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worfen, weil er keine hinreichende Wassertiefe hat. Aber an der Südseite der Bai von Antiochia fand Sir Macneill einen für einen sicheren und bequemen Hafen sehr gut geeigneten Punkt. Er liegt 3 Engl. Meilen südlich vom Orontes und 6 Engl. Meilen östlich von dem alten Hafen von Seleucia und kann mit einem Kostenaufwand von 20,000 Pfund Sterling in einen guten Hafen für 30 bis 35 Schiffe mit einer durchschnittlichen Tiefe von 20 bis 40 Fuss verwandelt werden. Unsere Aufnahme des Landes erstreckte sich von der Küste über Antiochia und Aleppo bis nahe an den Euphrat und wir überzeugten uns, dass es zwischen dem Mittelmeer und Aleppo nur geringe Schwierigkeiten zu überwinden giebt, indem nicht ein einziger Tunnel, sondern nur zwei bedeutendere Durchschnitte und zwei Kettenbrücken über den Orontes erforderlich sind, und dass jenseits Aleppo alle Schwierigkeiten aufhören, da der Boden mit seiner harten, trockenen und ebenen Oberfläche vortrefflich zum Bau einer Eisenbahn geeignet ist. Die Kosten für diese erste Strecke der Bahn vom Mittelmeer bis zum Euphrat sind von Sir Macneill auf 1,400,000 Pfd. Sterling berechnet und für die ganze Linie auf 6 Millionen Pfd. St. Die Pforte ist sich der Vortheile wohl bewusst, welche die Bahn der Türkei gewähren wird. Die Kräftigung der Macht des Sultans in entfernten Provinzen seines Reichs, die zu erwartende grosse Ausdehnung des Handels, die Centralisation des Regierungs-Systems und viele andere Folgen fühlen die Türken recht gut. Schon jetzt fanden wir in Syrien sehr günstige Handels-Verhältnisse; ohne den nothwendig eintretenden Aufschwung in Anschlag zu bringen, würde. Aleppo und sein Handel allein genügen, die Bahnstrecke von da bis zum Mittelmeer rentiren zu machen, so dass sie den Aktionären 8 Procent abwürfe. Aber die Zunahme des Handels würde eine ungeheuere sein, da die Produktions-Fähigkeit jener Gegenden fast ohne Grenzen ist. Gegenwärtig sind als Haupt-Produkte zu nennen: Getreide, womit Europa in jeder beliebigen Menge verschen werden könnte; Baumwolle von sehr guter Qualität, die in der Umgegend von Mosul schon in grosser Ausdehnung gebaut, aber noch nicht gehörig gereinigt wird (Herr Rassam, der Britische Konsul zu Mosul, sagt mir, dass 100,000 KameelLadungen Baumwolle aus Mangel an Transport-Mitteln dort aufgespeichert liegen); Wolle, Kupfer, Zucker, Indigo, Salpeter, verschiedene Farbstoffe, Erdpech und mehrere andere Produkte, welche die gewöhnlichen Ausfuhr-Artikel von Mesopotamien bilden. Die Nachfrage nach unseren Waaren würde ebenfalls verhältnissmässig gross sein. Jetzt erhalten die Bewohner von Syrien und Mesopotamien viele Bedürfnisse aus Russland über Trapezunt; sind aber erst Transport-Mittel hergestellt, so werden Manchester, Shef

