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v. Schachtmeyer. Ihre Aufstellung in der preußischen Enklave Wezlar bezweckte die Sicherung der durch Kurhessen führenden Etappenstraßen. Die Stärke der Division Manteuffel betrug 14 100 Mann; die beiden Brigaden wurden von den Generalen v. Flies und v. Korth geführt. In Schleswig-Holstein blieben etwa 5000 Mann, größtenteils Landwehrtruppen, unter dem Befehl des Kommandanten von Rendsburg, des Generals v. Kapphengst, zurück. Die Stelle eines Gouverneurs der Herzogtümer für die Dauer der Abwesenheit des Generalleutnant v. Manteuffel wurde dem Oberpräsidenten v. Scheel-Plessen übertragen.

Am 16. Juni begannen, wie den Regierungen von Hannover, Kurhessen und Sachsen bereits angekündigt worden war, die Operationen gegen diese drei Staaten. Generalmajor v. Beyer hatte den Befehl, von Weylar aus nach Kurhessen zu marschieren und die Hauptstadt Kassel zu beseßen. Am nämlichen Tage hatte der Kurfürst seine Truppen, die Infanterie auf der Eisenbahn, nach Fulda abgeschickt; dieselben erreichten am 19. Hanau und stellten dort ihre Verbindung mit dem 8. Bundeskorps her. General v. Beyer konnte, da die nach Gießen und Marburg führende Eisenbahn teilweise zerstört war, nur langsam vorrücken. Um sich den Rücken gegen die bei Frankfurt aufgestellten Truppen zu decken, ließ er die dahin führende Bahn zerstören, während die nach Norden führende Bahn wiederhergestellt wurde. An der Spiße von 5 Bataillonen, einer halben Schwadron und einer Batterie zog er am Abend des 19. Juni in Kassel ein; der Rest seiner Division kam am folgenden Tage dort an. In einer Proklamation an die Kurhessen erklärte General Beyer, daß die Regierung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. suspendiert sei, daß er selbst im Namen der preußischen Regierung die oberste Leitung der Landesverwaltung übernehme und daß Preußen nicht als Feind, sondern als Freund in Kurhessen eingerückt sei. Die kurfürstlichen Minister erhielten ihre Entlassung. Der Kurfürst, welcher im Schlosse Wilhelmshöhe zurückgeblieben war und den von Preußen ihm

aufs neue gemachten Bündnisvorschlag beharrlich ablehnte, wurde als preußischer Staatsgefangener in die Festung Minden und später nach Stettin abgeführt. In Kassel wurden viele Kriegsvorräte erbeutet, was der in der Eile zusammengeseßten und ausgerüsteten Division sehr zu gute kam.

Die Divisionen Göben und Manteuffel rückten von Minden und von Altona aus in Hannover ein und zogen gegen die Hauptstadt. Welche Verblendung und welche Schwankungen dort vor der preußischen Kriegserklärung herrschten, darüber gibt die Rede Auskunft, welche Fürst Bismarck am 12. Januar 1887 im Reichstag in der berühmten Septennatsdebatte gehalten hat. Auf die Behauptung des Zentrumführers Windthorst, daß König Georg II. von Hannover wiederholt in Nikolsburg und in Berlin um Eröffnung von Friedensverhandlungen gebeten habe, daß aber diese Bitte ihm schnöde“ abgeschlagen worden sei, erwiderte der Reichskanzler, dies sei allerdings richtig, aber noch viel schärfer seien die Bestrebungen Preußens, im Frühjahr 1866 mit Hannover zu verhandeln, abgewiesen worden. „Wir haben der hannoverschen Regierung damals gesagt: wir sehen den Krieg mit Östreich voraus; versprecht uns nur neutral zu bleiben; dann habt Ihr das Wort des Königs von Preußen, daß Euch nichts geschieht; wir verlangen nicht Euren Beistand; wir verlangen nicht eine Wiederholung des Beispiels aus dem siebenjährigen Kriege, wo die hannoverschen Truppen an unserer Seite gefochten haben; wir verlangen nur Euer Wort, daß Jhr stillsißen wollt; dann werden wir Euer Territorium respektieren und Euch als neutrale Macht betrachten, und der Krieg mag ausfallen, wie er will, Jhr könnt sicher sein, in Eurem Besitz zu bleiben. Es wurde darauf eingegangen, und das Verhältnis war eine Zeitlang sogar so freundlich, daß die Verlobung einer hannoverschen Prinzessin mit einem preußischen Prinzen in Verhandlungen mit dem Grafen Platen, der mich damals zu diesem Zwecke besuchte, geplant wurde und soweit zustande kam, daß die jungen Herrschaften sich bloß noch

