Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Preußens mit dem vergrößerten Piemont steht im Buche der Zukunft geschrieben."

=

Der von Cavour vorausgesehene Fall trat sehr bald ein. Bismarck, der gleich beim Eintritt ins Ministerium den Plan hatte, den deutschen Nationalstaat unter Preußens Führung zu gründen, beauftragte den italienischen Gesandten in Berlin, bei seiner Regierung anzufragen, welche Haltung sie im Falle eines preußisch östreichischen Krieges einzunehmen im Sinne habe. Der Gesandte begab sich selbst nach Turin und erhielt von dem Ministerpräsidenten Farini die Antwort, Italien werde mit jedem Feinde Östreichs sich verbünden. Der im Dezember 1865 erfolgte Abschluß eines Handelsvertrags zwischen Italien und dem Zollverein, welchen Bismarck gegen den Willen der deutschen Mittelstaaten durchgesezt hatte, stimmte Italien sehr günstig für Preußen. Infolge dieses Vertrags mußten sämtliche Mittelstaaten, welche das Königreich Italien noch nicht anerkannt hatten, zu dieser Anerkennung sich bequemen und den diplomatischen Verkehr mit Italien eröffnen. Eine weitere Anfrage über die Teilnahme Italiens an einem Kriege, welchen Preußen gegen Östreich zu führen gedenke, richtete im Sommer 1865 Graf Usedom, der preußische Gesandte in Florenz, im Auftrag Bismarcks an den italienischen Ministerpräsidenten La Marmora. Dieser erwiderte sehr zuvorkommend, wollte aber keine festen Zusagen geben, bevor Bismarck sich über seine Absichten und Pläne offen ausgesprochen habe. Wenige Tage darauf traf in Florenz die Nachricht vom Abschluß der Gasteiner Konvention ein. Dies stimmte mit den Eröffnungen des preußischen Gesandten nicht zusammen. Die Kriegsaussichten schienen ganz beseitigt und eine Versöhnung der deutschen Großmächte eingetreten zu sein. Aber es schien nur so. Im November 1865 schickte die italienische Regierung einen Unterhändler nach Wien und ließ für die Abtretung Venetiens eine Geldentschädigung anbieten. Dieser Antrag wurde als unvereinbar mit der Ehre und Machtstellung Östreichs abgelehnt.

Müller, Einigungskriege.

11

Im Februar 1866, als die Korrespondenz zwischen Bismarck und Mensdorff sehr scharf zu werden anfing, forderte Bismarck die italienische Regierung auf, einen militärisch und diplomatisch tüchtigen Offizier nach Berlin zu entsenden, welcher in Gemeinschaft mit dem italienischen Gesandten in Berlin über die Bedingungen, unter welchen zwischen Italien und Preußen ein gegen Östreich gerichtetes Kriegsbündnis abgeschlossen werden konnte, unterhandeln sollte. Mit dieser Mission beauftragte La Marmora einen der tüchtigsten Offiziere des italienischen Heeres, den General Govone. In der Unterredung, welche derselbe am 14. März mit Bismarck hatte, trat eine neue Täuschung ein. Während Govone glaubte, daß es sich sofort um den Abschluß des Bündnisvertrags und um die Entwerfung des Feldzugsplanes handle, sagte ihm Bismarck, so weit sei man noch nicht; der Krieg sei zwar unvermeidlich, werde aber erst in einigen Monaten ausbrechen, wenn er seinen Plan über die Bundesreform und über die Berufung des Parlaments dem Bundestag vorgelegt haben werde; einstweilen könne man nur über ein allgemein gehaltenes Freundschaftsbündnis verhandeln. Dies gefiel dem General Govone nicht. Eine solche Verzögerung schien ihm mit einem neuen Gastein" zu endigen. Erst als die Nachricht von den Rüstungen Östreichs und von dessen Rundschreiben an die deutschen Mittelstaaten (16. März) in Florenz einlief und als Kaiser Napoleon das italienische Kabinett zum Abschluß des Bündnisses aufforderte, erteilte am 3. April La Marmora dem General Govone Vollmacht zum Abschluß einer Übereinkunft auf Grundlage der nötigenfalls mit Waffengewalt durchzuführenden preußischen Reform= vorschläge und der Abtretung Venetiens an das Königreich Italien. Am 8. April 1866 wurde in Berlin eine vorläufige Übereinkunft auf drei Monate abgeschlossen, worin Italien sich verpflichtete, an Östreich den Krieg zu erklären, falls Preußen wegen Aufrechthaltung seiner Reformvorschläge binnen drei Monaten in einen Krieg mit Östreich verwickelt werden sollte, und beide Staaten die