field, Birmingham u. S. w. ihre Märkte versorgen. Was die politischen Vortheile betrifft, so will ich hauptsächlich nur die kommerzielle und politische Hebung der Türkei erwähnen, für welche wir umsonst so grosse Summen verschwendet haben. Diese Bahnlinie würde die Türkischen Grenzen gegen Persien und Russland schützen, denn die Geschichte beweist, mit was für einem mächtigen Einfluss zu allen Zeiten der Besitz des Euphrat-Thales verbunden war. Dr. Sprenger sagt: In der Hand einer geschickten Regierung würde das Tigris-Thal bald die günstige Basis für einen Feldzug nach Südosten bilden; es ist derselbe Weg, welchen die Araber einschlugen, als sie im 7ten Jahrhundert unserer Zeitrechnung das Thal des Indus eroberten. Die Strasse von Ormuz ist so eng, dass der Persische Golf jeder Zeit von der Macht abgesperrt werden kann, in deren Besitz sich Bussorah befindet. Europa ist nicht länger die Welt, der wahre Schlüssel zum Besitz der Welt ist das Thal des Tigris, nicht Konstantinopel, wie man in früheren Zeiten glaubte." Ich hatte in Konstantinopel mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, wegen der Opposition von Seiten Frankreichs, das schon lange die Wichtigkeit des Euphrat - Thales eingeschen hat. Es ist in der That weit reicher und werthvoller als Ägypten, und für England bietet sich daher jetzt die Gelegenheit, seinen Handel bedeutend zu vergrössern, die Türkische Macht zu befestigen und sein Indisches Reich vor äusseren und inneren Gefahren zu schützen. Der hauptsächlichste Einwurf, dem meine Ansichten über die Wichtigkeit der Euphrat-Bahn gewöhnlich begegnen, ist die Furcht vor den Arabern; ich glaube aber, dass sich diese Schwierigkeit leicht überwinden lässt. Hat man sich mit ihren Anschauungen und Sitten vertraut gemacht, so hält es bei einiger Geschicklichkeit, Mässigung, Takt und Vertrauen nicht schwer, sie freundlich zu stimmen; auch werden sie bald die Vortheile erkennen, die ihnen aus dem Bau der Eisenbahn erwachsen, und sollten sie wider alles Erwarten Feindseligkeiten beginnen, so werden die mit der Türkischen Regierung getroffenen Arrangements auch diese Schwierigkeit überwinden. Zur Herstellung einer telegraphischen Verbindung mit Indien haben sich zwei Gesellschaften gebildet. Die eine schlägt eine Linie längs des Rothen Meeres nach Kurrachee vor, die andere eine Linie durch das Euphrat-Thal nach demselben Hafen. Jede scheint vollkommen ausführbar und am besten wäre es, beide herzustellen, damit nicht so leicht eine Unterbrechung eintreten kann. Zu diesem Zwecke sollte ein submarines Tau von Kurrachee bis Ras-el-Had oder einem anderen Punkte in der Nähe des Eingangs zum Persischen Golf gelegt werden; von hier aus würde die eine Linie in geringer Entfernung von der Arabischen Küste bei einer

Meerestiefe von 20 bis 100 Faden bis Sues verlaufen,

die andere aber über Korna nach Bagdad und weiterhin entweder über Diarbekir oder über Aleppo nach Konstantinopel. Die Legung der mittleren Strecke zwischen Bagdad und Diarbekir oder Aleppo müsste jedoch so lange unterbleiben, bis man mit den Arabern ein definitives Übereinkommen getroffen hätte.

20. Dr. T. Hodgkin über den Isthmus von Sues. Diese Abhandlung hatte den Zweck, zu zeigen, dass die Ausführung des Sues-Kanals wegen der unverhältnissmässig grossen Kosten nicht möglich sei, dass man also nicht nöthig habe, politische Gründe in den Vordergrund zu stellen, welche die freundschaftlichen Verhältnisse zwischen England und Frankreich stören könnten. Die Kosten würden hauptsächlich durch die ungeheueren Hafenbauten an der Küste des Mittelmeeres und die daselbst durch alle Zeiten fortzusetzenden Baggerungen bedingt; aber auch das Durchschneiden des Binnenlandes und das Aufwerfen von Dämmen in der Gegend, die beträchtlich unter dem Niveau des Meeres liegt, müsste mit grossen Kosten verknüpft sein. Die Urheber des Projektes selbst sähen jetzt ein, dass die Konstruktion des Kanals acht bis zehn mal mehr kosten würde, als sie von Anfang an behauptet hatten. Es sei ausser Zweifel, dass der Kanal unter keiner Bedingung rentiren könne.

