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Grenzen zu. Aus der Thatsache, dass der Monarch das Haupt des staatlichen Organismus, also nicht der Staat selbst, aber das vornehmste und höchste Glied an dessen Körper ist, folgt, dass die rechtliche Stellung des Monarchen nicht aus einem ausserhalb des Staates liegenden Begriffe, sondern nur aus dem Wesen des Staates bestimmt werden kann und dass nur die Beziehungen des Monarchen zu dem Staate den Inhalt und den Umfang der subjectiven Rechte desselben zu geben vermögen. Wie die Idee der politischen Gemeinschaft alle Glieder des staatlichen Organismus durchgeistet und sie alle je in ihrer besonderen Sphäre zu den Functionen belebt und treibt, aus deren Zusammenwirken das Leben des Staates besteht: so ist es auch die politische Natur des Staates, seine organische Beschaffenheit und sein persönliches Wesen, woraus wie der Begriff der Monarchie so auch alles Recht und alle Pflicht des Monarchen als solchen hervorgeht und sich rechtfertigt. Nicht eine einzige rechtliche Beziehung des Monarchen als solchen löst sich von dem Wesen und dem Körper des Staates. Das gesammte Recht desselben ist nur ein Theil des Rechtes, das sich in dem Staate entwickelte und das ihm eignet, und es ist jenes Stick aus dieser Rechtsmasse nach allen Seiten hin so scharf gekantet, wie die Einheit und Bestimmtheit des Organismus des Staates und sein persönliches Wesen dieses mit sich bringen.

§. 332.

Das Recht des Monarchen ist ein durch und durch öffentliches. Nur

Sünde eine Krone erlangen kann, ist wahr, aber nicht wahrer, als dass ein höchst und unzweifelhaft legitimer Fürst ein Herodes oder Nero oder der Sprössling eines fürstlichen Ehebruchs sein kann, so dass die Sünde auch die formell legitimste Herrschaft durchfrisst und diese nur um so gottloser in aller Hinsicht ist. Wohl ist es löblich und specifisch christlich, dass der Fürst allewege der erfahrenen Gottesgnade eingedenk sei und diese demutsvolle Anerkennung wird gewiss die sicherste Bürgschaft für die Gerechtigkeit der fürstlichen Herrschaft, wie die beste Sicherung des treuen und freudigen Gehorchens der Unterthanen sei: aber die Staatslehre darf aus diesem moralischen Prinzipe nicht auch ein politisches machen und den wichtigsten Theil des Staatswesens nicht durch ein dem politischen Gebiete nicht angehörendes Prinzip begründen und befestigen wollen. Vergl. Waitz, Grundzüge der Politik S. 133: „Gewiss wäre es thöricht und frevelhaft zugleich, eine Bezeichnung anzufechten, die seit mehr als einem Jahrtausend Geltung und dazu wohl eine tiefe Bedeutung hat. Aber man thut offenbar nicht minder Unrecht, wenn man von dem ursprünglichen Gedanken abgeht und ganz anderes in das Wort hineinlegt, als an sich darin liegen sollte. Nicht ein Königthum, sondern nur Könige von Gottes Gnaden kennt die Geschichte. Und es war dies eine Bezeichnung mehr der Demut als der Erhebung der gnädigen Fügung Gottes wurde es zugeschrieben, dass diese bestimmte Person die Herrschaft bekommen, zu der Würde gelangt sei. Es geschah das ferner von dem gewählten wie von dem erblichen König, ebenso wie es von dem Bischof oder mitunter selbst von solchen geschah, die ein Amt aus der Hand des Königs empfangen. Es hatte noch weniger einen Bezug auf das Recht und die Macht des Königs." Vergl. auch Zeitschrift für deutsches Staatsrecht, herausgegeben von Aegidi, Heft II S. 172 („das Königthum von Gottes Gnaden" von Dr. J. C. H.).