einmal sehen sollten, um zu entscheiden, ob sie sich konvenierten. Da kamen plöglich verschiedene einflußreiche Persönlichkeiten ob mit oder ohne Auftrag von Wien, das weiß ich nicht, die den König Georg umstimmten. Er fing an zu rüsten und Truppen auszuheben, in der Absicht, seine Armee zu verstärken, eine Absicht, die mit der Neutralität nicht verträglich war. Wir erfundigten uns nach den Gründen, und es wurde uns geantwortet, wegen der möglicherweise bevorstehenden Teuerung der Preise wolle man statt des Herbstmanövers ein Frühjahrsmanöver machen. Inzwischen war ein hoher Herr und Verwandter des hannoverschen Hauses (Prinz zu Solms- Braunfels) nach Hannover gekommen und hatte dort Anerbietungen gemacht, hatte von 800 000 Östreichern gesprochen und den König überzeugt, daß der östreichische Sieg ganz sicher sein würde. Dieser stellte sich, troß der geographischen Lage Hannovers zwischen Magdeburg und Minden, auf die östreichische Seite, in der Absicht, über uns herzufallen und im Falle des Unterliegens Preußens eine territoriale Vergrößerung zu gewinnen. Es ist da wenigstens nicht klug operiert worden. Dies nenne ich in der That eine doch wenigstens unfreundliche Zurückweisung, zumal nachdem die Verhandlungen soweit gediehen waren, daß wir glaubten, der Neutralität sicher zu sein, und nahe daran waren, unsere fortdauernde Freundschaft durch eine Familienverbindung zu befestigen. Ganz ähnlich war es mit Seiner Hoheit dem Herzog von Nassau, der eine Politik führte, die überall möglich gewesen wäre, nur nicht unter den Kanonen von Ehrenbreitstein."

Wenige Tage, nachdem Hannover in der Bundesversammlung vom 14. Juni sich auf Östreichs Seite gestellt und die preußische Aufforderung zur Beobachtung der Neutralität zurückgewiesen hatte, sollten sich die Geschicke des hannoverschen Welfenhauses erfüllen. Troß der Bereitwilligkeit, an dem Bundeskriege gegen Preußen teilzunehmen, fehlte doch in Hannover viel zur Kriegsbereitschaft. Schon am 15. Juni gab König Georg den Gedanken auf, sich in seiner Hauptstadt halten zu können, und befahl, daß sämtliche

