Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Kaum war man einigermaßen gewiß, daß die Spanier doch die Unterwerfung nicht mehr erzwingen könnten, da griff dies sturmerprobte Seevolt um sich: nach der 1602 erfolgten Gründung der ostindischen Kompagnie (einer mit gewissen staatlichen Befugnissen ausgestatteten Handelsgesellschaft) begann die Eroberung der großen SundaInseln Java, Ceylon und Sumatra; in Südafrika wurde fester Fuß gefaßt, ja nach Brasilien griff die kühne Hand dieses Kleinstaates hinüber; mit der Erwerbung dieser Kolonieen war eine Quelle unversiegbaren Reichtums aufgetan, der rasch ins Mutterland strömte und dort eine turze Zeit höchster Kulturblüte zeitigte.

Neben den Tatmenschen des Krieges und der überseeischen Eroberung erstanden Gelehrte vom Range eines Hugo de Groot, Künstler von anerkannter Bedeutung auf allen Gebieten.

Die höchste Ausprägung aber fand jene Zeit in der Malerei, die erste Meister wie Ruisdael, Teniers, Franz Hals, Oftade und Steen hervorbrachte, ihren Gipfel aber in dem gewaltigen, einzigen Rembrandt van Ryn fand, einem Maler, der in bezug auf die tieffte Erfassung und Darstellung der Menschen seines Gleichen nicht wieder gefunden hat.

Die Generalstaaten hatten sich eine Verfassung gegeben, die ihren Bedürfnissen entsprach: sie waren eine Republik, gebildet aus Provinzen; jede Provinz hatte ihre Volksvertretung (staaten), der Gesamtstaat desgleichen (staaten generaal = allgemeine Vertretung).

An der Spize dieser Republik stand der erbliche Generalstatthalter, dem Hause Dranien entnommen, das sich unvergängliche Verdienste um die Lande erworben hatte. Ein kampfgeprüftes Heer, eine ausgezeichnet befehligte und bemannte Flotte machten dies kleine Land zu einer Weltmacht ersten Ranges.

Aber nur kurze Zeit: denn dieser selbständig gewordene und selbständig bleiben wollende Staat war ein künstliches, der Natur widersprechendes Gebilde.

So sehr wir begreifen können, daß im Augenblick des Sieges auf der Höhe seines Ruhmes dies Volk, das sein Schicksal selbst gestaltet hatte, in Unmut und Verachtung sich vom Reich lossagte: so ist doch fein Zweifel, daß es damit seiner Entwicklung selbst die Axt an die Wurzel gelegt hatte. Wie sollte dies kleine Gebiet auf die Dauer sich halten können? Woher sollte es die Menschen nehmen, um eine starke Landund Seemacht zu stellen? Wie sollte es in der Lage sein, seine ungeheueren Kolonieen wirklich recht zu erschließen? Vor allem, wenn die Beziehungen mit dem großen deutschen Vaterlande und Volke abgebrochen

waren, woher sollten die geistigen Kräfte zur Auffrischung und Verjüngung hergenommen werden?

Das unerbittliche Schicksal ging seinen Gang: nachdem einmal der westfälische Friede dem Staate das Dasein sicher gestellt hatte, begann auch schon die Rückbildung.

Schnell konnten sich die Beziehungen zu den Kolonieen entwideln; ein ausgedehnter Handel mit den Erzeugnissen der unerschöpflich reichen indischen Inseln hob an und machte dies Heldenvolk der Geusen bald zu einem Krämervolk von Pfeffersäcken. Eine unerfreuliche Umbildung! Dies Volt erlag der Macht des Reichtums. Die im Kampfe so herrlich be. währte reformierte Kirche erstarrte im Frieden, wie im Reich das Luthertum; die Generalstaaten trieben engherzige kleinmütige Krämerpolitif, und alle Anstrengungen der Dranier, alle Heldentaten ihrer Admirale (vor allen van Tromp und de Ruyter) können nicht verhindern, daß das ausgehende fiebzehnte Jahrhundert noch die einst so stolzen Niederlande zu einem Kleinstaate herabgesunken findet.

Die Hansa, der Deutsch-Ordens-Staat, die Niederlande — alle zeigen in ihrer Entwicklung eindringlich: kein noch so schnelles und kühnes Aufsteigen darf darüber täuschen, daß eine dauernde Größe nur im Zusammenhang mit der Volksgesamtheit möglich ist. Wenn dieser Zusammenhang unterbrochen wird einerlei ob mit oder ohne Schuld des kühn vorgedrungenen Teilvolkes oder Voltsteiles, so ist auch der stolzeste Aufschwung nur vorübergehend; das bittere Ende kommt in Gestalt eines jähen Falles.

Die Größe der Niederlande fiel den Angriffen Englands und Frant reichs zum Opfer.

Die Nachbarstaaten.

