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Erlaß eine Verlegung der in den Verhandlungen von 1851 und 1852 gegebenen Zusicherungen erkenne und ob sie ihrerseits sich noch ferner an die damals übernommenen Verpflichtungen gebunden erachte. Die Stimmung des von der Fortschrittspartei beherrschten Abgeordnetenhauses gegen die Regierung und besonders gegen den Ministerpräsidenten v. Bismarck, wie sie sich in demselben durch die Frage der Heeresreorganisation gebildet hatte, wurde bei der Begründung der Interpellation zum Ausdruck gebracht. Twesten erklärte, die Dänen würden schwerlich den „flagranten Vertragsbruch" gewagt haben, wenn sie nicht wüßten, daß eine preußische Regierung, welche mit dem eigenen Lande in Widerspruch stehe, welche infolge der inneren Zustände auch im übrigen Deutschland vollständig ohne Einfluß sei, welche das Land nach außen hin gänzlich isoliert und dasselbe durch ihre Politik in der polnischen Angelegenheit in die äußerste Spannung zu den Westmächten ge= bracht habe, völlig außer stande sei, einen Krieg mit Dänemark zu führen. Er schloß mit den Worten: „Wenn die preußische Regierung unter den jeßigen Umständen dazu geneigt sein sollte, so werden wir einer solchen Neigung entschieden entgegentreten müssen, weil wir die jeßigen Zustände nicht als solche betrachten können, unter denen unter irgend welchen Umständen ein glückliches Resultat des Krieges und eine glückliche definitive Lösung dieses Streites zu erwarten wäre.“

Auf diese Prophezeiungen eines Mannes, der unter seinen Gesinnungsgenossen ein großes Ansehen genoß, aber von allem dem, was er vorausgesagt hatte, das Gegenteil eintreten sah, erwiderte Bismarck: „Der Herr Vorredner hat Dänemark darüber zu beruhigen gesucht, daß es einen Krieg in diesem Augenblicke von Preußen unter unseren nach innen und außen zerrütteten Verhältnissen nicht zu erwarten habe. Zum Glück ist man im Auslande nicht ebenso leichtgläubig, und ich kann Sie versichern und das Ausland versichern, wenn wir es nötig finden, Krieg zu führen, so werden wir ihn führen mit oder ohne Ihr Gutheißen." Darauf

bejahte Bismarck die erste der beiden in der Interpellation gestellten Fragen und fügte hinzu, daß Preußen und Östreich über die gemeinschaftlich in Kopenhagen zu thuenden Schritte sich verständigt und dieselben bereits ins Werk gesezt hätten.

Die dänische Regierung gab auf die preußische und östreichische Note vom 15. April eine ausweichende Antwort und eröffnete in Berlin und Wien besondere Verhandlungen, hatte aber keinen Erfolg, da sie mit ihren Vorschlägen an den Deutschen Bund gewiesen wurde. Dieser forderte nach einem Beschlusse vom 9. Juli 1863 die dänische Regierung auf, den Erlaß vom 30. März zurückzunehmen, da sonst der Bund zur Aufrechterhaltung der verlezten Rechte der Herzogtümer Holstein und Lauenburg das schon 1858 eingeleitete Exekutionsverfahren wieder aufnehmen und in Betreff des Herzogtums Schleswig alle geeigneten Mittel zur Geltendmachung der ihm durch ein völkerrechtliches Abkommen erworbenen Rechte in Anwendung bringen würde. Die dänische Antwort lautete ablehnend, und ein Rundschreiben des dänischen Ministers Hall enthielt Klagen über die vom Deutschen Bund angekündigten Maßregeln, sprach aber auch die Hoffnung aus, daß Dänemark nicht auf seine eigenen Hilfsmittel beschränkt sein würde in einem Kampfe, in welchem es sich nicht bloß um das Schicksal Dänemarks, sondern auch um die heiligsten Interessen des ganzen Nordens handle.

Diese Hoffnung war nicht unbegründet. Im englischen Oberhaus sprach sich Lord Palmerston für Dänemark aus und versicherte, daß dieses in einem Kriege mit dem Deutschen Bund nicht allein stehen würde. Der schwedische Minister Graf Manderström protestierte gegen den Einmarsch deutscher Truppen in Schleswig und forderte die englische und französische Regierung auf, die angedrohte Bundeserekution nicht zur Ausführung kommen zu lassen. Diese Regierungen erhoben denn auch in Berlin Vorstellungen gegen die Bundesexekution und verlangten, daß der Bund die Entscheidung der Streitfrage der Vermittlung anderer Mächte

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überlassen solle. Aber jener lehnte die Einmischung der fremden Mächte ab, da die Erekution in Holstein - Lauenburg eine innere deutsche Frage sei, und beschloß am 1. Oktober 1863 das Eintreten der Exekution, um die Bundesbeschlüsse in beiden Herzogtümern durchzuführen. Östreich, Preußen, Sachsen und Hannover wurden mit der Vollziehung dieser Maßregel beauftragt, und zwar sollten die beiden letzteren je einen Zivilkommissär ernennen, welcher das Erekutionsverfahren zu leiten und bis zur vollständigen Erreichung des Zweckes im Auftrage des Deutschen Bundes die Verwaltung der Herzogtümer Holstein und Lauenburg zu führen hätte. Den Zivilkommissären sollte eine Truppenabteilung von etwa 6000 Mann beigegeben und zugleich Östreich und Preußen ersucht werden, für den Fall eines thatsächlichen Widerstandes überlegene Streitkräfte bereit zu halten. Der dänischen Regierung sollte von diesem Beschlusse Mitteilung gemacht und dieselbe aufgefordert werden, binnen drei Wochen von der Ausführung des Beschlusses. Anzeige zu machen.“ Die Erwiderung Dänemarks vom 29. Oktober war teils ausweichend, teils ablehnend. Kaiser Napoleon III., welcher diese Situation benußen wollte, um sich aufs neue als den Schiedsrichter Europas zu zeigen, richtete am 5. November 1863 Einladungsschreiben an die Souveräne der Großmächte zur Teilnahme an einem Pariser Kongreß, welcher den deutsch-dänischen Konflikt und andere Differenzpunkte vor sein Forum ziehen sollte. König Wilhelm von Preußen nahm die Einladung an mit dem Wunsche, daß zuerst unter den Großmächten eine Übereinstimmung über die Grundlagen des Kongresses herbeigeführt werden solle, während England den Kongreßvorschlag ablehnte, was eine Verstimmung zwischen Frankreich und England zur Folge hatte.

