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Rechte der Gegenreformation Gebrauch gemacht, wie es in Augsburg 1555 geschaffen war, im Gegenteil, der Kaiser litt es, daß der evangelische Glaube immer weiter um sich griff.

Sein Sohn Maximilian (1564-1576) begünstigte diese Entwicklung; er war innerlich der evangelischen Lehre zugetan, ja, es wird behauptet, daß er heimlich selbst evangelisch geworden sei. Es kann ausgesprochen werden, daß auch der überwiegende Teil der Bevölkerung der österreichischen Lande evangelisch war. Schon aber rüstete sich die Gegenbewegung, die mit unbarmherziger Härte unter der Führung der Jesuiten den katholischen Glauben dort wieder zum alleinherrschenden machen sollte. Ehe wir in jenen Zeitabschnitt eintreten, nehmen wir Abschied von Karl V., der an Leib und Seele gebrochen, im Jahre 1556 dem Throne entsagt hatte und in S. Yuste lebte; im Jahre 1558 starb er von der Welt vergessen: ein großer Mann, mißleitet von dem Wahngedanken einer Weltherrschaft, mißleitet auch von der Anhänglichkeit an einen Glauben, der entartet war und das deutsche Volt abgestoßen hatte. Eine traurige Erscheinung, wie dieser mit hervorragenden Gaben ausgestattete Fürst seinem Volke in einer schicksalschweren Zeit alles schuldig geblieben ist, weil er, obwohl deutschem Blute entsprossen, ein Fremder geworden war.

Die letzten Jahre seiner Herrschaft in den Niederlanden hatte er dadurch befleckt, daß er mit Feuer und Schwert an die Ausrottung der Reßerei gegangen war und unschuldiges Blut in Strömen vergossen hatte.

Sein Weltreich zerfiel mit seiner Abdankung, da, wie wir wissen, die Deutschen seinen Sohn Philipp nicht zum Kaiser wählten; sein Bruder Ferdinand, Erzherzog von Österreich, König von Böhmen und Ungarn wurde deutscher Kaiser (1556—1564); Spanien mit den Kolonien, Neapel, Mailand, die Freigrafschaft Burgund und die Niederlande fielen an seinen Sohn Philipp.

Mit seiner Regierung werden wir uns nur insoweit zu befassen haben, als seine unmenschliche Härte im Kampfe gegen die Keßerei zum Abfall der Niederlande führte.

Das Zeitalter der Reformation.

Wir werfen einen Blick auf die innere Entwicklung des deutschen Volles in jenem Zeitraum, und können etwa das Jahr 1545 als den Höhepunkt bezeichnen — denn damals war die Reformation allerwärts in fiegreichem Vordringen und es bestand die Aussicht, daß Erzbischof Hermann von Wied das Kölner Erzbistum evangelisch mache.

Wir wissen, wie das geistige Leben unter dem Einflusse der Reformation sich unendlich reich und fruchtbar gestaltet hatte, wie eine Fülle begabter Männer sich mit lauterer Begeisterung als Mitarbeiter zu Luther gesellten.

Aber die Fragen des Glaubens und der Kirchenbesserung erschöpften das geistige Leben jener Zeit nicht: alle Wissenschaften nahmen einen mächtigen Aufschwung. Die Kenntnis der alten Sprachen (lateinisch, griechisch, hebräisch) wurde auf sichere Grundlagen gestellt und ermöglichte ein verständnisvolles Eindringen in die Schriften des Altertums; die Geheimnisse des Himmels wurden von der Sternkunde enträtselt; die Naturkenntnis, wie die Mathematik wurden erweitert; die Philosophie schlug neue, von den Schranken der Kirchenlehre befreite Bahnen ein.

Von den Männern, die den geistigen Besit unseres Volkes, ja der Welt, erweiterten, sei der Schwabe Johannes Kepler genannt, deffen seherischer Blick die Geseße der Weltenordnung erkannte.

Auf dem Gebiete der Kunst wird eine erstaunliche Höhe erreicht, die großen Maler jener Tage, Albrecht Dürer und die beiden Hans Holbein, bestehen neben den größten Künstlern aller Zeiten und Länder. Der Holzschnitt fand eine Ausbildung wie seither nicht wieder und gewann eine große Bedeutung, indem er ermöglichte, die Schriftwerke ohne große Kosten mit Bildern zu schmücken. Die Baukunft ging vom gotischen (Spizbogen) Stil über zu den aus Italien übernommenen Formen der sog. „Renaissance", die aber eigenartig, dem deutschen Wesen entsprechend gestaltet wurde; Bauwerke wie der Friedrichs- und Otto Heinrichsbau des Heidelberger Schlosses, die Rathäuser zu Köln und Braunschweig, Bremen und Breslau, das kurfürstliche Schloß in Mainz u. a. geben einen Begriff von dem sicheren Schönheitsgefühl jener Tage. Die Bildhauerkunst und Erzgießerei schufen Wunderwerke von lebendiger Schönheit.

