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Ich werd's nimmer los ich hab die Fränz gemordet!"

Da hielt er inne. Ein jäher Ausruf des Priesters. Davor war er erschrocken; dann fügte er schnell hinzu:

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„Wir wissen es ja, wir beide ganz allein. Wir können ja ruhig davon reden; sind doch hier nicht im Beichtstuhl.“

,,Eben deswegen! Dort war mein Dort war mein Mund verschlossen, und ein Sakrilegium | hätte ich begangen, würde ich als Priester etwas anderes gethan haben, als dich zur Reue über deine Unthat zu bringen! Da du mir aber hier hier unter freiem Himmel, außerhalb der heiligen Stätte das Geständnis wiederholt hast, so rufe ich dir zu: Mörder! Und alle ringsum sollen es hören: Mörder du! Hier übergebe ich einen Mörder der weltlichen Gerechtigkeit!"

Es möchte schwer sein, berichtete Frau Sonnreder, den Zustand zu beschreiben, in welchem der Pfarrer damals zu uns zurückkam und den Vorgang, so wie er hier geschildert ist, uns erzählte — von seiner Bewegung an, wie er dem Missethäter, den er für immer der göttlichen und weltlichen Gerechtigkeit entlaufen glaubte, sich plößlich gegenüber sah, von seinem Entschlusse, ihn hier außerhalb des Beicht stuhles zu einem Geständnis zu bringen und so die Sühnung seiner Blutthat zu veranlassen, von der Angst endlich, die ihn zulezt erfaßt hatte, als der Verbrecher, bereits nahe daran, die That zu bekennen, sich wieder seinen Händen zu entringen suchte, um wieder davonzugehen, wie damals, als er vom Beicht stuhl geflohen war. ,,Der Augstschweiß brach bei mir aus ich fieberte," berich tete der Priester, „die Menge war auf

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meinen Anruf aus der Kirche geströmt, der Mörder konnte nicht entrinnen, die Erregung des Volkes war auf das höchste gestiegen, denn alle hatten meinen dreimaligen Anruf auf den Mörder gehört. Die Gendarmen, die in der Nähe waren, bemächtigten sich des Schuldigen. Aber dann war es mir, als müßte ich zusammenbrechen. Wie ich nach Hause gekommen bin, wüßte ich nicht zu sagen.“

Es folgte nun der Prozeß gegen den Angeschuldigten. Dieser bekannte seine That offen. Die öffentliche Verhandlung bot eine Gelegenheit, die Staatsbehörde auf den Priester, dessen mannhaftes. Vorgehen und richtiges Handeln aufmerksam zu machen, und nicht wenig möchte gerade dieses Ereignis seines Lebens zu seiner Erhebung zum Bischof beigetragen haben. Florentin wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Auf ihn bezog sich das, was der Bischof da mals bei seinem Besuche zum Abschied an Frau Sonnreder mitteilte. Er erhält alle Vierteljahre von dem Jugendgenossen als Büßendem einen Brief. Dieser sühnt seine Blutthat durch die Thaten eines reuigen Herzens. Er erfüllt darin den Gedanken der Beichte, wie ihn der Priester einst erfüllt hatte im Beichtstuhl.

So weit die Mitteilungen in den Blät tern der Frau Sonnreder. Vor dem Drucke sandte ich ihr die vorhergehende Darstellung und erhielt das Manuskript mit dem Bemerken zurück, daß alles so treu und wahr wiedergegeben sei, wie es sich zugetragen habe.

,,Das Versprochene folgt bei," sezte sie hinzu. „Auf Wiedersehen nächsten Sommer in der Glocknerhütte!"

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wischen Toskana und dem römi- | Kunstgeschichte einen der ersten Pläge einschen Gebiete liegt ein Stücknahm. Hier bekämpften sich die beiden Landes, das in Boden- und Triumvirn Lucius Antonius und Octavianus Augustus so lange, bis ein Bürger der Stadt (C. Certius) in der Verzweiflung sein Haus in Brand steckte und ganz Perusia in Asche legte. Hier erbaute Augustus seine neue und bald neu erblühte Augusta Perusia, hier hauste Totila, der Gotenkönig, und von hier regierten im dreizehnten Jahrhundert vier Päpste das christliche Europa; hier war es, wo Philipp von Frankreich die Wahl Clemens' V. und die Verlegung des päpstlichen Stuhles nach Avignon durchseßte, hier endlich entwickelte sich im fünfzehnten Jahrhundert die Blütezeit der berühmten umbrischen Malerschule. Was Gentile da Fabbriano aus Gubbio, Piero della Francesca, Niccolo Alumno aus Foligno und Benedetto Buonfigli vorbereitet hatten, das gelangte hier, in der Schule Pietro Vanuccis, genannt Perugino, zur höchsten Vollendung, zu einer Vollendung so hohen Grades, daß man zu sagen pflegte: wer Raphael werden wollte, mußte erst Perugino sein.

