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Mosel und Rhein (ohne Koblenz und Mainz) mit einer halben Million preußischer Einwohner, mit Rheinbayern, Birkenfeld, Homburg und Rheinhessen. Nachdem wir im Juni 1866 ungeachtet mehrfacher, fast drohender Mahnungen zur Annahme obiges Allianzprojekt abgelehnt hatten, rechnete die französische Regierung nur noch auf den Sieg streichs über uns und auf unsere Ausbeutung für französischen Beistand nach unserer eventuellen Niederlage, mit deren diplomatischer Anbahnung die französische Politik sich nunmehr nach Kräften beschäftigte."

Da Napoleon bei Preußen kein Entgegenkommen fand, so wandte er sich an Italien und an Östreich. Ersteres stand damals ganz unter dem Einfluß und dem Bann des Kaisers Napoleon. König Viktor Emanuel vergaß es demselben nie, daß er nur durch französischen Beistand im Feldzug von 1859 mehrere Provinzen gewonnen hatte, und hatte eine außerordentliche Achtung vor der Kriegsmacht des kaiserlichen Frankreichs. Sein Ministerpräsident, La Marmora, war der „eifrigste Parteigänger Napoleons und Vorkämpfer der französisch-italienischen Allianz um jeden Preis, der es dankbar als eine Großmut des Kaisers erkannte, daß derselbe zu der preußischen Allianz seine Erlaubnis gegeben hatte. Diese kaiserliche Erlaubnis hielt La Marmora für so wertvoll, daß er sie zu jedem seiner Schritte einholte und von jeder Phase der Unterhandlungen mit Preußen den Tuilerien Nachricht gab." Sein Streben war, Venetien durch friedliche Tession, das heißt durch Kauf, von Östreich zu gewinnen. Daher schickte er, wie wir gesehen haben, im November 1865 einen Unterhändler nach Wien, erhielt aber zur Antwort, daß die Abtretung Venetiens für Öst= reich eine Frage der militärischen Ehre sei. Daraus ging, wie Jacini schreibt, hervor, daß Östreich bereits auf den Verlust Venetiens vorbereitet war, daß es um der militärischen Ehre willen einen Kampf unternehmen würde, daß aber dieser Kampf den Charakter eines Duells, nicht den eines gründlichen Krieges haben sollte.

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Napoleon hatte die Erlaubnis" zum Abschluß des Berliner Vertrags vom 8. April gegeben, um Preußen zum Kriege zu ermutigen. Wohl nicht ohne sein Wissen und nicht ohne seine Zustimmung suchte Östreich durch sein Anerbieten vom 5. Mai die Allianz zu sprengen. Es bot dem italienischen Kabinett die Abtretung Venetiens an, und zwar ohne alle Entschädigung, unter der einzigen Bedingung, daß Italien in dem bevorstehenden östreichisch-preußischen Kriege neutral bleibe. Napoleon, von Preußen abgewiesen, hatte bereits Unterhandlungen mit Östreich eröffnet, die ihre Spize gegen Preußen richteten. Nahm Italien das Anerbieten an, so war Preußen isoliert, Östreich konnte seine ganze Macht gegen Norden wenden, die Niederlage Preußens war für Napoleon mehr als wahrscheinlich. Das war es ja, was er wollte; dann trat er als Schiedsrichter auf, als Retter Preußens, und ließ sich seine Dienste durch Abtretung deutschen oder belgischen Gebietes bezahlen. Der langgehegte Wunsch La Marmoras, Venetien ohne Schwertstreich zu gewinnen, sollte sich erfüllen. Es brauchte nur eine bejahende Antwort an Östreich und einen Vertragsbruch gegen Preußen, so war die Sache abgemacht. „Es war ein schrecklicher Moment," sagt Jacini. La Marmora bedachte, daß der Krieg gegen Östreich in Italien sehr populär war und daß die Armee es kaum dulden würde, wenn Venetien durch Vertragsbruch gewonnen und sie selbst in ihre Garnisonen zurückgeschickt würde. Er lehnte daher troß des Zuredens Napoleons das östreichische Anerbieten ab, hielt an dem Berliner Vertrag fest, suchte ihn aber durch die Art seiner Kriegführung für Preußen so wertlos als möglich zu machen. Da er sicher zu sein glaubte, Venetien unter allen Umständen zu gewinnen; da er, wie er selbst sagte, ins Feld rückte, Venetien in der Tasche, so war es ihm um einen ernsthaften Krieg gar nicht mehr zu thun. Damit war den Interessen Preußens schlecht gedient. Ein bloßes Duell, ein lokalisierter Krieg, ein Vorstoß gegen das östreichische Festungsviereck entsprach nicht dem Feldzugsplan, welcher von dem

