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keine vermochte die geographische Gestaltung des Kriegsschauplages zu ändern oder den Umstand zu beseitigen, daß ein Feind in Böhmen zwischen der Lausitz und Schlesien steht. Es gab nur ein Mittel, dem Übelstande zuvorzukommen, nämlich, selbst in Böhmen einzurücken."

Es wurde daher in Berlin beschlossen, drei große Armeen zu bilden und dieselben in einem weiten, von Torgau über Görlig nach Neiße führenden Bogen aufzustellen. Die Erste Armee, deren Oberbefehlshaber Prinz Friedrich Karl von Preußen, der Sieger von Düppel und von Alsen, war, sollte bei Görliß ihre Aufstellung nehmen, die Zweite Armee, unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, bei Neiße, die Elbarmee, unter dem General der Infanterie v. Herwarth, bei Torgau. Die Erste Armee bildete also bei Görlig in der Niederlausit das Zentrum der preußischen Aufstellung, die Zweite bei Neiße in Oberschlesien den linken Flügel, die Elbarmee bei Torgau, in der Provinz Sachsen, den rechten Flügel. Die Erste Armee, deren Generalstabschef Generalleutnant v. Voigts-Rhet war, bestand aus dem 2. (kommandierender General: Generalleutnant v. Schmidt), 3. und 4. Armeekorps (für welche zwei lettere der kommandierende General nicht ernannt war), und aus einem Kavalleriekorps von 3 schweren und 3 leichten Brigaden, die von dem General der Kavallerie Prinz Albrecht von Preußen (Vater) befehligt wurden. Bei der Zweiten Armee war Generalmajor v. Blumenthal Generalstabschef. Zu ihr gehörte das Gardekorps unter dem General der Kavallerie Prinzen August v. Württemberg, das 1. Armeekorps unter dem General der Infanterie v. Bonin, das 5. Armeekorps unter dem General der Infanterie v. Steinmetz, das 6. Armeekorps unter dem General der Kavallerie v. Mutius und die Reservekavallerie mit 4 Brigaden unter dem Generalmajor v. Hartmann. Die Elbarmee, bei welcher Oberst v. Schlotheim Generalstabschef war, hatte 3 Divisionen, die 14., 15. und 16., welche von den Generalleutnants Grafen Münster, v. Canstein und v. Ezel befehligt wurden, und eine Reservekavallerie

mit 3 Regimentern. Dazu kam das von dem Generalleutnant v. d. Mülbe kommandierte und zunächst bei Berlin aufgestellte Reserve-Armeekorps mit 2 Divisionen, die unter den Generalen Rosenberg v. Gruszinsky und v. Bentheim standen, und einer Landwehrkavalleriedivision, die, von dem Generalmajor Grafen Dohna befehligt, 6 Regimenter zählte. Diese vier Heerhaufen hatten zusammen eine Stärke von 278 600 Mann, während die östreichisch-sächsische Armee 271 000 Mann stark war, und zwar hatte die Erste Armee 93 300, die Zweite Armee 115 000, die Elbarmee 46 000, das Reservekorps 24 300 Mann. Da leßteres nicht als Feldtruppe, sondern zur Beseßung von Festungen und zur inneren Sicherheit der befeßten Gebiete verwendet worden ist, so ist es eigentlich bei der Stärke der Feldarmee nicht anzuführen. In diesem Falle standen den 271 000 Östreichern und Sachsen 254 300 Preußen gegenüber.

Nachdem Sachsen am 15. Juni die preußische Aufforderung abgelehnt hatte, rückten am 16. Abteilungen der Elbarmee und der Ersten Armee, jene von Torgau aus, diese von Görlig, in Sachsen ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. General v. Herwarth ließ bei Riesa Pontonbrücken über die Elbe schlagen, zog eiligst gegen Dresden vor und besezte die Stadt am 18. Juni. Prinz Friedrich Karl beseßte zu gleicher Zeit Baußen und Zittau; Leipzig wurde am 19. von einem Regiment des Reservekorps be= sezt, welches von Berlin nach Sachsen befohlen wurde, um, wenn die Elbarmee in Böhmen einrückte, die Beseßung des Landes zu übernehmen. Die Vortruppen der beiden Armeen schoben ihre Vorposten gegen die nach Böhmen führenden Pässe vor. Mit Ausnahme der Festung Königstein war am 20. Juni ganz Sachsen in der Gewalt der Preußen.

