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Folge des Ausschlusses der dieses Erforderniss nicht erfüllenden Unterthauen von der sonst schuldigen Leistung diese selbst als ein Recht des Befähigten wenn auch nur in sehr eigenem Sinne erscheinen lässt. Das Wesen dieser politischen Ehrenrechte beruht in der Antheilnahme der Unterthanen an dem öffentlichen Leben und erhalten dieselben durch die mannichfachen Beziehungen der Unterthanen zu den verschiedenen Lebensgebieten des Staates und zu den Organen seines Lebens je ihren besonderen Gegenstand.')

a. Die einzelnen Rechte.

§. 508.

Die Antheilnahme der Unterthanen an der Erfüllung des Rechtsberufes der Staatsgewalt, an der Schützung des Rechtes in dem Institute der Vormundschaften oder Curatelen, an der Heilung des verletzten Rechtes in dem Institute der Schöffen und Geschworenen,) sowie an der Verwaltung des Staates sei es in unmittelbarer Weise durch den Eintritt in den Staatsdienst oder in nur mittelbarer Weise durch die Betheiligung an der Gemeindeverwaltung,) und endlich die Mitwirkung der Unterthanen an der Gesetzgebung des Staates (Construction des Staatswillens) sowohl durch die Bethätigung bei den Wahlen zum gesetzgebenden Körper als auch durch die active Betheiligung an den Functionen desselben: dies sind im Allge

1) Es würde auch der Staatsdienst in dem Sinne der Wahrnehmung besonderer Funktionen der Staatsgewalt in deren Auftrage zu den besonderen staatsbürgerlichen Rechtsverhältnissen zu rechnen sein, da der Staat auch diese Dienstleistungen von seinen Unterthanen fordern muss: allein die geschichtliche Gestaltung des Staatsdienstes in den deutschen Staaten hat diesem Institute einen selbständigen Charakter gegeben, kraft dessen die Rechtsverhältnisse dem .,Staatsdiener" nicht sowohl als ,,staatsbürgerliche Rechtsverhältnisse der Unterthanen" denu vielmehr als Rechtsverhältnisse an einem Organe der Staatsgewalt erscheinen. S. unten IV. Buch II. Kapitel.

2) Das Institut der Vormundschaft, bezw. der Curatel betrifft wie auch der civilprocessualische Zeugenbeweis vorwiegend das Privatrecht, wie die Geschworenen- und Schöffengerichte mit dem criminalprocessualischen Beweisverfahren Anstalten für die Strafrechtspflege der Staatsgewalt sind. Dem Staatsrechte im engeren Sinne gehört aber das Prinzip an, dass die Unterthanen als solche unter den Voraussetzungen der vom Gesetze festgestellten Befähigung zu der Uebernahme des Amtes eines Vormundes oder Curators, zu der Ablegung des Zeugnisses in Civil-Streitsachen oder in Criminaluntersuchungen, sowie zur Dienstleistung eines Geschworenen oder Schöffen allgemein verpflichtet sind. Die Aufrechthaltung der Rechtsordnung im Staate, die Erfüllung des Berufes des Staates, das Recht zu schützen und das verletzte zu heilen, fordern dies und es entspringen diese civilrechtlichen und processualischen Verpflichtungen der Unterthanen unmittelbar aus dem Wesen des Staates und sind durchaus politischer Natur. Die Verfassungsgesetze erwähnen dieser Pflichten der Unterthanen nicht, weil sie theils durch das bürgerliche Recht bereits festgestellt, theils durch die den Civil- und den Strafprocess betreffenden Spezialgesetze anerkannt und näher normirt sind.

3) S. unten §. 529 ff. Grotefend, Staatsrecht.

