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Josefs vom staatlichen, wie vom Standpunkt des Hauses Habsburg aus berechtigt waren: denn ein dauerndes Ganzes konnte nur ein Staat mit einer Sprache, einer Verwaltung sein.

Aber er unternahm zu viel auf einmal, er ging zu hastig und gewalttätig vor und vor allem, er machte sich zu gleicher Zeit zwei Feinde: die nichtdeutschen Völker und die Kirche.

Überall in seinem Reiche wühlte die Geistlichkeit gegen ihn; in Belgien schürte sie solange, bis offener Aufruhr ausbrach, in Ungarn bereitete der stolze madjarische Adel selbst den Abfall vor; seine eigene Familie ließ ihn im Stich.

Seine Deutschen aber verstanden den guten, edlen Kaiser nicht, fast durchweg, besonders die Bauern, unter dem Einfluß der Kirche stehend. So war er allein, seiner Zeit weit vorausgeeilt.

Auch in seiner auswärtigen Politik hatte er kein Glück. Er war ein persönlicher Verehrer Friedrichs des Großen, aber ein Feind der preußischen Großmacht; dagegen warf Friedrich sich ihm gegenüber als Führer der Reichsfürsten auf.

Als im Jahre 1777 mit Max Josef die bayrische Kurlinie ausgeftorben war, tam als Erbe nur Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz in Betracht; Josef verabredete einen großen Länderaustausch mit ihm: Karl Theodor sollte von ihm Belgien erhalten, wogegen Bayern an ihn fallen sollte.

Es ist klar, daß damit die beherrschende Übermacht Habsburgs in Süddeutschland begründet gewesen wäre, abgesehen davon, daß das dann abgerundete Stoatsgebiet eine bedeutende Stärkung erhalten hätte: dagegen lehnten sich alle Reichsfürsten auf, Friedrich der Große stellt sich an ihre Spitze und erklärt den Krieg, gleichzeitig in Böhmen einrückend (1778 bis 1779); ohne daß eine Schlacht stattgefunden hätte, kommt es zum Frieden von Teschen, der Josef nur das Innviertel läßt; dagegen willigt er ein, daß beim Aussterben des markgräflichen Hauses Hohenzollern Ansbach, Culmbach und Bayreuth an Preußen fallen sollten.

Josef hatte also seine Absicht aufgeben müssen.

Auch nach Südosten, gegen die Türkei, hatte er keinen größeren Erfolg: sein Plan ging dahin, Bosnien und Serbien zu gewinnen. Er schloß ein Bündnis mit Katharina II von Rußland, das zum Kriege gegen die Türkei führte (1787-91); zwar gelingt es dem Feldmarschall Laudon, Belgrad zu erobern, aber sonst werden keine Fortschritte gemacht, obwohl der Kaiser selbst beim Heere ist.

Niedergedrückt und schwer erkrankt kehrt er nach Wien zurück und stirbt am 20. Februar 1790, vereinsamt, verlassen, enttäuscht und mit sich selbst zerfallen. Ein edler, aber unglücklicher Fürst, heute von allen deutsch

bewußten Kreisen Österreichs als Vorkämpfer des deutschen Wesens ihres Staates verehrt.

Unter seinen Nachfolgern wurde vieles preisgegeben, was er geschaffen und gewollt hatte: als dauernde Frucht seiner Regierung blieben erhalten die Beseitigung der Leibeigenschaft und die Gleichberech tigung der Evangelischen.

Auf Josef folgte sein Bruder Leopold II. (1790-92), ein fluger besonnener Mann, ohne die Schroffheit des Bruders, bewährt als Ordner des Großherzogtums Toskana; ihm lag es ob, die Unruhen zu dämpfen, die im Innern durch Josefs Vorgehen angefacht waren, und den Türkenfrieg zu Ende zu bringen. Das erstere gelang durch Nachgiebigkeit, das lettere geschah im Jahre 1791 durch einen Sonderfrieden, der Österreich nur Alt-Orsowa ließ.