21. H. J. Porter, ein Census der Provinz Canterbury in Neu-Seeland. Die ganze Bevölkerung von Canterbury besteht aus 2196 Männern und 1699 Frauen, zusammen 3895 Personen. Davon gehören 3290 der Englischen, 314 der Schottischen, 162 der Irischen, 67 der Französischen, 24 der Deutschen und 38 anderen Nationen an. Die Englische Kirche zählt 3225, die Römisch-Katholische 111, andere Kirchen 559 Anhänger. Kranke giebt es nur 21. Die Sonntags- und Wochenschulen werden von 294 besucht. Die Zahl der Wohnungen aus Stein beträgt 2, aus Holz 365, aus anderen Materialien 181. Schafe zählt man 99,245, Rinder 6363, Pferde 596, Schweine 4391. Die geringe Zahl der steinernen Gebäude erklärt sich aus dem häufigen Vorkommen von Erdbeben. Die wenigen Krankheitsfälle sind ein Beweis für die Gesundheit des Klima's.

22. Dr. Strang über die Vortheile, welche aus den Korrektionen der Flüsse entspringen, die der Fluth ausgesetzt sind, nachgewiesen an dem Zustand des Clyde. - Obgleich der Clyde den Abfluss für ein Areal von 736 Engl. Quadrat-Meilen bildet und in jeder Sekunde 33,885 KubikFuss Wasser in das Meer führt, so blieb er doch bis 1768 in seinem Natur-Zustande, wobei das Wasser nur 2 Fuss tief war. Seit der Zeit aber ist er durch Dämme, Fluth-Deiche und Baggerungen für Schiffe von 20 Fuss

Tiefgang schiffbar gemacht worden, und der Hafen von Glasgow, dessen Kai im Jahre 1800 nur einige hundert Yards lang war, hat jetzt einen Hafen-Damm von 21⁄2 Engl. Meilen Länge und bedeckt ein Areal von 60 Acker. Was diese Verbesserungen für einen Einfluss auf die Schifffahrt und den Handel von Glasgow ausgeübt haben, geht aus folgenden Zahlen hervor. Im Jahre 1828 kamen 11,505 Schiffe mit 696,261 Tonnengehalt, im Jahre 1857 aber 17,960 Schiffe mit 1,612,681 Tonnengehalt an. Während im ersteren Jahre im Hafen kein Dampfschiff über 100 Tonnen hatte, befahren jetzt Schiffe von 3600 Tonnen den Fluss. Vor Beginn der Korrektionen hatte Glasgow wenig oder keinen Handel, im Jahre 1854 dagegen belief sich der Werth seiner Ausfuhr auf 4,905,557 Pfd. Sterling. Vor 1801 besass es kein einziges Schiff, im Jahre 1856 aber 563. Früher wurden am Clyde überhaupt keine Schiffe gebaut, jetzt bestehen dort 30 grosse Werften, die in den Jahren 1853 bis 1854 nicht weniger als 266 Schiffe lieferten. Die Einwohnerzahl von Glasgow hat sich seit dem Beginn der Korrektionen von 24,000 auf 420,000 erhöht 1).

1) Von einer grösseren Reihe von Vorträgen liegen uns leider nicht einmal Auszüge vor und darunter befinden sich auch nicht wenige, welche geographisch interessante Gegenstände behandeln. Wir müssen uns desshalb begnügen, die Titel der letzteren anzuführen :

A. H. Hamilton über elektrische Strömungen an der Erdoberfläche. Herm. Schlagintweit, Bemerkungen über geologische Beobachtungen in Indien, hauptsächlich in Bezug auf die Erosions-Erscheinungen der Flüsse.

Prof. H. D. Rogers über die geologische Aufnahme von Pennsylvanien. T. Oldham, Allgemeine Skizze der Distrikte in Indien, welche geologisch aufgenommen sind.

Jukes und Du Noyer über die Geologie der Lambay-Inseln.
Santiago Jackson, die Strassen von Lima nach den schiffbaren Zu-
flüssen des Amazonen-Stromes, mit Bemerkungen über das östliche
Peru als ein Feld für Einwanderung.

Dr. Heinrich Barth über die anomale Periode des Steigens des Niger.. Sir John Richardson, Bericht über Anderson's Aufsuchung der Mannschaft des Erebus und Terror.

Clement R. Markham über die letzte Arktische Expedition.
Kenneth Sutherland, Beobachtungen über Vancouver's Insel.
Dr. Wilson über die wahrscheinliche Einheit der Amerikanischen Race.
F. Crawfurd über die Verwandtschaft der Hebräer mit den Celten.
Admiral Fitz Roy über die möglichen Wanderungen und Variationen
der ältesten Familien des Menschengeschlechts.

