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harrlichen Missbrauchs der Druckbefugniss. Obwohl auch durch die Darstellungen der Kunst Recht und Sitte im Staate verletzt und die Ordnung gefährdet werden kann, so ist doch aus inneren Gründen das Schutzrecht der Staatsgewalt nur auf die Ueberwachung des Gebrauchs der Presse zum Buch- oder Steindruck beschränkt, und ist der Künstler dem Schriftsteller gleichgestellt.') Dass indess dieser Bundesbeschluss in allen Bundesstaaten zur gesetzlichen Norm erhoben worden, kann nicht behauptet werden.

VI. Besondere Arten des Polizeirechts.

1. Polizei-Strafgewalt.

§. 224.

In dem Begriffe der Polizeigewalt ist auch der der Polizei-Strafgewalt enthalten.) Die Uebertretungen der polizeilichen Gebote oder

1) Die staatlichen Prohibitiv-Massregeln beschränkt der Bundesbeschluss vom 6. Juli 1854 §. 2 auf das Gewerbe eines Buch- oder Steindruckers, Buch- oder Kunsthändlers, Antiquars, Inhabers einer Leihbibliothek oder eines Lesecabinets und Verkäufers von Zeitungen, Flugschriften und bildlichen Darstellungen.

2) Ob der Polizeigewalt ein Strafrecht eigene, ist in der Theorie controvertirt worden und zeigt sich die Verschiedenheit der Ansichten hierüber auch in der Gesetzgebung der deutschen Staaten. Während z. B. im Königreich Hannover auf die Ausübung des Polizeistrafrechts durch die Verwaltungsbehörden in jüngster Zeit ein besonderes Gewicht gelegt und die Bestrafung der Polizeivergehen zu einem grossen Theile von den Gerichten auf die Verwaltungs- d. h. Polizeibehörden übertragen worden, sanctionirte das Schwarzburg-Sondershausensche Verfassungsgesetz von 1849 im §. 169 ausdrücklich: „Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu;" ebenso das Waldecksche Verfassungsgesetz §. 81, und die Hamburgische Verfassung von 1860 Art. 96 Abs. 2. Vergl. auch das Reichsverfassungsgesetz vom 28. März 1849 §. 181: „Der Polizei steht keine Straf

gewalt zu."

Diese Controverse ist indess von der Theorie falsch aufgefasst. Denn in dem Polizeirecht des Staates liegt unbedingt auch die Befugniss der Polizeistrafgewalt. Indess kann der Streit sich darum drehen, ob die Polizeistrafgewalt durch die richterlichen oder durch die Polizei-Organe gehandhabt werden soll. Dies ist eine Frage der Strafrechts-Politik, trifft aber nicht unmittelbar ein staatsrechtliches Prinzip. Hier muss die Zweckmässigkeit der Zuweisung der Polizeistrafgewalt an die eine oder andere Kategorie der Staatsbehörden entscheiden, und kann diese sehr wohl in verschiedenen Staaten Verschiedenes empfehlen. Dabei ist indess nie zu übersehen, dass auch die Ahndung der Polizeivergehen eine richterliche Function ist, mag sie von den Gerichten oder von den Polizeibehörden des Staates verwaltet werden. Vergl. Zachariä, Deutsches Staatsrecht Th. II. S. 286 ff., welcher der Polizeigewalt eine jede Strafgerichtsbarkeit abspricht; dagegen aber Stahl, Rechts- und Staatslehre, Abtheil. II. §. 167. Den Stand der Theorie und der Gesetzgebung schildert ausführlicher Köstlin, System des deutschen Strafrechts, Abtheil. I. S. 19 ff. Im Königreich Preussen steht den Polizei-Verwaltungsbehörden ein Strafrecht hinsichtlich der ihr Ressort berührenden „Uebertretungen“ (im Sinne des Strafgesetzbuches §. 1 verb. mit Einführungsgesetz Art. VIII.), jedoch