Volksentwickelung schon im Altertum wie im Mittelalter von den Nachbargebieten seltsam abstach: es ist das Land der alten etruskischen „Zwölfstädte", die heutige Provinz Umbrien, eine mehr als zehn Stunden lange Thalfläche, reich an Ätern und Gärten, in deren Mitte der Clitumnus und der Torpius malerisch zu jammenfließen, reich an großen und kleinen Hügeln, an deren Hängen Wein und Oli ven herrlich gedeihen. Dort, wo am Ausgange dieses Thales die Ausläufer der nördlichen Apenninenkette sich vor und zusammenschieben, und der Tiber die durch die Höhenzüge eingeengte Ebene in mannigfachen Windungen durchzieht, liegt die Hauptstadt Umbriens, Perugia, auf fruchtbarem Hügel mit weiter Sicht nach allen Seiten, nach den lichtgrünen, von den klaren Wellen des Flusses durchleuchteten Gefilden, nach den dunkelgefärbten, schönlinigen Hügeln und den in blauen Duft gehüllten Bergen. Es ist die schon in vorgeschichtlicher Zeit bestehende Umbrerstadt Perusia, die Sorge und der Ruhm des Q. Fabius Cunctator, der immer wieder gegen die unterjochten Etrusker zu Felde ziehen mußte, die Stadt, die durch Jahrhunderte in Geschichte und

Malerisch wie der Ausblick von Perugia ist auch seine Lage; die Stadt mit ihrer gewaltigen Kathedrale und dem mächtigen Rathause auf dem obersten Gipfel, mit den alten Klostergebäuden auf den grünen

Vorsprüngen des Hügels und mit den Resten der alten hohen Stadtmauer als Trägerin einer mächtigen Terrasse giebt uns ein Bild des blühenden und rings umblühten mittelalterlichen Städtelebens; wer sie durchwandert und auf Schritt und Tritt den Denkmalen ihrer einstigen Pracht und ihres Reichtums begegnet, begreift es, daß sie vor allem den Päpsten als ein Kleinod erschien, um dessen Erwerb sie bald liebäugelten, bald kämpften. Noch jezt hat man in Perugia mehr als anderswo den Eindruck, daß man sich nicht bloß in der einst mächtigen Patricier stadt, sondern auch inmitten der noch heute. für Kunst, Wissenschaft und Lebensgenuß interessierten Patricier befinde. Es scheint uns ganz selbstverständlich, daß auch heute in der gesunden Luft Perugias der alte Volksgeist lebt, daß die Stadt reich an Schulen und Seminarien, daß sie eine nennenswerte Akademie der Kunst, zwei moderne Theater, eine medizinische Akademie und eine der bedeutendsten Universitäten Italiens mit wertvollen Sammlungen besißt, und wir staunen nicht, daß in der Stadt, in welcher das erste Leihhaus Italiens (1462 unter Pius II.) gegründet ward, National- und Volksbank große, zweckentsprechende Gebäude haben.

Wir freuen uns, wenn wir (wie dazu gehörig) Sonntags nach der Kirche mit den Peruginern zwischen dem alten Plaz mit der Kathedrale und der neuen Piazza Vittorio Emmanuele am alten Rathaus und anderen historischen Zeugen Jahrhunderte alter Macht vorbeiflanieren und der Statue Julius' III., welcher der Stadt die vom Papst Paul III. geraubten Rechte reichlich zurückerstattete, unsere Reverenz erweisen. Diese Männer in der halb städtischen, halb bäuerischen Tracht, echte städtische Landbesizer, und diese Damen, von denen man rühmt, „daß sie erst weinen, wenn die Römerin schon tobt", mit ihren freundlichen Augen und den schwarzen Schleiern sind die echten Nachkommen ihrer Vorfahren: schwärmerisch, aber nicht tief; heiter, aber nicht ausgelassen; empfänglich für die Freuden des Lebens und die

