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tretenden Souverain wieder in die Reihe der Unterthanen dieses neuen Monarchen.

Der Verzicht auf die Souverainetät ist irrevocabel, da die Continuität des Staatsrechts einen Rückschritt nicht duldet, der Verzichtende aber als gestorben gilt.')

V. Gegenstand der Thronfolge.

§. 419.

Den Gegenstand oder Inhalt der Thronfolge bildet das Recht an der Staatsgewalt oder das Recht, die Souverainetät als den Inbegriff aller Rechte und Pflichten der Staatsgewalt in sich zu personificiren.) So wenig es nun möglich ist, diesen Gegenstand unter einen privatrechtlichen Begriff zu fassen, eben so wenig ist es zulässig, denselben einer Regel des Privatrechts zu unterwerfen. Vielmehr ist es lediglich das Staatsrecht, welches den Inhalt der Thronfolge bestimmt und begrenzt. Was in dem Begriffe und dem Rechte der Staatsgewalt, beziehungsweise in dem Rechte des persönlichen Repraesentanten derselben enthalten ist, das ist der Inhalt des Rechtes, welches die Thronfolge überliefert. So ist dieses auch ein positivrechtlicher Gegenstand: denn das Recht eines jeden Staates bestimmt es, was als die Zuständigkeit der Staatsgewalt anzusehen ist. Ueber den so bestimmt gegebenen Inhalt des Thronfolgerechts vermag auch der letzte Inhaber des Thrones in keiner Weise zu disponiren. Der Thronfolger tritt in das Recht der Krone, so wie dieses aus den Quellen des Staatsrechts zu schöpfen ist.3)

Im concreten Falle kann freilich der Nachfolger an der Regirung auch noch ein Mehres erwerben, indem auch die Privatverlassenschaft des Vorgängers ihm zufallen oder sonst aus privatrechtlichem Grunde ein

1) Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht Th. II S. 375 ff.; Held, System Th. II S. 299. 2) Zachariä, Deutsches Staatsrecht §. 75; Held, System Th. II S. 202 ff. (giebt sich viel Mühe, das Richtige zu erkennen, bleibt aber systemlos).

3) Zuviel behauptet Held, System Th. II S. 202, wenn er als den Gegenstand des Successionsrechts den „Staat" bezeichnet und dann fortfährt: „Der Staat aber ist die ganze Summe körperlicher und unkörperlicher Sachen nebst der Gesammtheit der Unterthanen, alles zusammen in seiner organischen Einheit, worauf der Begriff des souverainen Gemeinwesens beruht, also die Gesammtheit der Länder und Menschen, welche des Staates natürliches und sittliches Substrat sind, als ein untheilbares politisches. Ganze, ferner die sie hierzu bildende gesammte oberste Staatsgewalt, wie sie im kritischen Augenblick besteht. Das ist eine Ueberschwenglichkeit, welche den Gegenstand der heutigen deutschen Staatssuccession gar nicht bezeichnet. Dem Souverain eignet die Souverainetät des Staates und ist diese der Gegenstand der Staatssuccession. Der Staat ist dies so wenig, wie der Kopf sagen kann, ihm gehören die übrigen Glieder des Körpers.

Vermögenscomplex seiner Nutzung und Verfügung unterworfen werden kann, vielleicht weil diese Nutzung und Verfügung grade dem jeweiligen Souverain eignen soll. Diese Vortheile der Regirungsfolge sind indess vom staatsrechtlichen Gesichtspunkte aus als zufällige und gleichgültige zu betrachten, da sie aus keinem Grunde des öffentlichen Rechtes und nicht aus dem Willen oder im unmittelbaren Interesse des Staates dem souverainen Fürsten bei dem Erwerb der Souverainetät zugefallen sind. Ueber die Vererbung und Erwerbung (Recusation) jener privatrechtlichen Vermögenstheile entscheidet auch nur das Privatrecht, das Privat-Fürstenrecht, während dieses an der Regelung der staatsrechtlichen Succession keinen Antheil nimmt. Beide Successionsobjecte sind wie die ihnen geltenden Rechte wesentlich auseinander zu halten: denn die staatsrechtliche Thronfolge umfasst Alles, was aus dem Rechte des Staates der Staatsgewalt gehört, aber auch nur dieses.')

§. 420.

