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setzungen vom Amte zu entfernen. Unmittelbar treten die Gemeinde beamten aber nur kraft besonderer Ermächtigung der Staatsregirung in deren Dienst) und kann es sich dann nur fragen, ob die Beauftragung der Gemeindebeamten mit Functionen des Staatsdienstes ohne Vernehmung, bezw. auch wider den Willen der betheiligten Gemeinde geschehen könnte. Sofern aber ein Gemeindebeamter zugleich Functionen des Staatsdienstes versieht, steht derselbe auch in dem Verhältnisse der Staatsdiener, wenigstens was dessen unmittelbare Verantwortlichkeit gegen die Staatsregirung betrifft.2) Wo eine Vereidigung der Beamten (Staatsdiener) gesetzlich vorgeschrieben, wird auch ein jeder Gemeindebeamte zur Ableistung dieses Eides verpflichtet sein, weil doch auch diesem eine besondere Verantwortlichkeit in dem Verfassungsleben obliegt.")

3. Der Gemeindebezirk.

§. 531.

Der Bezirk der Gemeinden, der städtischen wie der ländlichen, pflegt ein historisch bestimmter zu sein, ähnlich wie die Grenzen des Staatsgebietes selbst. So vermochten die Gemeinde-Ordnungen denselben mit dem allgemeinen Prinzipe zu bezeichnen, dass alle diejenigen Grundstücke den Gemeindebezirk bilden, welche demselben bisher angehört haben oder von dessen Grenzen umschlossen seien.) Die Bedeutung der Gemeindebezirke im Staatsgebiete, als dessen Bestandtheile sie gelten, hat den Grundsatz, dass ein jedes Grundstück einem Gemeindebezirke angeschlossen sein müsse, hervorgerufen und pflegt nur hinsichtlich solcher grösseren Gutsbezirke, welche dem Werthe eines Gemeindebezirkes nahe oder gleich kommen, eine Ausnahme gestattet zu sein.) Die Veränderung der Ge

1) Oldenburgsches Revidirtes Staatsgrundgesetz Art. 69 §. 2: „Sofern die Gemeindebeamten Functionen erhalten, die über die eigentlichen Gemeindeangelegenheiten hinausgehen, soll zu ihrer Ernennung auch die Staatsregirung eintreten.“

2) Die concreten Grundsätze der deutschen Staaten sind nur aus deren Spezialgesetzen zu ersehen und ist das speziellere Studium auf diese zu verweisen.

3) Im Königreich Preussen haben alle Gemeindebeamte als Staatsdiener den Verfassungseid (s. unten die Darstellung des Rechtes des Staatsdienstes) zu leisten. Verfassungsgesetzlich ist dies auch in der Braunschweigschen Neuen Landschaftsordnung §. 52 vorgeschrieben.

4) Vergl. die Preussischen Städteverordnungen vom 30. Mai 1853, 19. März 1856 und 15. Mai 1856 §. 2 und Preussisches Allgemeines Landrecht Th. II Tit. 7 §. 18: „Die Besitzer der in einem Dorfe oder dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke machen zusammen die Dorfgemeinde aus."

5) Vergl. Preussisches Gesetz vom 14. April 1856 (betr. die Verfassung der Landgemeinden in den sechs östlichen Provinzen der Monarchie) §. 1, welches dem Könige das Recht vorbehält, einem „nach seinem Umfang und seiner Leistungsfähigkeit" sich dazu eignenden Grundstücke die Eigenschaft eines besonderen Gemeinde- oder Gutsbezirkes zu verleihen; Coburg-Gothasches Staatsgrundgesetz §. 61: „Jedes Grundstück muss einem

meindebezirke ist eine Regirungsangelegenheit und gehört zur Competenz der Regirungsbehörden.')

IV. Organisation der Gemeindeverbände.

§. 532.

Die organische Bedeutung der Gemeinden für den gesammten Staatsbestand und das öffentliche Leben erfordert eine weitere organische Gliederung und Verbindung derselben. Je grösser der Staat desto nothwendiger und gliederreicher muss diese Organisation der Gemeinden im Staate sein. Mehr oder minder grosse Verbände mehrer Landgemeinden mit einer selbständigeren organischen Vertretung und einem besonderen Verwaltungsorgane (Landrathsämter, Aemter, Bürgermeistereien, Kreisvertretungen) sind die unteren und ersten organischen Verbindungen der Gemeinden.") Diese schliessen sich dann wieder mit den Stadtgemeinden zu den weiter reichenden Bezirken der höheren Verwaltungsbehörden (Regirungen) und haben etwa auch, jedoch in anderem Sinne wie die unteren Gemeindebehörden, eine politische Vertretung in dem Institute der Provinzial landschaft.) Je höher und grösser die organische

Gemeindeverbande angehören. Ausnahmen wegen Staats- und Domainengütern, sowie wegen Waldungen werden durch Gesetz bestimmt"; Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 41 Abs. 1.