Augenblicke an, wo der Ausbruch des Krieges wahrscheinlich wurde, Gegenstand der Besprechungen von preußischen und italienischen Offizieren war, auch nicht den Verhandlungen, welche La Marmora am 6. Juni mit dem preußischen Gesandten in Florenz, Grafen Usedom, und dem preußischen militärischen Bevollmächtigten, Herrn v. Bernhardi, führte. Selbst unter den italienischen Militärs kannten die fähigsten Generale, wie Fanti und Cialdini, keinen anderen Weg zur Eroberung Venetiens als die Straße nach Wien.

Die Zeit drängte. Die preußischen Truppen rückten bereits ins Feld. Von La Marmora wußte man noch nicht, welchen Feldzugsplan er befolgen wolle. Da hielt es Graf Usedom für seine Pflicht, die Note vom 17. Juni an den italienischen Ministerpräsidenten zu richten, ohne vorher bei seiner Regierung darum anzufragen. Er erinnerte ihn darin an den von preußischen und italienischen Militärs besprochenen Feldzugsplan, der auf der Idee eines gründlichen Krieges (guerra a fondo) beruhe. Um durchaus gleichmäßig mit Preußen voranzugehen, dürfe sich Italien nicht damit begnügen, bis an die nördlichen Grenzen Venetiens vorzudringen; es müsse sich vielmehr bis zur Donau Bahn brechen, sich mit Preußen an dem Mittelpunkte der kaiserlichen Monarchie selbst begegnen, kurz, es müsse auf Wien marschieren. Um sich den dauernden Besit Venetiens zu sichern, müsse es vorerst die östreichische Macht ins Herz getroffen haben. Während die italienische Hauptarmee gegen Wien marschiere, sollten die Freiwilligen unter General Garibaldi nach der Ostküste des Adriatischen Meeres vorrücken, in Ungarn eindringen und dort mit einem aus nationalen Elementen gebildeten fliegenden Korps, welches von Schlesien aus vorgehe, sich vereinigen. Nach allen Mitteilungen würde eine solche Expedition eine überaus herzliche Aufnahme bei den Slaven und bei den Ungarn finden, und die kroatischen und ungarischen Regimenter der östreichischen Armee würden sehr bald sich weigern, gegen Heere sich zu schlagen, die in ihren eigenen Ländern als Freunde aufgenommen worden seien.

Mit diesem kühnen Feldzugsplan, welcher den verbündeten Heeren Wien als Vereinigungspunkt bezeichnete und die gänzliche Niederwerfung Östreichs durch die Revolutionierung des grollenden Ungarns zu erreichen suchte, waren La Marmora und der Kaiser Napoleon, der Leiter der italienischen Politik, durchaus nicht einverstanden. Der lettere, welcher Preußen aus seiner italienischen Allianz möglichst wenig Gewinn ziehen lassen wollte, erklärte, als ihm der preußische Plan mitgeteilt wurde, der Moltkesche Plan sei wohl im Interesse Preußens, aber nicht in dem Italiens. Dieses sollte sich mit Venetien begnügen und bedenken, daß die Erhaltung eines starken Östreichs innerhalb seiner natürlichen Grenzen dem Vorteile Italiens weit mehr entspreche als die, wenn auch nur teilweise Zertrümmerung Östreichs und die Herstellung eines Deutschen Reiches, das unter Preußens Führung von der Ostsee bis Triest gebiete. Eine energische militärische Aktion sei also für Italien nicht rätlich.