Über die Beseßung Sachsens sagt das Generalstabswerk : „Das Einrücken in Sachsen war nötig, nicht bloß aus politischen Gründen, sondern auch weil es den strategischen Aufmarsch der. Elbarmee und der Ersten Armee auf der Linie Dresden - Baußen,

das heißt ihre Vereinigung in wenig Märschen auf zahlreichen und zusammenlaufenden Straßen ermöglichte. Dann bildete die preußische Streitmacht nur noch zwei Heere, und diese so zu leiten, daß sie zur schließlichen Entscheidung zusammenwirkten, war die schwere, aber lösbare Aufgabe der oberen Führung. Armeen von mehr als 100 000 Mann tragen eben in sich selbst einen hohen Grad von Selbständigkeit; auch konnten die Östreicher ihre ganze Macht nie gegen die eine allein entwickeln; sie mußten jederzeit auch der anderen einen Teil entgegenstellen. Immer führte der kürzeste Weg zur Vereinigung nach vorwärts, und dabei mußte denn freilich der feindliche Widerstand zu Boden geworfen werden. Von dem Augenblick an, wo die Bundesbeschlüsse vom 14. Juni gefaßt waren, hatte Se. Majestät der König Sich entschlossen, den Krieg offensiv zu führen. Jeßt war nicht mehr die Rede von defensiven Flankenmärschen; man durfte die Gegner in ihrem eigenen Gebiet aufsuchen."

Der Aufruf „An mein Volk," welchen König Wilhelm am 18. Juni erließ, schlug die rechten, jeden Preußen mit patriotischem Feuer erfüllenden Saiten an: „Das Vaterland ist in Gefahr! Östreich und ein großer Teil Deutschlands steht gegen dasselbe in Waffen. Östreich will nicht vergessen, daß seine Fürsten einst Deutschland beherrschten; in dem jüngeren, aber kräftig sich entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen, sondern nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. Die alte unselige Eifersucht ist in hellen Flammen wieder aufgelodert: Preußen soll geschwächt, vernichtet, entehrt werden. Ihm gegenüber gelten keine Verträge mehr; gegen Preußen werden deutsche Bundesfürsten nicht bloß aufgerufen, sondern zum Bundesbruch verleitet. Wohin wir in Deutschland schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren Kampfgeschrei ist: ‚Erniedrigung Preußens! Aber in Meinem Volke lebt der gute Geist von 1813." Darauf erinnerte der Aufruf an die in sorglicher Voraussicht dessen, was nun eingetreten, von dem König beschlossene und ausgeführte Reorgani

sation des Heeres, an den Wahn der Gegner, daß Preußen durch innere Streitigkeiten gelähmt sei, an die diplomatischen Bestre bungen des Königs, in Gemeinschaft mit Frankreich, England und Rußland die Wege für eine gütliche Ausgleichung zu suchen, und an das beständige Widerstreben Östreichs. Nicht Mein ist die Schuld, wenn Mein Volk schweren Kampf kämpfen und vielleicht harte Bedrängnis wird erdulden müssen; aber es ist uns keine Wahl mehr geblieben. Wir müssen fechten um unsere Eristenz, wir müssen in einen Kampf auf Leben und Tod gehen gegen diejenigen, welche das Preußen des großen Kurfürsten, des großen Friedrich, das Preußen, wie es aus den Freiheitskriegen hervorgegangen ist, von der Stufe herabstoßen wollen, auf die seiner Fürsten Geist und Kraft, seines Volkes Tapferkeit, Hingebung und Gesittung es emporgehoben haben.“ Am Schluß erwähnte der Aufruf das Ziel der preußischen Politik, die Gründung eines festgeeinigten deutschen Bundesstaates. Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch stark genug sein, das lose Band, welches die deutschen Lande mehr dem Namen als der That nach zusammenhielt, und welches jezt durch diejenigen zerrissen ist, welche das Recht und die Macht des nationalen Geistes fürchten, in anderer Gestalt fester und heilvoller zu erneuern. Gott mit uns!"

