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Daneben hatte er die bestimmte Absicht, die Kaisergewalt durch Demütigung der Landesherren zu stärken sein Ziel war also ein doppeltes: Vernichtung des Luthertums und Schwächung der Fürsten. Er zog aus Spanien und Italien Truppen ins Reich unter spanischen Befehlshabern; seine Berater waren fast nur Nichtdeutsche; der Bapft schickte Geld und Mannschaften — alles Umstände, die böses Blut im Reiche erregten und die Fürsten mißtrauisch machten.

Aber es war ein Unglück für unser Bolt, daß unter den evangelischen Fürsten nicht einer war, der kraftvoll die Leitung in die Hand hätte nehmen können- doch, einer war da, der junge Herzog Moris von Sachsen; dem lag aber nichts am Glauben, alles an der Vergrößerung seiner Macht, und er schlug sich deshalb auf die Seite des Kaisers.

Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen (aus dem ernestinischen Zweige des Hauses Wettin) und Philipp der Großmütige, Landgraf von Hessen waren die anerkannten Oberhäupter der evangelischen Partei, der eine ein langsamer, gottesfürchtiger und friedfertiger Herr, der andere ein tapferer Krieger und politischer Kopf mit weitem Blick- beide überzeugte Anhänger des Evangeliums und entschlossen, es zu verteidigen, der Sachse beeinflußt durch eine gewisse Scheu vor der „kaiserlichen Majestät“, Philipp gerade in der schwierigsten Zeit durch eine Anstoß erregende Doppelehe in seiner Geltung beeinträchtigt. Die Lage spizte sich immer mehr zu; der offene Kampf war unvermeidlich.

Ein Glück für Luther, daß er ihn nicht mehr erlebte; am 18. Februar 1546 ist er ruhigen Gewissens gestorben im Vertrauen auf seinen Gott verehrt und geliebt wie ein Vater aller Evangelischen, der geistige Mittelpunkt der evangelischen Bewegung bis zuleßt.

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Als der Kurfürst von Köln, Erzbischof Hermann von Wied Anstalten machte, nicht nur selbst evangelisch zu werden, sondern auch das Erzbistum dem neuen Glauben zuzuführen, brach der Kaiser los, nachdem er sich der Hilfe des evangelischen Moriß von Sachsen versichert hatte.

Das war ein Mann, geboren zum Herrscher, von unbändigem Ehrgeiz und Willen beseelt, unbedenklich in der Wahl seiner Mittel, rasch und rücksichtslos in der Ausführung ein Staatsmann ersten Ranges, der einzige deutsche Fürst, der dem Kaiser wirklich gewachsen war.

Moritz gehörte der jüngeren (albertinischen) Linie des sächsischen Hauses Wettin an, während Johann Friedrich das Haupt der älteren (ernestinischen) war, auf die die Kurwürde übergegangen war. Zwischen beiden Linien lagen Gebietsstreitigkeiten vor, die wohl schon zu Fehden geführt hatten aber sie konnten Moriß keinen Grund geben, sich von seinen evangelischen Genossen zu trennen: ihm kam es darauf an zu herrschen, zu wachsen. Das glaubte er mit den langsamen, unentschlossenen,

bibelfrommen Fürsten nicht erreichen zu können, wohl aber gegen sie mit dem Kaiser.

Er ließ sich von Karl die Gebiete der großen Bistümer Magdeburg und Halberstadt versprechen und die Kurwürde. Um diesen Preis verriet er sein Evangelium und wurde, wie das Volk in richtigem Gefühl sagte, der Judas von Meißen.

Karl ließ Johann Friedrich und Philipp in die Reichsacht erklären; auch das konnte sie noch nicht zu entschiedenen Schritten bringen, obwohl fie über ein Heer von 60 000 Mann verfügten.

Unentschlossen zogen sie an der Donau hin und her. Da brach Moris in Johann Friedrichs Land ein und zog deffen Heer damit an die Elbe; Philipp rückte nach seinen Stammlanden ab. Damit waren die evangelischen Streitkräfte geteilt; die süddeutschen Fürsten und Städte fühlten sich im Stiche gelassen und unterwarfen sich einzeln dem Kaiser; Johann Friedrich wurde in der Schlacht bei Mühlberg (in der Nähe von Torgau) am 24. April 1547 geschlagen und gefangen; Philipp wurde überlistet, stellte sich dem Kaiser und wurde unter Bruch des kaiserlichen Wortes gleichfalls gefangen gehalten.

Karl war Sieger, die evangelische Sache lag am Boden; daneben waren zwei der angesehensten deutschen Fürsten gedemütigt und in der Hand des Kaisers, der mit aller Pracht an der Spiße seiner spanischen und italienischen Regimenter in die Lutherstadt Wittenberg einzog.

