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duum als des Gliedes einer Gesammtheit, welches in die Aufgabe des Staates hineinfällt, während das Interesse des Individuum als solchen nicht von dem Zwecke des Staates berührt wird. So bildet der Begriff der Allgemeinheit ein wesentliches Merkmal des objectiven Staatszweckes, mit welchem aber eine Verschiedenheit der Radien jener immerhin nur relativen Allgemeinheit nicht collidirt. Denn es können die Sicherheit und Wohlfahrt Aller im Staate ohne jegliche Unterscheidung von Klassen und Arten oder auch nur die der einzelnen durch besondere objective Zustände und Verhältnisse bestimmten Gruppen der Individuen im Staate, z. B. nur der Grundbesitzer, nur der Beamten, nur der Gemeinden, in dem Zwecke des Staates enthalten sein und einen Gegenstand seines Lebens bilden.

III. Der Staatskörper.

§. 9.

Der Staatskörper ist die Gesammtheit der physischen Elemente des Staatsbestandes, welche unter der Macht der politischen Idee zu einem einheitlichen Körper organisch zusammengefügt und verbunden sind. Im Allgemeinen sind diese Elemente des Staates nur zweierlei Art: das Gebiet, auf welchem, und der Inbegriff der Menschen, aus welchen der Staat besteht, oder das Volk. Der historische Begriff des einen Elementes des Staates bestimmt sich aus dem des anderen. Ein bestimmter Theil des Erdballes wird nur als die Wohnstätte eines bestimmten Volkes zu dem physischen Theile des Staates, wie umgekehrt das Volk nur als auf einem bestimmten Raume sesshaft ein politischer Begriff und dieses Element des Staatsbestandes sein kann. Beide werden aber allererst durch die Verwirklichung der politischen Idee in diesem natürlichen Elemente zu dem einheitlichen Wesen des Staates, zu dem organischen Körper, in welchem diese Idee lebt und waltet.

§. 10.

Unter dem Volke des Staates ist die Gesammtheit der zu demselben vereinigten Menschen zu verstehen, ohne Unterscheidung der verschiedenen bürgerlichen, confessionellen, conventionellen oder politischen Verhältnisse derselben. Das Volk bildet in diesem Sinne es ist dies aber nicht die einzige Bedeutung des Wortes') den Gegensatz zu dem Staatsgebiete als dem anderen Elemente des Staatsbestandes. Diesem Bestandtheile der sinnlichen Natur steht das Volk als der Inbegriff der physisch-sittlichen

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Volk" bezeichnet ausserdem so viel wie „Nation" und auch so viel wie „Unterthanen, welche letztere Bedeutung die häufigere und die vulgäre ist. In dieser Darstellung wird von dem Volke nur in dem Sinne des Textes gesprochen werden.

Wesen, welche das bestimmte Gebiet bewohnen, gegenüber. Das Volk des Staates ist von Natur ein nationales, d. h. durch die gemeinsame physische Abstammung gegeben, und trägt als solches einen bestimmten nationalen Typus, welcher auf den Charakter des Staates bestimmend einwirkt. Die geschichtliche Entwicklung der deutschen Nation hat freilich bis 1866 nur eine Zertheilung des deutschen Volkes in verschiedene Staaten zum Ziele gehabt, so dass das Volk der deutschen Staaten je ein grösserer oder geringerer Bruchtheil der deutschen Nation und an sich nur relativ ein nationales ist. Seit dem Durchbruch des nationalen Bewusstseins der deutschen Nation ist indess thatsächlich eine annäherungsweise und nach einer solchen Vergangenheit noch mögliche Identificirung des politischen und des nationalen Volkes Deutschlands thatsächlich und erfolgreich angebahnt. Andererseits begreift das Volk der deutschen Staaten auch nicht-deutsche Elemente, welche in verschiedenem Grade trotz der politischen Assimilation ihren besonderen nationalen Charakter gewahrt haben, so namentlich die Juden, deren religiös-nationaler Typus besonders scharf ausgeprägt geblieben, und in anderem Sinne die Polen.

§. 11.

Das Volk des Staates ist die politische Gemeinschaft der menschlichen Individuen oder der Inbegriff dieser als der politischen Wesen. Darin zeigt sich eben der tiefgehende Unterschied der christlichen Staatsidee von der der heidnischen und selbst der klassisch-antiken Staaten. Die politische Gesammtheit der Menschen in dem Volke der christlichen Staaten bindet nur die politische Natur derselben, nicht aber das ganze Individuum. Die Sonderbedeutung des Individuum geht in dem Begriffe des Volkes nicht unter, sondern gewinnt durch die Zugehörigkeit des Einzelnen zu diesem nur eine erhöhte Bedeutung, welche selbst wieder der Herausbildung des staatlichen Volkes zu Gute kommt. So verschwinden auch nicht alle individuellen Eigenthümlichkeiten an den verschiedenen Gliedern des Volkes in dem Begriffe seiner Gesammtheit. Trotz der centralisirenden Kraft der Staatseinheit bleibt eine Sonderentwicklung der individuellen Interessen möglich, und es zeigt sich auch der (staatsrechtliche) Begriff des Volkes als ein bestimmt begrenzter, weil ihn nur die Gemeinsamkeit der politischen Natur der Menschen füllt.')

