Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

und die Situation kann sich in kurzem ändern. Um so weniger darf aber das Terrain im voraus gefährdet werden durch Beschlüsse, welche sämtlichen Unterzeichnern des Londoner Vertrags eine angreifbare Seite darbieten."

Preußen und Östreich hielten sich zunächst an den Deutschen Bund, daß dieser für die Erhaltung des zwischen Holstein und Schleswig bestehenden politischen Bandes eintreten solle, und stellten am 28. Dezember 1863 beim Bundestage den Antrag, daß derselbe die dänische Regierung auffordern solle, das Grundgesetz vom 18. November bezüglich des Herzogtums Schleswig nicht in Vollzug zu sezen, sondern dasselbe definitiv wieder aufzuheben. Auch verlangten sie, er solle mit diesem Verlangen die Erklärung verbinden, daß im Falle der Weigerung der Deutsche Bund im Gefühle seines Rechts und seiner Würde die erforderlichen Maßregeln ergreifen müßte, um sich durch eine militärische Beseßung des Herzogtums Schleswig ein Pfand für die Erfüllung seiner gerechten Forderungen zu verschaffen. Der Militärausschuß sollte sofort die nötigen Anordnungen vorschlagen, damit die dem Bunde für die eventuelle Besetzung Schleswigs zur Verfügung zu stellenden Streitkräfte auf die nötige Stärke gebracht würden. Die Mittelstaaten, welche für die Lösung staatsrechtlicher Streitpunkte wenig Verständnis hatten und vor allem die Erbfolgefrage entschieden und die Anerkennung des Augustenburgers durchgesezt wissen wollten, beeilten sich mit der Beratung dieses Antrages nicht und mußten am 11. Januar 1864 von den beiden „Vormächten" gemahnt werden. In der Bundestagssizung vom 14. Januar erfolgte die Ablehnung des Antrags, worauf die Gesandten Preußens und Östreichs sofort die Erklärung abgaben, daß ihre Regierungen, bei der besonderen Stellung, welche sie zu den Stipulationen von 1851/52 einnehmen, und bei der großen Dringlichkeit der Sache, sich der Pflicht nicht entziehen dürften, die Geltendmachung der Rechte des Deutschen Bundes in ihre eigenen Hände zu nehmen und ihrerseits zur Ausführung der in

ihrem Antrag vom 28. Dezember bezeichneten Maßregeln zu schreiten.

Die Gesandten der beiden Mächte überreichten am 16. Januar 1864 dem dänischen Minister des Auswärtigen eine gemeinsame Note, worin der Vertragsbruch Dänemarks und die Pflicht der deutschen Großmächte, diesen rechtswidrigen Zustand nicht länger fortdauern zu lassen, hervorgehoben und die Aufforderung an Dänemark gerichtet war, die Novemberverfassung binnen 48 Stunden aufzuheben. „Sollte die dänische Regierung dieser Aufforderung nicht entsprechen, so würden die beiden Mächte sich genötigt sehen, die ihnen zu Gebot stehenden Mittel zur Herstellung des Statusquo und zur Sicherung des Herzogtums Schleswig gegen die widerrechtliche Vereinigung mit dem Königreich Dänemark in Anwendung zu bringen." Falls Dänemark im Laufe des 18. Januar nicht die Erklärung abgab, daß das Grundgesez bereits aufgehoben sei, hatten die Gesandten die Weisung, Kopenhagen zu verlassen.