das öffentliche Recht bestimmt den Gegenstand und Inhalt desselben, die Formen seiner Ausübung und die Voraussetzungen seines Besitzes. Es ist eben der Staat als solcher, in welchem und für welchen der Monarch als das Haupt des organischen Staatskörpers besteht, und es ist nur das Recht des Staates, welcher die rechtlichen Beziehungen auch dieses Gliedes des Organismus giebt. Von den Begriffen des Privatrechtes, sei es des longobardischen (Lehnrechts), sei es des deutschen, passt nicht ein einziger auf die rechtlichen Verhältnisse und Beziehungen der Monarchen der deutschen Staaten der Gegenwart.') Nicht die privatrechtlichen Begriffe des Eigenthums oder des Mandates oder eines ähnlichen Rechtsinstitutes können den Begriff des Monarchenrechts decken oder den Inhalt desselben rechtfertigen, sondern hierfür ist Alles nur aus dem Begriffe und dem Rechte des Staates zu entnehmen. Ebenso ist auch alle persönliche Willkür des Monarchen von der Entstehung, dem Inhalte, den Formen und der Endigung seines Rechtes ausgeschlossen, wenngleich der Subjectivität des Monarchen in dem Masse des thatsächlich geltend gemachten Rechtes freieres Spiel gelassen bleiben musste.) Der Staat als die organische Gliederung des Volkes ist Grund, Inhalt und Zweck des Rechtes und der Macht des Monarchen.")

1) Die frühere Doctrin irrte auch hierin und phantasirte von „Patrimonial-Staaten und territoria, quae modo magis herili reguntur", die es in Wirklichkeit niemals gegeben hat. Vergl. Zachariä, Deutsches Staatsrecht Th. I. S. 320 ff.

2) Der König regirt individuell persönlich, aber nicht despotisch oder absolutistisch. 3) Gerber, Ueber öffentliche Rechte S. 65: „Das Monarchenrecht trägt vollständig den Charakter der öffentlichen Rechte; es ist ein Recht, das dem Einzelnen nicht als solchem, sondern als Glied der organischen Verbindung des Volkes zusteht; das niemals der blossen Privatdisposition unterworfen sein kann, und ebensosehr Verpflichtung als Berechtigung ist"; Stahl, Rechts- und Staatslehre Abtheilung II. S. 141: „Der Fürst hat die Gewalt nicht als in seiner Person, sondern als im Wesen der Anstalt entsprungen, daher auch nicht nach seinem Privatwillen und zu seinem Privatzwecke, sondern begrenzt und bestimmt durch den Zweck und nach dem Gesetze der Anstalt. Vergl. auch Zacharia, Deutsches Staatsrecht Th. I. S. 50, II; Zöpfl, Grundsätze §. 54 und 57; Ahrens, Organische Staatslehre Th. I. S. 171, 2 und 194 ff.; Held, System Th. I. S. 240 ff. 272. 275; Bischof, Allgemeine Staatslehre S. 38 unten; besonders auch Puchta, Cursus der Institutionen Th. I. S. 64 ff., namentlich S. 66: „Die Aufgabe ist, das Verhältniss zwischen Fürsten und Unterthanen in seiner Reinheit, mit Abstreifung theils der familienhaften, theils der privatrechtlichen Reminiscenzen, in eine rechtliche Form zu bringen, in eine Form aber, welche dem vollen Inhalt des Verhältnisses sich anbequemt. Diese Form ist die einer Herrschaft über Personen, aber einer Herrschaft, die einer öffentlichen Person über öffentliche Personen zusteht, und deren Inhalt sich nur auf diese Eigenschaft der Personen bezieht." Diese Auffassung des monarchischen Rechtes als eines öffentlichen" Rechtes ist noch nicht alten Datums. Der Feudalstaat gestattete dieselbe nicht; in ihm ist vielmehr die „Landeshoheit" in der That vorwiegend privatrechtlicher Natur und suchten die Landesherren nicht mit Unrecht sie als und wie ein Privatrecht zu schützen. Später versuchte noch die Lehre von der absoluten fürstlichen Gewalt und Machtvollkommenheit dem Souverain das monarchische Recht als ein seiner freien

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2. Arten des Rechtes des Monarchen.

A. Das materielle Recht und das Recht zu dessen Ausübung. §. 333.

Wie in der Souverainetät des Staates ein Zwiefaches liegt, das Recht zur Herrschaft und seine Uebung oder das Herrschen selbst, so ist auch Beides in dem Rechte des Monarchen enthalten: es ist der persönliche Monarch, welcher das Recht der Souverainetät in sich besitzt und durch sich zur Geltung bringt und geschichtliche Thatsache werden lässt. Dennoch aber ist ein Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Bestandtheile des Monarchenrechtes. Denn jenes, das materielle Recht der Souverainetät kann nur in der einen Person des Monarchen residiren und muss in dieser seine ganze Fülle concentriren, so dass kein Atom desselben zu Gunsten irgend eines anderen Subjectes sich lösen darf. Die Ausübung der souverainen Gewalt dagegen leidet wohl den Eintritt einer zweiten Person, welche entweder mit dem Souverain und neben ihm oder für ihn in seinem Namen und aus seiner Ermächtigung die Regirung des Staates als die Bethätigung seines Rechtes führt. So ist jene Unterscheidung der zwiefachen Bestandtheile des Monarchenrechtes von grosser praktischer Bedeutung. Das sonst so einfache und stabile monarchische Prinzip wird hierdurch flexibel und gestattet mannichfache Arten positivrechtlicher Gestaltung.')