La Marmora hörte nichts lieber als eine solche Rede. Er unterschlug die preußische Note, steckte sie in die Tasche, machte weder dem König, noch dem Kriegsrat Mitteilung hievon und gab dem Grafen Usedom gar keine Antwort. Zwei Jahre darauf, als er bereits nicht mehr Minister war, am 21. Juli 1868, zog er das Usedomsche Schreiben, welches in das Staatsarchiv, nicht in sein Privatarchiv gehörte, hervor und las es, eine Indiskretion ohnegleichen begehend, der Abgeordnetenkammer vor, um durch den Inhalt jenes Schreibens eine Verbitterung Östreichs gegen Preußen und durch seine (gefälschte) Darstellung jener Vorgänge eine Lockerung der preußisch-italienischen Freundschaft hervorzurufen. Statt des von Preußen empfohlenen Kriegsplanes führte er seinen eigenen durch, um bei der ersten Gelegenheit eine gründliche Niederlage zu erleiden.

Napoleon sezte, nachdem die Abtretung Venetiens gescheitert war, die Unterhandlungen mit Östreich fort. Sie führten zu dem französisch östreichischen Vertrag vom 9. Juni, wonach Kaiser

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Franz Joseph Venetien an Frankreich, beziehungsweise an Italien abtreten und als Entschädigung hierfür Schlesien erhalten sollte. Dieser Vertrag wurde sehr geheim gehalten und über die Kompensationen, welche Napoleon forderte, nichts veröffentlicht. Napoleon, welcher sich bereits als Schiedsrichter und als Schöpfer neuer Staatengebilde ansah, enthüllte in dem Schreiben vom 11. Juni, das er an Drouyn de Lhuys, seinen Minister des Auswärtigen, richtete, seine politischen Pläne. „Der entstandene Konflikt,“ sagte er, hat drei Ursachen: die schlecht abgegrenzte geographische Lage Preußens, den Wunsch Deutschlands nach einer seinen allgemeinen Bedürfnissen mehr entsprechenden politischen Gestaltung und die Notwendigkeit für Italien, seine nationale Unabhängigkeit zu sichern. Wir hätten, was uns betrifft, für die Nebenstaaten des Deutschen Bundes eine engere Vereinigung, eine mächtigere Organisation, eine bedeutsamere Rolle gewünscht, für Preußen mehr Abrundung und Kraft im Norden, für Östreich die Aufrechthaltung seiner einflußreichen Stellung in Deutschland. Wir hätten ferner gewünscht, daß Östreich gegen eine angemessene Entschädigung Venetien an Italien abtreten könnte; denn wenn Östreich in Gemeinschaft mit Preußen, ohne sich um den Vertrag von 1852 zu kümmern, im Namen der deutschen Nationalität einen Krieg gegen Dänemark geführt hat, so schien es mir gerecht, daß es ebendasselbe Prinzip in Italien anerkannte, indem es die Unabhängigkeit der Halbinsel vervollständigte." Wie verschieden ist doch dieses Napoleonische Programm vom Bismarckschen! Hier Gründung eines Deutschen Reiches unter Preußens Führung mit Ausschließung Östreichs; dort Beibehaltung der Präsidialstellung Östreichs und des Deutschland zur Ohnmacht verurteilenden Dualismus, die Einverleibung der Elbherzogtümer, vielleicht auch Hannovers oder Kurhessens in das preußische Gebiet, die Zuteilung Schlesiens an Östreich als Ersaß für Venetien, die selbständigere Stellung der Mittel- und Kleinstaaten als dritter deutscher Großmacht (Trias), welche sie zu einer Erneuerung eines Rheinbundes fähig gemacht

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