Zusage machten, daß sie ohne gegenseitiges Einverständnis keinen Frieden oder Waffenstillstand schließen würden.

Die Anträge auf Anordnung einer gleichzeitigen Abrüstung, welche teils von Östreich, teils am Bund von acht Mittelstaaten ausgingen, gaben auf kurze Zeit eine schwache Hoffnung auf Erhaltung des Friedens. Preußen nahm den östreichischen Vorschlag an, erkannte aber bald, daß die Sache nicht ernst gemeint sei. Die beiden Mensdorffschen Depeschen vom 26. April verursachten eine neue Wendung. In der einen erklärte der östreichische Minister, der Kaiser sei vollkommen bereit, den Befehl zur Abberufung der zur Verstärkung der Garnisonen nach Böhmen beorderten Truppen zu erteilen; da aber Italien einen Angriff auf Venetien vorbereite, so müsse streich seine Verteidigungsmittel nach einer anderen Richtung hin verstärken und seine Armee in Italien auf den Kriegsfuß seßen, was nicht ohne beträchtliche Truppenbewegungen im Innern der Monarchie geschehen könne, übrigens die preußische Regierung nicht verhindern werde, auf die Entfernung der östreichischen Truppen von der böhmischen Grenze mit der Reduktion der mobil gemachten preußischen Truppenkorps zu antworten.“ In der anderen Depesche schlug Mensdorff der preußischen Regierung vor, sie solle gegen Sicherung einiger Vorteile im Verein mit Östreich dem Bundestag erklären, daß beide Mächte beschlossen hätten, die durch den Wiener Friedensvertrag erworbenen Rechte auf denjenigen Prätendenten zu übertragen, welchem der Deutsche Bund die überwiegende Berechtigung zur Erbfolge im Herzogtum Holstein zuerkennen würde." Sollte Preußen auf diesen Vorschlag nicht eingehen, so würde Östreich nichts mehr übrig bleiben, als die holsteinische Angelegenheit der bundesgemäßen Regelung zu überlassen. Die Antwort Bismarcks vom 7. Mai hatte zur Grundlage die Verträge von Wien und Gastein, wonach der Bund über den rechtmäßigen Besit des Herzogtums Holstein kein Recht zur Entscheidung hatte, wollte von einer Übertragung der durch Krieg und Vertrag erworbenen Rechte an den Augustenburger, der keine

Bürgschaft eines Ersaßes für die großen Opfer biete, nichts wissen und erklärte schließlich, daß, wenn Östreich über seine Rechte an der gemeinsamen Errungenschaft eine anderweite Verfügung treffen wolle, Preußen zur Verhandlung darüber bereit sein werde.