§. 12.

Die staatliche Natur des Volkes zeigt dieses als das einheitliche Ganze organisch verbundener Glieder, durch deren verschiedene Gestaltung allererst die Form des Staatskörpers dargestellt wird. Auch das Volk des Staates ist eine Harmonie des Verschiedenen. Gerade das architektonische Zusammenfügen der an sich besonders gestalteten Glieder giebt die Schön

1) Vergl. Grote fend, System des deutschen Staatsrechts, §. 58 ff.

heit des Staatsganzen und es erhöht sich diese in dem Maasse, in welchem die Schönheit der Glieder steigt, wie umgekehrt auch ein jedes Glied des Körpers wieder durch die Ebenmässigkeit des Ganzen an Ansehen und Ehre gewinnt. Diese Glieder des Volkes sind zweierlei Art: zuvörderst diejenigen, welche das Volk als der elementare Bestandtheil des Staatsganzen besitzt und in denen sich der Staat als dieser lebensfähige Zustand kund giebt, und danach solche, mittelst welcher der Staat sich als lebendiges Wesen offenbart und welche als die Organe seines Lebens sich an jene Elemente seines Daseins fügen. Die elementaren Glieder des Volkes entstehen durch die Sonderung, welche die zur Herrschaft gelangende Idee des Staates in dem Volke vollzieht und welche die herrschende Gewalt des Ganzen, das Staatsoberhaupt, von den derselben unterworfenen Uebrigen, den Unterthanen, scheidet. Ohne diese beiden Glieder zu besitzen, kann der Staat nicht existiren. Die organischen Glieder des Staatskörpers aber sind diejenigen Anstalten und Einrichtungen, durch welche der Staat als wollendes und handelndes Wesen, als die gesetzgebende und als die regirende Gewalt sich offenbart. Nur mit Hülfe dieser Organe ist ein Leben des Staates möglich.

§. 13.

Das organische Verbundensein der Elemente und Organe des Staates in dem fest gegliederten einheitlichen Ganzen heisst die Verfassung des Staates. Der Staat existirt also nur kraft seiner Verfassung und es entsteht diese unmittelbar mit dem Staate. Die individuelle Natur der Elemente des Staates bestimmt den Charakter und die Art seiner Verfassung, welche darum auch einer geschichtlichen Entwicklung und verschiedenen Umgestaltungen unterworfen ist. Im Allgemeinen ist das bestimmende Moment die politische Selbsterkenntniss der Individuen im Staat. Die Stadien der Genesis und der Ausbildung des politischen Bewusstseins des Volkes, des Verständnisses seiner politischen Natur und Qualification werden auch die Stadien der Verfassungsgeschichte des Staates sein. Will diese einen eigenen Weg gehen, so führt sie das Volk auf die Irrgänge der Wüste oder fördert Zustände an's Licht, welche als unnatürliche oder krankhafte zu beseitigen dann der nicht selten gewaltsam hervorbrechende Trieb des politischen Bestrebens des Volkes ist. Darum ist es eben so grundlos, von den Prinzipien der absolut und abstract besten Verfassung zu sprechen, wie es gewiss ist, dass der politische Werth der concreten Verfassung sich nach dem jeweiligen Stande der politischen Bildung dieses Volkes bemisst, und dass diejenige Verfassung die natürlichste ist, welche diesem Stande am Wahrsten entspricht, dass aber nur ein gesundes politisches Bewusstsein des Volkes eine gesunde Staatsverfassung zeitigen kann.

IV. Die Persönlichkeit des Staates.

§. 14.

Den äusseren Bestand des Staates beseelt die Idee, welche in demselben ihre objective Verwirklichung suchte. Der Staat ist dadurch ein persönliches Wesen, das kraft seines bestimmten ethischen Prinzips lebt und sein Leben in bestimmtem Handeln ununterbrochen kund giebt. So erscheint der Staat als ein körperlich wie geistig bestimmtes Wesen, dessen Leben so nothwendig, wie nach Form und Inhalt bestimmt ist. Als ein solches persönliches Wesen steht der geschichtliche Staat einmal den anderen Staaten und sodann auch allen persönlichen Wesen anderer Art gegenüber und beansprucht die Anerkennung seiner persönlichen Selbständigkeit und Integrität von allen diesen. Anderen Staaten gegenüber tritt dieses in der Wahrung des gesammten äusseren Staatsbestandes und der Selbstberechtigung seines geschichtlichen Daseins hervor, während die Persönlichkeit des Staates für sich betrachtet in der Geltendmachung der Ansprüche sich zeigt, welche die organische Natur des Staates an die einzelnen Elemente desselben stellen muss, um die politische Idee verwirklichen zu können.')

