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Alle diese Anordnungen aber lassen sich lange vorher erwägen, und, die Kriegsbereitschaft der Truppen, die Organisation des Transportwesens vorausgesetzt, müssen sie zu dem beabsichtigten Resultat führen. Anders verhält es sich bei der weiteren Aufgabe der Strategie, der kriegerischen Verwendung der bereitgestellten Mittel, also bei den Operationen. Hier begegnet unserem Willen sehr bald der unabhängige Wille des Gegners. Dieser kann zwar beschränkt werden, wenn man rechtzeitig zur Initiative fertig und entschlossen ist, aber man vermag ihn nicht anders zu brechen als durch das Gefecht. Die materiellen und moralischen Folgen jedes größeren Gefechts sind nun so weitgreifender Art, daß durch dieselben meist eine völlig veränderte Situation und mit ihr eine Basis für neue Maßnahmen geschaffen wird. Kein Operationsplan kann mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinausreichen.“

Im Winter 1868 bis 1869 arbeitete General Moltke eine Denkschrift aus und übergab sie dem König von Preußen, dessen Genehmigung sie erhielt. In derselben waren die detaillierten Vorschläge für die Versammlung aller deutschen Streitkräfte im Fall eines Krieges gegen Frankreich und für Aufstellung und Gliederung der einzelnen Armeen, als Basis jeder weiteren Operation, niedergelegt. Als nächstes Operationsziel bezeichnet die Denkschrift, „die Hauptmacht des Gegners aufzusuchen und, wo man sie findet, anzugreifen," und läßt als leitenden Gedanken das Bestreben erkennen, die feindliche Hauptmacht in nördlicher Richtung von ihrer Verbindung mit Paris abzudrängen“.

Die Stärke der norddeutschen Armee war weit bedeutender als die der preußischen im Kriege von 1866. Damals bestand die preußische Armee aus 8 Armeekorps und dem Gardekorps. Aus den annektierten Provinzen und den mit der preußischen Armee verschmolzenen kleineren Bundeskontingenten waren drei weitere preußische Armeekorps, das 9., 10. und 11., gebildet und in diese die selbständigen Kontingente der beiden Mecklenburg und

Braunschweigs aufgenommen worden. Dazu kamen als 12. Armeekorps das sächsische und das gesamte Kontingent des Großherzogtums Hessen als 25. Division. Die norddeutsche Armee bestand somit aus 1212 Armeekorps und dem Gardekorps. Nach erfolgter Mobilmachung zählte die Feldarmee 385 000 Mann Infanterie, 48 000 Mann Kavallerie und 1284 Geschüße, die Besaßungstruppen 115200 Mann Infanterie, 7200 Mann Kavallerie, 34 600 Mann Festungsartillerie und 162 Geschüße, die Ersaßtruppen 122500 Mann Infanterie, 15200 Mann Kavallerie und 246 Geschüße. Die Verpflegungsstärke betrug, nach einer Berechnung im Monat August 1870, 982 064 Mann mit 209 403 Pferden. Dazu kamen die süddeutschen Kontingente. Die Gesamtstärke der bayrischen Truppen betrug, nach der nämlichen Berechnung, 128 964 Mann und 24056 Pferde, die der württembergischen 37 180 Mann und 8876 Pferde, die der badischen 35 181 Mann und 8038 Pferde. Die Gesamtsumme der deutschen Streitkräfte im Monat August betrug daher, mit Ausnahme der Marine, 1183 389 Mann mit 250373 Pferden. Das Generalstabswerk fügt diesen Angaben hinzu: „Eine Aufstellung von solcher Stärke und einheitlicher Ausbildung hat bis dahin noch keine Nation zu verwirklichen vermocht." Die Kriegsmarine bestand aus 12 größeren Kriegsschiffen und 21 Kanonenbooten, die Seemannschaft aus 10382 Mann. Zum Schuß des Küstengebietes wurden die nötigen Maßregeln getroffen: Sperrungen des Fahrwassers, Aufstellung von Strandbatterieen und Torpedobooten.

