Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Gelüste des Auslandes. Fürsten und Minister, welche diesen unnatürlichen Krieg verschulden oder aus Sonderinteressen die Gefahren desselben erweitern, machen sich eines schweren Verbrechens an der Nation schuldig. Mit ihrem Fluche und mit der Strafe des Landesverrats wird die Nation diejenigen treffen, welche in Verhandlungen mit auswärtigen Mächten deutsches Gebiet preisgeben." Doch darf nicht verschwiegen werden, daß an dieser Versammlung von dem wenige Tage vorher aufgelösten preußischen Abgeordnetenhause nur acht Mitglieder sich beteiligten und daß Twesten, einer der Führer der Opposition, in seinem Absagebrief erklärte, „daß er nicht allein das Selbst bestimmungsrecht des Volkes und seine Rechte den Regierungen gegenüber, sondern auch die Machtstellung Preußens ins Auge zu fassen habe, und daß er sich nie an Schritten beteiligen werde, welche darauf abzielten, Preußen eine Niederlage beizubringen. Es gebe keine Macht in Deutschland, die für Deutschland etwas leisten könne, außer Preußen."

Von vielen preußischen Städten, von Köln, Königsberg, Stettin und anderen, und von 17 rheinländischen und westfälischen Handelskammern liefen Adressen beim König ein, welche die Bitte enthielten, er möchte dem Lande den Frieden erhalten und andere Minister berufen. Anders lautete die patriotische Adresse der städtischen Behörden Breslaus, der Hauptstadt derjenigen Provinz, die zuerst und zunächst dem Kriege mit seinen Wechselfällen ausgesezt war. In dieser Adresse wurde das volle Vertrauen ausgedrückt, daß es nur schwerwiegende Gründe seien, welche den König zu dem ernsten Entschlusse, die Mobilmachung der gesamten Armee zu befehlen, bestimmt haben. „Wir glauben an allerhöchster Stelle die Versicherung abgeben zu dürfen, daß Breslau an Opferwilligkeit, wie im Jahre 1813, so auch jezt keiner anderen Stadt Preußens nachstehen wird. Wir fühlen gemeinsam mit Eurer Majestät die Drangsale des Krieges; wir unterschäßen nicht die Lasten, welche das preußische Volk zu tragen haben wird; wir

kennen die Opfer, welche der Krieg fordert. Demungeachtet sprechen wir es aus und glauben hierin der Zustimmung unserer Mitbrüder sicher zu sein, daß wir, wenn es die Macht und die Ehre Preußens, seine Stellung in Deutschland und die mit dieser Stellung in notwendigem Zusammenhange stehende Einheit unseres gemeinsamen Vaterlandes gilt, den Gefahren und Nöten des Krieges mit derselben Opferwilligkeit und Hingebung entgegengehen, wie die schlesischen Männer es unter der Führung von Eurer Majestät hochseligem Vater gethan. Können jene höchsten Güter Preußens und Deutschlands erhalten werden im Frieden, so begrüßen wir dieselben freudigen Herzens; sollten aber die Gegner Preußens und Deutschlands, wie es im Jahre 1850 ge= schehen, wieder eine Minderung der Machtstellung Preußens, wiederum eine Demütigung Preußens erstreben, so wird Schlesien lieber alle Lasten und Leiden des Krieges auf sich nehmen, als die Lösung der historischen Aufgabe Preußens, die Einigung Deutschlands, wieder auf Jahrzehnte hinausrücken lassen."

In diesen Worten erkannte man jenen echt preußischen Geist, welcher im Jahre 1813 so Wunderbares leistete und welchem gegenüber das schlesische Volk von 1866 nicht erröten wollte. In seinem Antwortschreiben an die Breslauer Stadtbehörden vom 19. Mai sagte der König, es habe ihm wohlgethan, daß dieselben jenem Geiste mit Wärme Ausdruck gegeben hätten. Niemand kann die Schwere der Opfer, welche der Krieg dem Vaterlande auferlegen würde, schmerzlicher empfinden als Jch, niemand das Bedürfnis lebhafter fühlen, daß dieselben von Herrscher und Volk in ungetrübter Eintracht getragen werden. Möge Mein Wort der Stadt Breslau als Bürgschaft dienen, daß kein ehrgeiziges Streben, selbst nicht dasjenige, welches im Interesse des großen gemeinsamen Vaterlandes berechtigt genannt werden könnte, sondern nur die Pflicht, Preußen und seine heiligsten Güter zu verteidigen, Mich Mein Volk hat zu den Waffen rufen lassen.“ Die oben genannten Friedensadressen beantwortete der Minister des Innern

auf Befehl des Königs mit Hinweisung auf dieses königliche Antwortschreiben vom 19. Mai.

Alle jene Hindernisse, welche der Ausführung der Bismarckschen Pläne von seiten Östreichs, der Mittelstaaten, des Abgeord= netenhauses und eines Teiles der Bevölkerung Preußens entgegenstanden, waren für Bismarck von keiner Bedeutung gegenüber der Thatsache, daß König Wilhelm selbst dem bevorstehenden Kriege sehr abhold war. Dieser hatte damals das 69. Lebensjahr bereits überschritten, und seine politischen Anschauungen waren solche, daß er lieber mit der Revolution als mit der Legitimität kämpfte. Es war ihm schwer geworden, das auf Revolutionen aufgebaute Königreich Italien anzuerkennen, noch schwerer, eine Allianz mit demselben abzuschließen. Mit dem Hause Habsburg freundschaftliche Beziehungen zu erhalten, war ihm bisher als ein Gebot der preußischen Politik erschienen. Erst als er aus den Darlegungen des Grafen Bismarck erkannte, daß es von Östreich und dessen mittelstaatlichen Bundesgenossen auf die Schwächung Preußens abgesehen sei, daß ohne die Demütigung Preußens der Friede nicht aufrechterhalten werden könne, gab es für König Wilhelm keine Wahl mehr. Der Entschluß, sein gutes Recht mit den Waffen zu verteidigen, stand bei ihm fest. Die entgegengesezten Einflüsse, welche sich von London aus und im Zusammenhang damit von dem preußischen Kronprinzenpaar geltend zu machen. suchten, hatten nicht den geringsten Erfolg bei einem König, dem das Interesse und die Ehre des Staates weit über alles ging.