Wie das Souverainetätsrecht eine bestimmte räumliche Grenze, eben das Gebiet des Staates, hat, so ist auch der Inhalt des durch die Thronfolge erworbenen Rechtes in eben solchen Grenzen räumlich bestimmt und begrenzt. Die Souverainetät des ganzen räumlichen Staates, auf und über dem ganzen Staatsgebiete, ist das, was der Regirungsnachfolger durch den Antritt der Regirung bekommt. Hierauf hat eben das neuere Staats

1) In der Theorie hat das Kapitel von der Sonderung der staatsrechtlichen Verlassenschaft des Souverains von seiner privatrechtlichen Erbschaft stets eine besondere Bedentung gehabt. Je weniger klar der Begriff des Staates und des Rechtes der Staatsgewalt erkannt war, desto confuser war auch die Lehre von dem Gegenstande der Regirungsfolge. Heutiges Tages versieht die Theorie sich nur noch darin, dass sie den Besitz des Souverains, welcher ihm auf Grund eines Familienfideicommisses dieses fürstlichen Hauses zusteht, deshalb, weil er dem jeweiligen Throninhaber eignet, mit zu dem Objecte der staatsrechtlichen Succession zählen, wie z. B. auch noch Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht Th. II S. 36 sagt: „Zu jener (der staatsrechtlichen Verlassenschaft) gehören voraus alle dem Staatsoberhaupte als solchem zustehenden öffentlichen Rechte, dann aber auch alles Vermögen, welches nach der Verfassung oder durch Hausgesetz oder in Folge besonderer Stiftung oder letztwilliger Verordnung der Staatsverlassenschaft zugewiesen worden ist." Dass diese Rechtstitel an dem Gegenstand der Staatssuccession Nichts bestimmen können, geht schon aus dem allgemeinen Charakter des Staatssuccessionsrechtes hervor (s. oben § 371). Dabei relevirt auch die Thatsache Nichts, dass einige Verfassungsgesetze diesen Theil der s. g. Staatsverlassenschaft als ein unglücklicher Ausdruck nicht zur Privatverlassenschaft des Souverains gehörig bezeichnet haben, wie z. B. sehr ausführlich die Baiersche Verfassungsurkunde Tit. III §. 2: denn wie konnte erwartet werden, dass die gesetzgebenden Versammlungen eine richtigere Kenntniss von dem Wesen des Staates und seines Rechtes haben möchten, als die allgemeine Doctrin? Es ist dies eben ein Fall, wo das Verfassungsgesetz über die Grenzen des Staatsrechts hinausging und privatrechtliche Bestimmungen, wenn auch privatfürstenrechtliche in sich aufnahm. Damit sind diese aber nicht auch in das Gebiet des Staatsrechts verpflanzt. denn dessen Inhalt ist ein objectiv gegebener.

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recht im Rückblick auf die nachtheiligen Folgen früherer entgegenstehender Observanzen und Rechtsanschauungen ein besonderes und sehr bestimmtes Gewicht gelegt. Das Prinzip hat sich in dem Satze, dass der Staat untheilbar sei, formulirt und es findet sich derselbe als Gegensatz zu der einstigen Ueblichkeit, dass mehre dem Grade nach gleich nahe Thronpraetendenten Land und Leute zu bestimmten Theilen unter sich theilten, in den Verfassungsgesetzen aller deutschen Staaten. Eben deshalb ist auch das persönliche Lebensalter bei der Thronfolge in Rücksicht genommen und so die Möglichkeit einer solchen Concurrenz, welche die Theilung des Staates zur rechtlichen Folge haben müsste, abgeschnitten. Eine Theilung des Staates ist in keinem deutschen Staate ferner mehr die Folge der Eröffnung des Thronrechts.')

§. 421.

Der Thronfolger überkommt den Inhalt seines Regirungsrechtes so, wie derselbe im Augenblicke der Thronerledigung aus rechtlichen Gründen sich vorfand, eben weil er nur das Leben des Staates fortsetzt.) Seine Souverainetät wirkt nicht rückwärts, sondern ist die Fortsetzung der souverainen Gewalt des Vorverwesers auch des illegitimen Zwischenherrschers) und hat diese, sofern sie eben in rechtlicher Weise herrschte, zu respectiren. Der Staat lebt ja in dem souverainen Fürsten fort und nimmer darf der Wechsel der Personen, welchen die Majestät des Thrones eignet, die Athemzüge des Staatslebens unterbrechen. So ist denn auch ein jeder Souverain verpflichtet, alle Folgen der Vorregirung für sich und für den Staat unter seiner Regirung als rechtsverbindlich zu betrachten, sofern sie nur formell als gültig, d. h. als dem Rechte des Staates entsprechend zu betrachten sind.) Ein Anderes würde die recht

') Auch die von Weiss, System §. 242 a. E. noch für möglich gehaltenen Fälle der Zulässigkeit einer Rechtstheilung aus dem Grunde gleicher Berechtigungen mehrerer Thronpraetendenten existiren in Wirklichkeit nicht mehr. Alle Eventualitäten der fürstlichen Familienverhältnisse macht die Untheilbarkeit des Staates von vornherein staatsrechtlich werthlos.