Die Grundlage dieser Note war das Protokoll vom 16. Januar 1864, welches zwischen dem preußischen Ministerpräsidenten v. Bismarck und dem östreichischen Gesandten in Berlin, Grafen Karolyi, in Berlin abgeschlossen war. Dasselbe enthielt, außer den angegebenen Bestimmungen, noch andere, besonders für die nachherigen definitiven Entscheidungen maßgebenden Punkte. Preußen und Östreich verpflichteten sich, unmittelbar nach Ablehnung ihrer Aufforderung seitens Dänemarks alle militärischen Vorkehrungen zu treffen, um mit ihren eigenen Streitkräften und ohne Mitwirkung der in Holstein aufgestellten Bundestruppen die Eider in der Stärke zu überschreiten, welche einen Angriff oder eine Umgehung der festen Stellung der Danewerke möglich macht. „Im Fall der Beseßung Schleswigs werden die beiden Mächte nicht zugeben, daß durch Demonstrationen der Entscheidung der Successionsfrage thatsächlich irgendwie vorgegriffen werde. Die oberste Autorität in Schleswig wird durch den Oberbefehlshaber der Truppen ausgeübt werden, welchem für die Zivilverwaltung

Kommissäre beigegeben werden sollen. Die Autorität des Königs von Dänemark wird suspendiert, und eine Einwirkung dänischer Behörden oder Demonstrationen eines Teiles der Bevölkerung werden ebensowenig geduldet werden, als Versuche der Augustenburgischen oder der demokratischen Partei, von außen her oder im Lande selbst politische Kundgebungen hervorzurufen. Auf einen Vorschlag der nichtdeutschen Mächte, unter vorläufiger Aufrechthaltung des Status quo in den Herzogtümern, Konferenzen über die deutsch-dänische Angelegenheit abzuhalten, werden Preußen und Östreich nur unter der Vorausseßung eingehen, daß entweder die Zurücknahme der Verfassung vom 18. November 1863 oder die Besetzung Schleswigs durch preußische und östreichische Truppen erfolgt sein wird. Für den Fall, daß es zu Feindseligkeiten in Schleswig käme und die zwischen den deutschen Mächten und Dänemark bestehenden Vertragsverhältnisse hinfällig würden, behalten die Höfe von Preußen und Östreich sich vor, die künftigen Verhältnisse der Herzogtümer nur im gegenseitigen Einverständnis festzustellen. Zur Erzielung dieses Einverständnisses würden sie eintretenden Falles die sachgemäßen weiteren Abreden treffen. Sie werden jedenfalls die Frage über die Erbfolge in den Herzogtümern nicht anders als in gemeinsamem Einverständnisse entscheiden. Für den Fall thatsächlicher Einmischung anderer Mächte in den Streit zwischen Deutschland und Dänemark bleiben weitere Vereinbarungen vorbehalten." Man erkennt in der Fassung dieses Protokolls unschwer die entschlossene Hand und den weiten Blick unseres jetzigen Reichskanzlers. Die Antwort Dänemarks vom 18. Januar lautete ablehnend, worauf die deutschen Großmächte ihre militärischen Vorbereitungen vollendeten und dem Bundesbeschlusse vom 22. Januar gemäß die preußische Brigade Canstein und die östreichische Brigade Gondrecourt aus dem Verband der Erekutionstruppen gelöst wurden, um mit dem preußisch-östreichischen Okkupationsheere sich zu vereinigen, während die sächsischen Bundestruppen Kiel räumten und sich im westlichen Teile Holsteins konzentrierten, um

jenem den Durchmarsch nach Schleswig zu ermöglichen. Dabei wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß während dieses Durchmarsches die Regierungsgewalt und die rechtliche Stellung des kommandierenden Generals v. Hake keine Beeinträchtigung oder Hemmung erleiden dürften und daß eine bleibende Beseßung holsteinischer Gebiete den Bundestruppen allein vorbehalten bleibe.