Schlimm stand es um die lutherische Sache - ein Glüd für sie, daß in diesem Augenblicke Karl mit dem Papste aus politischen Gründen in Zwietracht geraten war, so daß Paul III. das Konzil von Trient (aus dem Machtbereiche des Habsburgers) nach Bologna verlegte; damit wurden die Verhandlungen der wichtigen Kirchenversammlung unterbrochen und es lagen überhaupt noch keine Beschlüsse vor, die man den besiegten Evangelischen zur Anerkennung hätte vorlegen können.

Auf dem Reichstage zu Augsburg (Mai 1548), der unter dem Drucke des kaiserlichen Sieges stand und bei dem Karl mit einem glänzenden Gefolge hochmütiger spanischer Großen erschien, sollte die Entscheidung fallen fie konnte teine endgültige sein, weil der Kaiser ja noch nicht wissen konnte, was das Konzil beschließen werde eine vorläufige also: das sog. Augsburger Interim.

Die Evangelischen mußten die endgültige Entscheidung dem Konzile zugestehen, doch wurde ihnen vorläufig das Abendmahl in beiderlei Gestalt und die Priesterehe belassen.

Von den Fürsten erreichte Karl auf diesem „geharnischten“ Reichstage, daß sie den Niederlanden eine Sonderstellung einräumten und bestimmten, daß für sie Reichsgeseße nicht gültig sein sollten. Wir wissen

die Niederlande waren habsburgischer Hausbesit aus der burgundischen Erbschaft; mit diesem Augsburger Beschluß wurde die Loslösung vom Reiche gefördert, vorläufig aber das unglückliche Land, das zum großen Teil den reformierten Glauben angenommen hatte, der Willkür seines Landesherrn, des strenggläubigen Kaisers, ausgeliefert.

Eins erreichte aber Karl nicht troß aller Drohungen und Einschüchte rungsversuche: die Zusage der Kaiserwürde für seinen ältesten Sohn Philipp; ein richtiges Gefühl leitete den Reichstag, als er diesen finsteren Frömmler, der sich als „echter“ Spanier hochmütig und verachtungsvoll über die Deutschen erhob, vom Throne fernhielt - er hat später als spanischer Hönig und Erbe der Niederlande gezeigt, zu welch unmenschlichen Grausamkeiten starrgläubige Belehrungswut führen lann.

Morit von Sachsen erhielt die Kurwürde, die ihm versprochen war, aber Magdeburg und Halberstadt blieben ihm vorenthalten; nicht nur hierin hielt der Kaiser sein gegebenes Wort nicht, sondern er ließ auch Landgraf Philipp von Hessen weiter in der Gefangenschaft - der war

aber Morizens Schwiegervater.

Der Sachse erkannte, in welch überlegener Weise ihn der Kaiser zur Demütigung der Evangelischen mißbraucht hatte und richtete sein Spiel darauf ein, den falschen Kaiser zu demütigen.

Er trat in geheime Verbindungen mit allen Gegnern Karls und bereitete einen Schlag vor, den dieser nicht verwinden sollte.

Er, der seine evangelischen Glaubensgenossen um der Macht willen verraten hatte, der „Judas von Meißen" scheute nicht davor zurüď, sich um der Rache willen mit König Heinrich II. von Frankreich zu verbünden und ihm im geheimen Vertrag von Chambord (1551) Mez, Loul und Verdun auszuliefern.

Nachdem alle Vorbereitungen in umsichtigster, kaltblütigster Weise getroffen waren, verlangte Moritz vom Kaiser die Freilassung seines Schwiegervaters; als sie verweigert wird, marschiert er mit einem starken Heere in Gewaltmärschen über Augsburg nach Innsbruď (April 1552), wo Karl damals Hof hielt; gleichzeitig rückte König Heinrich in Lothringen ein und besezte die ihm ausgelieferten Lande.

In fliegender Eile trieb Morit vorwärts, Ende Mai 1552 hielt er in der Hauptstadt Tirols einen prunkvollen Einzug, nachdem der über. raschte Kaiser sich gerade noch rechtzeitig hatte flüchten können. Gleichzeitig hatten die evangelischen Fürsten im Reiche losgeschlagen.

Welch ein ungeheuerer Umschwung! Karl, vor drei Jahren der stolze Sieger, der unumschränkte Gebieter, auf der Flucht die fast verlorene Sache der Evangelischen gerettet!

Und das alles das Werk des einen Mannes, der den Kaiser mit seinen eigenen Mitteln bekämpfte und schlug, die er von ihm gelernt hatte.

Kein reiner, lauterer Held, dieser Morih, tein Mann, dessen Taten den Sinn erheben aber doch in diesem Augenblicke der rücksichtslos zugreifende, kühne Träger einer weittragenden Entscheidung und um deswillen eine der wichtigsten Personen der deutschen Geschichte: nicht nur war die Macht des nach der Weltherrschaft strebenden Kaisers auf deutschem Boden gebrochen mehr und wichtiger: Karl mußte zugestehen, daß die Frage der Reformation nicht auf dem Konzil, sondern durch einen Reichstag entschieden werden solle.