Inzwischen hatte Dänemark am 28. September 1863 dem Reichsrat den Entwurf zu einem neuen Grundgesetz für Dänemark und Schleswig vorgelegt, durch welches letzteres der dänischen Monarchie einverleibt und Holstein ausgeschieden werden sollte.

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Der Reichsrat nahm diesen Entwurf am 13. November an, mit der Bestimmung, daß das Gesetz am 1. Januar 1864 in Kraft treten solle. Es fehlte noch die königliche Bestätigung. Bevor dieselbe erteilt wurde, starb plößlich König Friedrich VII. am 15. November. Mit ihm erlosch der Mannsstamm der königlichen Linie des oldenburgischen Hauses. Prinz Christian von Glücksburg, der Protokollprinz", wurde sofort in Kopenhagen als König Christian IX. für die dänische Gesamtmonarchie, mit Einschluß der Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg, ausgerufen. Aber schon am 16. November erhoben sich Hindernisse. Herzog Christian von Augustenburg verzichtete zu gunsten seines Sohnes, des Erbprinzen Friedrich, auf alle Erbansprüche an SchleswigHolstein, und dieser erließ eine Proklamation an die Bevölkerung dieser beiden Herzogtümer, worin er erklärte, daß er als erstgeborener Prinz der nächsten Linie des oldenburgischen Hauses die Regierung der Herzogtümer antrete und damit die Rechte und Pflichten übernehme, welche die Vorsehung seinem Hause und zunächst ihm überwiesen habe; zugleich gelobte und schwur er, die Verfassung und die Geseße der Herzogtümer zu beobachten und die Rechte des Volkes aufrecht zu halten. Er begab sich am 19. November nach Gotha, dessen Herzog Ernst der erste Fürst war, welcher den Erbprinzen Friedrich als den rechtmäßigen Herzog von Schleswig-Holstein anerkannte, und bildete dort ein Ministerium. Auch der Großherzog Peter von Oldenburg protestierte, die Erbansprüche der Gottorpischen Linie geltend machend, gegen die Thronbesteigung des Königs Christian in den Herzogtümern.

Solange letterer das Grundgesetz vom 13. November nicht unterzeichnete, stand seine Sache, trot aller Proteste, nicht ungünstig, da in diesem Falle Preußen und Östreich, als Unterzeichner des Londoner Protokolls, verpflichtet waren, ihn, und keinen anderen, als Thronfolger in der dänischen Gesamtmonarchie anzuerkennen. Der König schwankte. Gedrängt von der eiderdänischen Partei, welche durch Veranstaltung von Volksaufläufen

und Abordnungen seine Bedenken zu beseitigen suchte, unterzeichnete er am 18. November 1863. Es war eine teure Unterschrift; denn sie kostete ihm die drei Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg und beschränkte seine Herrschaft auf das eigentliche Dänemark, Jütland und die Inseln. König Christian konnte nur dann verlangen, daß Preußen und Östreich ihn als Beherrscher der drei Herzogtümer anerkennen, wenn er selbst auch alle Bestimmungen des Protokolls erfüllte; denn nur unter dieser Vorausseßung hatten sie das Protokoll unterschrieben; that er dies nicht, so waren auch die Großmächte nicht mehr an ihre Unterschrift gebunden, das Protokoll eristierte für sie nicht mehr, und es blieb für sie nur die eine Verpflichtung, die Rechte der Herzogtümer auf jede Weise und gegen jeden Angriff zu wahren.

Sowohl König Christian als Prinz Friedrich von Augustenburg zeigten am 21. November 1863 dem Deutschen Bunde ihren Regierungsantritt in den Herzogtümern an; leßterer ließ sich zu diesem Zweck durch den badischen Bundestagsgesandten v. Mohl vertreten. Der Bund beschloß, bis zum Austrag des Streites die Führung der holstein-lauenburgischen Stimme zu suspendieren, das heißt den dänischen Bundestagsgefandten von den Sizungen auszuschließen und den Gesandten des Prinzen von Augustenburg nicht anzunehmen. Die holsteinischen Stände und die in Kiel versammelte schleswig-holsteinische Ritterschaft sprachen sich für das legitime Erbrecht des Prinzen Friedrich aus und baten den Deutschen Bund um Schuß ihrer Landesrechte. In ganz Deutschland herrschte eine ungeheure Aufregung. Nach dem Scheitern der Märzbewegung von 1848 glaubte man in dem nun entbrannten schleswig-Holsteinischen Streit einen günstigen Anlaß zu haben, um den verlassenen Bruderstamm wieder zu gewinnen und das deutsche Einigungswerk zu fördern. In der Presse, in den Volksund Ständeversammlungen wurden die Rechte der Herzogtümer verteidigt und vom Deutschen Bund die Anerkennung des Prinzen Friedrich als Herzogs von Schleswig-Holstein und die Beseßung dieser Länder verlangt.

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