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für das Gemeinwohl sowie ein Theil der öffentlichen Polizei in den Kreis des Gemeindelebens, wenn die Pflege dieser Angelegenheiten in dem engeren Gemeindebezirke eine genügende und wohl bessere ist, wie dies z. B. hinsichtlich der Armenpflege, der Ortspolizei und der Gemeindewege der Fall ist.')

B. Privatrechtlicher.
§. 520.

Die politische Bedeutung der Gemeinde hat von jeher derselben das Recht der juristischen Persönlichkeit zugesprochen.) Die Selbstelligkeit der Gemeindeverwaltung ist durch den Besitz selbständiger Vermögensrechte bedingt, und es ist schon vom römischen Rechte die Gemeinde als juristische Person in der Weise anerkannt, dass dieselbe im vermögensrechtlichen Verkehre so selbständig und vollberechtigt ist, wie der Begriff der juristischen Person dies gestattet. Auch in den deutschen Staaten gilt

1) Luxemburgsche Constitution von 1856 Art. 107 Abs. 3: Le conseil communal décide sur tout cequi est d'intérêt purement communal." Sehr ausführlich ist die Anerkennung der Selbstelligkeit der Gemeinden im Meiningenschen Grundgesetze §. 20: „Die Ortsgemeinden haben das Recht der Persönlichkeit und der Gesellschaften. Sie können Eigenthum erwerben, Beamte und Vorsteher bestellen, Beschlüsse mit Verbindlichkeit für die nicht einwilligenden und künftigen Mitglieder machen, auch Rechte erlangen, welche von ihren einzelnen Mitgliedern zu deren besonderem Vortheile ausgeübt werden"; §. 21: Sie haben dagegen auch die Pflicht, für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in den ihnen zugewiesenen Gegenständen aus eigenen Kräften zu sorgen, namentlich ihre Vicinalwege und ihre Brücken zu unterhalten und ihre Armen zu verpflegen, alles nach Massgabe der darüber weiter ergehenden Verordnungen"; Altenburgsches Grundgesetz §. 114: „Die Gemeinden sollen bemüht sein, Alles zu befördern, was dem Staatszwecke entsprechend und heilsam ist. Dieser liegt ihnen vornehmlich ob: die Beförderung der öffentlichen Sicherheit in allen Beziehungen und besonders in ihrem Gemeindebereich, die Fürsorge für öffentliche Anstalten (als Brücken-, Wege-, Pflaster-, Brunnen-, Kranken-, Armen- und dergleichen nicht anderen Behörden obliegende Institute); die Bereithaltung der Löschgeräthe, und der zu dem Communalwachtdienst vorräthigen Waffen und Wehren"; Hamburgsches Verfassungsgesetz Art. 122: „Jedenfalls stehen jeder Landgemeinde folgende Rechte zu, bei deren Ausübung der Staat die Oberaufsicht führt: 1) Freie Wahl der Gemeindevorsteher und Vertreter, 2) Selbständige Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten, 3) Oeffentlichkeit der Verhandlungen der Gemeindevertreter, 4) Selbstbesteuerung zu Gemeindezwecken, 5) Veröffentlichung des Gemeindehaushaltes. Sonst wird in den Verfassungsgesetzen nur das Prinzip ausgesprochen, dass den Gemeinden die freie Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten, sowie die Verwaltung ihres Vermögens unter gesetzlich geordneter Aufsicht des Staates zustehe. Vergl. Waldecksches Verfassungsgesetz §. 45.

2) Die Gemeinde hat Corporationsrecht, aber sie ist nicht nur eine Corporation im Sinne des Privatrechts Es ist in dieser Hinsicht mit der Gemeinde nicht anders wie mit dem Staate (s. oben §. 1 ff.), und ist darum nicht zu billigen, wenn Verfassungsgesetze (vergl. Altenburgsches Grundgesetz §. 99 ff.) das Recht der Gemeinden unter der Rubrik: Corporationen im Staate" behandeln.

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die Gemeinde als juristische Person und ihr Vermögen als das unantastbare Privat-Eigenthum.') Alle Vermögensrechte der Gemeinden stehen unter den Regeln des Privatrechts wie ja auch die Gemeinde in dieser Sphäre nur eine privatrechtliche Person ist.) Jedoch hat das Interesse des Staates an dem Vermögen und der Vermögensverwaltung der Gemeinden auch der Staatsgewalt das Recht gestattet und erhalten, diese privatrechtlichen Verhältnisse der Gemeinden zu überwachen und durch eine geordnete Aufsichtführung die zweckentsprechende und rechtmässige Verwendung des Gemeindevermögens und überhaupt dessen Erhaltung zu sichern.")