Verbote sind Handlungen, welche durch Strafen redressirt oder auch verhindert werden müssen. Analog der auf dem Rechtsgebiete dem Staate eignenden Strafgewalt, deren Gegenstand das Verbrechen als die Verletzung der absoluten Rechtsordnung ist, hat derselbe auch auf dem Gebiete der Sicherheit und zum Schutze der äusseren Ordnung im Staate eine Strafgewalt, welche sich gegen die Vergehen als die Uebertretungen der polizeilichen Anordnungen richtet. Den Begriff, das Wesen und die strafrechtliche Behandlung des Vergehens bestimmt nicht der Rechtszweck, sondern der Sicherheits- und Wohlfahrtszweck des Staates, indem alle diejenigen Handlungen unter den Begriff der polizeilichen Vergehen fallen, welche ohne selbst die absolute Rechtsordnung zu verletzen doch aus subjectiven und objectiven Gründen zu solchen Verletzungen der Rechtsordnung führen können. Der Begriff der Vergehen" ist also ein durchaus selbständiger und hat mit dem der Verbrechen keine innere Gemeinschaft.') Für die Praxis des Staatslebens bedarf es aber der gesetzlichen Festsetzung der concreten Begriffe des Vergehens, der Erklärung durch den Staat, welche Handlungen und welches Verhalten derselbe als Polizeivergehen strafen will, da auch auf dem polizeirechtlichen Gebiete der allgemeine Grundsatz nulla poena sine lege gilt. Die Zahl dieser positiv - rechtlich normirten Vergehen bestimmt sich nach den concreten Verhältnissen der Staaten und namentlich auch nach dem gesammten Culturstande ihrer Bevölkerung. Unter dem Einflusse dieser Verhältnisse sind die positivrechtlichen Fixirungen des objectiv gegebenen Prinzipes der Vergehen auch in den deutschen Staaten zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen.")

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dürfen sie nur auf Gefängnissstrafe bis zu 3 Tagen oder auf Geldbusse bis 5 Thaler erkennen. Dabei steht aber dein Condemnaten das Recht innerhalb zehntägiger Frist auf die strafgerichtliche Entscheidung zu provociren zu, und erlischt damit das administrative Polizeiverfahren gänzlich. Im Uebrigen giebt es eine Strafgewalt der Polizeibehörden im Königreiche Preussen nicht.

1) Die Wissenschaft hat sich lange abgemüht, über das Wesen und den Begriff der Polizeivergehen klar zu werden. Dann sollten sie nur quantitative Abschwächungen des Verbrechens sein, dann in dem Begriffe der Verbrechen aufgehen, und Andere dachten noch anders über den Begriff der Polizeiübertretungen. Vergl. die literargeschichtliche Nachweisung bei Köstlin, System des deutschen Strafrechts S. 19 No. 3. Der Hauptgrund des Streites und der Schwierigkeit, ihn zu lösen war die Rücksichtnahme auf die praktische Behandlung der Polizeivergehen, namentlich auf der einen Seite die Besorgniss, dass die Polizeigewalt in das Rechtsgebiet hineingreife und die Rechtsgewalt des Staates corrumpire, auf der anderen Seite der Widerwille gegen eine Suprematie der Gerichte in dem öffentlichen Leben. Vergl. auch oben §. 91.

2) Man denke an die in den s. g. Ausnahmsgesetzen des deutschen Bundes enthaltenen Polizei-Vorschriften, an die vor 1848 üblichen Verbote, Schnurrbärte zu tragen, auf öffentlichen Strassen zu rauchen u. dergl. m. Nicht selten lächelt schon die nächste Generation über Polizeigesetze, unter deren Herrschaft die Eltern leben mussten. Die Polizeigesetz

§. 225.

Aus der Selbstelligkeit und der Besonderheit des Begriffes der Polizeivergehen folgt auch die besondere Behandlung derselben in der Praxis des öffentlichen Lebens. Wie sie lediglich als die Gefährdungen der äusseren Zustände im Staate von diesem geahndet werden sollen, so tritt auch die Beziehung der das Vergehen consumirenden That zu dem Willen ihres subjectiven Urhebers weiter zurück und ist die polizeirechtliche Schuldbarkeit eine ganz andere als die strafrechtliche.') Der Staat hält sich als Polizeistrafgewalt an das Factum des polizeiwidrigen Zustandes oder Verhaltens, ohne nach dem dolosen oder culposen Verschulden desselben weiter zu fragen, als die Strafzumessung dieses fordert. Ebenso ist auch die Wahl der Strafmittel durch den Charakter der damit zu ahndenden Vergehen beeinflusst. Sind alle schweren und entehrenden Strafen überhaupt von dem Gebiete der Polizeistrafgewalt ausgeschlossen, so ist auch das prinzipale Strafmittel die Geldstrafe und tritt in der Regel eine Freiheitsstrafe nur im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Delinquenten als Substitutionsstrafe ein. Auch ist das Strafmass in dem Polizeistrafrechte ein geringeres, indem diese Strafe ihren Zweck nicht in der Aufhebung eines rechtsverletzenden Zustandes oder in der Rehabilitirung der absoluten Rechtsordnung, sondern allein darin hat, dass der Delinquent für das polizeiwidrige Verhalten bestraft und dem Staate eine bessere Garantie für die unverbrüchliche Aufrechthaltung seiner im Interesse des öffentlichen Wohles gegebenen Polizeivorschriften gegeben werde. Die Polizeistrafen sind eben vorwiegend nur Ordnungsstrafen.