Von entscheidender Wichtigkeit für die Führung des Krieges war die Frage, ob die Truppen Bayerns, Württembergs und Badens, welche oben auf etwa 200 000 Mann berechnet sind, an die norddeutsche Armee sich anschlossen. Sobald der Anschluß gesichert war, war das Stärkeverhältnis der deutschen Armee zur französischen sehr zu Gunsten der ersteren. Mit den Vertretern der süddeutschen Kontingente hatten schon früher in Berlin Besprechungen bezüglich eines französischen Einfalls in Süddeutschland

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stattgefunden. Man hatte sich überzeugt, daß bei direkter Verteidigung des oberen Rheins und des Schwarzwalds NorddeutschLand eine wirksame, unmittelbare Hilfe im ersten Augenblick, schon der Entfernung nach, nicht zu leisten in der Lage sei, und daß eine weit größere Sicherung des deutschen Südens aus der Vereinigung aller Streitkräfte am mittleren Rhein erwachse, welche von dort, sei es auf dem rechten oder dem linken Ufer, offensiv in die Flanke der feindlichen Invasion vorgingen und diese notwendig sehr bald zum Stehen oder zur Umkehr zwingen mußten. Es verdient ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß die süddeutschen Fürsten, diesen Ansichten beipflichtend, in Hingebung an die gemeinsame Sache und im Vertrauen auf die obere Heeresleitung nicht zögerten, das eigene Landesgebiet von ihrer aktiven Militärmacht zu entblößen, um sie dem norddeutschen Heere unmittelbar anzureihen. Um so schwerer wog dabei die Verpflichtung, welche der Norden übernahm."

Durch die Neutralität Belgiens, Hollands und der Schweiz war der Kriegsschauplaß auf den Raum zwischen Luremburg und Basel beschränkt. Daß der Feind gegen eines dieser Länder vordringen werde, hielt die Denkschrift für unwahrscheinlich. „Wir dürfen vielmehr mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Franzosen ihre erste Versammlung auf der Linie Mez - Straßburg bewirken werden, um mit Umgehung unserer starken Rheinfront gegen den Main vorzubringen, Nord- und Süddeutschland zu trennen, mit letterem ein Abkommen zu treffen und, basiert auf dasselbe, gegen die Elbe vorzuschreiten. Auch dann ergiebt sich eine Versammlung füdlich der Mosel, und zwar aller verfügbaren Streitkräfte, in der bayrischen Pfalz als das geeignetste Mittel, solchen Plänen entgegenzutreten. Wollten die Franzosen mit einem Teil ihrer Streitmacht von Straßburg aus gegen Süddeutschland vorgehen, so sollte eine Operation in die Flanke dieses Marsches jedes weitere Vordringen über den Schwarzwald hinaus verhindern und den Gegner zwingen, sich erst gegen Norden Luft