Vor der Zeit starb auch dieser Sohn Maria Theresias; er hinterließ das Reich seinem Sohne Franz II., dem lezten römischen Kaiser deutscher Nation.

Wir stehen an der Schwelle des 19. Jahrhunderts; bevor wir sie überschreiten, müssen wir im Zusammenhang die drei Teilungen Polens betrachten und dann einen kurzen Überblick über die geistige und kulturelle Entwicklung des deutschen Volkes vom westfälischen Frieden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts geben.

Die drei Teilungen Voleus.

In Polen waren die Dinge bis zur Unhaltbarkeit gediehen. Dieses Königreich war in Wahrheit ein Freistaat mit einem auf Lebenszeit gewählten Oberhaupt, das den Namen König führte, in seinen Befugnissen aber eng begrenzt war; die wirklichen Herren waren die Adligen, die Schlachzizen, die mit schwerer Hand auf die unglücklichen leibeigenen Bauern drückten; einen polnischen Bürgerstand gab es eigentlich nicht; die städtische Bevölkerung, soweit sie in Handel, Handwerk, Gewerben und höheren Berufen sich betätigte, bestand aus Deutschen und Juden.

Neben dem Adel stand die katholische Kirche mit reichen Bistümern und zahllosen Klöstern; sie sorgte dafür, daß alle Keßerei unterdrückt blieb und schaltete über ihre Bauern nicht besser als der Adel.

Eine Leitung dieses Gemeinwesens aus selbstherrlichen, unbotmäßigen, nur den eigenen Vorteil verfolgenden Schlachzizen war unmöglich; die oberste gemeinsame Behörde war der Reichstag, deffen Beschlüsse aber nur gültig waren, wenn sie einstimmig gefaßt wurden. Es genügte also bie Stimme eines einzigen, um den Reichstag zu sprengen.

Es ist klar, daß ein solcher Staat nicht lebensfähig war, sobald seine Nachbarn zu einer gewissen Macht gekommen waren; es ist auch klar, daß er an der Buchtlosigkeit seiner führenden Volksschicht zu Grunde gehen mußte. Polens Schicksalsstunde schlug mit dem Eintritt Rußlands in die europäische Politik und mit der Erhebung Preußens zur Großmacht.

Das Heranwachsen dieser Nachbarstaaten hätte dem polnischen Adel die Augen öffnen, ihn zur Selbstzucht zwingen müssen — aber dies geschah nicht; die inneren Unruhen dauerten an, die Könige aus dem fächsischen Hause Wettin vermochten auch nicht Ordnung zu stiften, und wir wissen, daß nach dem Tode König Augusts II. Rußland und Österreich bereits sich einmischten und dem Lande Friedrich August III. als König aufzwangen, obwohl der Reichstag fast einstimmig Stanislaus Lesczinski gewählt hatte (1733). Nach Friedrich Augusts Tod (1764) kam es von neuem zu äußerer Einmischung: Katharina II. von Rußland und Friedrich der Große seßten es durch, daß Graf Stanislaus Poniatowski, ein Günstling der ersteren, zum König erwählt wurde. Der Adel empörte sich dagegen und verbündete sich mit der Türlei; ein Bürgerkrieg brach aus und Rußland unterstüßte Stanislaus mit einem Heere. Sowohl im Kampfe gegen die Türken, wie gegen den aufständischen polnischen Adel waren die Russen glücklich und schickten sich an, die Früchte ihres Vorgehens einzutun.

Da greifen Preußen und Österreich ein, die es nicht zulassen können, daß eine fie bedrohende einseitige Gebietsvergrößerung Rußlands erfolge: es kommt durch Vertrag im Jahre 1772 zur ersten Teilung Polens.

Um ein Urteil über diese und die folgenden Vorgänge zu haben, muß man wissen, daß damals dies Reich über 13 000 Geviertmeilen umfaßte und über zwölf Millionen Einwohner zählte, also um die Hälfte fast größer als heute das Deutsche Reich, mit der doppelten Einwohnerzahl wie damals Preußen.