In dieser selben Zeit, zwischen dem Augsburger Religionsfrieden und dem Ausbruch des dreißigjährigen Krieges (1555–1618), in der das deutsche Reich zur Machtlosigkeit verurteilt war und nirgends eine große Persönlichkeit, nirgends ein Wille zur Besserung sich zeigte, erlebten die anderen europäischen Völker eine innere Kräftigung, die sie bald so start machte, daß fie eine Vergrößerung ihrer Macht erstreben konnten; in der Hauptsache ging dies Streben auf Kosten des deutschen Reiches.

Frankreich war nach jahrhundertelangen inneren Wirren und Kriegen mit England seit dem staatsklugen und grausamen Ludwig XI. (1461-1483) ein fest zusammengefaßter einheitlicher Staat, in dem der König unumschränkt (absolut) herrschte; wir wissen, daß Franz L., allerdings ohne Erfolg, Mailand an sich reißen wollte, daß aber sein Nach.

folger Heinrich II. die lothringischen Bistümer Meß, Toul und Verdun in Besitz genommen hatte. Noch einmal erlebte Frankreich schwere innere Kämpfe, die ihre Veranlassung in der Reformation hatten (sog. Hugenottenfriege); die Reformierten wurden besiegt, erreichten aber doch in gewissem Umfange Duldung ihres Glaubens.

Bei Beginn des 17. Jahrhunderts ist das Königtum wieder im unbestrittenen Besitz der Macht; es findet in dem großen Kardinal Richelieu einen Staatsmann, der es versteht Frankreich zur stärksten Macht Europas zu erheben und in die Geschicke Deutschlands einzugreifen.

England hatte gleichfalls Jahrhunderte schwerster innerer Verwirrung hinter sich (die Kämpfe der weißen und der roten Rose; von 1459-1485); das zur Herrschaft gelangte Haus Tudor vollzog die Trennung vom Papste, indem König Heinrich VIII. die „anglikanische" Staatsfirche einführte. Seine Tochter Elisabeth baut die Macht mit größtem Erfolge aus, besteht den Krieg mit Spanien als Bundesgenoffin der Niederlande als Siegerin und wird die Begründerin des englischen Kolonialreichs, indem sie Neuland in Amerika und im indischen Meere erwirbt. Noch einmal folgen Zeiten innerer Zerrüttung, als das Haus Stuart die Freiheiten des Parlaments (der Volksvertretung) antastet; dies führt zu einer Staatsumwälzung, bei der das Königtum vernichtet und abgeschafft wird; König Karl I. wird enthauptet (1649) und an die Spitze der Republik tritt der siegreiche „Lordprotektor" Cromwell, der größte Staatsmann und Feldherr, den England hervorgebracht, eine schöpferische Persönlichkeit.

Auch die slawischen Völker der Polen und Russen hatten sich nach und nach zu Staaten zusammengeschlossen; wir wissen, daß den Russen Esthland und Livland, den Polen Preußen zur Beute geworden war. Ein Glüd für das willensschwache, kraftlose Deutschland jener Zeit, daß beide Länder durch Kriege unter einander und innere Kämpfe verhindert wurden, ihre Macht gegen das Reich zu wenden.

Im Norden war Schweden unter dem edeln Hause Wasa erstarkt, das endlich nach langewährenden Bürgerkriegen Frieden und Ordnung gebracht hatte; schon griff es in die russischen und polnischen Dinge ein und erwarb nach siegreichen Kämpfen weite Gebiete um das Becken des finnischen Meerbusens. Gustav Adolf, der größte Mann des nordischen Königreichs (1611-1632) hatte den schwedischen Thron bestiegen und seine Kräfte im Krieg gegen Polen geübt.

Er war berufen, eine Aufgabe von weltgeschichtlicher Bedeutung auf deutschem Boden zu erfüllen.

Die Türken waren eine dauernde Gefahr für das Reich nach Südoften geblieben; mochten die Habsburger Ferdinand L., Maximilian II und Rudolf II. auch Könige von Ungarn heißen der größere Teil des Landes war doch unter Abhängigkeit oder im Besize der Türken: das Fürstentum Siebenbürgen bildete einen ihnen untertänigen Vasallenstaat, der zugleich der Hort des protestantisch-madjarischen Widerstandes gegen Habsburg war; der Paschalit Dfen, der Mittelstreifen des Landes stand unmittelbar unter türkischer Herrschaft, und nur der Westen und Norden 37 überwiegend deutsche und slowakische Komitate waren

Habsburgisch.

-

So sah es in der Welt um Deutschland aus: überall regten sich Kräfte, zeigte sich Wille, entfaltete sich Macht - nur im Reiche eine Entwicklung nach rückwärts, zur Schwäche; im Reiche und im habsburgischen Spanien, das sich im Kampfe gegen die Niederlande verblutete und das die starre, grausame Glaubensrichtung seiner Könige bezahlen sollte mit dem schnellen Erlahmen seiner staatlichen Macht, mit der Erschöpfung seiner Volkskraft und dem Absterben des Volksgeistes.