zu machen. Schloß sich das badisch-württembergische Korps dem linken Flügel der norddeutschen Armee an, so konnte diese dasselbe so verstärken, daß eine Entscheidung schon in der Höhe von Rastatt gesucht werden darf." Die Aufstellung in der Pfalz sezte die deutsche Armee in die Lage, sich sowohl nach Straßburg als nach Met zu wenden oder, den Anschluß der süddeutschen Truppen vorausgesezt, gleichzeitig nach beiden Seiten Front zu machen. Durch diese Aufstellung wurde der untere und der obere Rhein geschüßt, eine Offensive in Feindesland möglich und wahrscheinlich jedem Betreten deutschen Bodens durch die Franzosen zuvorgekommen. Es fragt sich also nur noch, ob wir ohne Gefahr, in unserer ersten Versammlung gestört zu werden, diese über den Rhein hinaus in die Pfalz und bis hart an die französische Grenze verlegen dürfen, und diese Frage ist nach meiner Ansicht mit „Ja“ zu beantworten; denn unsere Mobilmachung ist bis in das lezte Detail vorbereitet: sechs durchgehende Eisenbahnen sind für den Transport nach der Gegend zwischen Mosel und Rhein verfügbar; die Fahrlisten, aus welchen jeder Truppenteil Tag und Stunde des Aufbruchs und des Eintreffens ersieht, liegen fertig; schon am 10. Tage (nach dem Mobilmachungsbefehl vom 16. Juli) können die ersten Abteilungen unweit der französischen Grenze stehen, am 13. zwei Armeekorps sich dort versammeln, am 18. 300 000 Mann dort aufgestellt, am 20. dieselben mit fast allen Trains versehen sein. Wir haben durchaus keinen Grund anzunehmen, daß die Versammlung der französischen Armee in mobilem Zustande schneller bewirkt werden könnte."

Hinsichtlich der Gruppierung der Streitkräfte sollte das nämliche Verfahren eingehalten werden, das sich im Feldzuge von 1866 so trefflich bewährt hatte. Es sollten wieder drei Armeen gebildet werden, welche getrennt marschierten und vereint schlugen. Die Erste Armee bestand aus zwei Armeekorps, dem 7. und 8., zusammen etwa 60000 Mann und sollte den rechten Flügel der großen Armee bilden und bei Wittlich, nördlich von Trier, sich

aufstellen; die Zweite Armee, bestehend aus vier Armeekorps, dem 3., 4., 10. und dem Gardekorps, zusammen etwa 131 000 Mann, sollte das Zentrum bilden und zwischen Neunkirchen und Homburg sich versammeln; die Dritte Armee, bestehend aus fünf Armeekorps, dem 5. und 11. preußischen, dem 1. und 2. bayrischen und den zwei Divisionen der Württemberger und Badener, zusammen etwa 130000 Mann, sollte als linker Flügel bei Landau und Rastatt Stellung nehmen. Eine Reserve von zwei Armeekorps, dem 9. und 12., etwa 63000 Mann, sollte vorwärts Mainz sich aufstellen, zur Verstärkung der Zweiten Armee dienen und diese auf 194 000 Mann bringen. Diese vier Gruppen bildeten zusammen eine Operationsarmee von 384 000 Mann. Außerdem waren noch drei Armeekorps, das 1., 2. und 6., zusammen etwa 100 000 Mann, verfügbar, welche ihren Abmarsch erst nach Vollendung des Transports der anderen Korps beginnen sollten; von diesen sollte das 1. und 2., welche in den Provinzen Preußen und Pommern zurückgelassen wurden, jenes zur Ersten, dieses zur Zweiten Armee stoßen, das 6. in Schlesien das unzuverlässige Östreich beobachten und erst später die Dritte Armee verstärken. Zu Festungsbesaßungen sollten neun Infanterieregimenter, zur Küstenbewachung die 17. Infanteriedivision und vier Landwehrdivisionen verwendet werden; das Kommando über die im Generalgouvernement Hannover stehenden mobilen Truppen wurde dem Großherzog Franz von Mecklenburg-Schwerin übertragen. Die Vorbereitungen für die Versammlung und für den Transport dieser Massen waren so getroffen, daß drei Wochen nach Erlaß des Mobilisierungsbefehls die drei Armeen mit 384 000, nach weiteren vier Tagen mit 484 000 Mann die Offensive ergreifen konnten. Die Vorarbeiten für den Transport," sagt das Generalstabswerk, „waren bis in das lette Detail fortgeführt, und als der König beim Eintreffen in Berlin die Genehmigung erteilte, war nur erforderlich, das Datum des ersten Mobilmachungstages in die, von der Eisenbahnabteilung im Generalstabe (Oberstleutnant v. Brandenstein), für jeden ein

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