B. Unmittelbares und mittelbares Recht.

§. 334.

Das gesammte Recht, welches für den und an dem Monarchen besteht, ist theils solches, das diesem kraft seiner organischen Stellung im Staate und unmittelbar um des Staates willen eignet, theils wird dasselbe aus denjenigen Verhältnissen und Beziehungen gebildet, in welchen der Monarch persönlich um jener seiner staatlichen Bedeutung willen steht. Dieses Recht der Person des Monarchen ist als das mittelbare jenem als dem unmittelbaren gegenübergestellt. Beide Arten des monarchischen Rechtes stehen in dem Verhältniss der Voraussetzung zu ihrer Consequenz zu einander, sind aber gleich wesentlich und politisch nothwendig und es stehen beide Rechtstheile unter den Regeln des Staatsrechts. Das unmittelbare

Disposition unterworfenes Privatrecht zu vindiciren, allein ohne beachtenswerthen Erfolg. Der Pulsschlag des Staatslebens hatte eben diese scholarchische Influenza bereits ausgeschieden. Es empfiehlt sich daher auch nicht, von einer „Verwandlung der feudalen Landeshoheit in eine allodiale" zu sprechen, wie Weiss, System S. 430 und Andere thaten.

') Vergl. unten die Darstellung der Organe der Staatsgewalt,

Recht des Monarchen ist das Recht an der Souverainetät des Staates, das mittelbare der Inbegriff der Ehrenrechte und der politischen Vermögensrechte des Monarchen.

II. Das Recht an der Souverainetät des Staates.

1. Allgemeiner Inhalt.

§. 335.

Der Monarch hat das Recht des Staates zu verwirklichen und die Macht des Staates darzustellen. Das Recht der Staatsgewalt, dessen ideelles Subject der Staat als die organische Einheit von Land und Leuten ist,') lebt in der Person des Monarchen, so dass erst durch dessen Wollen und Handeln jenes Recht zur Geltung kommt. Das Recht des Staates ist nicht identisch mit dem des Monarchen, so wenig wie Staat und Monarch dasselbe ist, aber es ist das Recht des Monarchen, dass nur durch ihn das Recht des Staates seine Macht zeigt und dass nur er dasselbe mit dem realen Leben vermittelt. Der Monarch besitzt also nicht das Recht des Staates als sein Eigenthum, nicht als das an seiner Person haftende Recht, wohl aber hat derselbe ein Recht an dem Rechte des Staates und zwar das ausschliessliche Recht daran.) Das Object des monarchischen Rechtes ist also das Recht der Staatsgewalt in der ganzen Fülle, welche aus dem Zwecke des Staates historisch hervorgegangen, aber nur in dem Sinne, dass der Monarch dieses Recht als das Recht des Staates für dieses nur in ihm handlungsfähige Subject ausübt. Der Monarch kann darum auch

') Vergl. oben §. 14 ff.

2) Nur in diesem Sinne enthält das in fast alle deutsche Verfassungsgesetze übergegangene Prinzip des deutschen Bundes, dass die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben müsse (Wiener Schluss acte Art. 57), eine Wahrheit. Vergl. Baiersches Verfassungsgesetz Tit. II. §. 1 und Tit. III. §. 3; Sächsische §. 4; (Hannoversches Landesverfassungsgesetz §. 5); Würtembergsches Verfassungsgesetz §. 4; (Kurhessisches §. 10); Badensches §. 5; Grossherzoglich Hessisches §. 4; Luxemburgsches Art. 32; Meiningensches Grundgesetz §. 3; Altenburgsches §. 4; Coburg-Gothasches Staatsgrundgesetz §. 3; Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 3 und 5; Oldenburgsches Revidirtes Staatsgrundgesetz Art 4 §. 2; Schwarzburg-Sondershausensches Gesetz vom 2. August 1852 §. 12; Schwarzburg-Rudolstädtisches Grundgesetz §. 1; Waldecksches Verfassungsgesetz §. 3; Liechtensteinsches §. 2. Nicht wiederholt ist jener Art. 57 der Wiener Schlussacte in der Preussischen Verfassungsurkunde (vergl. Art. 43 ff.) und in dem Anhalt-Bernburgschen Landesverfassungsgesetz (vergl. §. 82). Originell ist der Ausdruck Herzogliche Staatsgewalt“ in dem Altenburgschen Grundgesetz. §. 38. Missverständnissen ausgesetzt ist die Redeweise des Meiningenschen Grundgesetzes §. 105: „Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate und dem Landesherrn aus“.