') Vergl. die in den voraufgehenden Noten erwähnten Stellen Preussischer Gesetze. Dass eine Mitwirkung der „Betheiligten" dabei Statt findet, ist wohl selbstverständlich; Coburg-Gothasches Staatsgrundgesetz §. 63: „Die Grundsätze über Bildung und Auflösung von Gemeinden werden durch das Gesetz bestimmt"; Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 41 Abs. 2: „Die Landesregirung wird diese Gemeindebezirke, soweit sie noch zweifelhaft sind, durch Verordnungen bestimmen", und besonders §. 44: „Keine Gemeinde kann sich bilden ohne Genehmigung der Landesregirung, und ohne diese darf eine Gemeinde weder ihren Gemeindeverband durch Aufnahme anderer Gemeinden erweitern, noch durch Bildung neuer und besonderer Gemeinden verändern, noch ihre rechtlich bestehende Gemeindeverfassung eigenmächtig umgestalten"; Hamburgsches Verfassungsgesetz von 1860 Art. 116: „Zur Bildung einer neuen Gemeinde ist ein Beschluss der gesetzgebenden Gewalt erforderlich.“

2) Meiningensches Grundgesetz §. 24: „Die Gemeinden eines Amtes bilden eine Amtsgemeinde zu gemeinschaftlicher Besorgung der dazu bestimmten Angelegenheiten"; Oldenburgsches Revidirtes Staatsgrundgesetz Art. 73: „Die Gemeinden eines bestimmten Bezirkes sollen zu einem grösseren Verbande zusammentreten, dessen Verfassung möglichst nach denselben Grundsätzen und Grundlagen wie die Verfassung jener geordnet ist"; Waldecksches Verfassungsgesetz §. 48 (Orts- und Kreisgemeinden).

3) Die Provinziallandschaften nehmen an der Staatsgesetzgebung Theil und sind bei Gelegenheit der Darstellung des Rechtes des gesetzgebenden Körpers nochmals zu erwähnen.

Verbindung der Gemeinden, desto geringer und schwächer die politische Selbständigkeit derselben, diese weicht vielmehr der administrativen Bedeutung der Verbände für die gesammte Staatsverwaltung.')

Dritter Titel.

Die Rechtsverhältnisse der Unterthanen-Gesammtheit.

I. Begriff.
§. 533.

Die Individuen der Unterthanen werden kraft der Idee und des Wesens des Staates als eines organischen Ganzen zu einer Gesammtheit vereinigt, welche verschieden von den Einzelnen, die sie bilden, auch eine selbständige Bestimmung in dem Organismus des Staates hat und in besonderer Weise an dem Leben desselben Antheil nimmt. Auch die Unterthanen tragen als Gesammtheit einen subjectiven Charakter und sind als solche das Subject von Rechtsverhältnissen, in welchen nur die Gesammtheit der Unterthanen, nicht ein Einzelner von diesen, steht und stehen kann. Gleichwohl stehen alle diese Rechtsverhältnisse nur unter dem Prinzipe der Unterthanschaft und schliessen sich nur um ein Subject, welches der Gewalt des Staates unterworfen ist und nur in dem Organismus des Staates Bedeutung haben kann. Es ist die Consequenz der Vielheit der Unterthanen und der Einheit des Staatsganzen, welche diese Individuen zu einem Gesammtbegriff vereinigt und aus ihnen ein Subject darstellt, welches so ideell wie der Begriff der Staatsgewalt, aber auch so concret und praktisch ist, wie diese, und welches in dem Organismus des Staates das wesentlich nothwendige dritte Element ist.")

1) Darum ist es noch nicht inconsequent, dass die Ortsgemeinden des Fürstenthums Waldeck das Recht der Wahl ihrer Vertreter und Beamten haben, dass aber der Vorsteher der Kreisgemeinden von dem Fürsten ernannt wird. Vergl. Waldecksches Verfassungsgesetz §. 45.

2) Die Anerkennung eines Rechtes der Unterthanen-Gesammtheit und dieser als eines von den Individuen zu unterscheidenden Subjectes des Staatsrechtes konnte erst von der richtigen Erkenntniss des Staatswesens und von der wirklichen Darstellung des wahren Staates datiren. Das war ja eben das Wesen des Feudalstaates des Mittelalters, dass die Rechte des Staates an seinen Unterthanen und namentlich die Rechte der Unterthanen gegen den Staat sich auf Rechtstitel stützten, die zwischen dem Landesherrn und den Einzelnen seiner Unterthanen begründet waren. Nur in den Zunftverfassungen in den deutschen Städten war ein Element gewahrt, durch welches mit der scharfen Ausprägung des Standesbewustseins wenigstens die Brücke zu dem Verständniss des Begriffes

II. Ethische Begründung.

§. 534.

