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Der Marschallsrat, welcher auf den 10. März nach Wien einberufen und zu welchem auch der Feldzeugmeister Benedek beigezogen wurde, sprach sich für Einberufung der Reserven, für Überführung von Truppen aus Mähren, Ungarn und Galizien nach Böhmen und für Ausrüstung der an der preußischen Grenze gelegenen Festungen aus. Die auf dies hin getroffenen Anordnungen durch Hinweisung auf die in Böhmen ausgebrochenen Judenhezen begründen zu wollen, erschien um so lächerlicher', da die Ansammlung der Truppen meist in solchen Gegenden Böhmens stattfand, in welchen gar keine Judenheßen sich ereignet hatten. Infolgedessen wurde am 28. März in Berlin eine neue Beratung veranstaltet und hauptsächlich die militärische Lage besprochen, worauf die Erhöhung der Truppenzahl und die Ausrüstung mehrerer Festungen angeordnet wurde; von einer Mobilmachung war noch keine Rede; es handelte sich nur um defensive Vorsichtsmaßregeln, zu welchen die Rüstungen Östreichs Veranlassung gegeben hatten.

Die Lage sah bereits sehr bedenklich aus. Für die beiden Großmächte war es von Wichtigkeit, zu erfahren, was in diesem preußisch-östreichischen Konflikt die deutschen Mittelstaaten zu thun. entschlossen seien. Graf Mensdorff richtete daher am 16. März eine Depesche an die Vertreter Östreichs bei den deutschen Regierungen (außer Preußen), worin er erklärte, daß das Wiener Kabinett seine Bemühungen, eine definitive Lösung der Herzogtümerfrage im Einvernehmen mit Preußen vorzubereiten, als vereitelt betrachten und sonach alles Weitere den verfassungsmäßigen Beschlüssen des Bundes, welchem seine Anerkennung stets gesichert sei, anheimstellen müsse, und einem drohenden Angriff Preußens gegenüber den Vorschlag machte, daß das 7., 8., 9. und 10. Bundeskorps in Kriegsbereitschaft gesezt werden und mit der östreichischen Armee vereinigt Preußen sich entgegenstellen sollten. In dem Rundschreiben vom 24. März, welches Graf Bismarck an die Vertreter Preußens bei den deutschen Regierungen sandte,

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beleuchtete er die damalige Sachlage, erwähnte die drohenden Rüstungen Östreichs und die Notwendigkeit der Bundesreform und erklärte, daß Preußen durch seine Stellung, seinen deutschen Charakter und durch die deutsche Gesinnung seiner Fürsten vor allem zunächst darauf angewiesen sei, die Garantieen für die Sicherheit seiner Zukunft nicht im Bunde mit der anderen deutschen Großmacht, sondern in Deutschland selbst zu suchen, daher er an die deutschen Regierungen die Frage richte, ob und in welchem Maße Preußen auf ihre Unterstüßung zu rechnen habe in dem Falle, daß es von Östreich angegriffen oder durch unzweideutige Drohungen zum Kriege genötigt würde. Die abnorme Lage, in welche Preußen durch die feindselige Haltung der andern im Bunde befindlichen Großmacht gebracht ist, drängt uns die Notwendigkeit auf, eine den realen Verhältnissen Rechnung tragende Reform des Bundes in Anregung zu bringen. Schon durch die geographische Lage wird das Interesse Preußens und Deutschlands identisch dies gilt zu unseren, wie zu Deutschlands Gunsten. Wenn wir Deutschlands nicht sicher sind, ist unsere Stellung gerade wegen unserer geographischen Lage gefährdeter, als die der meisten. anderen europäischen Staaten; das Schicksal Preußens aber wird das Schicksal Deutschlands nach sich ziehen, und wir zweifeln nicht, daß, wenn Preußens Macht einmal gebrochen wäre, Deutschland an der Politik der europäischen Nationen nur noch passiv beteiligt bleiben würde. Dies zu verhüten, sollten alle deutschen Regierungen als eine heilige Pflicht ansehen und dazu mit Preußen zusammenwirken. Wenn der Deutsche Bund in seiner jeßigen Gestalt und mit seinen jeßigen politischen und militärischen Einrichtungen den großen europäischen Krisen, die aus mehr als einer Ursache jeden Augenblick auftauchen können, entgegengehen soll, so ist nur zu sehr zu befürchten, daß er seiner Aufgabe erliegen und Deutschland vor dem Schicksale Polens nicht schüßen werde." Auch teilte er den Regierungen mit, er habe sich dem Grafen Karolyi gegenüber auf sein Befragen bei der ersten Unterredung

nach Empfang der Mensdorffschen Depesche vom 7. Februar dahin ausgesprochen, daß Preußens Beziehungen zu Östreich nunmehr anstatt des intimen Charakters, den sie während der letzten Jahre angenommen, auf denselben Standpunkt zurückgeführt worden seien, auf dem sie vor dem dänischen Kriege gewesen, nicht besser, aber auch nicht schlimmer, als zu jeder fremden Macht.