Schönheiten der Natur und darum stets zufrieden in dem kleinen Kreise ihrer Lebensgewohnheiten. Wem wie in Umbrien die Erde so licht und freundlich ist, der hat's nicht nötig, sich ein Paradies des Herzens zu schaffen; er hängt tro aller metaphysischen Bedürfnisse am Rea= len; er wählt sich zum Heiligen den San Francesco von Assisi, welcher in seiner Jugend ein fröhlicher Lebemann war, weil er vermutlich keinen Heiligen findet, der's nicht gewesen, und verehrt ihn mit Pomp und Pracht, weil diese ihm seines Heiligen würdige Verehrung scheinen.

Aber nun genug von den Peruginern und mehr von Perugia! Wir steigen mit dem vom Grafen Rossi Scotti verfaßten kurzen Wegweiser durch Perugia zur eleganten Promenade, dem Corso, hinan. Hier auf dem Höhenpunkte der Stadt liegen am Ende des Corso und gleichzeitig auf dem Domplaß der prächtige Palazzo Pubblico und die gewaltige „,,Cate= drale di S. Lorenzo“, zwischen beiden der hohe, dreischalige Brunnen Fonte maggiore und an der Nordseite des Doms die Bronzestatue Papst Julius' III.

Das Rathaus, dessen verschiedene Seiten verschiedenen Jahrhunderten (dreizehntes bis fünfzehntes Jahrhundert) angehören, ist wie in anderen hervorragenden Städten Italiens, so auch hier ein ewiges Zeugnis einstiger höchster Städteblüte und mit aller Kunst und Pracht im Stile italienischer Gotik erbaut. Man nennt als die ersten Baumeister dieses Stadthauses zwei Peruginer, Giacomo di Servadio und Giovanello di Benvenuto. Unwillkürlich mahnt uns die Anlage wie auch manches Detail an den ungefähr um dieselbe Zeit entstandenen Dogenpalast in Venedig, es hat mit diesem entschieden größere Ähnlichkeit als mit den alten Rathäusern von Siena und Florenz, wenngleich auch diese der Blütezeit der italienischen Gotik entstammten. Es darf uns das nicht wunder nehmen, da wohl zwischen umbrischen und lombardischen Architekten im dreizehnten und den folgenden Jahrhunterten lebhafter Verkehr

geherrscht hat; arbeiteten doch auch an der Fonte maggiore der Venetianer Boninsegna um 1277 und an dem Glockenturm von S. Domino der Lombarde Gasperino di Antonio (1490). Die dem Dom zugewandte Seite des Palastes trägt die gewaltigen Wappentiere Perugias und der Welfen, den Greif und den Löwen, einst der Schmuck des schon 1308 abgetragenen Brunnens (des Meister Ugolino), unter ihnen eine Portaltrophäe zum Zeichen der Macht Perugias, der es gelungen, Siena zu besiegen (1358). Die weitaus edlere Fassade des Baues aber ist gegen den Corso gekehrt; leider wurden hier aus praktischen Rücksichten manche mit gotischem Zierat reich geschmückte Öffnungen unbarmherzig zugemauert, doch geben die noch erhaltenen achtzehn Fenster des ersten Stockwerks mit ihren Säulchen und ihrem Blätterwerk Zeugnis von der einstigen Harmonie des Ganzen. Von ganz besonderer Schönheit ist das Portal mit seinem herrlich geschwungenen Rundbogen und den vollendetsten gotischen Ornamenten, die in einzelnen Teilen an die Kunst der Antike erinnern. Dicht neben dem Rathaus, im Erdgeschoß eines kleinen Gebäudes, befindet sich einer der merkwürdigsten Säle. Es ist der sogenannte Cambio, das Amtslokal des alten Bankkollegiums, in welchem über die Streitfragen der Handelsbörse von dem patricijchen Bürgerkollegium Recht ge= sprochen wurde. Man hatte die nackten Bände dem Handelskollegium übergeben, dieses aber faßte etwa acht Jahre später den Entschluß, dieselben von Perugias ersten Meistern mit farbenprächtigen Gemälden ausschmücken zu lassen. Auf einem Pilaster der rechteckigen Halle findet sich das Jahr 1500 als jenes angegeben, in welchem Pietro Perugino die Fresten für den Gerichtssaal ausführte. Der damals berühmte Professor der Rhetorik, Maturanzio, der Sekretär der Decemvirn von Perugia, schrieb dem Künstler die Wahl der Stoffe vor und verfaßte auch die unter den Gemälden angebrachten Sprüche. Jede der Wände ist in zwei