hannoverschen Truppen sich im südlichsten Teile des Landes, in und bei Göttingen, versammeln sollten. Er selbst kam mit dem Kronprinzen Ernst August am 16. Juni dort an, der größte Teil seines Heeres teils an diesem, teils am folgenden Tage. Die Eisenbahnen wurden unfahrbar gemacht, Kriegsvorräte herbeigeschafft, Beurlaubte, Reservisten und Refruten eilten in großer Anzahl zu den Fahnen. Der König blieb mit seinen Truppen bis zum 21. Juni in Göttingen. Er brach an diesem Tage auf, um über Gotha nach dem Main zu marschieren und mit den Bayern sich zu vereinigen. Sein Heer bestand aus 4 Brigaden Infanterie, die von den Generalen von dem Knesebeck und v. Bothmer, von den Obersten de Vaur und v. Bülow befehligt wurden, zusammen 15000 Mann, worunter 2000 halbausgebildete Rekruten, aus 2000 Reitern und 52 zum Teil gezogenen Geschüßen. Kommandierender General war Generalleutnant v. Arentschildt. Die Reiterei und die Artillerie waren in gutem Zustande. Der Abmarsch erfolgte in südöstlicher Richtung, über Heiligenstadt nach Mühlhausen. Die Langsamkeit, mit welcher das Heer weiter zog, hatte seinen Grund teils in dem endlosen Troß von Küchenwagen, von Wagen mit Silbergeschirr und von Staatskarossen, teils in den diplomatischen Unterhandlungen, welche sofort angeknüpft wurden, teils in der Abneigung des Königs Georg, sich zu weit von seinem Lande zu entfernen. Er hielt es für sicherer, daß die Bayern ihn aufsuchten, als daß er durch den Thüringer Wald sich zu ihnen durchschlage. Zwar hatte König Georg schon am 15. und 16. Juni Bevollmächtigte nach Frankfurt und nach Schweinfurt und Bamberg geschickt, um die beiden süddeutschen Armeekorps zu einem Vorstoß gegen Norden zu veranlassen; aber das 8. Korps hatte die größte Mühe, seine verschiedenartigen Bestandteile einigermaßen zu einem einheitlichen Ganzen zu vereinigen, und war daher nicht in der Lage, anderen zu helfen, und die Bayern sagten zwar ihre Unterstützung zu, wollten sich aber nicht zu weit von ihren Grenzen entfernen; sie brachen zuerst gegen Fulda auf, wandten

fich aber, auf die Nachricht von der Beseßung Kassels, östlich und stellten sich an der fränkischen Saale auf; ein Teil der Reiterei gelangte am 26. Juni bis Meiningen. Prinz Karl von Bayern, welcher das bayrische Armeekorps befehligte, sagte in seinem Hauptquartier zu Bamberg dem hannoverschen Bevollmächtigten geradezu, eine Armee von 19000 Mann müsse sich selbst durchschlagen können.

Hatten die Hannoveraner den Mut gehabt, ihren Konflikt mit Preußen bis zur Kriegserklärung zu steigern, so mußten sie jezt auch Mut genug haben, den Kampf mit Preußen allein aufzunehmen. Sie mußten selbst Entschlüsse fassen, selbst kämpfen, nicht auf die Hilfe anderer, die ebenso hilflos waren, sich verlassen. Moltke und sein Generalstab, der kommandierende General Falckenstein und seine drei Divisionen sorgten dafür, daß die Hannoveraner und die Süddeutschen je in einem Einzelkampfe gegen Preußen ihre schwachen, schlecht geleiteten Kräfte aufrieben.

General Falckenstein zog mit der Division Göben von Minden gegen die Hauptstadt Hannover und rückte nach zweitägigem Marsch am 17. Juni in der Stadt ein. Ohne Widerstand übernahm er die Leitung der Staatsverwaltung, bemächtigte sich der Kriegsvorräte und ließ Pferdelieferungen ausschreiben. Am 18. Juni trafen auch die Vortruppen der Division Manteuffel in Hannover ein. Diese hatte am 15. und 16. Juni die Elbe bei Harburg überschritten, am 18. die kleine Festung Stade überrumpelt und nach einigen Gewehrschüssen die 500 Mann starke Besayung zur Kapitulation genötigt. Viele Geschüße, 14000 Gewehre und sonstiges Kriegsmaterial fielen den Preußen in die Hände. Preußische Schiffe nahmen am 19. Juni die Küstenbatterieen an der Weser, am 21. die Strandbatterieen an der Ems. Die Besayung von Emden mußte kapitulieren. Am 22. Juni war, mit Ausnahme von Göttingen, ganz Hannover in der Gewalt der Preußen.

Die Division Göben verließ am 19. Juni Hannover und marschierte in der Richtung auf Göttingen, die Division Manteuffel

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