Es war eine schwere Last, die damals auf den Schultern des Grafen Bismard lag; denn er und er allein hatte die Verantwortung für den Ausgang des Krieges. Er hatte denselben gewollt, hatte ihn für eine Notwendigkeit erklärt. Es bestand zwar für ihn und den Chef des preußischen Generalstabs, General v. Moltke, kein Zweifel, daß das preußische Heer dem östreichischen sich überlegen zeigen werde und daß die mittelstaatlichen Truppen ihrer Aufgabe durchaus nicht gewachsen sein würden; aber nie

mand konnte ihnen und sie selbst konnten niemand garantieren, daß nicht irgend ein unglücklicher Zwischenfall die Berechnungen der preußischen Strategie auf die Seite werfen und Preußen unter das unbarmherzige Gebot des Siegers beugen werde. Dann streckte Östreich seine Hände nach Schlesien, Napoleon seine Hände nach dem linken Rheinufer, die Mittelstaaten nach preußischen Nachbargebieten aus, und die Bundesreform blieb für Jahrzehnte ein Traum.

Bei diesem ungeheuren Risiko und bei dieser großen Verantwortung war Bismarck entschlossen, das Beispiel des Generals v. York nachzuahmen, welcher, als er am 26. März 1813 mit seinem Korps von Berlin ausmarschierte, in den Kreis seiner Truppen trat und ausrief: „Soldaten! jezt geht's in den Kampf; ihr sollt mich an eurer Spize sehen; thut eure Pflicht! Ein unglückliches Vaterland sieht mich nicht wieder." Mißlang der Feldzug, so stand Bismarcks Entschluß fest, den Tod in der Schlacht zu suchen. In der Reichstagssitung vom 28. November 1881 lehnte Bismarck jeden Dank für seine Leistungen ab und beanspruchte den Dank nur für den Kaiser, der als König von Preußen seine Eristenz, seine Krone dafür einseßte, und für das Heer und dessen treffliche Führung. „Nehmen Sie an, daß der Wurf mißlang, daß dieser, zur Entscheidung der deutschen Einheit, zur Durchschneidung des gordischen Knotens, in dessen Verschlingungen wir uns befanden, leider notwendige Bruderkrieg für Preußen verloren ging, so war es ja ganz klar, daß ich, wenn ich überhaupt nach diesem Vorfall meine Heimat wiedergesehen hätte, allgemein der Sündenbock war, der Verbrecher, der das Vaterland leichtfertig ins Verderben geführt hatte. Bei allen Ovationen, beim Einzug von 1866 habe ich mich der Worte eines meiner Kameraden auf dem Schlachtfelde erinnert: „Wäre es anders gekommen, so hätten die alten Weiber Sie mit dem Besenstiel totgeschlagen."

Alle Versuche, den Frieden zwischen Preußen und Östreich zu

erhalten, waren gescheitert. Keine von beiden Mächten gab ihren Standpunkt auf. Preußen wollte die Annexion der Herzogtümer und die Gründung eines deutschen Bundesstaates, in welchem es kein streich mehr gab und Preußen die Führung übernahm; Östreich verlangte die Einsehung des Augustenburgers als souveränen Herzogs und widerstrebte allen Reformplänen, vor allem seiner Ausschließung aus dem deutschen Bund. Die Gegensäße waren unversöhnlich und konnten ohne eine gewaltsame Lösung nicht beseitigt werden. Da that Östreich, welches, der Mittelstaaten sicher, zuversichtlich auf den Sieg hoffte, einen Schritt, welcher den langjährigen Streit einem raschen Ende entgegenführte. Es ließ, wie es schon längst angekündigt hatte, durch seinen Gesandten am 2. Juni im Bundestag erklären, daß es die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Frage den Entschließungen des Bundes anheimstelle, welchen von seiten Östreichs die bereitwilligste Anerkennung gesichert sei, und daß dem Statthalter in Holstein soeben die erforderliche Spezialvollmacht zur Einberufung der holsteinischen Ständeversammlung übersandt worden sei, „damit die gesetzliche Vertretung des Landes, um dessen Schicksal es sich handle, nicht länger der Gelegenheit entbehre, ihre Ansichten auszusprechen". Preußen protestierte gegen das Vorgehen Östreichs, das dadurch nicht nur die Gasteiner Konvention, sondern auch die (geheime) am 16. Januar 1864 zu Berlin getroffene Vereinbarung gebrochen habe, worin beide Mächte sich verpflichteten, „die künftigen Verhältnisse der Herzogtümer nur im gegenseitigen Einverständnis festzustellen", und das durch Einberufung der holsteinischen Ständeversammlung sich ausdrücklich vom Gasteiner Vertrage, der die Rechte beider Mächte an der Gesamtheit beider Herzogtümer vorbehalte, lossage. Preußen stehe somit wiederum auf dem einfachen Boden des Wiener Friedens vom 30. Oktober 1864, und Seine Majestät der König werde den General v. Manteuffel mit der Wahrung der Preußen aus diesem Vertrage zustehenden Souveränitätsrechte an Holstein beauftragen. Am 4. Juni

« ZurückWeiter »