Die Gesammtrechte der Unterthanen haben nicht anders wie die individuellen Rechte derselben ihren inneren Grund in der sittlichen Freiheit der Unterthanen. Das Leben des Staates kann sich nur in dem seines Volkes darstellen und es ist als der Wille des Staates nur der seiner Menschen denkbar. Hört das Individuum im Staate nicht auf, ein sittlich freies Wesen zu sein und schuldet dasselbe als solches dem Staate einen Theil seiner individuellen Freiheit und seines individuellen Vermögens, so ist auch die Gesammtheit dieser Individuen berufen, mit Selbstbewusstsein sich in dem Organismus. des Staates zu wissen und durch Thaten seiner sittlichen Freiheit sich als ein Element des Staates zu zeigen. Ein zwiefaches Prinzip findet darin seine ethische Begründung. Zunächst das Prinzip der Nothwendigkeit einer Antheilnahme der Unterthanen an der Feststellung der Grundsätze, welche die Beziehungen der Unterthanen zum Staate, deren Rechte und Pflichten im Staate, feststellen, und alsdann das Prinzip der Nothwendigkeit, die Bedingungen des staatlichen Lebens und der Erfüllung des Berufes des Staates zu schaffen und zu erhalten. Beide Prinzipien zeigen sich in dem Rechte der Unterthanen-Gesammtheit darin wirksam, dass das Recht derselben zugleich deren politische Pflicht d. b. eben ein um des Staates und der Menschen willen nothwendiges Recht ist.

III. Inhalt.
§. 535.

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Das staatsrechtliche Verhältniss der Unterthanen als politischer Gesammtheit besteht in der Gesammt-Theilnahme der Unterthanen als solcher - also nicht noch so vieler Einzelner, auch nicht der Gemeinden — an dem Leben des Staates. Somit beschränkt sich die politische Bedeutung dieses ideellen Subjectes auf diejenigen Sphären des öffentlichen Lebens, wo nicht die Individuen der Unterthanen mit ihren individuellen Rechten und Pflichten erscheinen, sondern wo grade im Gegensatze zu diesem individuell politischen Leben der Unterthanen Fragen der Gesammtheit derselben zu lösen und Interessen der Gesammtheit einer praktischen Ver

der Unterthanen-Gesammtheit gestützt ward. Dieser Begriff ist ein echt constitutioneller und seine praktische Verwerthung die unerlässliche Voraussetzung des constitutionellen Staates und Staatslebens.

tretung bedürfen. Während der Staat die individuellen Opfer an Kraft und Geld nur von den Individuen fordern kann, weil nur diese physische Subjecte sind und physische Kraft und materielle Mittel besitzen, ist es die Gesammtheit der Unterthanen, welche das Interesse zu vertreten hat, dass die Voraussetzungen und das Mass der Ansprüche des Staates an das physische und materielle Vermögen der Einzelnen ein allgemein gerechtes d. h. verhältnissmässig geringes ist. Ebenso ist es ein Interesse Aller, dass dem Einzelnen nicht ein grösserer Theil der individuellen Freiheit genommen und der Antheil desselben an dem Leben des Staates nicht in grösserem Masse beschränkt werde, als das Interesse des Staates dies erfordere und dass die Grenze zwischen dem Recht des Staates und dem des Individuum, des Menschen, nicht auf Kosten dieses verschoben werde. Diese Gesammtinteressen der Unterthanen begründen das Recht des Subjectes der Unterthanen-Gesammtheit.

§. 536.

Unter dem allgemeinen Begriff des Rechtes der Unterthanen-Gesammtheit und aus dem Berufe der Staatsgewalt bestimmen sich als die prinzipiellen Gegenstände seiner concreten Verwirklichung erstens das Recht der Unterthanen zur Mitwirkung bei der Feststellung der Rechte, welche am Staate und in demselben gelten sollen, ferner das Recht zu einer Mitwirkung bei den Functionen der vollziehenden Gewalt, sodann das Recht zur Aeusserung die Verwirklichung des Staatszweckes bezielender Wünsche und endlich das Recht zur Erhebung von Beschwerden über verschuldete Störungen dieser Verwirklichung. Alle diese Gegenstände sind nur spezielle Richtungen der bewussten Antheilnahme des aus den Unterthanen gebildeten Elementes des Staates an den Functionen seiner Gewalt, denn bei einem jeden handelt es sich nur darum, dass sich auch dieses Element als ein lebendiges Glied in dem Organismus des Staates erweist und dass das Leben des organischen Ganzen aus bestimmten Functionen aller seiner Glieder gebildet wird. So beweisen die Unterthanen ihre Gesammtstellung im Staate durch jene die Unterwürfigkeit unter die Gewalt des Staates voraussetzende theils positive theils negative, theils die Erfüllung des Staatszweckes fördernde theils die Hindernisse derselben abwehrende Antheilnahme an dem Staatsleben. In den Verfassungsgesetzen pflegt wohl ausdrücklich bezeugt zu sein, dass dem Organe der Unterthanen nur die in demselben genannten und begrenzten Rechte zustehen.

') Meiningensches Grundgesetz §. 49: „um den Gang der ganzen Staatsverwaltung stets in der gesetzmässigen Bahn erhalten zu helfen."

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