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meinen die einzelnen politischen Ehrenrechte, deren Besitz an besondere Voraussetzungen in der Person der Unterthanen geknüpft ist, aber auch diese besonders als Staatsbürger qualificirt. Unter sich sind diese Rechte sehr verschiedener Art. Die einen erscheinen vorwiegend als Pflichten, da der Staat die Geltendmachung der persönlichen Befähigung zur Ausübung derselben als eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht fordert, wie dies hinsichtlich des Vormundschaftsrechtes der Fall ist. Andere dieser Ehrenrechte stehen insofern in dem Belieben des Berechtigten, als dieser zur Wahrnehmung derselben (Wahlen zum gesetzgebenden Körper, Staatsdienst) nicht gezwungen wird und die Nicht-Geltendmachung nur dann einen bestimmten rechtlichen Charakter erhält, wenn das Strafgesetz sie verfügte. Noch andere Ehrenrechte können bedingt facultativ genannt werden, da ihre Geltendmachung wenigstens unter gewissen Voraussetzungen dem Entschlusse des Einzelnen überlassen ist, wie z. B. die Antheilnahme an Gemeindeversammlungen, falls nur die gesetzliche zur Beschlussfähigkeit erforderliche Anzahl der Gemeinde-Mitglieder erschienen. ')

b. Voraussetzungen.

§. 509.

Die politischen Ehrenrechte eignen unter gewissen Voraussetzungen, welche sich in seiner Person erfüllen müssen, nur dem dazu Befähigten. Diese Voraussetzungen sind besondere persönliche Qualificationen,) theils äussere Zustände, theils mehr innere Eigenschaften der Person: z. B. männliches Geschlecht, bestimmtes Lebensalter, Unbescholtenheit des Charakters, vermögensrechtliche Selbständigkeit. Die politische Bedeutung dieser Eigenschaften ist indess hinsichtlich der einzelnen Ehrenrechte eine verschiedene und ist nach dem positiven Rechte eines jeden Staates zu prüfen, in welcher Art die Wirkung derselben auf das einzelne Rechtsverhältniss begründet ist und wie der Verlust jener persönlichen Eigenschaften auch den Verlust der politischen Ehrenrechte, sei es als selbstverständliche Folge oder kraft eines strafgerichtlichen Erkenntnisses, be

') Mit Recht betont Held, System Th. I S. 255 ff., dass das Recht, Schöffe oder Geschworener oder Vormund werden zu können, mehr Pflicht als Recht sei. Es ist das eben die Eigenthümlichkeit des Staatsrechtes, dass das Prinzip der Nothwendigkeit jedem subjectiven Rechte den Charakter der Pflicht beilegt.

2) Zwischen der persönlichen Befähigung zu dem Erwerb der besonderen politischer Rechte und dem Besitze derselben selbst ist ein wesentlicher Unterschied. Es kann z. B. sehr wohl Jemand zur Uebernahme einer Vormundschaft oder eines Gemeinde-Ehrenamtes völlig qualificirt sein und kommt doch niemals dazu, wirklich Vormund oder Gemeindebeamter zu werden. Darum liegt auch in der staatsbürgerlichen Qualification zunächst nur die Befähigung zu den Activverhältnissen, und ist jene mehr eine staatsrechtliche Eigenschaft des Unterthanen, als ein bestimmt inhaltliches Recht desselben.

wirken soll, oder ob und unter welchen Voraussetzungen wenigstens das Recht zur Ausübung der Unterthanenrechte ruht.')

aa. Politische Mündigkeit.
§. 510.

Auch das Staatsrecht geht von dem Prinzipe aus, dass die active Bethätigung der Unterthanen an dem öffentlichen Leben eine gewisse Sicherheit der politischen Urtheilskraft voraussetzen muss, und hat darum ganz in der Weise, wie das Privatrecht, die Volljährigkeit der Unterthanen als ein Requisit ihrer politischen Handlungsfähigkeit bezeichnet.) In der Regel pflegt der Volljährigkeitstermin, welchen das bürgerliche Recht im Staate anerkannt hat, auch auf dem staatsrechtlichen Gebiete zu gelten, jedoch findet sich auch für bestimmte politische Rechte ein höheres Lebensalter bestimmt.") Diese staatsrechtliche Volljährigkeit ist aber nicht nach den Grundsätzen der privatrechtlichen zu beurtheilen. Die Wirkung der politischen Minderjährigkeit ist nur das Ruhen der Ausübung der activen Unterthanenrechte, nicht tritt eine vormundschaftliche Vertretung des Minorennen ein.')

bb. Religiöses Bekenntniss.
§. 511.

