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hätte. Der Zweck dieses Programms war kein anderer als die Schwächung Deutschlands und die Stärkung Frankreichs.

Die mittelstaatlichen Regierungen thaten alles, um dem Napoleonischen Programm zur Verwirklichung zu verhelfen. Die leitenden Minister hielten Konferenzen in Augsburg und in Bamberg, in welchen sie ihren antipreußischen Standpunkt feststellten und sich gegenseitig in den Krieg hineintrieben. Die Seele dieser Bewegung war der sächsische Ministerpräsident v. Beust. Von Haß gegen Preußen und besonders gegen Bismarck erfüllt, schürte er eifrig zum Krieg und veranstaltete Rüstungen, obgleich gerade Sachsen einem Angriff des preußischen Heeres am meisten ausgesezt war. Bismarck drohte mit militärischen Maßregeln, und Beust rief die Hilfe des Bundes an. Der Magistrat und die Stadtverordneten von Leipzig richteten eine Adresse an das Ministerium, worin sie um Rückgängigmachung der Kriegsrüstungen baten. Um so willkommener waren dem Minister Beust die Beschlüsse demokratischer Versammlungen in Dresden und Leipzig, welche die Eingabe des Magistrats für unpatriotisch erklärten und das Ministerium zu entschiedenem Vorgehen und zur Anordnung einer allgemeinen Volksbewaffnung aufforderten. Einstimmig bewilligte der Landtag am 5. Juni den geforderten außerordentlichen Militärkredit von 4 650 000 Thalern. Wenn diese Menschen uns einen Nagel ins Gehirn treiben könnten, sie würden es thun," sagte Bismarck von Beust und dessen Genossen.

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Der bayrische Ministerpräsident v. d. Pfordten, mit welchem Bismarck 1865 eine Unterredung in Salzburg gehabt hatte, wobei er Bayern die Führung Süddeutschlands anbot, konnte sich von dem Banne des Herrn v. Beust und von den Sympathieen für Östreich nicht losmachen. Der Landtag bewilligte einstimmig die Forderung von 31 Millionen Gulden zur Verteidigung der Bundesrechte. In Württemberg wetteiferte das offizielle Blatt der Regierung, der Staatsanzeiger", mit dem Organ der demokratischen Partei, dem Beobachter", in Bekämpfung der preußischen Politik.

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Während jener sich zu der Behauptung verstieg, daß eine direkte oder indirekte Herrschaft Preußens in Süddeutschland ein viel schlimmeres Nationalunglück wäre als eine französische Eroberung oder Annerion, sprach dieser gegen Bismarck die Verdächtigung aus, daß er im Einverständnis mit Napoleon stehe und diesem deutsche Gebiete als Ersaß für die beabsichtigten Annerionen versprochen habe. Der Landtag genehmigte mit großer Mehrheit den Kredit von 7 700 000 Gulden. Dabei sprach der Minister v. Barnbüler dem Abgeordneten Professor Römer gegenüber, welcher eine Schwächung Preußens für eine Schwächung Deutschlands erklärte und vor einer Unterstüßung der östreichischen Pläne warnte, die Worte aus: „Wenn die Kriegswürfel geworfen sind und wenn in diesem Falle das Kriegsglück gegen Preußen sein sollte, dann wird auch Professor Römer nicht imstande sein, das ‚Vae victis!' von seinem Lieblingsstaate abzuwenden.“