Herm. Schlagintweit über einige Messungen an verschiedenen Racen in
Indien und Hoch-Asien.

Prof. W. R. Sullivan, der Einfluss, den physikalische Eigenthümlichkeiten auf die Sprache und Mythologie eines Volkes ausüben, als ein Mittel, die Verwandtschaft der Racen zu verfolgen.

Dr. W. Macdonald über den Ursprung der Menschen-Racen und ihrer
Sprachen, hauptsächlich der Celtischen.

Prof. D'Abbadie, Bemerkungen über seine Reisen in Abyssinien.
Prof. Graves über die Identificirung eines von Ptolemäus in seiner
Beschreibung von Irland erwähnten Flusses.

Hopkins über den Golfstrom.

J. Threlkeld über die Lage der Australischen Eingeborenen.
Hopkins über die Ursache der milden Winter-Temperatur auf den Bri-
tischen Inseln.

W. Bollaert über die Peruvianer zur Zeit vor den Inkas.
W. Hughes über die Prinzipien der Karten-Konstruktion.

J. Yates über die Anwendung der Dezimal - Skale bei der Karten-
Konstruktion.

III. Die 33. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Bonn, 18. bis 24. September 1857.

Wie die,,British Association" in Dublin, so kam die Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte seit 22 Jahren zum ersten Mal wieder in Bonn zusammen, und dass diese Wahl ebenfalls eine glückliche war, bewies die bedeutende Anzahl der von nah und fern Gekommenen, sowie die allgemeine Befriedigung, die sich während der festlichen Tage unter den Anwesenden. kund gab. Die Zahl der inskribirten Mitglieder und Theilnehmer betrug 959, und zwar die der Mitglieder 445, die der Theilnehmer 514, eine Zahl, welche in ihrem Werthe steigt, wenn man ihre Zusammensetzung näher prüft. Unter den 445 Mitgliedern waren nur 104 aus Bonn und den benachbarten Städten, Holland sandte 19, Österreich 17, Frankreich und Russland je 15, die Schweiz 6, England und Italien je 5, Amerika und Schweden je 2, Ost-Indien 1 Mitglied. Die 254 übrigen Mitglieder kamen zahlreich aus den SüdDeutschen und Mittel-Deutschen Staaten und aus den grösseren Städten Ost- und Nord-Deutschlands. Nicht viel anders waren die Verhältnisse für die Theilnehmer. 195 waren aus Bonn und dem Rheinland, 18 aus Russland, 11 aus Holland, 9 aus England, 5 aus Frankreich, je 3 aus Amerika und Österreich, je 1 aus Belgien, Italien, Ost-Indien, Dänemark und Schweden.

Washington eingefunden und verliehen der Gesellschaft durch den Glanz ihrer Nameh eine höhere Weihe. Von Seiten der Stadt Bonn, der Behörden und der beiden Geschäftsführer, Geheimerath Prof. Dr. Nöggerath und Geheimerath Dr. Kilian, war nichts versäumt worden, um die Versammlung möglichst nutzbringend und angenehm zu machen; namentlich sind in letzterer Beziehung die Ausflüge und Festfahrten nach dem Drachenfels am 19. Septbr., nach Koblenz, Stolzenfels und der ApollinarisKirche bei Remagen am 20. Septbr., nach Rolandseck und dem Krater Roderberg am 21. Septbr., nach Köln am 22. Septbr. und das grosse Beethoven-Koncert unter der Leitung Ferdinand Hiller's in dem Versammlungs-Lokale zu Bonn am Abend des 23. Septbr. zu erwähnen.

durch Am glänzendsten

war die Sektion für Mineralogie und Geologie vertreten, denn ausser den Deutschen Koryphäen dieser Wissenschaften, wie Nöggerath und von Dechen aus Bonn, v. Carnall aus Breslau, Gustav Rose aus Berlin, Naumann aus Leipzig und vielen Andern, hatten sich Sir R. Murchison aus England, Élie de Beaumont, Verneuil, St. Claire-Deville aus Frankreich, Kokscharow und Abich aus Petersburg, Zeparovich aus Krakau, Merian aus Basel, v. Gerolt aus