Dem religiösen Bekenntnisse der Unterthanen ist in den deutschen Staaten ein verschiedener Einfluss auf den Inhalt der staatsbürgerlichen Rechte gegeben. Während in dem grössten deutschen Staate, dem Königreich Preussen, das religiöse Bekenntniss der Unterthanen in politischer Hinsicht nur insofern erwähnt wird, dass Niemand um seines Bekenntnisses willen sich den staatsbürgerlichen Pflichten entziehen dürfe,) findet sich

') Vergl. Grossherzoglich Hessisches Verfassungsgesetz §. 16; Meiningensches Grundgesetz §. 14; Altenburgsches §. 76 ff.; Coburg-Gothasches Staatsgrundgesetz §. 27; Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 27. Vor Allem enthalten auch die Strafgesetzbücher Bestimmungen über den Verlust der politischen Ehrenrechte als Strafmittel. S. auch unten die Darstellung der Landtags-Wahlfähigkeit. 2) Vergl. z. B. Grosherzoglich Hessisches Verfassungsgesetz §. 14; Meiningensches Grundgesetz §. 14; Altenburgsches Grundgesetz §. 82.

3) Z. B. für das Recht, als Abgeordneter im gesetzgebenden Körper aufzutreten. 1) Altenburgsches Staatsgrundgesetz §. 89.

5) Preussisches Verfassungsgesetz Art. 12: „Der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen." Dass nicht nur in dem gesetzgebenden Körper die Beseitigung dieses Artikels aus dem Verfassungsgesetze versucht, sondern sogar in der Praxis jenem unzweideutigen Prinzipe eine beschränkende Deutung untergelegt worden, darüber s. von Rönne, Preussisches Staatsrecht Bd. I Abth. 2 S. 128 ff. Auf dem Standpunkte der

in anderen Staaten nur den Bekennern der drei christlichen Confessionen der Vollgenuss der politischen Rechte gestattet und ist es besonderen Entschliessungen der Staatsgewalt vorbehalten, in welchem Masse Andere an diesen Rechten Antheil haben.') Selbst der Grundsatz findet sich in einem. deutschen Verfassungsgesetze, dass das christliche Bekenntniss die Bedingung der Staatsangehörigkeit überhaupt ist.) Jenes mittlere Prinzip war auch ein Grundsatz der Deutschen Bundesacte, gestattete aber eine so mannichfache Modification der Ausführung, dass eine gleichmässige Gestaltung dieser Angelegenheit in den Staaten des Bundes nicht damit erreicht werden konnte.) In dem Bereiche des Norddeutschen Bundes wird dagegen eine Gleichmässigkeit des Prinzipes durch die Gesetzgebung über das Staatsbürgerrecht erreicht werden. Nach dem Prinzipe bestimmt sich denn auch die politische Berechtigung der Juden, welche bis zum bestimmten Auftreten mehr oder minder christlich gefärbter Secten bei den

Preussischen steht die Badensche Gesetzgebung seit dem die Verfassungsurkunde §. 9 und 19 abändernden Gesetze vom 17. Februar 1849; die Hessen-Darmstädtsche seit 1848 (nach dem Bezeugen Zacharia's in dessen Sammlung der Verfassungsgesetze I. Lieferung S. 403 Note **); das Coburg-Gothasche Staatsgrundgesetz §. 34; das Braunschweigsche Gesetz vom 23. Mai 1848 (welches die Neue Landschaftsordnung §. 29 modificirte); das Oldenburgsche Revidirte Staatsgrundgesetz Art. 33 §. 1 und 2; das Reuss-Schleizische Verfassungsgesetz §. 16; das Waldecksche §. 40 Abs. 3; das Bremensche §. 12 Abs. 2.

1) Baiersches Verfassungsgesetz Tit. IV §. 9: „Die in dem Königreiche bestehenden drei christlichen Kirchengesellschaften geniessen gleiche bürgerliche und politische Rechte. Die nicht christlichen Glaubensgenossen haben zwar vollkommene Gewissensfreiheit; sie erhalten aber an den staatsbürgerlichen Rechten nur in dem Masse einen Antheil, wie ihnen derselbe in den organischen Edicten über ihre Aufnahme in die Staatsgesellschaft zugesichert ist.“ Durch Gesetz vom 1. Juli 1834 wurden die Bekenner der unirten wie der nicht unirten griechischen Kirche hinsichtlich der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte denen der drei christlichen Kirchen gleichgestellt. Dem Prinzip des Baierschen Verfassungsgesetzes huldigen auch das Sächsische §. 33; Würtembergsche §. 27 (dessen Prinzip indess zu Gunsten der Juden nach der Verordnung vom 5. October 1851 verändert geblieben); Meiningensches Grundgesetz §. 12 und 29; Anhalt-Bernburgsches Gesetz vom 9. April 1855 §. 4, welches indess als Prinzip die Unabhängigkeit der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte von dem religiösen Bekenntniss hinstellt und nur dem Gesetze die Feststellung besonderer Ausnahmen vorbehält. Das Schwarzburg-Sondershausensche Grundgesetz §. 14, 3 erfordert für die active Antheilnahme an der Wahl zum Landtage christliches Religionsbekenntniss“, schliesst also die Gleichstellung aller Confessionen aus; ebenso die Lippe-Detmoldsche Verordnung vom 6. Juli 4836 §. 9. S. unten die Voraussetzungen der activen Wahlfähigkeit.

