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Wahrung der Interessen, der Sicherheit und der Ehre Frankreichs sofort die nötigen Maßregeln ergreifen werde. Troß der warnenden Worte des Abgeordneten Thiers, welcher einen üblen Ausgang befürchtete, beharrten die Minister auf ihrer Erklärung, und troß der Forderung der Opposition, daß der Wortlaut des sogenannten beleidigenden Telegramms vorgelegt werden solle, sagte Ollivier: „Wir versichern die beleidigende Thatsache auf unsere Ehre; das muß genügen.“ Der Kredit von 66 Millionen Frank für die Armee und die Marine und die Geseßentwürfe über die Berufung der Mobilgarde zum aktiven Dienst und über die Anwerbung Freiwilliger wurden im Geseßgebenden Körper fast einstimmig, im Senat einstimmig genehmigt. „An dem Schwert Frankreichs ist es jezt, seine Pflicht zu thun,“ rief der Senatspräsident Rouher. Am Abend dieses Tages ertönte in den Straßen von Paris der Ruf: „Nach Berlin, nach Berlin!“

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König Wilhelm kehrte am 15. Juli nach Berlin zurück. Seine Reise war ein Triumphzug. Der Kronprinz, Bismarck, Moltke und Roon fuhren ihm bis Brandenburg entgegen. In dem Immediatbericht vom 23. September 1888 teilt Bismarck mit: Se. Majestät glaubte, den Frieden noch erhalten und dem Lande den Krieg ersparen zu können. Er war in Brandenburg und während der ganzen Fahrt von da nach Berlin meiner Befürwortung der Mobilmachung unzugänglich. Aber sofort nach Vorlesung der Ollivierschen Rede auf dem Berliner Bahnhofe, und nachdem Se. Majestät mir die wiederholte Vorlesung der Rede befohlen hatte und dieselbe als gleichbedeutend mit französischer Kriegserklärung ansah, entschloß der König sich aus eigenem Antriebe und ohne weiteres Zureden zur Mobilmachung. Se. Königliche Hoheit der Kronprinz, über die Notwendigkeit der vollen Mobilmachung bereits am Tage vorher mit mir einverstanden, hat dann weitere Schwankungen durch die Verkündigung der königlichen Entschließung mit den Worten: Krieg! Mobil! an das Publikum, das heißt an die anwesenden Offiziere, abgeschnitten.“

Die Ankunft des Königs in Berlin erfolgte um 834 Uhr. Jm Wartezimmer des Bahnhofs wurden ihm die nachmittags aus Paris eingelaufenen Depeschen übergeben, welche, wie wir eben gesehen haben, Bismarck vorlas. Unter dem begeisterten Zuruf der vielen Tausende von Menschen, welche die Straßen füllten, fuhr der König nach dem Schloß, wo bald darauf Bismarck und Moltke sich einfanden, um dem König Vortrag zu halten. Noch am Abend dieses Tages wurde die Mobilmachung der ganzen Armee, die Berufung des norddeutschen Bundesrats auf den 16., die des Reichstags auf den 19. Juli beschlossen. Aufrufe zur Spendung freiwilliger Gaben wurden von der Königin und der Kronprinzessin an die deutsche Nation gerichtet.

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Bei der Eröffnung des Bundesrats beleuchtete Bismarck in seiner Rede den Verlauf der Ereignisse, welche sich in den letten Tagen vollzogen hatten, und schloß mit den Worten: Wäre es dem französischen Kabinett lediglich darum zu thun gewesen, zum Zweck der Beseitigung dieser Kandidatur die guten Dienste Preußens in Anspruch zu nehmen, so hätte sich demselben hiefür in einem vertraulichen Benehmen mit der preußischen Regierung der einfachste und geeignetste Weg dargeboten. Die Aufnahme, welche die Rede des Herzogs von Gramont im Geseßgebenden Körper gefunden, die von der französischen Regierung seitdem eingenommene Haltung, die von ihr gestellten unannehmbaren Zumutungen konnten dem Bundespräsidium keinen Zweifel darüber lassen, daß die französische Regierung es von vornherein darauf abgesehen hatte, entweder Preußens Demütigung oder den Krieg herbeizuführen. Der ersteren Alternative sich zu fügen, war unmöglich. Es bleibt keine Wahl mehr als der Krieg."

In dem zur Richtigstellung der Thatsachen an die Gesandten bei den deutschen und auswärtigen Höfen gerichteten Rundschreiben vom 18. Juli bezeichnete Bismarck als die wahren Motive dieses Krieges die schlechtesten und seit einem halben Jahrhundert von

den Völkern und Regierungen der zivilisierten Welt gebrandmarkten Traditionen Ludwigs XIV. und des ersten Kaiserreiches."

Am 19. Juli hielt König Wilhelm bei der Eröffnung des Reichstags eine zündende Thronrede: „Hat Deutschland derartige Vergewaltigungen seines Rechts und seiner Ehre in früheren Jahrhunderten schweigend ertragen, so ertrug es sie nur, weil es in seiner Zerrissenheit nicht wußte, wie stark es war. Heute, wo das Band geistiger und rechtlicher Einigung, welches die Befreiungskriege zu knüpfen begannen, die deutschen Stämme je länger, desto inniger verbindet; heute, wo Deutschlands Rüstung dem Feinde keine Öffnung mehr bietet, trägt Deutschland in sich selbst den Willen und die Kraft der Abwehr erneuter französischer Gewaltthat."