Die deutschen Regierungen erwiderten, wie nicht anders zu erwarten war, ablehnend oder ausweichend und beriefen sich auf die Bestimmungen der Bundesakte, wonach die Bundesglieder einander unter keinerlei Vorwand bekriegen, sondern ihre Streitigkeiten bei der Bundesversammlung anbringen sollten, deren Ausspruch die streitenden Teile sich zu unterwerfen hatten. Darauf stellte Preußen am 9. April am Bundestage den Antrag, daß eine aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrecht der ganzen Nation hervorgehende Versammlung für einen noch näher zu bestimmenden Tag einberufen werden sollte, um die Vorlagen der deutschen Regierungen über eine Reform der Bundesverfassung entgegenzunehmen und zu beraten, und daß in der Zwischenzeit, bis zum Zusammentritt derselben, durch Verständigung der Regierungen untereinander diese Vorlage festgestellt werden solle. Der Inhalt der beabsichtigten Reformen sollte den Bundesgenossen erst dann vorgelegt werden, wenn der Termin der Parlamentseröffnung vereinbart wäre. Mit der Ablehnung der Terminfrage wäre, schrieb Bismarck am 27. April, die ernstliche Behandlung der Bundesreform überhaupt thatsächlich abgelehnt. Am 11. Mai gab der preußische Bundestagsgesandte bei der Konstituierung der Bundesreform-Kommission nähere Andeutungen über die Bundesreform, und am 27. Mai wies Graf Bismarck in einem Rundschreiben darauf hin, daß der König von Preußen mit der Bundesreform nicht beabsichtige, den deutschen Fürsten Opfer anzusinnen, welche Preußen nicht ebenso im Interesse der Gesamtheit zu bringen bereit wäre; das Ziel verlange allerdings Opfer, aber nicht von einzelnen, sondern von allen gleichmäßig.

Aber weder die Regierungen der deutschen Mittelstaaten, noch die Bevölkerung derselben, besonders die Landtage, hatten Lust, auf die Bismarckschen Vorschläge einzugehen. Jene waren überzeugt, daß die Durchführung der preußischen Reformpläne ihnen weit größere Opfer an souveräner Macht auferlegen werde, als sie zu bringen willens waren, versprachen sich auch, in der Erinnerung an das Jahr 1848, wenig Tröstliches von der Einberufung eines deutschen Parlaments; das deutsche Volk aber, dessen sehnlichster Wunsch die Berufung eines solchen Parlaments war, war in seinem Urteil durch die herausfordernden Reden der preußischen Fortschrittspartei und durch die agitatorische Presse der süddeutschen Demokratie viel zu sehr gefangen genommen, als daß es nicht dem Grafen Bismarck, welcher sich um die Beschlüsse des preußischen Abgeordnetenhauses so wenig kümmerte, sein volles Mißtrauen entgegenbrachte und aus seiner Hand kein Geschenk, auch nicht das eines deutschen Parlaments, annehmen wollte. Beide, Regierungen und Volk, blieben daher auf seiten Östreichs, das allenfalls, wie 1863 in Frankfurt, ein Schein Parlament bewilligen wollte, aber keine Leistungen und Opfer verlangte und ihnen zuweilen das Vergnügen machte, durch Majorisierung Preußen auf die Höhe eines Mittel- oder Kleinstaates herabzudrücken.

Da Preußen bei seinen deutschen Bundesgenossen kein Gehör fand, so sah es sich nach einem auswärtigen Bundesgenossen um. Die Wahl war nicht schwer; denn das neue Königreich Italien, welches vor Begierde brannte, durch Wegnahme der östreichischen Provinz Venetien den geplanten Einheitsstaat der Vollendung näher zu bringen und der dortigen Fremdherrschaft ein Ende zu machen, war bereit, mit jedem anderen Staate, der Östreich den Krieg ankündigte, sich zu verbünden. Es erfüllte sich nun das Wort, welches der weitsichtige italienische Minister Graf Cavour im Dezember 1858 gesprochen hatte. Er hatte nach Abschluß des mit Kaiser Napoleon III. vereinbarten Vertrags von Plombières den Marchese Pepoli nach Düsseldorf geschickt, wo damals der

preußische Ministerpräsident, Fürst Anton von Hohenzollern, verweilte, um demselben mitzuteilen, wie sehr die sardinische Regierung freundschaftliche Beziehungen mit Preußen zu unterhalten wünsche, zumal da solche den Interessen beider Teile durchaus entsprechen würden. Piemont sei entschlossen, die Sache der italienischen Unabhängigkeit zu verfechten, welcher entgegenzutreten Preußen gewiß keinen Grund habe. Die preußische Regierung möchte also, wenn sie nicht aktiv an den Feindseligkeiten gegen Östreich teilnehmen wolle, wenigstens eine wohlwollende Neutralität beobachten. Die italienische Unabhängigkeit könne der Macht und dem Einflusse Preußens nur nüßlich sein. Beide Dynastieen seien ja die natürlichen Repräsentanten der Nationalitätsidee; Preußen so gut wie Piemont werde früher oder später in ebendieselbe Strömung und ebendenselben Aktionskreis hineingerissen werden. Olmüş und Novara seien zwei schmerzliche Ereignisse ebenderselben Geschichte, zwei Niederlagen genau des nämlichen Prinzips. Der Krieg, welcher demnächst gegen Östreich unternommen würde, sei der Ausgangspunkt für den Sieg der Nationalitätsidee. Die Freundschaft Italiens werde und müsse Preußen in jeder Weise zu gute kommen und dessen Hegemonie obsiegen lassen über die Hegemonie Östreichs in Deutschland.

Pepoli entledigte sich seines Auftrags, wurde vom Fürsten von Hohenzollern aufs freundlichste aufgenommen, fand aber, daß die preußische Politik noch nicht in jenes Stadium getreten war, in welcher ein Staat bereit ist, die äußersten Entschlüsse zu fassen und auszuführen. Der Fürst versicherte ihn seiner vollen Sympathie für Piemont, wollte aber keine bestimmte Verpflichtung übernehmen, auf keine bindende Zusage sich einlassen. Der Marchese Pepoli teilte nach seiner Rückkehr nach Turin dem Grafen Cavour das Ergebnis seiner Mission mit. Dieser sagte darauf: ,,Was man heute nicht abzuschließen vermag, wird man in der Zukunft abschließen. Preußen wird unvermeidlich in den Kreis der deutschen Nationalitätsidee hineingezogen werden. Die Allianz

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