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Truppen gegen Preußen marschieren ließ, war sicher. Die hierauf bezüglichen Abmachungen fanden bei der Zusammenkunft statt, welche König Wilhelm vom 1. bis 3. Juni 1870 mit Kaiser Alexander II. von Rußland in Ems hatte. Jener hatte den Grafen Bismarck, dieser den russischen Botschafter in Berlin, Herrn v. Oubril, bei sich. Dies deutete auf diplomatische Ver handlungen hin. Es liegt zwar nichts Urkundliches hierüber vor. Daß aber die nach dem Ausbruch des Krieges erfolgte Erklärung der russischen Regierung, sie werde neutral bleiben, solange die anderen Mächte es auch blieben, sie würde aber, sobald eine dritte Macht auf die Seite Frankreichs treten würde, als Bundesgenosse Preußens ins Feld rücken, und die im Oktober 1870 abgegebene Erklärung Rußlands, wonach es die seine Seemacht beschränkenden Bestimmungen des Pariser Vertrags von 1856 nicht mehr als gültig anerkannte, im Zusammenhange mit den Emser Besprechungen stehen, ist wohl über allen Zweifel erhaben.

Wie Östreich durch Rußlands Haltung im Zaume gehalten wurde, so war Italien für den Kaiser Napoleon nicht zu gewinnen, wenn er nicht den von Viktor Emanuel verlangten Preis, die Räumung Roms, bezahlte. Prinz Napoleon sagte hierüber am 24. November 1876 in der französischen Kammer: „Wenn wir beim Ausbruch des Krieges die weltliche Herrschaft des Papstes ihrem Schicksal überlassen hätten, so hätten wir eine Allianz (Italien) sofort gehabt und eine andere Allianz (Östreich) hätte nicht lange auf sich warten lassen." Von seiner klerikalen Umgebung gedrängt, wagte Napoleon nicht, den geforderten Preis zu bezahlen. Infolgedessen blieb Italien neutral. Erst nach den Kämpfen bei Mez erklärte sich Napoleon bereit, den Willen Italiens zu befriedigen. Aber es war zu spät. Prinz Napoleon reiste im Auftrage seines Vetters zum Zweck des Abschlusses eines Bündnisses nach Florenz. Er kam am 28. August dort an, und drei Tage nachher wurde die Schlacht bei Sedan geliefert. Unter solchen Umständen hatte keine europäische Macht Lust, mit Frank

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reich ein Bündnis zu schließen. Auch mit Dänemark wurde unterhandelt. Während die deutschen Truppen gegen den Rhein marschierten, sollte ein dänisches Heer in Schleswig einrücken. Aber die dänische Regierung, des Jahres 1864 gedenkend, hatte keine Lust, sich den Keulenschlägen Preußens aufs neue auszuseßen, es wäre denn, daß etwa 40 000 Mann französischer Truppen in den Herzogtümern landeten und französische Siegestelegramme ein- liefen.

Die englische Regierung machte sich am 17. Juli die unnötige Mühe eines Vermittlungsversuches und trug Preußen und Frankreich ihre vermittelnden Schritte an. In seiner Antwort vom 18. Juli erklärte Bismarck, daß die Möglichkeit zur Anknüpfung solcher Verhandlungen nur durch vorgängige Feststellung der Bereitwilligkeit Frankreichs gewonnen werden könnte. Der Herzog von Gramont aber erwiderte am 18. Juli dem Lord Lyons, „eine Vermittlung sei durch die lezten Schritte der preußischen Regierung unmöglich geworden. Diese habe Frankreich insultiert, indem sie dem Publikum erklärte, der König habe den französischen Botschafter beleidigt." Auch Papst Pius IX. bot in einem Schreiben vom 22. Juli, das er an König Wilhelm und an Kaiser Napoleon richtete, als Stellvertreter des Gottes des Friedens auf Erden“ seine Vermittlung an. König Wilhelm erklärte sich in seiner Antwort vom 30. Juli bereit zur Annahme dieser Vermittlung, falls Se. Heiligkeit ihm von seiten dessen, welcher den Krieg so unvermutet erklärt hat, die Versicherung aufrichtig friedlicher Gesinnungen und Bürgschaften gegen die Rückkehr eines ähnlichen Angriffes auf den Frieden und die Ruhe Europas geben könne."

