben Zeit durch Erbschaft an ihn gefallen.

So war mit einem Schlage eine stattliche Hausmacht der Habsburger begründet, indem Rudolf die gewonnenen Länder an seine Söhne und nahe Verwandte zu Lehen gab.

Mit Eiser und Erfolg ging Rudolf gegen die Raubritter vor und sicherte die innere Ruhe durch sog. „Landfrieden."

Auch nach Außen zeigte er sich als Wiederhersteller, indem er die Freigrafschaft Burgund zurückgewann.

Er hatte treue, gute Arbeit getan, als er 1291 starb und im Dome zu Speier seine lette Ruhe sand.

Schon fürchteten die Fürsten wieder das erstarkte Königtum: deshalb wählten sie nicht Rudolfs ältesten Sohn Albrecht von Österreich, sondern den Grafen Adolf von Nassau, einen kleinen im Taunus und an der Lahn begüterten Fürsten. Er war ein tapferer, persönlich tüchtiger Mann aber ohne eigene Macht den großen Fürsten gegen.

über ohne Einfluß; zudem hatte er seine Wahl durch Zugeständnisse an seine Wähler erkaufen müssen, die wiederum die Reichsgewalt schwer schädigten.

Als Adolf wider Erwarten den Fürsten gegenüber sich selbständig zeigt und sein Königsrecht geltend macht, seßen sie ihn durch widerrechtlichen Beschluß ab und wählen Albrecht; Adolf nimmt den Kampf um die Krone auf und fällt an der Spiße seines kleinen Heeres im Gefecht bei Göllheim am Fuße des Donnersbergs (2. Juli 1298).

Albrecht L. war nun Alleinherrscher und wurde allgemein anerkannt (1298-1308).

Er war, wie sein Vater, erfüllt von der Überzeugung, daß ein König ohne starke Hausmacht verloren sei, und arbeitete mit Entschlossenheit dahin, diejenige seines Hauses weiter zu stärken: nicht mit Erfolg, da er Holland, das erledigt war, überhaupt nicht, Böhmen nur vorübergehend für einen seiner Söhne gewinnen konnte und auch den Schweizer Waldstätten gegenüber kein Glück hatte.

Den deutschen Fürsten zeigte er sich als Meister und scheute nicht davor zurüc, gerade die großen rheinischen Erzbischöfe, die sich widerspenstig zeigten, im Bunde mit den rheinischen Städten zur Botmäßigkeit zu zwingen.

Mit großen Plänen trug sich der zielbewußte und tatkräftige Herrscher, als er von seinem Neffen Johann ermordet wurde.

Heinrich VII. und Ludwig der Bayer.

Die Fürsten hatten Habsburgs starke Hand und größeren Ehrgeiz an Albrecht kennen gelernt und lehnten es ab, einen Fürsten dieses Hauses zum König zu wählen; Erzbischof Balduin von Trier lenkte die Wahl auf seinen Bruder, den Grafen von Luxemburg, der als Heinrich VII. (1308 bis 1313) den Thron bestieg.

In Frankreich erzogen, aber obwohl er französisch sprach nach Erscheinung, Denken und Fühlen ganz ein Deutscher, wurde Heinrich der lezte Träger des Kaisergedankens im hohenstaufischen Sinne.

Ein hochstrebender Fürst; von der Größe seiner Aufgabe durchdrungen, wollte er die alte Kaiserherrlichkeit wiederherstellen.

Nachdem er zur Befestigung seiner Hausmacht seinen Sohn Johann mit Böhmen belehnt, zieht er wirklich nach Italien. Dort herrschte völlige Zuchtlosigkeit; seit dem Verschwinden der Kaisergewalt hatte sich eine Fülle von Stadtstaaten und Kleinstaaten gebildet; gewalttätige Tyrannen hatten fich da und dort aufgeworfen, eine ununterbrochene Reihe von Fehden machten das Land verbluten; zwei Parteien, nach den Waiblingern (Hohen

Einhart, Deutsche Geschichte. 4. Aufl.

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ftaufen) und Welfen, in italienischer Sprache Ghibellinen und Guelfen genannt, rangen fast in jedem dieser kleinen Staatengebilde in grausamster Fehde um die Herrschaft.

Das Papsttum war

zum Werkzeug der herrschgierigen Politik des Königs Philipp des Schönen von Frankreich erniedrigt — von Rom nach Avignon in Südfrankreich übergesiedelt.

Unter solchen Verhältnissen erschien Heinrich in Italien, begrüßt von einem Aufatmen des unglücklichen Volkes, von begeisterter Zustimmung ber laiserlich Gesinnten.

Es gelingt ihm wirklich, in Dberitalien Ordnung zu stiften; die wichtigen Städte Genua und Pisa huldigen ihm; er wird in Rom zum Kaiser gekrönt und zieht nach Süden, um Neapel zu unterwerfen.

Nach kurzer Krankheit starb er am 24. August 1313; im Dome von Pisa wurde der hochgesinnte Fürst, den der größte Dichter Italiens, Dante Alighieri als den Retter und die Hoffnung seines Vaterlandes begrüßt hatte, begraben.