2) Oldenburgsches Grundgesetz §. 42: „Zur Aufnahme in den Staatsverband des Herzogthums Altenburg ist das Bekenntniss der christlichen Religion erforderlich. Die besondere Confession erwirkt keine Verschiedenheit der politischen und bürgerlichen Rechte."

3) Deutsche Bundesacte Art. 16.

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Bestimmungen über die staatsrechtlichen Verhältnisse der nicht zu einer christlichen Confession sich Bekennenden fast allein in Betracht kam.')

cc. Männliches Geschlecht.

§. 512.

Der Staat ist durchaus männlichen Charakters. Sein Leben fordert die Einsicht, den Muth und die Kraft des Mannes. So ist auch das männliche Geschlecht die Voraussetzung der vollen politischen Persönlichkeit des Individuum.2) Die Frauen sind freilich von dem politischen Leben nicht ausgeschlossen, auch sie haben Theil an den Lasten, welche der Staat kraft seines Finanzrechtes fordert, allein das active Unterthanenrecht, die eigentlich staatsbürgerliche Qualification eignet nur dem Manne. In der männlichen Bevölkerung liegt die Kraft und die Einsicht des Staates und die politische Bedeutung des Weibes beschränkt sich auf den allerdings nicht hoch genug zu schätzenden Werth, welchen die sittliche und intellectuelle Veredlung des Männlichen durch das Weibliche beansprucht. Ausdrücklich pflegt in den Verfassungsgesetzen bei Bezeichnung der staatsbürgerlichen Rechte die Zuständigkeit zu deren Ausübung nur den männlichen Geschlechte zugesprochen zu sein, wie auch die Forderung des Huldigungseides nur gegen die männliche Bevölkerung gerichtet zu sein pflegt der Ausschuss des Weibes und des Weiblichen ist das Prinzip, das stillschweigend immer gegolten. Es würde Unnatur und dem Staate wie dem Menschen verderblich sein, wollte das Weib den ihm durch die Schöpfung und die Ordnung des Irdischen zugewiesenen Lebenskreis der Familie verlassen und in den Ringplatz des politischen Lebens eintreten, wie andererseits der Mann sich und den Staat vernichten würde, wollte er die Aufgabe des Weibes in der Familie für die seinige halten. Der Ausschluss des Weibes von dem activen Leben des Staates ist nicht eine Verkümmerung oder Verkennung des Rechtes der Frauen, sondern das Anerkenntniss ihrer unveräusserlichen Sonderbeschaffenheit und Sonderaufgabe.3)

1) Deutsche Bundesacte Art. 16 Abs. 2.

2) Vergl. Grossherzoglich Hessisches Verfassungsgesetz §. 14: Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer männlichen Geschlechts etc."; Meiningensches Grundgesetz §. 11.

3) Sehr richtig Held, System Th. I. §. 129. Die Gesetzgebung hat geschwankt und ist noch nicht constant. Während die meisten Verfassungsgesetze die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte, namentlich des Rechts zur Betheiligung an ständischen Wahlen nur männlichen Unterthanen zuweisen (vergl. Preussisches Verfassungsgesetz Art. 70 und 72, Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes §. 2), findet sich in einem deutschen Staate auch das weibliche Geschlecht als politisch actives Subject. Vergl. z. B. Altenburgsches Grundgesetz §. 192: „Einer Wittwe und geschiedenen Frauenzimmern steht das Recht, an der Bestellung der Wallmänner Theil zu nehmen, dann zu, wenn sie Eigenthümerinnen eines Hauses sind und die Berechtigung durch einen

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