Union und Liga.

Im Innern des Reiches sah es traurig aus — wir wissen es; aber die Reformation ging unter der stillschweigenden Duldung der beiden ersten Nachfolger Karls V., Ferdinand I. und Maximilian IL ruhig ihren Gang weiter, troß ihrer geistigen Verknöcherung; so groß war doch noch ihre Anziehungskraft, daß sie, solange die Macht des Staates nicht hindernd in den Weg trat, Eroberungen machen konnte.

Es ist kein Zweifel: um 1600 herum war fast das ganze deutsche Voll lutherisch oder reformiert.

Ein Umschwung hob an mit Kaiser Rudolf II.; er war persönlich ein frommer Katholik, aber kein Eiferer. Ein Gelehrter, der sich um die Vorgänge am Sternenhimmel mehr kümmerte, als um die auf Erden; er lebte auf dem Hradschin, dem herrlichen Schlosse über Prag, zurüdgezogen und menschenscheu, ganz seinen wissenschaftlichen Bestrebungen. Das Herrscheramt widerte ihn an und doch fand er nicht den Entschluß, ihm zu entsagen. Er verlepte die erste Herrscherpflicht, sein Leben dem Staate, der Allgemeinheit zu weihen, in unverantwortlicher Weise, indem er seine Zeit an persönliche Liebhabereien verschwendete; er durfte sich nicht wundern, wenn er als nuplos zur Seite geschoben wurde.

Im Erzherzogtum Österreich hatte er seinen Bruder Matthiaszum Statthalter eingefeßt; in den habsburgischen Mpenlanden regierte Erz berzog Ferdinand.

Der kaiserliche Sonderling ließ im Reiche alles seinen Gang gehen ja, es fümmerte ihn nicht, daß die Türken neue Vorstöße machten: dies Verhältnis war unhaltbar, sowohl vom Standpunkt der habsburgischen Hausmacht, wie von dem des Reiches. Während dessen Fürsten nichts unternahmen, einigten sich die Erzherzöge, um dem Verfalle der Hausmacht ihrer Familie vorzubeugen. Matthias übernahm zuerst die Herrschaft über Ungarn (1608) und zwang kurze Zeit darauf seinen Bruder durch einen bewaffneten Zug gegen Prag, ihm Österreich und Mähren abzutreten; alles das tat er im Bunde mit den evangelischen Ständen jener Lande.

War bei Matthias die Sorge um das Haus Habsburg wohl die Triebfeder seiner Handlungen, so war sein Vetter Ferdinand aus anderem Holze geschnißt: er war Katholik nach der Art der spanischen Philippe, von Jesuiten erzogen, ein Todfeind der Reformation, ein vor keinem Mittel des Zwanges zurückschreckender Förderer der Gegenreformation. Er wurde der Mann, der nächst Karl V., vielleicht noch mehr als jener immerhin von großen Gedanken erfüllte Herrscher, als Kaiser zum Verhängnis des deutschen Volkes geworden ist, dieser Urheber des 30jährigen Krieges, der Vollstrecker des Willens der Jesuiten mit seinem Jugendfreunde, dem Wittelsbacher Maximilian von Bayern zusammen der blinde Diener Roms.

Sein Gesellenstück in der Gegenreformation machte Ferdinand als Erzherzog in Steiermart, Kärnten und Krain: diese Lande, die fast ganz evangelisch waren, als er in Graz einzog, eroberte er in wenigen Jahren durch grausamsten Druck der katholischen Kirche zurück, nachdem schon sein Vater Erzherzog Karl unter dem Einflusse seiner strenggläubigen Gemahlin aus dem Hause Wittelsbach durch die Berufung der Jesuiten die Gegenreformation eingeleitet hatte.

Etwa gleichzeitig begannen die geistlichen Fürsten dem Augsburger Frieden zuwider zu handeln, indem sie von ihren evangelischen Untertanen verlangten, daß sie entweder wieder katholisch werden oder auswandern sollten; andrerseits hatten die evangelischen Stände das ihnen verliehene „ius reformationis", das Recht der Einführung der Reformation ausgeübt.

So wuchs das Mißtrauen, die Verstimmung; es sammelte sich der Zündstoff an, der nur noch des Funkens bedurfte, um zum furchtbaren Brande zu führen.

Der Rat der freien Reichsstadt Donauwörth, der evangelisch war, war gegen seine katholischen Bürger vorgegangen; deshalb hatte Kaiser Rudolf auf Betreiben der katholischen Partei die Reichsacht über sie verhängt und den Bayernherzog Maximilian mit der Vollstreckung betraut. Die Stadt wurde erobert und bayrisch gemacht (1608).

« ZurückWeiter »