Sein Gebiet erstreckte sich öftlich weit hinaus über die Düna und den Dniepr, westlich bis fast an die Oder, südlich bis an die Nordgrenze Ungarns und den Dnjestr (etwa die heutige Nordgrenze Rumäniens).

Alles in allem für jene Zeit ein gewaltiges Gebiet mit großer Einwohnerzahl: an sich also wohl in der Lage bei geordneten Zuständen sich zu erhalten, und nur machtlos durch die Buchtlosigkeit seiner führenden Adelsschicht.

Jene erste Teilung lieferte alles Land östlich der Düna und bes Dniepr an Rußland, Westpreußen ohne Danzig und Thorn an Preußen, Südgalizien an Österreich.

Der Rest blieb unter der Herrschaft Poniatowskis bestehen, doch war russischer Einfluß maßgebend.

Unter den Einflüssen der französischen Revolution und in Ausnußung bes Krieges, in dem Rußland und Österreich seit 1787 mit der Türkei begriffen waren, wurde im Jahre 1791 von dem besseren Teile des Adels der Versuch einer inneren Erneuerung gemacht, indem statt des Wahl- das erbliche Königtum eingeführt und eine brauchbare Verfassung geschaffen wurde, die auch das Los der Bauern erleichterte.

Aber wieder war es, und zwar auf Rußlands Veranlassung, der andere Teil des Adels, der das Werk verhinderte; es fommt wiederum zum Bürgerkrieg und zur Einmischung Rußlands und Preußens, die im Jahre 1793 die zweite Teilung Bolens vollziehen, zu der der Reichstag von Grodno gezwungen die Genehmigung erteilte: Rußland erhielt große Teile Litthauens, Wolhyniens und ganz Podolien, Preußen die Städte Danzig und Thorn, das Land Posen und Kalisch (Südpreußen).

Österreich ging leer aus und fand sich dadurch in scharfem Gegensat zu Preußen, der von folgenschwerster Bedeutung wurde; daß dies geschah, entsprach den Absichten der Kaiserin Katharina, die beide Nachbarmächte entzweien wollte, um ihre eigene Machtentfaltung zu erleichtern.

Diese zweite Teilung brachte alle besseren Teile des Volkes zur verzweifelten Empörung; unter der Führung des edlen Thaddäus Kosciusfo, „des lezten Polen“, brach der Aufstand los, der nach anfänglichen Erfolgen schon im Jahre 1795 niedergeworfen wurde: er führte zur dritten Teilung Polens.

Preußen nimmt Masowien mit Warschau und Neu-Ostpreußen, d. i das Land zwischen Weichsel, Bug und Niemen, sowie einen Teil vom Krakauer Gebiet (Neu-Schlesien); Österreich erhielt den Rest von Kralau ohne diese Stadt selbst und Westgalizien; Rußland verleibt sich alles übrige Land ein.

Polen hat aufgehört zu sein.

Das Gesamtergebnis der drei Teilungen war, daß Preußen an 2700 Geviertmeilen polnischen Landes mit 2, Millionen polnischer Be völkerung erhielt, Österreich an 2000 Geviertmeilen mit rund 4 Millionen und Rußland an 8500 Geviertmeilen mit fast 6 Millionen.

Für Preußen war der Zuwachs unverhältnismäßig groß und er barg die Gefahr in sich, daß der Staat mit einer so starken undeutschen Bevölkerung dem deutschen Leben und der deutschen Entwicklung entfremdet werde: ein Glüd, daß ihm der größere Teil dieser Erwerbungen durch die napoleonischen Kriege wieder abgenommen wurde. Polen war ver nichtet, es hatte nichts anderes verdient.

Welches aber waren die Gründe, die die Nachbarmächte veranlaßten, den Gebietszuwachs durch die Teilungen zu wünschen?

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