In Baden waren sämtliche Minister, außer Staatsrat Mathy, Präsident des Handelsministeriums, entschiedene Gegner der Bismarckschen Politik, v. Edelsheim, Minister des Auswärtigen, geradezu ganz östreichisch; die Kammern, von schleswig-holsteinischem Partikularismus befangen, ließen sich von dem damals herrschenden Bundesrechtsschwindel fortreißen; die ultramontanen Führer der größtenteils katholischen Bevölkerung sprachen von einem Massenzug nach Karlsruhe und von der Einseßung eines klerikalen Ministeriums. Großherzog Friedrich, der Schwiegersohn des Königs von Preußen und der langjährige treue Bundesgenosse Preußens, dessen Reformpläne er guthieß, war in einer eigentümlichen Lage. Als streng konstitutioneller Fürst, der er war, hatte er auf die Stimme der Kammern Rücksicht zu nehmen. Er handelte daher durchaus konstitutionell, wenn er die antinationalen Beschlüsse derselben bestätigte, und er handelte national, wenn er unkonstitutionelle Maßregeln ergriff und die Beschlüsse der Kammern nicht beachtete. Am Berliner Hofe wurde angefragt, ob Preußen bei Ausbruch des Krieges ein mit ihm durch Allianz

Müller, Ginigungskriege.

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verbündetes Baden militärisch zu schüßen vermöge. Von der Antwort auf diese Frage hing für Baden alles ab. Lautete sie bejahend, so blieb Baden auf preußischer Seite, das Ministerium wurde entlassen, ein nationales Ministerium Mathy Jolly wurde berufen. Aber die Frage fiel verneinend aus. Edelsheim hielt an den Bamberger Beschlüssen, welche die Neutralität verwarfen und für das vermeintliche Bundesrecht eintraten, fest, und Mathy trat am 30. Juni aus dem Ministerium, um am 27. Juli selbst an die Spiße eines neuen Kabinetts zu treten. Mathy war der erste Staatsmann Süddeutschlands, hervorragend durch die Klarheit seines Blickes, durch seinen entschlossenen Charakter, durch seine Begeisterung für ein großes, nationales Deutschland. Als das Verhängnis über Baden schon gekommen war und seine Truppen nach Frankfurt kommandiert wurden, schrieb er am 18. Juni in sein Tagebuch: „Wir stehen auf der unrechten Seite, für das Faule, Habsburg und Welf, gegen das Frische; der Ausgang wird es lehren." Einem Gesinnungsgenossen schrieb er: „Ich teile vollständig Ihre Ansicht über das Machtverhältnis beider Parteien. Hier glaubt man auf der Seite der stärkeren zu stehen, während man sich auf der schwächeren befindet. Man fürchtet sich, isoliert zu bleiben, und deshalb halten wir zu denen, welche die Absicht haben, uns den Hals abzuschneiden. Der Großherzog erkennt es; aber wie will er ein entschiedenes Veto den von allen Seiten auf ihn eindringenden Stimmen entgegenseßen, Stimmen, die ihm zurufen: Baden kann sich nicht isolieren, das Volk leidet dies nicht, das Volk würde, mit fremden Truppen überschwemmt, furchtbare Drangsale erleiden, es würde geteilt werden, Staat und Dynastie gingen verloren! Diese Angst beherrscht auch die Mehrzahl der Volksvertretung, deren Chor es dem Großherzoge wirklich unthunlich macht, eine Regierung in seinem Sinne zu bilden, welche allerdings einen Boden im Lande sich erst schaffen müßte. Die mittelstaatlichen Staatsmänner haben feine Spur von nationaler Empfindung, nichts als Neid gegen

Preußen, nichts als das Gelüste, diesen deutschen Staat klein zu machen und nebenbei jeder für sich einen Profit auf Unkosten des Gegners oder eines Genossen in die Tasche zu stecken."