2. Gerichtliche Polizei.
§. 226.

Ungeachtet der prinzipiell bestimmten Trennung der Polizeigewalt des Staates von seiner Strafgewalt berühren sich doch beide in ihrer concreten Bethätigung auch abgesehen davon, dass die von der Polizei abzuwehrende Handlung auch als rechtswidrige Verletzung der Rechtsordnung ein Verbrechen consumiren kann, insofern als die Polizei auch den Beruf hat, der Strafgewalt des Staates hülfreiche Hand zu leisten. An der Bestrafung des Verbrechens als der Restauration der verletzten Rechtsordnung hat nun die Polizeigewalt niemals Theil zu nehmen, allein als diejenige Gewalt des Staates, welche sich vorwiegend mit den äusseren Zuständen im Staate und ihrer Ueberwachung zu beschäftigen hat, und besonders die zur Ausübung auch der criminalrechtlichen Gewalt erforderlichen physischen Mittel

gebung ist gewissermassen der Barometer der Regirungssysteme und in gewisser Hinsicht überhaupt der öffentlichen Meinung.

1) Vergl. oben §. 97 ff. Grotefend, Staatsrecht.

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besitzt, liegt es in ihrem Beruf, die Strafgewalt bei der Ermittlung des criminellen Thatbestandes und seines Urhebers sowie bei der Verfolgung, Sistirung und Ueberführung dieses zu unterstützen.') Indess hat die polizeiliche Aufgabe auch hier dem Wesen der Polizeigewalt stets zu entsprechen und sich also nicht über das Bereich der äusseren Thatsächlichkeiten hinaus zu erstrecken. Vor Allem tritt dieses bei der polizeilichen Mitwirkung bei der Ueberführung des Verbrechers hervor: denn hier darf die Polizeigewalt sich nur die Constatirung der äusseren Beweismomente angelegen sein lassen. Die Polizei leistet hier eben nur der Strafrechtspflege Hülfe (Hülfs- oder Criminalpolizei).)

§. 227.

Das Institut der gerichtlichen Polizei ist in Deutschland nur da ausgebildet, wo das französische Recht sich Geltung verschaffen und erhalten konnte. So ist dasselbe auch in dem Königreich Preussen nur in dem Bezirke des Appellationsgerichtes zu Köln wirklich systematisch gestaltet, so dass sowohl die Grenzen der Zuständigkeit der gerichtlichen Polizei, als auch die Organe ihrer Ausübung und die Formen ihrer Bethätigung im Wege der Gesetzgebung geordnet sind. Mit dem Berufe, die Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen zu untersuchen, die Beweise zu sammeln und die Urheber den Gerichten zu überliefern, ist danach die gerichtliche Polizei unbeschadet ihres polizeilichen oder administrativen Charakters zugleich ein Organ der Justizverwaltung und steht unter dem höheren Gerichtshofe. So ist das Appellationsgericht auch befugt, die Functionen der gerichtlichen Polizei gewissermassen selbst wahrzunehmen oder die Organe derselben von Amtswegen zum Thätigwerden zu veranlassen. Die besondere Bedeutung der gerichtlichen Polizei praecisirt aber das Rheinische Strafprocessrecht zum Unterschiede derselben von jeder anderen Art der Polizei dahin,

1) In Frankreich wurde zuerst diese Function der Polizeigewalt als police judiciaire von der police administrative unterschieden. Die Ansichten der Doctrin über die Grenze zwischen der polizeilichen und der strafrichterlichen Thätigkeit sind noch sehr verschieden. Ebenso ist auch die Gesetzgebung und Praxis der deutschen Staaten noch keineswegs eine constante und gleichmässige. Vergl. Medicus im BraterBluntschlischen Staatswörterbuche s. v. „Gerichtliche Polizei.“