3. Beziehung der Gemeinde zum Staat.

§. 521.

Wie der Staat die Gemeinden umschliesst und diese als die elementaren Glieder in dem Ganzen des Staates bestehen,') so überragen auch die Interessen des Staates die seiner Gemeinden und reicht die Gewalt des Ganzen über die Macht seiner Glieder. Es kann daher des Gemeindeleben

1) Die Selbständigkeit des Gemeindevermögens ist auch in Verfassungsgesetzen abgeschen von dem allgemeinen Prinzipe der Integrität alles Privatrechts (s. oben §. 55 ff.) noch ausdrücklich anerkannt. Vergl. z. B. Altenburgsches Grundgesetz §. 113: „Es ist keiner Staatsbehörde gestattet, über das Gemeindevermögen ohne Zustimmung der Vorsteher zu verfügen, noch weniger darf dasselbe jemals mit dem Staatsvermögen vereinigt werden"; Coburg-Gothasches Staatsgrundgesetz §. 15; Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 45; Gesetz für Reuss j. L. vom 10. Juni 1856 §. 30.

2) Altenburgsches Grundgesetz §. 110: „Die Gemeinderechte umfassen im Allgemeinen die Befugniss der Personeneinheit im Rechtssinne, daher 2, den Genuss der gesetzlichen Vorzüge der Minderjährigen in Ansehung ihres Vermögens und ihrer Gerechtsame, 4, das Recht der Erwerbung von Grundbesitzungen und Berechtigungen, 5, die Verwaltung des Gemeindevermögens durch selbst gewählte Beamte.“

3) Vergl. Meiningensches Grundgesetz §. 26: „Das Vermögen der Gemeinden, sowohl Kämmereivermögen, welches der Gesammtheit zur Bestreitung der Gemeindeausgaben, als das Bürgervermögen (Nachbar- oder Gemeinde recht), dessen Genuss den einzelnen Mitgliedern zusteht, geniesst gegen den Staat privatrechtliche Sicherheit und kann, so lange die Gemeinde besteht, einseitig zum unmittelbaren Staatsgute nicht gezogen werden. Zugleich steht dasselbe aber unter der Aufsicht des Staates, so dass dessen Benutzung zum wahren Wohle der Gemeinheit geordnet werden kann. Die Ausgabe- und Einnahmeanschläge der Gemeinden müssen von der Staatsregirung resp. durch die competenten Unterbehörden genehmigt werden"; Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 46: „Die Gemeinden haben ihr Vermögen durch ihre Behörden selbständig zu verwalten. Die Oberaufsicht der Regirungsbehörden erstreckt sich nur darauf, dass die Verwaltung überhaupt den bestehenden Gesetzen gemäss geschehe, dass insbesondere das Gemeindevermögen erhalten, das Einkommen davon zu Gemeindezwecken verwandt, und dass bei der Vertheilung der Gemeindeabgaben nach gleichmässigen Grundsätzen verfahren werde."

1) Ahrens, Die organische Staatslehre Th. I S. 220: „Die natürlich-politische Gliederung des Staates nach Gemeinden und Provinzen."

diejenigen Grenzen nicht überschreiten, welche das Interesse des Staates sei es im Ganzen oder doch in grösseren Kreisen seines Bestandes zieht. Um eine solche materielle Competenz-Ueberschreitung der Gemeinden zu verhindern, steht der Staatsgewalt das Recht zu, von den Gemeindebeschlüssen Kenntniss zu nehmen, deren Gültigkeit von ihrer Genehmigung abhängig zu machen und Alles, was in dem Gemeindeleben sei es dem ausdrücklichen Gesetze zuwider oder doch nicht mit allgemeineren und darum höheren Interessen harmonirt, zu inhibiren oder zu beseitigen. Dieses Recht der Staatsgewalt geht unmittelbar aus der organischen Natur des Staates hervor und ist dessen Geltendmachung eine Pflicht des Staates gegen sich selbst wie darum auch gegen die Gemeinde.') Die gesetzliche Normirung dieses Aufsichtsrechts der Staatsgewalt nach Inhalt und Form ist eine Tendenz der constitutionellen Staaten.")

4. Stadt- und Landgemeinden.

§. 522.