Nach dieser Feierlichkeit überbrachte der französische Geschäftsträger Le Sourd dem Grafen Bismarck die förmliche Kriegserklärung. Sofort begab sich letterer in den Reichstag und teilte ihm dieses neueste Ereignis mit. Das ganze Haus erhob sich unter dem Rufe: „Bravo! Hurra! Es lebe der König!" Der Reichstag bewilligte am 21. Juli einstimmig die von der Regierung ge= forderten 120 Millionen Thaler und die übrigen auf die damalige Lage sich beziehenden Vorlagen, worauf er geschlossen wurde. „Die Arbeit der Volksvertretung ist somit für diesmal vollbracht. Nun wird das Werk der Waffen seinen Lauf nehmen," waren die leßten Worte des Reichstagspräsidenten Dr. Simson. Mit einem dreimaligen Hoch auf den obersten Bundesfeldherrn der deutschen Heere ging die Versammlung auseinander.

Schönere Tage als diese Julitage hat Deutschland kaum irgend einmal gesehen. Von der Königsau bis zu den Alpen herrschte unter der Bevölkerung nur der eine Gedanke, daß mit dem gewaltthätigen Störenfried gründliche Abrechnung gehalten werden, daß aus einem siegreichen Feldzuge die Einheit Deutschlands hervorgehen, und daß die von Frankreich geraubten Grenzprovinzen mit Deutschland wieder vereinigt werden müßten. Süd

deutschland blieb seinem in den Allianzverträgen gegebenen Worte treu. König Ludwig II. von Bayern gab am 16. Juli den Befehl zur Mobilisierung seiner Armee, die Abgeordnetenkammer lehnte den ultramontanen Antrag, welcher bewaffnete Neutralität bezweckte, ab und bewilligte die geforderten Kriegsgelder. Dem Beispiele Bayerns folgte Württemberg; Hessen war durch die Militärkonvention gebunden; der Großherzog von Baden ließ am 22. Juli dem französischen Gesandten seine Pässe zustellen und einen Pfeiler der Eisenbahnbrücke zwischen Kehl und Straßburg sprengen. Die französische Regierung war über die nationale Haltung Badens so erbittert, daß, auf die falsche Nachricht, unter die badischen Truppen seien erplosive Flintenkugeln ausgeteilt worden, Gramont dem badischen Gesandten in Paris melden ließ, Frankreich würde in diesem Falle Repressalien ergreifen, Baden als außerhalb des Völkerrechts stehend betrachten, das Land wie zu Melacs Zeiten verwüsten und selbst die Frauen nicht verschonen.

Nord und Süd übergaben vertrauensvoll dem König von Preußen die Führung sämtlicher Streitkräfte Deutschlands. Der Krieg, welcher ein dynastischer hätte sein sollen, wurde durch die rohe Leidenschaft der französischen Regierung zu einem nationalen Kriege ersten Ranges gemacht. Nicht bloß die Preußen sahen die ihrem König angethane Schmach als die ihrige an und wußten, daß dieser Krieg nicht sowohl der spanischen Thronkandidatur als der Errichtung eines mächtigen einheitlich organisierten Deutschen Reiches gelte, sondern auch die Bayern und die Württemberger hatten, mit Ausnahme einiger Unverbesserlichen, die gleichen Anschauungen. Es war eine große Täuschung der französischen Regierung, auf die unpatriotischen Äußerungen Einzelner sich stüßend, von ganz Süddeutschland die Ansicht zu haben, daß es lieber französisch sein wolle als preußisch. Graf Beust hatte schon am 13. Juli dem englischen Botschafter gesagt: „Frankreich macht einen großen Fehler, wenn es auf die Sympathieen dieser Staaten für seine

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Sache rechnet." Wem die Sympathieen des Grafen Beust galten, war aus der am 20. Juli an den Fürsten Metternich in Paris gerichteten Depesche zu ersehen. Darin trug er dem Botschafter auf, dem Kaiser und dessen Ministern zu wiederholen, daß wir, getreu den Verpflichtungen, wie sie in den zu Ende des vorigen Jahres zwischen den beiden Souveränen ausgetauschten Schreiben festgestellt sind, die Sache Frankreichs wie die unsere betrachten und in den Grenzen des Möglichen zum Erfolge seiner Waffen beitragen werden. Diese Grenzen sind teils durch unsere inneren Verhältnisse, teils durch politische Erwägungen von der höchsten Wichtigkeit bestimmt." Bezüglich der ersteren sagte er: „Wir dürfen nicht vergessen, daß unsere 10 Millionen Deutscher im gegenwärtigen Kriege nicht ein Duell zwischen Frankreich und Preußen, sondern den Anfang eines nationalen Kampfes erblicken, und daß die Ungarn sich sehr zurückhaltend erweisen werden, wenn es gilt, ihr Blut und ihr Geld für die Wiedergewinnung unserer Stellung in Deutschland zu opfern. Bezüglich der auswärtigen Politik glaubte er zu wissen, daß unser Eintritt in die Handlung sofort den von Rußland nach sich ziehen würde, das uns nicht bloß in Galizien, sondern auch am Pruth und an der unteren Donau bedroht. Rußland neutral zu halten bis zu dem Zeitpunkt, wo die vorgerückte Jahreszeit ihm nicht mehr gestattet, an die Konzentration von Truppen zu denken, alles zu vermeiden, was dasselbe verleßen oder ihm einen Vorwand zur Einmischung geben könnte, das muß für den Augenblick das Ziel unserer Politik sein. Die Neutralität Rußlands hängt von der unsrigen ab. Unter diesen Umständen ist das Wort Neutralität, welches wir nicht ohne Bedauern aussprechen, eine gebieterische Notwendigkeit für uns. Aber diese Neutralität ist nur ein Mittel, nämlich das Mittel, uns dem wirklichen Ziel unserer Politik zu nähern, das einzige Mittel, unsere Rüstungen zu vollenden, ohne uns einem vorzeitigen Angriffe Preußens oder Rußlands auszusehen."

Daß dieser Angriff Rußlands erfolgte, sobald Östreich seine

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