E. Chadwick über die Abhängigkeit der moralischen Verhältnisse eines Volkes von physikalischen Bedingungen.

H. J. Porter, der Census von Sydney in Neu-Süd-Wales.

J. M. Wilson, die Kriminal-Statistik in Irland von 1842 bis 1856.
Thomas Rankin, Meteorologische Erscheinungen zu Huggate in Yorkshire.
Prof. Hennessy über senkrechte Bewegungen in der Atmosphäre.
M. F. Raillard, Prüfung einiger Probleme in der Meteorologie. Neue
und vollständige Erklärung des Regenbogens.

F. J. Foot über die Geologie der Umgebung von Tralee.
Duncan Mc Pherson über den Krim'schen Bosporus und die Lage der
alten Griechischen Stadt Panticapaeum (Kertsch).
Charles Sturt über neue Entdeckungen in Australien.
Archidiakonus von Cardigan, die Lage von Ecbatana.

George V. Du Noyer über die Ruinen alter steinerner Festungen und
Gebäude in der Grafschaft Kerry.

John Hogg, die wahrscheinlichen Biblischen Namen von Baalbec und die Lage von Baalgad.

Vincent Scully, die Bevölkerung von Irland von 1803 bis 1856, mit Bemerkungen über die Ursachen des periodischen Ab- und Zunehmens. W. M. Tartt, Bericht über die Kriminal-Statistik von Irland und einigen auswärtigen Ländern.

James W. Kavanagh, Skizze des Fortschrittes und des gegenwärtigen Standes der Volkserziehung in Irland.

In der ersten allgemeinen Sitzung am 18. September eröffnete Geheimerath Nöggerath die Versammlung mit einer kurzen herzlichen Begrüssung der Anwesenden und gedachte dabei mit wenigen Worten der seit der vorjährigen Versammlung dahingeschiedenen Mitglieder, der Mineralogen Chr. S. Weiss und Paul Partsch, des Physikers J. S. C. Schweigger und des Zoologen Lichtenstein. Geheimerath Kilian verlas mehrere eingegangene Schreiben, u. A. das folgende von Alexander v. Humboldt: „Ich bin tief, aber ich muss auch hinzufügen, schmerzhaft gerührt die Worte herzlichen Wohlwollens und mich ehrender Anhänglichkeit, mit denen Sie, hochverehrter Herr Kollege, mich im Namen meiner Freunde zu Bonn zu Ihrem schönen Feste der 33. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte einladen. Nicht der Ruhe erheischende Zustand meiner schwindenden Kräfte allein, nur die Nothwendigkeit, am nahen Abschiede des Lebens durch angestrengte, ununterbrochene Arbeitsamkeit der Vollendung näher zu bringen, was mit Unvorsichtigkeit zu spät unternommen worden ist, fesselt mich an mein Studirzimmer. Der Schmerz über die Entbehrung, die ich mir auflege, kann allein gemindert werden durch die Hoffnung grossmüthiger Nachsicht, dem verliehen, der, wie ein edler Manu (der alte Stolz unseres Vaterlandes) sich ausdrückte, ,,es für eine Pflicht hält, aufzuräumen, wenn das Ende irdischer Dinge näher rückt". Mit inniger Verehrung und Freundschaft Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster A. v. Humboldt." Von dem ersten Geschäftsführer aufgefordert, erhob sich die Versammlung zum Zeichen der Ehrerbietung und Anerkennung für den nun 89jährigen Nestor Deutscher Wissenschaft und beauftragte die Geschäftsführer, ihm dieses auf telegraphischem Wege zu melden.

In den folgenden allgemeinen Sitzungen am 21. und 22. Septbr. wurde zum nächstjährigen Versammlungsort Karlsruhe, zu Präsidenten daselbst Hofrath Prof. Dr. Eisenlohr und Geh. - Medicinalrath Dr. Volz gewählt und der

Beschluss gefasst, dass die im vorigen Jahre durch die Munificenz des Kaisers von Österreich überbliebenen Einlagsgelder im Werth von 8707 Gulden, dem Vorschlag der Wiener Akademie gemäss, der Deutschen Karolinisch-Leopoldinischen Akademie ohne Bestimmung über die Verwendung überwiesen werden sollen. Aus den in den allgemeinen Sitzungen gehaltenen Vorträgen heben wir die folgenden hervor.