Verschiedenheit der Anerkennung, welche das Prinzip der Selbständig

') Meiningensches Grundgetz §. 22 Abs. 2: „Sie (die Gemeinden) stehen unter der Aufsicht und der besonderen Fürsorge des Staats. Keines ihrer Mitglieder kann der Gesammtheit durch seine einseitigen Handlungen Gerechtsame vergeben oder dadurch besondere Befreiung gegen die Gesammtheit erwerben"; Altenburgsches Grundgesetz §. 125: So wie jede Gemeide nur unter Genehmigung des Staates bestehen kann, so unterliegt sie auch dem Aufsichtsrechte desselben. Dieses giebt sich kund 1) durch das Ordnen der Ortspolizei, 2) durch Genehmigung der Gemeindeprocess Eröffnungen, 3) in der Durchsicht und Controlirung des Gemeinderechnungs- und Cassenwesens, 4) in der Zustimmung bei Veräusserung und Verpfändung liegender Güter und Gerechtsame, bei Aufbringung ausserordentlicher oder dauernder Gemeindeauflagen, bei gewichtigen Bauund anderen ausserordentlichen Aufwänden, bei Gemeindeanleihen, bei Einführung von Ortsstatuten und anderen organischen Einrichtungen, 5) durch Bestätigung von Beamtenwahlen oder deren Versagung und durch Regulirung der Beamtengehalte"; CoburgGothasches Staatsgrundgesetz §. 64: „Die Verfassung der Gemeinden soll durch Gesetz in der Art geregelt werden, dass dieselben unter Oberaufsicht des Staates: 1) ihre BeBeamten und Vertreter zu wählen, 2) selbständig ihre Angelegenheiten und ihr Vermögen zu verwalten und die Ergebnisse des Gemeindehaushalts zu veröffentlichen haben. Auch soll die Competenz der Gemeinden gesetzlich bestimmt werden"; Schwarzburg-Sondershausensches Grundgesetz vom 8. J. 1857 §. 5: „Die Gemeinden haben die selbständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten, insoweit dieselbe nicht beschränkt wird durch die gesetzlich geordnete Oberaufsicht des Staates"; ähnlich das Gesetz für Reuss j. L. vom 10. Juni 1856 §. 29; Waldecksches Verfassungsgesetz §. 45; Bremensches Verfassungsgesetz §. 83.

2) Sehr bestimmt das Oldenburgsche Revidirte Staatsgrundgesetz Art. 68: „Jede Gemeinde soll in ihren Angelegenheiten das Recht der freien Selbstverwaltung haben und darf in dieser Beziehung nur durch das Gesetz und auch durch dieses nicht weiter beschränkt werden, als der Staatszweck es nothwendig erfordert.“

keit und des Eigenlebens in den in geschlossenen Ortschaften, den Gewerben der bürgerlichen Nahrung oder der Pflege der Wissenschaften und Künste lebenden Gemeinden zu finden und zu behaupten vermochte, begründete schon früh den wesentlichen und bedeutungsvollen Unterschied zwischen den Stadt- und Landgemeinden. Diese vermochten der heranwachsenden fürstlichen Gewalt und dem Lehnswesen gegenüber nicht sich vor allerlei Hörigkeitsverhältnissen zu bewahren, und das politische Leben verschwand aus denselben unter der Uebermacht privatrechtlicher Verhältnisse und Lasten, namentlich der Consequenzen des Lehnwesens. In den Städten dagegen reifte ein Bürgersinn, dessen Macht zur Zeit seiner Blüthe den Respect der Grafen und Fürsten fordern konnte, und welcher eine grössere Zahl von Städten selbst zu unmittelbaren Reichsstädten erhöhte. Nachdem aber die Landgemeinden zu einer freieren Antheilnahme an dem Leben des Staates herangezogen und die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, verbunden mit dem Grundgesetze der Aufhebung aller politischen Vor- und Sonderrechte, die Thore der Städte geöffnet, besteht ein Unterschied zwischen den Stadt- und den Landgemeinden nur noch in der Verschiedenheit der socialen Verhältnisse, welche die durch die äusseren Zustände bedingte Verschiedenheit der industriellen und geistigen Beschäftigungen begründet, und in der Verschiedenheit der Verfassung und Ver waltung, welche für die Städte ungleich selbständiger und selbstberechtigter, als in den Landgemeinden. Die industriellen Unterschiede zwischen den Stadt- und den Landgemeinden fallen indess mit der Aufhebung des aus dem Mittelalter überkommenen Zunftwesens und mit der Anerkennung des Prinzipes der Gewerbefreiheit.')

III. Verfassung der Gemeinden.

§. 523.