2) Klüber, Oeffentliches Recht §. 252; Maurenbrecher, Grundsätze §. 237 ff. 243 ff.; Zöpfl, Grundsätze §. 266; Zachariä, Deutsches Staatsrecht §. 76 ff.; Held, System Th II. S. 218-323; Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht Th. II S. 47 ff. Die frühere Literatur ist von geringem Werthe, da sie noch unter den mancherlei privatrechtlichen Auffassungen des Staatsrechts geschrieben und mit allerlei Irrthümern zu kämpfen hatte. 3) Vergl. Zachariä a. a. O. §. 78; Held, System Th. II. S. 323.

Er muss

) Klüber a. a. O. §. 252: „Der ewige Staat spricht durch jeden Regenten. Seine Verpflichtungen wie seine Rechte werden nicht geschwächt und nicht vernichtet durch blossen Wechsel in der physischen oder moralischen Person des regirenden Subjects“; Jordan, Lehrbuch §. 57; „Der Nachfolger beginnt keine neue Regirung. daher auch alle wahren Staatshandlungen seines Vorgängers, selbst des Usurpators, der durch die stillschweigend oder ausdrücklich erfolgte Anerkennung des zu solcher wegen der factischen Unterbrechung der rechtmässigen Regirung und für die Dauer dieser Unter

liche Ordnung im Staate verletzen und die Entwicklung des Staatslebens gefahrvoll unterbrechen. Sind die früher auf rechtlichem Wege geschaffenen Zustände nicht den Interessen des Staates oder den Grundsätzen seines wahren Rechtes entsprechend, so findet der neue Regent darin gewiss einen wohl begründeten Anlass zur Reform und Restauration: allein Irrthum oder Böswilligkeit des Vorverwesers sollen nicht anders als auf dem verfassungsmässigen Wege corrigirt werden. Bis zu der rechtlichen Aufhebung behaupten alle unter der Vorregirung in das Leben getretenen Zustände als die Folgen der rechtmässigen Herrschaft des Souverains ihre unanfechtbare Autorität und bedürfen durchaus nicht einer ausdrücklichen Anerkennung.') Dagegen verpflichten den Thronfolger alle diejenigen Handlungen des Vorverwesers der Regirung nicht, welche er nicht im

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brechung, befugten Volkes in Bezug auf dieses intermystisch (!) ein rechtmässiger Herrscher geworden ist, wie seine eigenen anerkennen und aufrecht erhalten." Verkehrt ist dann aber, diese Verbindlichkeit des Nachfolgers durch den Vertrag zwischen dem Herrscher und dem Volke" begründen zu wollen (Jordan a. a. O. §. 55). Das wahre Sachund Rechtsverhältniss kennzeichnet sehr richtig Gerber, Ueber öffentliche Rechte S. 69: „Der allein richtige Gesichtspunkt ist hier gewiss der, dass der Thronfolger mit der Uebernahme der Regirung in einen Rechtskreis eintritt, der jede Berufung auf das nicht staatsorganische Recht der privatrechtlichen Persönlichkeit ausschliesst; der Thronfolger darf sich hier lediglich als Glied des Organismus fühlen, wie er durch seine eigene innere Bildungskraft sich entwickelt hat, und folgeweise kann er sich nicht die Frage vorlegen, ob er vermöge der Grundsätze des successiven Erbrechts eine bestimmte an und für sich rechtmässige Regirungshandlung (z B. die Ertheilung einer Verfassung durch einen bis dahin absoluten Monarchen) anzuerkennen hat, oder nicht."