Sein Tod hatte eine Spaltung der deutschen Fürsten zur Folge, da sein Sohn Johann noch unmündig war; es tam zur Doppelwahl, indem ein Teil für Ludwig (1314—47), Herzog von Bayern, ein anderer für Friedrich den Schönen, Herzog von Österreich stimmte.

Ein Bürgerkrieg war die Folge; Ludwig fiegte über seinen Gegner in der Schlacht bei Mühldorf (1322) und führte ihn gefangen nach Burg Trausnit; Friedrich wird von Ludwig, seinem Vetter, der Haft entlassen und als Mitkönig anerkannt; er stirbt 1330 und läßt Ludwig im unbestrittenen Besiße der Macht.

Die Doppelwahl hatte dem Papst Johann XXII, der in Avignon Hof hielt, Veranlassung gegeben zu verlangen, daß der Thronstreit seiner Entscheidung unterbreitet werde; als Ludwig fich dessen weigerte, wurde er mit dem Banne belegt.

Hervorragende Gelehrte stellten sich auf seine Seite, so vor allem Marsilius von Padua, und wiesen nach, daß die Ansprüche def Papstes nicht begründet seien; Ludwig selbst zog nach Italien, ließ Johann XXII. abseßen und einen anderen Papst wählen, und wurde in Rom zum Kaiser gekrönt.

Nun war es ein Unheil, daß Ludwig kein in sich gefestigter Charakter war, der über die Anmaßungen des Papstes sich hinausgesezt hätte, sondern daß er hin und her schwankte zwischen kirchlich unterwürfiger Gesinnung und seinem selbständigen Königsrechte, zwischen Gewissensbissen und Empörung über die päpstlichen Sumutungen. Er konnte sich zu feinem durchgreifenden Entschlusse aufraffen, ja er ließ seine tapferen wissenschaftlichen Berteidiger fallen und knüpfte Verhandlungen mit Avignon

an; dadurch noch fühner gemacht, verlangte der Papst die Abdankung des Königs.

Dies veranlaßte Ludwig, eine Fürstenversammlung einzuberufen: am 16. Juli 1838 famen am Königsstuhle zu Rhense am Rhein (in der Nähe von Koblenz) die Kurfürften zusammen und sprachen den im Sinne unserer Zeit selbstverständlichen, damals aber unendlich wichtigen Saß aus: daß, wer durch die Kurfürsten zum König gewählt sei, dadurch traft Gefeßes König sei, und zwar ohne die Bestätigung des Bapstes; turze Zeit später wurde dieser Beschluß auf einem Reichstag noch dahin ergänzt, daß der erwählte König kraft Gesetzes und von selbst auch Kaiser sei, dessen Recht und Würde von Gott stamme, und nicht vom Papste, wie dies auch Dante schon verkündet hatte.

Es war ein großer Augenblick: die deutschen Fürsten als Verteidiger der Königsrechte um den König geschart und dem Papfttum mit aller Schärfe entgegentretend; hervorragende Gelehrte mit dem Rüstzeug der Wissenschaft die Anmaßungen des Papstes bekämpfend: endlich in der Kirche selbst eine starke Bewegung, die von England ausging, und bestritt, daß das Papsttum göttlichen Ursprunges sei und daß die Kirche weltliche Gewalt haben und ausüben dürfe. Bezeichnend, daß der volkstümlichste Mönchsorden jener Zeit, die Franziskaner, dem verweltlichten Papsttum auf das schärfste entgegentraten.

es

Die ganze Entwicklung war für das Königtum unendlich günstig fehlte nur ein charaktervoller, entschlossener König, der es verstand, den allgemeinen Unwillen gegen das Papsttum dadurch zu greifbarem Erfolg zu führen, daß eine selbständige deutsche Kirche, unabhängig von Rom, gegründet wurde. Ludwig war nicht der Mann zu so segensreicher Tat; sein Gewissen war gequält von dem Banneer fürchtete dessen Folgen im Jenseits und so schwankte er haltlos hin und her: die große Gelegenheit wurde versäumt, die katholische Kirche Deutschlands blieb unter der Botmäßigkeit des Papstes.

Durch seine Bestrebungen zur Vergrößerung der wittelsbachischen Hausmacht (Brandenburg, Holland und Tirol hatte er gewonnen) rief er, der die Achtung der Fürsten längst verloren hatte, ihren offenen Abfall hervor; sie wählten den Enkel Heinrichs VII., König Karl von Böhmen, zum deutschen König (1346). Weder die Fürsten, noch der Gewählte durften auf diese Wahl stolz sein, die mit einer unerhörten Demütigung dem Papste gegenüber und mit schamloser Preisgabe von Königsrechten an die Fürsten erkauft war. Wieder stand ein Bürgerkrieg bevor; er kam nicht zum Ausbruch, da Ludwig schon 1347 an einem Schlagflusse starb.

Wir wissen, er war kein starker, kein großer Mann und er ist seiner

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