Die Dichtung fand hervorragende Vertreter in Sebastian Brant (Narrenschiff), Johannes Fischart (Das glückhaft Schiff), Thomas Murner und Hans Sachs; es ist kein Kunstwerk darunter, das zu den höchsten Schöpfungen des Menschengeistes gezählt werden kann aber immerhin Leistungen, die von selbständiger Betrachtung des Daseins zeugen; besonders die biederen, dem Zeitgeschmad angepaßten Arbeiten des Schuhmachers Hans Sachs erlangten eine große Volkstümlichkeit.

Viel größeres wurde auf dem Gebiete des Schrifttums in unge bundener Rede (Prosa) geleistet; wir wissen, wie Luther die deutsche Sprache meisterte und wie Ulrich von Hutten seine feurigen Flugschriften hinausgab unter das Voll.

Das städtische Leben sah seine Blütezeit; es entfaltete einen Reichtum, von dem wir uns heute kaum einen Begriff machen können; wollen wir einigermaßen ein Bild davon gewinnen, so müssen wir die herrlichen Patrizierhäuser in Nürnberg, Augsburg, Braunschweig, Hildesheim, Danzig betrachten. Die Geldwirtschaft war völlig zum Siege gelangt und fand ihre Ausbildung in den großen Bankhäusern der Welser und Fugger. Der Handel erlebte seinen höchsten Aufschwung unter dem Einflusse des

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Verkehrs mit den amerikanischen Ländern, sollte aber bald gerade infolge der durch die Entdeckung Amerikas veränderten Welthandelswege große Beeinträchtigung erfahren.

Das Leben an den fürstlichen Höfen war reich und prächtig geworden; es fand seinen bleibenden Ausdruck in den stolzen Schlössern, die die Herren sich durch hervorragende Künstler errichten ließen.

Um so täglicher sah es auf dem flachen Lande aus: der Bauernstand war gedrückt von Frohnden und Zehnten, ausgebeutet durch Wucher, und der unglückliche Verlauf der Bauernkriege machte seine Lage nur schlimmer; der Landadel war vielfach verarmt und gezwungen, sich dadurch zu erhalten, daß seine Angehörigen in den Dienst der Fürsten traten; fie widmeten sich mit Vorliebe dem Kriegsdienst und sind in jener Zeit in den Heeren aller Herren zu finden; wie viele haben ihr Blut gegen Deutsche vergossen, ebenso wie die Landsknechte, die in den Dienst jedes Herrschers traten, der sie bezahlte.

Politisch war die Selbständigkeit der Landesherren und freien Städte tatsächlich zur völligen Ausbildung gekommen; das deutsche Reich bestand aus einem Nebeneinander zahlloser größerer und kleinerer Staaten und Freistädte, die politisch machen konnten was sie wollten; das Kaisertum war darauf beschränkt, seinem Träger gewisse Ehrenvorrechte zu gewähren

aber eine wirksame Kaisergewalt, die die politische Kraft des ganzen Volkes gegen den Willen der Fürsten hätte zusammenfassen und geltend machen können, gab es nicht.

Wir wissen, daß der lezte Versuch Karls V., die Macht der Fürsten zu schwächen, durch Moriß von Sachsen vereitelt worden ist - wir wissen noch mehr: daß die Selbständigkeit der Fürsten sich bereits in ein landesverräterisches Bündnis mit König Heinrich II von Frankreich eingeLassen hatte.

Dieser Libertät der Reichsstände" (Selbständigkeit der Fürsten und freien Städte) dem Kaiser gegenüber stand die „Libertät der Landstände“ (Machtbefugnisse der „Stände“ - Adel, Geistlichkeit, Städte — gegenüber den Landesherren) zur Seite.

Die Fürsten erlebten an ihren Ständen dasselbe Schicksal, das sie dem Kaiser bereitet hatten: die Vertreter des Landadels, der Städte, der Geistlichkeit verlangten Einfluß auf die Verwaltung des Landes, vor allem auf die Bewilligung von Steuern. Sie erzwangen fast durchweg diesen Einfluß und bereiteten den Landesherren manche bittere Stunden; ja in einigen Staaten rissen zeitweilig die „Herren Stände“ das Regiment an sich und verurteilten die Fürsten zu derselben Machtlosigkeit, wie jene den Kaiser.

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