1. Staatsrath Mädler über das System der Fixsterne. Anknüpfend an den im Jahre 1844 in Bremen vor der dort tagenden 21. Versammlung der Naturforscher und Ärzte gehaltenen Vortrag, gab der bekannte Astronom Prof. Mädler aus Dorpat eine pragmatische Darstellung des Ganges der Untersuchungen, welche ihn nach vieljähriger Bemühung zu seiner gegenwärtigen Überzeugung geführt haben. Da sich alle bisher versuchten Hypothesen als unhaltbar gezeigt hatten, jede nähere Analogie mit unserem Sonnen-System aufgegeben werden musste, gleichwohl aber die Statthaftigkeit des Newton'schen Gesetzes in seiner allgemeinsten Form nicht bezweifelt werden konnte, so musste der Versuch gemacht werden, dasselbe auf eine gänzlich neue Weise in Anwendung zu bringen. Diess führte schliesslich darauf, den Gesammt-Komplex der Fixsterne mit Inbegriff der davon systematisch nicht zu trennenden Milchstrasse als das die Bewegung erzeugende Agens zu betrachten und die Bedingungen zu entwickeln, welchen die Beobachtungen entsprechen müssen, wenn die angenommene Form des Fixstern-Systems die wahre und der Natur angemessene ist. Durch strenge Berechnung wurden nun zunächst von den 3222 Bradley'schen Sternen die Eigen-Bewegungen ermittelt, hierauf nach vorläufigen Betrachtungen über Gestalt, Lage und Gruppirung der Milchstrasse die Gegend, in welcher der allgemeine Schwerpunkt des Gesammt-Komplexes zu suchen sei, im Allgemeinen bestimmt und von dieser aus die nähere Vergleichung durchgeführt. Es ergaben sich gewisse fortschreitende Reihen sowohl für die Quantität als Richtung der Eigen-Bewegungen, die sich sämmtlich dahin vereinigten, den bereits früher vom Verfasser angedeuteten Centralpunkt (in der Plejaden -Gruppe) zu bestätigen, woran sich der Wunsch schloss, baldmöglichst auch den für Europa's Sternwarten unerreichbaren Theil des südlichen Himmels in ähnlicher Weise bearbeiten zu können. Da übrigens die Übereinstimmung des Resultates in den verglichenen sechs Regionen, die vollständig untersucht worden, eine zu grosse ist, als dass hier noch ein Zufall im Spiele sein könnte, so liegt eine Thatsache vor, die, wie jede andere, eine Erklärung fordert, und der Redner schloss mit der Bemerkung, dass er an seiner gegebenen Erklärung unerschütterlich fest halten werde, bis eine bessere und genü

gendere von anderer Seite gegeben ist, zu der er im Interesse der Wahrheit alle diejenigen aufforderte, welche ihre Zweifel an der Richtigkeit der seinigen nicht fahren lassen können.

2. Prof. Schaaffhausen, die Bedeutung der Kultur in der Menschengeschichte. Der Redner vertheidigte die Berechtigung der sogenannten wilden Nationen zur Lebens-Existenz und suchte durch verschiedene Beobachtungen die Meinung zu stützen, dass alle Menschen-Racen in gleicher Weise der Kultur fähig seien und überhaupt die ganze Schöpfung durch die Kultur einer Verschönerung, Erhebung zugeführt würde.

3. Prof. Bialloblotzky, Dr. Vogel und die neuesten Entdeckungen in Central-Afrika. - Der Vortragende sprach seine Hoffnung aus, den kühnen Reisenden lebend wieder auftreten zu sehen, und hielt es für gerathen, zur weiteren Erforschung Inner-Afrika's vorläufig nur einfache Wanderer abzusenden, die weder den Argwohn, noch die Habgier der Fürsten und Völker reizen könnten.