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Um aller Welt zu zeigen, welche Eroberungspläne Kaiser Napoleon in den lezten Jahren gehegt habe, ließ Bismarck in der Londoner „Times" den Vertragsentwurf des Grafen Benedetti von 1867, in welchem von der Wegnahme Luremburgs und Belgiens die Rede war, veröffentlichen und teilte am 29. Juli in einem

Rundschreiben an die Vertreter des Norddeutschen Bundes die vielen Anerbietungen mit, welche schon vor 1862 von der französischen Regierung ihm gemacht worden seien. Daraus war zu ersehen, daß Frankreich in dem lezten Jahrzehnt fast alle seine Nachbarn, Deutschland, Belgien, Luremburg, die Schweiz, Italien, zu berauben oder ganz zu verschlingen drohte und Östreich aufs neue zu bekriegen bereit war. Ich war nicht der Meinung derjenigen Politiker, welche dazu rieten, dem Kriege mit Frankreich deshalb nicht nach Kräften vorzubeugen, weil er doch unvermeidlich sei. So sicher durchschaut niemand die Absichten göttlicher Vorsehung bezüglich der Zukunft, und ich betrachte auch einen siegreichen Krieg an sich immer als ein Übel, welches die Staatskunst den Völkern zu ersparen bemüht sein muß. Ich durfte nicht ohne die Möglichkeit rechnen, daß in Frankreichs Verfassung und Politik Veränderungen eintreten könnten, welche die beiden großen Nachbarvölker über die Notwendigkeit eines Krieges hinweggeführt hätten, eine Hoffnung, welcher jeder Aufschub des Krieges zu gute kam. Aus diesem Grunde schwieg ich über die gemachten Zumutungen und verhandelte dilatorisch über dieselben, ohne meinerseits jemals auch nur ein Versprechen zu machen.“

Auf diese Enthüllungen hin forderte die englische Regierung, welche es in ihrem Interesse fand, die Integrität Belgiens zu schüßen, Preußen und Frankreich auf, mit ihr einen Vertrag zu schließen. Derselbe kam am 9. August zustande und garantierte die Unabhängigkeit und Neutralität Belgiens für die Dauer des Krieges, in Übereinstimmung mit dem Vertrage vom 19. April 1839. Im Parlament erklärte die englische Regierung am 18. Juli die Neutralität Englands. Damit fand sie es nicht unvereinbar, daß sie die französischen Schiffe in den englischen Häfen sich mit Kohlen und mit neuen Waffen versehen ließ, ein Beispiel, das die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika nachzuahmen kein Bedenken trug. Auch die spanische Regierung huldigte einer sonderbaren Neutralität. Obgleich Frankreich tief in ihre souveränen

Rechte eingriff, wenn sie erklärte, daß sie den von ihr gewählten König nicht als solchen dulden werde, zeigte jene doch nicht die geringste Lust, für ihr freies Wahlrecht einzutreten. Nach der Verzichtleistung des Prinzen Leopold erklärte sie, daß die zwischen Preußen und Frankreich entstandene Streitfrage sie gar nicht berühre, und überließ es dem Ministerpräsidenten Prim, sich nach einem anderen Kandidaten für den spanischen Thron umzusehen.

Müller, Ginigungstriege.

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9.

Der deutsch-französische Krieg.

(1870/71.)

1) Der Moltkesche Kriegsplan.

Pie preußische Regierung war seit dem Jahre 1867 überzeugt, daß in Paris der Krieg gegen Preußen unwider

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ruflich beschlossen sei und daß, wie Bismarck sagte, „die definitive Überzeugung, es sei mit uns keine Grenzerweiterung Frankreichs zu erreichen, den Kaiser Napoleon zu dem Entschlusse geführt hat, eine solche gegen uns zu erstreben". War Frankreich zu dem Entscheidungskampfe entschlossen und war Preußen von der inneren Notwendigkeit desselben überzeugt, so war es natürlich, daß die Strategen beider Länder bei Zeiten ihre Vorbereitungen trafen. Das Generalstabswerk sagt hierüber: Zu den Aufgaben des Generalstabs im Frieden gehört es, für alle wahrscheinlichen kriegerischen Eventualitäten die Gruppierung und den Transport der Truppenmassen in detailliertester Weise zu bearbeiten und die Entwürfe dafür im voraus bereit zu halten. Bei dem ersten Aufmarsch einer Armee kommen die vielseitigsten politischen und geographischen Erwägungen neben den militärischen in Betracht. Fehler in der ursprünglichen Versammlung der Heere sind im ganzen Verlauf der Feldzüge kaum wieder gut zu machen.

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