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Das hieß: die Reformation war gerettet!

Im Vertrage zu Passau (16. Juli 1552) mußte der besiegte Kaiser diese Bugeständnisse machen, wie er sich auch wehrte.

Moriß aber suchte für sich das Gewonnene auszubauen: mit Alugheit und Scharfblid gab er seinen Landen eine neuzeitliche Verwaltung, sicherte Ruhe und Ordnung und machte sein Land zu der evangelischen Großmacht Deutschlands. Am 9. Juli 1553 besiegte er den räuberischen Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach bei Sievershausen, aber er selbst wurde zum Tode verwundet und starb zwei Tage später, erst 32 Jahre alt.

Deutschland dankt ihm die Errettung vor der alles niederdrückenden Macht Habsburgs und die Erhaltung des evangelischen Glaubens. Ein ungeheures Verdienst, das dafür sorgt, daß der Name des Kurfürsten Morit von Sachsen niemals vergessen wird — schade nur, daß der Spiegel der Geschichte das Bild dieses hervorragenden, vielleicht großen Mannes nicht rein und fleckenlos zeigt.

Der Kaiser, in allen seinen Plänen gescheitert, zog sich verzweiflungsvoll aus Deutschland zurück nach den Niederlanden, wo er in Brüssel Hof hielt; die Ordnung der Dinge im Reiche überließ er seinem Bruder Ferdinand, der schon seit 1531 die Würde des römischen Königs betleidete.

Der Religionsfriede.

Der im Passauer Vertrag vorgesehene Reichstag wurde wiederum nach Augsburg einberufen (1555); dort kam der Religionsfriede zustande, der in der Hauptsache bestimmte, daß die lutherischen LandesHerren und freien Städte Religionsfreiheit erhielten und in ihren Gebieten reformieren“ durften; es wurde der Grundsaß ausgesprochen „cuius regio, eius religio“, d. H. der Glaube der Bevölkerung sollte sich schlankweg nach dem Glauben des Landesherrn richten. Eine bedeutsame

Ausnahme hiervon sezten die Katholiken durch, den von den Proteftanten allerdings nicht anerkannten „geistlichen Vorbehalt", nach dem die geistlichen Fürsten, die evangelisch werden wollten, Amt, Würden und Reichslehen verlieren sollten. Die Protestanten erwirkten dagegen die wieder von den Katholiken bestrittene „Deklaration" (Erklärung) daß evangelische Untertanen geistlicher Fürsten in ihrem Glauben nicht gestört werden durften.

Die Reformierten blieben von dem Frieden ausgeschlossen.

Diese Bestimmungen stempelten den Augsburger Religionsfrieden von vornherein zu einem Waffenstillstand. Wohl war der offene Kampf der beiden Parteien zum Abschluß gebracht — aber es war kein Zustand geschaffen, der des Volles würdig war, das die Reformation hervorgebracht und eine wunderbare geistig-sittliche Erhebung erlebt hatte.

Die weittragende Bedeutung des „geistlichen Vorbehaltes" liegt darin, daß er die katholische Kirche auf deutschem Boden erhalten hat - sobald sie sich stark genug fühlte, war neuer Kampf zu erwarten, und die endgültige Sicherung der Errungenschaften der Reformation war von der Macht der ihr zugetanen Fürsten abhängig.

Wir werden später sehen, in welcher Weise das Haus Habsburg die faft ganz evangelisch gewordenen Alpenländer wieder zum katholischen Glauben zurückzwang.

Es war ein Jammer, daß die herrliche Bewegung außlaufen mußte in einen Zustand, der dem Rechte der freien Überzeugung des Christen. menschen ein schmähliches Ende bereitete.

Den Männern, die in Augsburg jenen faulen Frieden" schlossen, waren die Hochgedanken aus Luthers Zeit verloren gegangen, sie waren des geistigen und sittlichen Schwunges bar eines nur erstrebten sie, der höheren politischen Führung entbehrend und jeder nur an sich denkend Ruhe, Ruhe um jeden Preis.

zwar in der ersten Zeit nach dem Augsburger Frieden machten die Evangelischen noch Fortschritte: ganz Norddeutschland mit Ausnahme der Bistümer Köln, Münster, Paderborn und Osnabrüd war evangelisch, nachdem auch Brandenburg den neuen Glauben angenommen hatte.

Im Süden waren die Pfalz und die Schweiz reformiert, Württemberg und Hessen lutherisch, in Bayern die fränkischen Lande desgleichen; der bayrische Adel z. B. war noch im lezten Viertel des sechzehnten Jahr. hunderts in der Mehrheit evangelisch.

In den habsburgischen Landen ließ Ferdinand, der nach Karls Abdankung Kaiser wurde, den Dingen ihren Lauf; ganz anders als sein immer finsterer gewordener Bruder geartet, war er für die Ausgleichung der Gegenfäße, für Milde. Unter seiner Herrschaft wurde nicht von dem

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