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erkennung nicht versagen dürfen, daß, wenn er sich auch nicht dazu aufzuschwingen vermochte, zeitweilig mit Entschiedenheit aus der reinen Abwehr hervorzutreten, er doch innerhalb derselben dasjenige erreicht hat, was auf diesem Wege, der Übermacht gegenüber, günstigen Falles erreicht werden kann: ein möglichst langes Hinausschieben der endlichen Entscheidung. Schließlich darf noch auf den inneren Zusammenhang hingewiesen werden, in welchem der hier zur Darstellung gelangte Feldzug mit den bereits früher von uns geschilderten Kämpfen von 1866 und 1870 71 steht. Ju militärischer Beziehung kamen die Erfahrungen, welche in dem Dänischen Kriege gemacht wurden, ebenso dem Böhmischen, wie die in diesem gesammelten wieder dem Französischen Kriege zu gute. Bei genauerem Zusehen erkennt man aber auch, daß schon in dem ersten Feldzuge, troß der beengenden Verhältnisse, jener große Zug der Kriegführung hervortritt und mehr und mehr sich Bahn bricht, welcher später zu so mächtiger Entfaltung gelangte und allen drei von König Wilhelm geführten Kriegen, ungeachtet ihrer Verschiedenheiten, doch ein gleichartiges Gepräge verleiht.“

4.

Übergang der Schleswig-Holsteinischen Frage zur Deutschen Frage.

1) Politische Lage vor Abschluß des Gasteiner Vertrags. Der erste Aft war vorüber. Die deutschen Einigungsbestrebungen hatten unter der Leitung des Königs

Wilhelm von Preußen und seiner politischen und militärischen Strategen im Norden von Deutschland einen großen Erfolg gehabt. Drei deutsche Herzogtümer, Jahrzehnte und Jahrhunderte dem Mutterlande entfremdet, waren wieder mit Deutschland vereinigt. Jene herrlichen Gebiete der cimbrischen Halbinsel, von Nordsee und Ostsee umspült, waren dem vertragsbrüchigen und troßigen Dänemark entrissen, und dieses auf seine Inseln zurückgedrängt. Es fragte sich nun, welche staatsrechtliche Gestalt die Herzogtümer annehmen sollten. Darüber hatten dem Wiener Vertrage gemäß weder die Herzogtümer noch der Deutsche Bund, sondern ausschließlich Preußen und Östreich zu entscheiden. Diese hatten die Wahl, ob sie den Herzogtümern eine selbständige Stellung unter einem besonderen Fürsten einräumen oder ob sie dieselben in ein enges Verhältnis zu Preußen bringen oder sie geradezu Preußen einverleiben wollten. Das erstere war der Wunsch der Schleswig-Holsteiner selbst; sie wurden darin unter

stügt von der Mehrheit des Deutschen Bundes, von sämtlichen Volksvertretungen, das preußische Abgeordnetenhaus mit eingeschlossen, und von Östreich selbst; denn dieses hatte durchaus nicht im Sinne, seinem preußischen Nebenbuhler eine so bedeutende Machterweiterung einzuräumen, wie sie demselben durch die Einverleibung der Herzogtümer zu teil geworden wäre. In eine solche wollte Östreich nur dann einwilligen, wenn Preußen ihm durch Abtretung deutschen Gebietes eine Entschädigung verschaffen konnte. Gegen Überlassung der schlesischen Grafschaft Glag war streich bereit, feine Rechte auf die Herzogtümer an Preußen abzutreten; aber König Wilhelm fühlte sich außer stande, von seinem Königreich auch nur ein Dorf abzutreten, und vollends eine Eroberung seines größten Ahnherrn, einen Teil der vielumstrittenen Provinz Schlesien an Östreich zurückzugeben, davon konnte bei ihm gar keine Rede sein. Die Möglichkeit einer friedlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Verbündeten konnte somit nicht in Berechnung gezogen werden. Östreich, das ja nicht aus Freundschaft für Preußen, sondern um dem kriegerischen Drang desselben Zügel anzulegen, zur Teilnahme am dänischen Feldzug sich entschlossen hatte, kehrte daher in das Lager der deutschen Mittelstaaten zurück, mit deren Hilfe es jahrzehntelang Preußen unterdrückt und dessen Anträge auf Bundesreform beseitigt hatte. Es verlangte die Einsetzung des Prinzen Friedrich von Augustenburg als selbständigen, souveränen Herzogs von Schleswig-Holstein.