§. 15.

Die Macht des Staates ist das Uebergewicht der Gemeinschaft über die einzelnen Glieder derselben. Der Staat ist der Inbegriff der gleichen Interessen Aller und das Allen Gemeinsame schliesst ein Sonderrecht des Einzelnen aus. Das politische Indiyiduum ist dieses nur in der organischen Zugehörigkeit desselben zu dem Staatsganzen und das Gesetz des Ganzen verpflichtet und bindet, hält und berechtigt alles in demselben begriffene Einzelne. Je geringer nun die Erkenntniss der tiefgehenden Scheidung des nicht-politisch Individuellen von dem politisch Individuellen im Volke2), desto höher erscheint die Machteigenschaft des Staates, und es ist nicht zufällig, dass die deutsche Wissenschaft wie Praxis der Vergangenheit, welche nur schüchtern von den Grenzen der Staatsbethätigung sprachen, das Recht des Staates seine Gewalt nannten und als das Subject des Rechtes der Gesammtheit nicht den Staat, sondern die Staatsgewalt bezeichneten. Der Staat ist aber nicht eine Gewalt oder ein nur durch Gewalt sich haltendes Wesen, sondern er hat eine Gewalt und zwar, weil

') Die Erkenntniss der „Persönlichkeit" des Staates ist die Voraussetzung der Richtigkeit der praktischen Consequenzen des Staatsdaseins und des wissenschaftlichen Verständnisses seines Wesens. Jene ist aber erst der neueren Zeit gelungen, in Deutschland erst seit und in Folge des Unterganges des deutschen Reiches, dessen ganze Natur zur Verwirklichung des Staatsbegriffes so wenig geartet war, wie jetzt noch die des Oestreichischen Reiches.

2) Vergl. oben §. 11.

er die Gesammtheit der Menschen zur Erreichung irdischer Zwecke ist, die höchste irdische Gewalt. Das subjective Recht des Individuum, der Kirche, der Gesellschaft ist so selbständig und unabhängig wie das des Staates, aber der physischen Macht, welche die Gesammtheit der physischen Kräfte aller Menschen im Staate gewährt, ist die des nur sich besitzenden Individuum, die der geistig wirkenden Kirche, die der fast körperlos waltenden Gesellschaft nicht vergleichbar.')

§. 16.

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Weil der Staat eine ethische Nothwendigkeit der Menschen und eine bestimmte Ordnung in der allgemeinen Weltordnung ist und weil sein Leben weder von der Willkür des Staates noch von der seiner Menschen abhängt, sondern sich vollziehen muss, so lange der Staat existirt, darum erscheint der Staat als eine Macht, welche die Anerkennung aller ausser ihm bestehenden Wesen und Ordnungen unverbrüchlich fordert und dieses Recht um seiner selbst willen und aus ethischen Gründen ausnahmslos geltend machen muss. Diese Machteigenschaft des Staates heisst seine Souverainetät. Zweierlei will dieser Ausdruck bezeichnen: einmal, dass der Staat eine höhere Macht der Erde nicht über sich weiss, und sodann, dass seiner Macht Niemand und Nichts auf Erden sich entzieht, nicht aber, dass diese Souverainetät des Staates so zu verstehen, als sei seine Macht eine sittlich absolute und das Gebiet ihrer Bethätigung ein materiell oder formell unbegrenztes. Die Gewalt des Staates ist weder absolut noch allmächtig; sie ist die höchste und unwiderstehlich nur innerhalb der Schranken des staatlichen Lebensgebietes. Auch über dem Staate steht und herrscht das ewige Gesetz der sittlichen Weltordnung und der sittlichen Freiheit der Menschen und neben ihm walten mit gleicher Selbständigkeit und Freiheit die anderen eines persönlichen Wesens theilhaftigen Ordnungen der Menschen, wie deren religiösen Gemeinschaften und rechtlichen Vereinigungen. Selbst das menschliche Individuum schuldet sich nur in der Sphäre des politischen Lebens dem Staate; ausserhalb derselben beansprucht dasselbe eine gleiche Freiheit und Selbständigkeit für seine Lebensinteressen und Verhältnisse, wie der Staat sie für sein Dasein fordern muss.

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1) Der Ausdruck Gewalten" ist in Deutschland der üblichste, aber nicht der beste, weil derselbe unnöthiger Weise vorwiegend an die zwingende Macht des Staates erinnert. Vorzuziehen ist die französische Bezeichnung „pouvoir" (das Können, Vermögen zugleich mit der Hindeutung auf das Wollen und Dürfen.)

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