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Die drei preußischen Armeen standen am 20. Juni bei Dresden, Görlig und Neiße. Die Elbarmee hatte übrigens, was mit ihrer geringen Stärke zusammenhing, keine selbständige Stellung; fie wurde durch den königlichen Befehl vom 19. Juni mit der Ersten Armee vereinigt und General v. Herwarth unter die Befehle des Prinzen Friedrich Karl gestellt. Sämtliche drei Armeen sollten in Böhmen einrücken, die beiden eben genannten von Sachsen aus gegen die Linie der Jser, die Zweite Armee von Schlesien aus durch die Pässe des Riesengebirges nach der oberen Elbe marschieren; dort sollten sie sich vereinigen, die östreichische Armee schlagen und den Weg nach Wien sich bahnen. Der großen Armeen von selbst sich

aufdrängende Grundsaß „Getrennt marschieren — vereint schlagen" sollte hier in großem Maßstabe seine Anwendung finden. Daß bei der Ausführung dieses Grundsaßes die Gefahr nicht ausgeschlossen ist, der Gegner möchte mit seiner Hauptmacht auf die eine Armee sich werfen und in Napoleonischer Weise eine nach der anderen schlagen, ist begreiflich. Es ist Sache des Generalstabs, daß er seinen Gegner kennt und weiß, was er ihm zutrauen kann. Moltke suchte die Gefahr, welche der Zweiten Armee drohte, dadurch zu vermindern, daß er die Armee des Prinzen Friedrich Karl und des Generals Herwarth vier Tage früher als die des Kronprinzen die Grenze überschreiten ließ, infolgedessen jene früher in der Lage war, diese unterstüßen zu können. Solange der östreichische Oberbefehlshaber Benedek mit seiner Armee bei Olmüş stand und Schlesien bedrohte, war von einem Abmarsch der Zweiten Armee nach Böhmen keine Rede. Sobald aber Moltke, der von den Bewegungen des Feindes immer sehr gut unterrichtet war, erfuhr, daß Benedek seine Stellung bei Olmüß aufgegeben habe und in Böhmen einrücke, teilte er am 19. Juni dem Kronprinzen den Befehl des Königs mit, daß er nur ein einziges Korps (das 6.) bei Neiße zurücklassen und die drei anderen diejenigen Stellungen einnehmen lassen solle, von wo aus er jederzeit zur Überschreitung des Riesengebirges bereit sein könne. Da auch in den folgenden Tagen keine feindliche Bewegung auf einen Vorstoß gegen Oberschlesien hindeutete, so ließ Moltke am 22. Juni nach Görliß und nach Neiße telegraphieren: Seine Majestät befehlen, daß beide Armeen in Böhmen einrücken und die Vereinigung in der Richtung auf Gitschin aufsuchen.“ Zur Erläuterung dieses telegraphischen Befehls richtete Moltke am nämlichen Tage ein Schreiben an die beiden Prinzen, worin es hieß: „In dem soeben abgesandten Chiffretelegramm von heute ist mit Rücksicht auf Entfernungen, Straßenverbindungen und Eisenbahnen die Richtung auf Gitschin behufs Vereinigung beider Armeen bezeichnet worden. Es ist damit natürlich nicht gemeint, daß dieser Punkt unter allen Umständen erreicht werden müsse; vielmehr hängt die Vereinigung ganz von dem Gang der

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