Für die eigentlichen wissenschaftlichen Verhandlungen hatten sich 11 Sektionen (für Anatomie und Physiologie; Praktische Medizin; Chirurgie; Psychiatrik; Mathematik und Astronomie; Mineralogie, Geologie und Paläontologie; Botanik; Zoologie; Physik; Chemie; Agronomie) gebildet, welche an fünf Tagen Sitzungen hielten. Aus ihren Verhandlungen stellen wir im Folgenden dasjenige kurz zusammen, was in den Kreis der Aufmerksamkeit unserer Leser fällt.

Prof. Heiss

4. Mathematisch-Astronomische Sektion. aus Münster sprach über die Resultate der von ihm in verschiedenen Theilen Deutschlands eingeleiteten korrespondirenden Sternschnuppen-Beobachtungen zur Zeit der diessjährigen August-Periode, mit Auseinandersetzung seiner Methode, die Höhe und Bahnen der Meteore darzustellen. Dr. Cantor aus Heidelberg über Petrus Ramus und seine mathematisch-praktische Richtung, über Michael Stifel und Hieronymus Cardanus; es wurde durch Prof. Argelander aus Bonn die erste Lieferung der Kepler'schen Werke, besorgt von Prof. Frisch in Stuttgart, vorgelegt. Prof. Zech aus Tübingen erwähnt seine Vereinigung mit Dr. Förster, Dr. Winnicke, Dr. Krüger und Dr. Schönfeld, betreffend die Festsetzung gemeinsamer Epochen und Intervalle bei der Berechnung der speziellen Störungen der Kleinen Planeten. Staatsrath Mädler aus Dorpat über Mondkugeln, besonders über die neueren Darstellungen der Mondoberfläche in Relief und die Vervielfältigung solcher Abbildungen. Bei Besichtigung des von Dickert im Poppelsdorfer Schloss bei Bonn ausgestellten grossen Mond-Reliefs besprach Staatsrath Mädler ferner die Art der Entstehung des Mondes, die vier erkennbaren seleno

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logischen Perioden in den grossen Ring-Gebirgen, den Kratern, Berg-Adern und Rillen, endlich die räthselhaften Lichtstreifen, als deren Grund er die durch erhitzte Gase von innen heraus erfolgte Veränderung der Boden-Struktur vermuthet. Prof. von Riese aus Bonn schlägt als Aufhängefaden im Gaussischen Deklinations-Apparat mehrfache oder ungedrehte Fadenstränge der Posamentirer, mit Gutta percha bestrichen und ans Aufhängestäbchen geleimt, vor; er fügt Bemerkungen über das Verfahren bei Azimuth-Bestimmungen hinzu, sowie über Bestimmung des Nullpunktes der Torsion. Prof. Argelander aus Bonn führt die Erscheinungen am Veränderlichen Sterne im Schilde vor und findet, dass die Helligkeit im Minimum einer regelmässigen Abwechselung unterworfen sei, und zwar so, dass nach mehreren Jahren die hellen Minima in die schwächeren und umgekehrt übergegangen waren. Zur Erklärung dieser Erscheinung sind die Beobachtungen zu vervielfältigen.

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5. Mineralogisch-Geologische Sektion. Ober-Medizinalrath Dr. G. Jäger aus Stuttgart spricht über die Entstehung regelmässiger Formen der Gebirgs-Arten und ihre Zurückführung auf krystallinische Wirkungen in den Massen, die sich in der Bildung einzelner regelmässiger Krystalle im Jura-Kalk, Feldstein-Porphyr u. s. w. erweist, sowie in der Bildung rhombischer Massen im Grossen im Keuper-Sandstein, wo aber die Winkel der rhombischen Formen wechseln. Dr. Ad. Pichler aus Innspruck zeigt und bespricht eine geognostische Karte der nördlichen Kalk-Alpen Tirols von der Grenze Vorarlbergs bis an die Grenze Salzburgs.