1) Mit Recht bemerkt Zachariä, Deutsches Staatsrechts Th. I. S. 343, II, dass die Succession des Thronerben weder eine Singular- noch eine Universal-Succession sei. Diese civilrechtlichen Begriffe passen eben gar nicht auf die staatsrechtliche Thronfolge und nur die privatrechtliche Auffassung des Staatswesens konnte sich verleitet finden, jene römisch-rechtlichen Terminologieen auch auf diese Materie des öffentlichen Rechtes anzuwenden. Zöpfl, Grundsätze §. 266 argumentirt dagegen nur mit dem Begriffe der „Singularsuccession" und zieht auch in dieser Materie das Staatsrecht auf den Boden des römischen Privatrechts. Wenn derselbe gegen die auch im Texte vertretene Anschauung von der Souverainetät des „ewigen Staates" sich mit den Worten äussert: „Eben hierdurch gründete man aber bewusst oder unbewusst die Verbindlichkeit des Thronfolgers aus den Regirungshandlungen des Vorgängers auf das Prinzip einer angeblichen Staatssouverainetät neben der Fürstensouverainetät, also auf eine an sich unhaltbare Hypothese," so braucht an dieser Stelle wohl Nichts dagegen gesagt zu werden, da eben diese Auslassung Zöpfl's nur die Folge seines Miskennens des Wesens der deutschen Staaten ist. Vergl. oben §. 1 ff. Wie viel richtiger dachte doch schon Baldus (vergl. Bluntschli, Allg. Staatsrecht Th. II. S. 48 Note 1) über diese bei der richtigen Erkenntniss des Staatswesens so einfache und klare Frage, wenn er die Aeusserung wagte: „Imperator mori potest, sed ipsa dignitas, officium imperatoris est immortale; quae faciunt itaque reges, nomine non suo sed regni i. e. gentis suae, illa obligant gentem et principem ejus successorem, nisi laudarent facta ipsum regnum quia regni tutela est commissa, non dilapidatio."

Bereiche seiner Souverainetät, nicht als die politische Person, oder wenn auch als solche, so doch nicht in den Formen des auch über ihm stehenden Rechtes vorgenommen hat. Diese Handlungen verpflichten den Thronfolger staatsrechtlich gar nicht; wenn sie auch diesen binden sollen, so ist es Sache des Privatrechts, den Grund ihrer Verbindlichkeit nachzuweisen.')

IV. Modificationen des Thronbesitzes.

1. Mitregentschaft.

§. 422.

Ein jeder Souverain hat das unbestrittene Recht, sich zur Ausübung seiner Souverainetät einen Mitregenten zu ernennen, jedoch selbstverständlich ohne dem Thronfolgerechte, welches die gesetzliche Thronfolgeordnung giebt, irgend zu präjudiciren. Eine gesetzliche oder urkundliche Anerkennung hat dieses Recht indess niemals gefunden und ist dasselbe nur zu behaupten, weil die Geschichte früherer und neuester Zeit die Beweise liefert, dass die Uebung eines solchen Rechtes von keiner Seite Widerspruch erfahren und dasselbe vielmehr stillschweigend anerkannt ist.2) Eben darum lässt sich aber auch der Inhalt und Umfang dieses

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) Vergl. Weiss, System §. 250, welcher jenes Prinzip casuistisch auszuführen sucht. Früher operirten die Theoretiker bei dem Nachweise der Verpflichtung des Thronfolgers zur Anerkennung der Handlungen des Vorregenten vor Allem mit einzelnen lehnrechtlichen Sätzen, namentlich II Feud 45. Dass indess heutiges Tages mit diesen Grundsätzen im Staatsrechte Nichts mehr zu machen, wird einer Bemerkung kaum noch bedürfen. In den deutschen Verfassungsgesetzen wird nur selten diese staatsrechtliche Frage berührt Das Prinzip sprechen sehr richtig aus das Altenburgsche Grundgesetz §. 14: Die Regentenhandlungen des Vorfahrers sind von dem Landesnachfolger anzuerkennen und zu vertreten, sofern sie ohne Ueberschreitung der verfassungsmässigen und hausgesetzlichen Befugniss unternommen wurden"; das Anhalt-Bernburgsche Landesverfassungsgesetz §. 89: „Alle rechtsgültigen Regentenhandlungen und Gesetze sind von dem Regirungsnachfolger unbedingt anzuerkennen und zu vertreten"; SchwarzburgSondershausensches Landesgrundgesetz §. 14: Die rechtmässigen Regirungshandlungen des Vorfahren verbinden den Nachfolger"; Revidirtes Staatsgrundgesetz für Reuss j. L. §. 41 (wörtlich wie im Altenburgischen Verfassungsgesetze). Ein Anerkenntniss des Prinzips liegt aber nicht schon in den Bestimmungen der Verfassungsgesetze, welche die Unverletzlichkeit der Verbindlichkeit des Staatsfiscus sichern wollen, da es sich hier nicht um die Handlungen des Souverains als des Repräsentanten der Staatsgewalt, sondern um Vornahmen des Staates als der juristischen Person handelt. A. M. Zachariä a. a. O. §. 76 Note 11.

2) Die letzten Fälle waren die Mitregentschaft des Thronfolgers Friedrich Wilhelm I. zu Hessen-Cassel und der Herzogin Friederike zu Anhalt.

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