Dazu konnte sich Preußen nicht verstehen. Nicht dazu hatten Tausende von seinen Kriegern ihr Blut vergossen, daß an den nördlichen Marken Deutschlands ein souveräner Mittelstaat sich erhebe, der, kaum ins Leben gerufen, nichts anderes zu thun wüßte, als an die anderen Mittelstaaten sich anzuschließen und unter Östreichs Führung Front gegen Preußen zu machen. Auch wäre dieser nördliche Mittelstaat viel zu klein gewesen, um dem grollenden Dänemark, dessen Ansprüchen und Feindseligkeiten erfolg= reichen Widerstand zu leisten, infolgedessen Preußen immer wieder

genötigt gewesen wäre, zum Schuße der von ihm befreiten Herzogtümer ins Feld zu rücken. Die Erbansprüche des Augustenburgers waren überhaupt zweifelhafter Natur; jedenfalls war er nicht, wie die Mittelstaaten und der größte Teil des deutschen Volkes glaubten, der einzige, welcher rechtliche Ansprüche machen. fonnte. Der Großherzog von Oldenburg, welchem der Kaiser von Rußland seine Rechte übertragen hatte, und das Haus Hohenzollern selbst hatten Ansprüche, welche auf Erbverträge sich stüßten, auf den Besitz der Herzogtümer oder wenigstens einzelner Teile derselben zu machen. Zur Prüfung dieser verwickelten Rechtsfrage berief v. Bismarck die preußischen Kronjuristen. Das Urteil derselben lautete dahin, daß keiner der Prätendenten einen Anspruch auf das Ganze habe, sondern jeder nur auf einzelne Teile, daß der Augustenburger jedenfalls nicht mehr Rechte habe als die anderen, vielmehr infolge der Verzichtleistung seines Vaters und der Annahme einer Entschädigungssumme, welche mit Zustimmung der Söhne zum Ankauf des zum Familienfideikommiß gemachten Ritterguts Dolzig verwendet worden sei, eigentlich gar keine mehr habe, und daß Preußen und Östreich, welche für sich und auf eigene Gefahr den Krieg gegen Dänemark unternommen hätten, niemand, auch nicht dem Bundestag Rechenschaft schuldig seien über die Verfügungen, welche sie über die drei abgetretenen Herzog= tümer treffen wollten.

Ministerpräsident v. Bismarck ging von dem für die Interessen Preußens allein richtigen Grundsay aus, daß zuerst die Frage über die fünftige Stellung Preußens zu den Herzogtümern ent= schieden, und dann erst die Frage über das Erbfolgerecht des Augustenburgers und anderer Prätendenten in Beratung gezogen werden müsse. Das Mindeste, was Preußen verlangen fonnte, war die unbedingte Verfügung über die gesamte Landund Seemacht der Herzogtümer. Wer dort als Herzog auftreten wollte, der mußte die von dem thatsächlichen Besizer der Herzogtümer gestellten Bedingungen annehmen; that er dies nicht, so

mochte er zusehen, wie er die Sieger von Düppel und von Alsen aus denselben hinausdrängen wollte. Der Prinz von Augustenburg that alles, um sich für Preußen unmöglich zu machen. Er kam am 1. Juni 1864 nach Berlin, um zu sehen, welche Aussichten seine Erbansprüche haben und unter welchen Bedingungen Preußen ihm den Regierungsantritt gestatte, wurde vom König und vom Kronprinzen empfangen und hatte eine lange Unterredung mit Herrn v. Bismarck. Dieser teilte ihm die preußischen Bedingungen mit, welche zu stellen durch das nationale Interesse, und zwar durch das deutsche und durch das preußische, geboten sei. Der Prinz war erstaunt, wollte ohne die Zustimmung des erst zu berufenden schleswig-holsteinischen Landtags zu keinem Zugeständnis sich verstehen, lehnte andere Forderungen sofort ab und gab, als ihn v. Bismarck darauf aufmerksam machte, daß Preußen, welches die Herzogtümer von den Dänen befreit habe, das Recht zu haben glaube, auf seinen Dank rechnen zu können, die wenig staatsmännische Antwort: „Warum sind Sie denn überhaupt nach den Herzogtümern gekommen? Wir haben Sie nicht gerufen. Für mich und meine Sache wäre es besser gewesen, wenn Preußen sich gar nicht in die schleswig-holsteinische Angelegenheit gemischt hätte.“

Unter solchen Umständen wurde in Berlin das Interesse für die Erbfolge des Augustenburgers immer schwächer, die Annexionslust immer stärker. In seiner Note vom 22. Februar 1865 stellte v. Bismarck die Bedingungen fest, unter welchen Preußen den Augustenburger als Herzog von Schleswig-Holstein anzuerkennen vermöge: das Recht der unbeschränkten Verfügung des Königs von Preußen über die schleswig holsteinischen Truppen und die Marine, das Oberaufsichtsrecht über den zu bauenden Nord-Ostseekanal, Abtretung der Stadt Sonderburg, der Festung Friedrichsort und einiger anderen Gebiete, die Leitung des Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesens, die Erhebung Rendsburgs zur Bundesfestung und den Eintritt der Herzogtümer in den Zollverein. Östreich war nicht abgeneigt, einige dieser Bedingungen gutzuheißen, lehnte

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