Berghauptmann Dr. von Dechen aus Bonn giebt Aufschlüsse über die Geognostische Karte vom Rheinland und Westphalen, wovon 11 Sektionen erschienen und 9 vorbereitet sind, die binnen 5 Jahren erscheinen werden. Er legt ferner die von der Mittel-Rheinischen Geologischen Gesellschaft herausgegebenen drei Karten vom Grossherzogthum Hessen, im Maassstab von 1:50.000, sowie André Dumont's geognostische Karte von Europa vor. Berg-Referendar von dem Borne aus Bochum redet über die geologischen Verhältnisse Pommerns, wo das meist die sandigen Küsten bildende Alluvium durch Strömungen vielfach verändert ist und von den Pommern'schen nach den Preussischen Küsten gespült wird. Das Diluvium zeigt eine gestörte jüngere und eine regelmässig gelagerte ältere Bildung. Das Tertiär ist in der Septarien-Formation bei Stettin und in der Braunkohlen-Formation über den grössten Theil Hinter-Pommerns verbreitet. Von den nun auszubeutenden Jura - Schichten bei Cammin werden bedeutende Aufschlüsse erhofft. Bergrath Prof. von Hingenau aus Wien erwähnt gewisse, wahrscheinlich durch Hitze bewirkte Veränderungen des Sandsteins in der Nähe der

bei Luhatschowitz aufsprudelnden Gesundbrunnen (alkalinische Säuerlinge) in den Mährischen Karpathen. Über jene Gegend werden übrigens die Arbeiten des WernerVereins in ein bis zwei Jahren mehr Licht verbreiten. Dieser Verein, im Jahre 1850 an Werner's hundertjährigem Geburtstage gegründet und 1851 ins Leben getreten, hat sich mit den Privatkräften von 100 bis 150 Mitgliedern und durch Unterstützung des Mährischen Landes-Ausschusses und anderer hoher Gönner zu einem recht thätigen Leben entwickelt und u. A. schon 250 Quadrat-Meilen Gebiet fertig aufgenommen. Nach Vollendung der Aufnahmen, welche sich an die der Geologischen Reichs-Anstalt anschliessen sollen, wird der Verein die Herausgabe der Karten möglichst beschleunigen. Die Berichte des Vereins werden in der Geologischen Reichs-Anstalt gedruckt. Kammerrath von Strombeck aus Braunschweig über die Gliederung des Pläners am Harz. Der Pläner ist zu unterscheiden in den untern und obern, die wenig gemeinsame Fossilien haben, während die Glieder innerhalb der beiden durch keine scharfen Grenzen zu unterscheiden sind. Prof. G. Rose aus Berlin trägt Beobachtungen über den den Granitit des Riesen-Gebirges nordwestlich begrenzenden Gneiss und die darin aufsetzenden Granite vor, welche im Riesen - Gebirge scharf zu unterscheiden sind. Dr. Schimper aus Schwetzingen über ein „,Morphologisches System der Flussgeschiebe". Dr. Drescher aus Frankfurt referirt über Major Papen's Schichten-Karte, deren Prinzip, von Gauss zuerst angegeben, gewissermaassen zwischen den geographischen und geognostischen Karten steht. Sir Roderick Murchison aus London legte die neuesten Publikationen der „Geological Survey of the British Isles" vor, in Karten, Durchschnitten u. s. w. bestehend, über das Silurische System, das Kohlen-Gebirge, die sekundären und tertiären Ablagerungen in Gross-Britannien; dazu andere beschreibende Werke über denselben Gegenstand. Berghauptmann von Carnall aus Breslau legt die neue Ausgabe seiner geognostischen Karte von Ober-Schlesien vor und macht auf die vielfachen und wichtigen Veränderungen darauf aufmerksam. Dr. Otto Volger aus Frankfurt erklärt für die Ursache des Erdbebens in Wallis im Jahre 1855 nicht vulkanische Vorgänge, sondern Auswaschungen, wodurch die überliegenden Schichten ihre Unterlage verloren hätten 1). Staatsrath Prof. Dr. Abich aus Petersburg vindicirt den Schlamm-Vulkanen auf den beiden Kaukasischen Halb-Inseln Taman und Apscheron rein vulkanische Entstehung, wenn auch ihre Auswürfe neptunischer Herkunft seien; denn die stratographi

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1) S. Dr. Volger's ,,Untersuchungen über das jüngste grosse Erdbeben in Central-Europa" mit zwei Karten in Geogr. Mittheilungen, 1856, SS. 85 bis 102, Tafel 6. und 7.

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