In Hannover waren König Georg V. und sein Hof, welche sehr legitimistische Anschauungen hatten, dem Herzog Friedrich von Augustenburg durchaus nicht geneigt. Es wurde dort getadelt, daß der Herzog nach der Volksgunst trachte und in Volksversammlungen, wo süddeutsche Demokraten das Wort führten, sein Erbrecht verteidigen lasse. Daß Östreich die augustenburgische Agitation unterstüßte, berührte in Hannover auch nicht angenehm. In seiner berühmten Rede vom 12. Januar 1887 schilderte Bismard im Reichstag die damaligen Beziehungen Preußens zu Hannover mit folgenden Worten: „Wir haben der hannoverschen Regierung damals gesagt: wir sehen den Krieg mit Östreich voraus; versprecht uns nur, neutral zu bleiben; dann habt Ihr das Wort des Königs von Preußen, daß Euch nichts geschieht. Wir verlangen nicht Euren Beistand, wir verlangen nicht eine Wiederholung des Beispiels aus dem siebenjährigen Kriege, wo die hannoverschen Truppen an unserer Seite gefochten haben; wir verlangen nur Euer Wort, daß Ihr still sizen wollt; dann werden wir Euer Territorium respektieren und Euch als neutrale Macht betrachten, und der Krieg mag ausfallen, wie er will, Jhr könnt sicher sein, in Eurem Besiß zu bleiben. Es wurde darauf eingegangen und das Verhältnis war eine Zeitlang sogar so freundlich, daß die Verlobung einer hannoverschen Prinzessin mit einem preußischen Prinzen (dem Prinzen Albrecht) in Verhandlungen mit dem Grafen Platen, hannoverschen Minister des Auswärtigen, der mich damals zu diesem Zwecke besuchte, geplant wurde und soweit zustande kam, daß die jungen Herrschaften sich bloß noch einmal sehen wollten, um zu entscheiden, ob sie sich konvenierten. Da kamen plößlich verschiedene einflußreiche Persönlichkeiten — ob mit oder ohne Auftrag von Wien, das weiß ich nicht, die den König Georg umstimmten. Er fing an zu rüsten und Truppen

auszuheben, in der Absicht, seine Armee zu verstärken, eine Absicht, die mit der Neutralität nicht verträglich war. Wir erkundigten uns nach den Gründen, und es wurde uns geantwortet, wegen der möglicherweise bevorstehenden Teuerung der Preise wolle man statt des Herbstmanövers ein Frühjahrsmanöver machen. Inzwischen war ein hoher Herr und Verwandter des hannoverschen Hauses (Prinz zu Solms-Braunfels) nach Hannover gekommen und hatte dort Anerbietungen gemacht, hatte von 800 000 Öst= reichern gesprochen und den König überzeugt, daß der östreichische Sieg ganz sicher sein würde. Dieser stellte sich, troß der geographischen Lage Hannovers zwischen Magdeburg und Minden, auf die östreichische Seite, in der Absicht, über uns herzufallen und im Falle des Unterliegens Preußens eine territoriale Vergrößerung zu gewinnen. Es ist da wenigstens nicht klug operiert worden."

Auch von anderer Seite kamen der preußischen Regierung sehr entschiedene Kundgebungen für Erhaltung des Friedens zu. Das Abgeordnetenhaus zwar konnte seine Stimme nicht erheben: es war, wie wir gesehen haben, am 23. Februar vertagt worden und wurde am 9. Mai, wo die Lage sich bereits sehr kriegerisch gestaltet hatte, aufgelöst, weil die Regierung das Bedürfnis fühlte, ...die Stimmung zu kennen und zum Ausdruck gebracht zu sehen, welche das preußische Volk im jeßigen Augenblick und mit Rücksicht auf die gegenwärtige Lage der Dinge beseelt." Aber der Ausschuß des Nationalvereins versammelte sich am 14. Mai in Berlin und erhob, treu seinem patriotischen Beruf," nochmals seine Stimme gegen einen Bruch des deutschen Landfriedens, dessen Schuld wie ein Fluch auf das Haupt der Urheber desselben zurückfallen wird.“ Der Abgeordnetentag, welcher am 20. Mai in Frankfurt eröffnet wurde, verdammte den drohenden Krieg als einen nur dynastischen Zwecken dienenden Kabinettskrieg. Er ist einer zivilisierten Nation unwürdig, gefährdet alle Güter, welche wir in fünfzig Jahren des Friedens errungen haben, und nährt die

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