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nicht mehr politisches Recht zur Geltung bringen, als dem Staate eignet, und er muss dasselbe so verwirklichen, wie es dem Staate zusteht (constitutionelle Monarchie). Dahingegen kann auch kein Atom dieses Rechtes sich anders als durch die Person des Monarchen lebendig und mächtig erweisen. Der Monarch ist nicht ein Symbol der Staatsgewalt, sondern das eine Glied, welches in dem Organismus des Staates besteht und an dem Leben desselben wesentlichsten Antheil nimmt.")

§. 336.

Die fürstliche Souverainetät ist der Inbegriff aller derjenigen Rechte und Rechtsverhältnisse, welche der Monarch als das politische Subject, als der persönliche Repraesentant der Staatsgewalt besitzt. Diese Rechte des Monarchen sind nicht die arithmetische Summe einzelner Rechte und Befugnisse, sondern die einem einheitlichen Prinzipe, der Staatsidee oder dem Zwecke des Staates, entströmende Fülle, deren Mannichfaltigkeit nicht die wesentliche Einheit des Ganzen aufhebt, sondern nur den Reichthum des ethischen wie materiellen Werthes der endlichen Bestimmung des Staatswesens darthut. Das ganze ungetheilte Recht der Staatsgewalt beruht in

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3) Das Gegentheil zu behaupten, war das Vorspiel der französischen Revolution. Gestützt auf die Rousseausche Theorie von dem contrat social und der Souverainetät des Volkes und auf seine Lehre von der (organischen) Sonderung der herrschenden und der regirenden Gewalt im Staate zogen die dialectischen Vorläufer und Propheten dieser Katastrophe die Consequenz solcher Prinzipien in dem Wahne, Frankreich mit dem Ideale der constitutionellen Idee zu beglücken. Das Prinzip und dessen praktische Bedeutung charakterisirt sehr deutlich Thiers, Histoire de la révolution française T. I. p. 97: „La nation veut, le roi fait; les esprits ne sortaient pas de ces éléments simples, et ils croyaint vouloir la monarchie, parce qu'ils laissaient un roi comme exécuteur des volontés nationales. La monarchie réelle, telle qu'elle existe même dans les états libres, et la domination d'un seul, à laquelle on met des bornes au moyen du concours national. Mais dès l'instant que la nation peut ordonner tout ce qu'elle veut, sans que le roi puisse s'y opposer, par le veto, le roi n'est plus qu'un magistrat. C'est alors la république avec un seul consul au lieu de plusieurs." Vgl. auch die ferner bei Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht Th. I. S. 434 Note 1 abgedruckten Stellen aus Rousseau, contrat social, und aus einer Rede Mirabeau's vom 1. September 1789. Die schamloseste Verspottung der fürstlichen Souverainetät wagte Mirabeau in dem Essai sur le despotisme: „Vous (les princes) êtes les salariés de vos sujets, et vous devez subire les conditions auxquelles vous est accordé ce salair sous peine de le perdre." Einmal so gelehrt, konnte die französische Nation eine Achtung vor dem Throne ihres" Königs nicht mehr haben. Durch die Souverainesirung des „Volkes“ und die Apotheose der Massen entsittlichte die Philosophie die Nation und verwirrte ihre elementarsten Begriffe und Wünsche. Das Volk bestieg den blutbefleckten Thron, aber man darf fast sagen in dem Haupte des unglück

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lichen Königs enthauptete sich die Nation im Schauder erregenden Spiele trunkenen Uebermuths und gottlosen Selbstvergessens. Auch die Hegelsche Philosophie wollte nur von einem sehr losen und äusserlichen Connexe des persönlichen Fürsten und des Staates wissen, jenen nur als das „Letzte, was das Abwägen der Gründe und Gegengründe, zwischen denen sich immer herüber- und hinüberschwanken lässt, abbricht und sie durch das: Ich will, beschliesst", betrachten.

Grotefend, Staatsrecht.

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