2) Dieser Richtung der Polizeigewalt gedenkt nur die Braunschweigsche Neue Landschaftsordnung §. 194, von den richtigen Prinzipien ausgehend: „Die Polizeigewalt, selbständig in ihrem Wirkungskreise, leistet zugleich der richterlichen Beistand bei der Sicherung der Rechte der Landeseinwohner und der Vollziehung der Rechtssprüche. Bei Vergehungen verfolgt auch sie den Thäter, und wirkt mit zur Ermittlung des Thatbestandes. Sie richtet nie über die That." Vergl. auch den Französischen Code d'instruction criminelle, Art. 8: „La police judiciaire recherche les crimes, les delits et les contraventions, en ressemble les preuves, et en livre les auteurs aux tribunaux chargés de punir." Diese Prinzipien zeigen sich bei der Behördenorganisation besonders wichtig. Vergl. Zachariä, Deutsches Staatsrecht Th. II. S. 288 ff.

dass jene den Thatbestand constatirt und vollständigen Beweis der Schuld liefert, also die Existenz eines strafbaren Thatbestandes voraussetzen muss, während die administrative Polizei nur möglichen oder drohenden Rechtswidrigkeiten vorzubeugen hat.')

3. Das polizeiliche Nothrecht.

§. 228.

Einen besonders weiten und wichtigen Inhalt erhält das Recht der politischen Polizei im Falle thatsächlicher innerer Gefährdung des Staatsbestandes, sei es des Staates im Ganzen sei es einzelner Theile desselben, wenn zu der Beseitigung dieser Gefahr die gewöhnlichen Mittel der Polizeigewalt nicht genügen d. h. wenn der Staat in Noth ist. Hier steigert sich auch das Polizeirecht des Staates zu einem ausserordentlichen, eben zu einem Noth recht. Die einzelnen Fälle, in welchen der Staat von diesem seinen Nothrecht Gebrauch zu machen hat, sind so wenig wie die Art und Weise, wie, und die Mittel, durch welche die Noth zu überwinden ist, in allgemein gültigen Regeln anzugeben.") Die Art der Gefahr muss das Mittel ihrer Abwehr bestimmen und ist das allgemeine staatsrechtliche Prinzip nur, dass der Staat die Rechts- und Freiheitssphäre der Privatpersonen nicht tiefer und nicht länger verletzen darf, als die Noth des Staates dieses dringend erfordert, Immer wird es sich um eine Beschränkung der persönlichen Freiheit und des privaten Rechtes handeln und nur die Art und das Mass derselben in den verschiedenen Nothfällen verschieden sein müssen. Das Prinzip muss eben sein, dass der Staat nur dann und nur insoweit die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre ver

1) Vergl. Rheinische Strafprocess-Ordnung Buch I., besonders Art. 8. 9. 27. 279; von Rönne, Preussisches Staatsrecht Bd. II. Abth. 2 §. 332.

=) Nie begründet die allgemeine Rücksicht auf das „öffentliche Wohl" dieses Nothrecht des Staates. Mag dieses Etwas auch noch so wünschenswerth und nothwendig erscheinen lassen, so legitimirt dasselbe doch niemals die Staatsgewalt die Schranken ihrer Zuständigkeit zu überschreiten. Solches vermag nur ein wirklicher und dringender politischer Nothstand im Staate. Vergl. Zachariä, Deutsches Staatsrecht Th. II. §. 152; Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht Th. I. S. 108. Es findet sich auch wohl das s. g. Expropriationsrecht des Staates unter der Rubrik seines Nothrechtes behandelt, indess ohne alle Berechtigung. Das Expropriationsrecht ist ein nothwendiges Recht, aber kein Nothrecht der Staatsgewalt und jenes in keinem anderen Sinne, wie es das Besteuerungsrecht oder sonst ein regelmässiges Recht des Staates ist. Denn wenn der Staat eine Eisenbahn im öffentlichen Interesse bauen will und muss und zu dem Zwecke die Abtretung von Privateigenthum fordert, so ist diese seine Forderung eine nothwendige und deshalb berechtigte, allein ihre Nichterfüllung würde den Staat noch nicht in Gefahr bringen und ihm noch nicht die Entfaltung seines eigenen Lebens unmöglich machen. Der Begriff des „Nothrechtes" des Staates hat mit dem seines Expropriationsrechtes" Nichts gemein. Vergl. unten §. 248.

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