Die Gemeinden erscheinen analog dem Staate als ein organisch geordneter und gefestigter Zustand und haben eine diesem entsprechende und das Recht daran darstellende Verfassung.) Diese umschliesst die einzelnen Elemente und Organe des Gemeindelebens zu der persönlichen Einheit der Gemeinde organisch zusammen. Jene Elemente sind die persönlichen Mitglieder der Gemeinde und der Bezirk, innerhalb

') Ehedem eignete den Städten auch das Recht der eigenen Gerichtsbarkeit (Stadtgerichte) in erster Instanz. Es wird diese Ausnahme von der alleinigen Justizhoheit der Staatsgewalt aber auch nur noch sehr vereinzelt in Geltung sein. Die Tendenz, alle Patrimonialgerichtsbarkeit zu beseitigen, richtete sich auch gegen diese Art derselben.

2) Bremensches Verfassungsgesetz §. 81: „Jede Gemeinde hat das Recht auf eine selbständige Gemeindeverfassung.“

dessen Grenzen das Leben der Gemeinde sich concentrirt und entfaltet. Die Organe des Gemeindelebens sind dagegen diejenigen Gemeindebehörden, durch welche die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten wahrgenommen wird. Die Verfassung der Gemeinden ist der Gegenstand besonderer Gesetze geworden, welche je für die städtischen und für die ländlichen Gemeinden die allgemeinen Grundsätze der Verwaltung und der Verfassung aufstellten und ihrem Wesen nach zu den organischen Gesetzen des Staates gehören.') Die Gleichstellung der Stadt- und Landgemeinden findet sich nur sehr vereinzelt.2)

1. Die persönlichen Mitglieder.

A. Bedeutung der Mitgliedschaft.

§. 524.

Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde ist die Voraussetzung der Zugehörigkeit zu dem Staate.) Grade in diesem ausnahmslos geltenden

1) Die allgemeinen Prinzipien der Städteordnungen pflegen durch Ortsstatute für das besondere Gemeindeleben der einzelnen Städte vermittelt zu sein. Vergl. Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 54 und 55. Hinsichtlich der Stadt und Landgemeinden in den altländischen Provinzen des Königreichs Preussen s. von Rönne, Preussisches Staatsrecht Th. II Abth. 1 S. 437 ff. Die Landgemeindeordnungen pflegen dagegen nur von allgemeinen Ausführungsgesetzen begleitet zu sein. Allgemeinere Prinzipien über die gesetzliche Behandlung der Gemeindeverfassungen finden sich in dem Bremenschen Verfassungsgesetz §. 82: „Die Grundsätze der Gemeindeverfassung werden auf dem Wege der Gesetzgebung bestimmt. Die Verfassungen der Gemeinden können nach diesen Grundsätzen von den Gemeinden selbst festgestellt werden, bedürfen aber der Bestätigung des Senats. Ohne Zustimmung der Gemeinden können denselben Gemeindeverfassungen nur im Wege der Gesetzgebung gegeben werden."

2) Oldenburgsches Revidirtes Staatsgrundgesetz Art. 67 verheisst wenigstens „allen Gemeinden in Stadt und Land eine möglichst gleiche Verfassung."

3) Würtembergsches Verfassungsgesetz §. 62: „Jeder Staatsbürger muss, sofern nicht gesetzlich eine Ausnahme besteht, einer Gemeinde als Bürger oder Beisitzer angehören"; vergl. auch daselbst §. 19: Letztere (die Aufnahme in den Staatsverband) setzt voraus, dass der Aufzunehmende von einer bestimmten Gemeinde die vorläufige Zusicherung des Bürger- oder Beisitzrechts erhalten habe"; Meiningensches Grundgesetz §. 19: „Das Band der Ortsgemeinden umfasst alle Landesunterthanen und es kann in Zukunft Niemand Staatsbürger sein, ohne zugleich auf eine oder die andere Weise im Gemeindeverbande zu stehen“; Altenburgsches §. 100 Abs. 2: „Mit Ausnahme der Staatsbeamte, Kirchen- und Schuldiener kann im Herzogthum Altenburg Niemand

das Staatsbürgerrecht ausüben oder die vollen Rechte der Landesunterthanschaft sich aneignen, der nicht als Bürger oder Nachbar einer inländischen Gemeinde angehört. Insbesondere sind Aerzte, Anwälte, Notare und andere in nicht unmittelbarem Staatsdienste stehende Personen als Mitglieder des Gemeindeverbandes ihres Wohnortes anzusehen“; und §. 109: „Durch Verleihung des Ortsbürger- oder vollen Nachbarrechts wird zugleich das Staatsbürgerrecht verliehen"; Coburg-Gothasches Staatsgrundgesetz §. 60: „Jeder Staatsbürger muss einer Gemeinde angehören“; Braunschweigsche Neue Landschafts

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