Teile, in eine Rundbogen - Lünette und in ein rechteckiges Feld unter derselben, geteilt; während in der ersten, meist in Wolken schwebend, symbolische Gestalten wie die Gerechtigkeit, Einsicht, Stärke oder Gott Vater (als Triumph der Religion) erscheinen, wandeln unter diesen einzelne hervorragende Repräsentanten der erwähnten Tugenden auf irdischem Boden. Dieser nur ideelle Zusammenhang der im Bilde nebeneinander gestellten Figuren schwächt, troß der oft bezau= bernden Schönheit derselben, ihre Wirkung bedeutend ab. All diese lieblichen Gestalten mit dem oft innigen Gesichtsausdruck stehen wie kalte Egoisten da und vermögen uns troß aller Farbenglut nicht zu erwärmen, auch fehlt den einzelnen Persönlichkeiten jede historische Charakteristik, und unwillkürlich beschleicht uns das unheimliche Gefühl, ob nicht Peruginos Darstellung der Empfindung allmählich bloß ein Resultat außerordentlicher technischer Fertigkeit geworden sei. Nirgendwo wird uns wie im Cambio klar, daß Raphael seinem Meister wenig mehr als die technischen Vorzüge seiner Kunst diese aber in reichem Maße. verdankte. Man hat oft behauptet, der Cambio sei für Peruginos Ruhm, was die Stanzen für den des Raphael. Ich glaube, man konnte dem umbrischen Meister kaum Schlimmeres anthun als diesen Vergleich. Während uns die Stanzen Raphael auf dem Gipfel seiner Schöpferkraft zeigen, tritt uns im Cambio Perugino bereits auf dem Abstieg zur trockenen Manier entgegen. Selbst aus den Zügen seines trefflich gemalten Selbstporträts blickt uns mehr der selbstgefällige Decemvir Perugias von 1501 als der liebenswürdige Künst ler der früheren Epoche entgegen. Man erinnert sich unwillkürlich der Worte, die Dante (im Purgatorio) von dem um brischen Maler Oderisi spricht: „Du übst die Kunst, die in Paris,Illuminierkunst“ heißt und deren Bilder lächeln." Troß alledem kann man nicht leugnen, daß diese Sala della Udienza und die dazu gehörige, von Giacomo Manni ausgeschmückte Ca

pella di S. Giovanni architektonisch und dekorativ zu den hervorragendsten Kunst werken gehören; es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie hier die Linien der Decken und Wände, die Bilder in den Feldern und das Schnißwerk des Gestühles ganz selbstverständlich eines ins andere greifen, um ein harmonisches Ganzes in Form und Farbe zu erzielen. Die Kunst, die in diesen Räumen waltet, hat nichts Übermächtiges, das uns (wie Aretino von Michelangelos Werken sagt) erzittern macht vor ihrer Größe, hier herrscht die Kunst, die das Gemüt erheitert und den Geist beruhigt; wir fühlen uns unterthan der Macht des Richtscheits und des Ebenmaßes, das die Ausschreitung nicht duldet in der Kunst, wie das hier richtende Kollegium sie nicht dulden sollte im Leben des Verkehrs und Handels.

die das Kirchenoberhaupt so oft in ihren Mauern sah, nicht bloß ein steinern Denkmal ihrer weltlichen Größe besigen durfte; sie mußte, wie Florenz und Siena und jede andere Stadt, die auf Ruhm und Ansehn hielt, ein würdig Zeugnis ihres Glaubens geben. Das war für Perugia kein Leichtes, denn die Mittel flossen hier nicht so reichlich, und Bürgerschaft wie Domkapitel, ja selbst die päpstliche Kasse mußten große Opfer bringen, um dem Ehrgeiz einer Domerbauung zu genügen. So kam es, daß dieser erst hundertfünfzig Jahre nach Beginn des Rathausbaues in Angriff genommen wurde. Um so schnel= ler gedieh das Werk, in kaum fünfzig Jahren war der gewaltige gotische Bau vollständig überwölbt. Freilich ist's kein Dom von Florenz oder Siena, auch scheint manch schöner Vorjah, wie die teppich

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