Die preußisch - östreichische Note vom 16. Januar veranlaßte die Diplomatie der außerdeutschen Mächte zur Entfaltung einer lebhaften Thätigkeit. Die pfandweise Beseßung Schleswigs erschien ihnen als eine Losreißung dieses Herzogtums von Dänemark, als eine Verrückung des europäischen Gleichgewichts zu gunsten Deutschlands, und namentlich England war unerschöpflich in Mahnungen, Drohungen und Vorschlägen. Der englische Minister des Auswärtigen, Lord Russell, erklärte schon am 17. Dezember 1863, daß, falls Dänemark den Londoner Vertrag nicht erfülle, dies für die deutschen Mächte kein Grund sei, sich einseitig von dem Vertrag loszusagen, da die Unterzeichner sich nicht bloß gegen Dänemark, sondern ebenso gegen die übrigen Mächte gebunden hätten. Diese Auffassung über die Verbindlichkeit des Vertrages gab Bismarck nicht zu; nur Dänemark gegenüber seien die Verpflichtungen eingegangen worden; Preußen und Östreich hätten offenbar das Recht, Dänemark den Krieg zu erklären, wenn dieses seine Verpflichtungen nicht erfülle; der Krieg aber würde alle Verträge, somit auch den Londoner Vertrag zwischen Dänemark und den deutschen Mächten, vernichten. Als die Besetzung Schleswigs in Sicht kam, kündigte Lord Russell in seinem Schreiben vom 24. Dezember an, daß in diesem Falle die Neutralität Englands nicht sicher wäre, und machte in einer Note vom 31. Dezember den Vorschlag, daß eine Konferenz der Mächte, welche das Londoner Protokoll unterzeichnet hätten, im Verein mit einem Abgeordneten des Deutschen Bundes in Paris oder London über die zwischen Deutschland und Dänemark entstandenen Streitigkeiten beraten sollte und daß, bis diese Konferenz ihre Arbeiten be

endigt habe, der Statusquo aufrecht erhalten bleiben solle. Leßtere Bedingung wies Vismarck zurück, da sich das nationale Gefühl nicht beruhigen würde, wenn nicht entweder die dänische Verfassung aufgegeben oder Schleswig der Geltung derselben durch eine deutsche Okkupation entzogen sei. Kaiser Napoleon, dessen Kongreßvorschlag vom 5. November 1863 von England abgelehnt worden war, erklärte in einer Note an die deutschen Mittelstaaten vom 7. Januar 1864, daß er den Vorschlag, die Konferenz in Paris zusammentreten zu lassen, nicht annehme und, bevor er überhaupt auf diesen Vorschlag eingehe, sich darüber klar sein müsse, ob die deutschen Staaten immer noch die Anschauung hätten, daß die Differenz des Deutschen Bundes mit Dänemark nicht vor das Forum der Unterzeichner des Londoner Vertrags gehöre.

Dänemark sah in dem Vorschlag Russells eine passende Gelegenheit, die Entscheidung der Streitfrage hinauszuschieben, und rief am 6. Januar die Vermittlung Frankreichs und der übrigen Unterzeichner des Londoner Vertrags an. Lord Russell sandte am 17. und 18. Januar die dringendsten Mahnungen nach Berlin und Wien und gab sogar seinem Gesandten den Auftrag, in den entschiedensten Ausdrücken Herrn v. Bismarck und womöglich auch den König darauf aufmerksam zu machen, daß eine Besetzung Schleswigs ein Akt der äußersten Ungerechtigkeit wäre und die Gefahr eines europäischen Krieges in sich schlösse. Auf seine Note vom 20. Januar, in welcher er von Preußen eine ausdrückliche Erklärung über die Anerkennung der Integrität der dänischen Monarchie verlangte, erwiderte Bismarck, Preußen werde sein Verhalten davon abhängig machen, ob Dänemark der beabsichtigten Okkupation Schleswigs Widerstand leiste oder nicht. Die Forderung Englands und Frankreichs, daß die militärischen Maßregeln aufgeschoben werden sollten, wies Bismarck zurück, da es unmöglich sei, die mit Östreich verabredeten Maßregeln zu sistieren. Lord Russell ging in seiner Fürsorge für Dänemark zuleßt so weit,

« ZurückWeiter »