Das Generalstabswerk sagt über die Mensdorffschen Vorschläge: „Hält man die beiden Depeschen vom 26. April zusammen, so sollten also, während Preußen abrüstete, unter dem Vorsize Östreichs die von der demokratischen Strömung für den Erbprinzen von Augustenburg beherrschten Mittelstaaten über Preußens Rechte auf die Herzogtümer verfügen, und behielt Östreich Zeit und Muße, einen beliebig großen Teil seiner Armee ungestört auf Kriegsfuß zu sehen. Gleichviel, ob dies, wie bisher in Böhmen, nun in Ungarn oder in Illyrien geschah, jedenfalls konnte in kurzer Zeit ein starkes Heer, wie am unteren Po, so auch an der oberen Elbe wieder versammelt werden. Die preußische Armee hatte im lezteren Fall, um sich zu konzentrieren, nicht nur den Anmarsch, sondern zuvor noch die ganze Mobilmachung durchzumachen und mußte also notwendig zu spät kommen. Schwerlich konnte man in Wien ernstlich glauben, daß das preußische Kabinett auf solche Vorschläge eingehen werde. Sie erregten in Berlin ein tiefes und allgemeines Mißtrauen in die Absichten der Nachbarmacht, und um so mehr, als man sehr genau wußte, daß damals Italien noch nichts für einen Krieg vorbereitet hatte." Sämtliche Abrüstungsanträge hatten keinen Erfolg. In den ersten Tagen des Mai wurde die ganze preußische Feldarmee mobil gemacht.

Der Frieden hing noch an einem dünnen Faden. Die neutralen Mächte, Frankreich, England und Rußland, machten noch eine letzte Anstrengung, ihn zu erhalten. Schon zu Ende April wurde zwischen den zwei zuerst genannten Staaten darüber unterhandelt. Der französische Staatsmann Thiers sprach sich am 3. Mai im Gesetzgebenden Körper ganz in der Weise eines Ludwigs XIV. oder eines Napoleons I. aus. „Von jeher sei es das größte politische Prinzip Europas, daß Deutschland aus

unabhängigen, durch ein einfaches Föderativband miteinander verbundenen Staaten bestehe. Die Deutschen hätten vollkommen das Recht, ihren Bundestag mit den Ideen der Neuzeit in Einklang zu bringen und denselben im Sinne der Einheit umzugestalten; allein sie sollten nicht vergessen, daß sie sich gegen Europa und gegen die großen Prinzipien des europäischen Völkerrechtes verfehlen würden, wenn sie ein Deutschland bilden wollten, in welchem die Einzelstaaten aufhörten, als getrennte unabhängige Staaten zu eristieren. Preußen sei der Staat, welcher derartige Pläne im Schilde führe. Es möchte durch einen glücklichen Krieg zwar gerade noch nicht die 50 Millionen Deutsche in seinen 19 Millionen aufgehen lassen - das gehe nicht auf einmal —; aber es möchte sich einiger nördlichen Staaten bemächtigen und die anderen in einem Bundestag unter seinem Einflusse unterbringen. Es wäre dann ein Teil Deutschlands unter seiner direkten, ein anderer unter seiner indirekten Autorität. Der so gestalteten Staatenbildung würde das einheitliche Italien unvermeidlich die Hand bieten. Frankreich könne eine solche Politik nicht begünstigen." Kaiser Napoleon III., welcher große Zeiten und große Ereignisse kommen sah und sich für seine Pläne freie Bahn schaffen wollte, äußerte am 6. Mai in seiner Rede zu Aurerre: Ich sehe mit Befriedigung, daß die Erinnerungen an das erste Kaiserreich in Ihrem Gedächtnis nicht erloschen sind. Sie begreifen, wie die Mehrheit des französischen Volkes, daß ich jene Verträge von 1815 verabscheue, die man heute zur Grundlage unserer auswärtigen Politik machen will."

Am 28. Mai ergingen von den drei neutralen Staaten Einladungen an Östreich, Preußen, Italien und den Deutschen Bund. Dieselben sollten so bald als möglich Bevollmächtigte zu einem Friedenskongreß nach Paris schicken, um gemeinschaftlich mit jenen die Fragen der Elbherzogtümer, des italienischen Streites und der Bundesreform, soweit sie das europäische Gleichgewicht berühren könnten, zu beraten. Preußen, Italien und der Bundestag nahmen

« ZurückWeiter »